Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Hadrian gibt die neu erworbenen Provinzen Trajans auf. Die Verhältnisse Judäas. Der Sturz des Lusius Quietus.
Rom hatte jetzt einen Kaiser, welcher Trajan, dem »Beßten« der Fürsten, blutsverwandt, aber nicht geistesverwandt war. Im Staat hatte man Hadrian bisher nicht als große Persönlichkeit hervortreten sehen. Die ganze Zeit von Nerva bis zum Ende der Antonine konnte freilich keinen Mann mehr aufweisen, der mit gewaltiger Kraft die Herrschaft errungen hätte, denn der Tron wurde zum Glück des Reichs durch Adoption besetzt, und der Glanz der Kaisermacht verdunkelte jede andre Persönlichkeit. Die politische Laufbahn hatte Hadrian mit Ehren, aber ohne besondern Ruhm durchgemacht. Lorbern, wie sie die Generale Trajans erworben hatten, zierten nicht sein Haupt. Man kannte ihn als einen der geistreichsten Männer Roms, als vornehmen Herrn von feinster Bildung, mit ausgesprochener Neigung für die hellenische Cultur, anscheinend mehr geschaffen, die Welt zu genießen, als sie zu regieren. Welche Charaktereigenschaften dieser »Grieche« auf dem Cäsarentrone entfalten werde, war Niemanden bewußt, aber dies wol offenbar, daß der neue Kaiser nicht der Mann sei, um die Reichsidee Trajans mit dem Schwert in der Hand fortzusetzen. Er wandte sich schon in der ersten Stunde davon ab. Er zeigte, daß er eine andre Richtung nehmen wolle, diejenige nämlich auf die Entwicklung der inneren Blüte des Reichs ohne Kriege und Eroberungen, innerhalb fester, durch die Legionen gedeckter Gränzen, die nicht weiter in das Schrankenlose auszudehnen seien.
In der Natur Hadrians lebte kein Trieb zu kriegerischer Größe. Wenn er die maßlosen Eroberungen seines Vorgängers fortsetzte, so würde er seine eigene Regierung mit unabsehbaren Kriegen begonnen und die schon stark geleerten Schätze des Reichs erschöpft haben, um am Ende den Ruhm doch nur den ehrgeizigen Generalen Trajans zu überlassen. Er entwarf das Programm seiner Friedenspolitik schon in Antiochia. Er verschmähte es, die orientalische Erbschaft seines Vorgängers anzutreten. Die neu erworbenen, aber unhaltbaren Provinzen jenseits des Euphrat beschloß er aufzugeben. Dieser Entschluß, den großen Impulsen Trajans Halt zu gebieten, war an sich von der Lage der Dinge geboten.Diese Notwendigkeit ist von Spartian c. 5 bezeichnet: Hadrian folgte dem Beispiele Catos qui Macedonas liberos pronunciavit, quia tueri non poterant. Denn noch sein Vorgänger hatte es erleben müssen, daß es leichter sei, ferne Länder zu erobern, als sie zu behaupten; er hatte ihren Abfall erfahren, und als Hadrian die Regierung übernahm, befanden sich die Mauren, die Sarmaten, die Briten in Aufruhr, und Palästina, Cyprus und Cyrene mußten beruhigt werden. Trotzdem war die Verzichtleistung Hadrians kühn genug, weil sie unrömisch erscheinen mußte. Sie beleidigte die Kriegspartei, nach deren Ansicht das Reich nur durch Ausdehnung zu einem Weltreich erhalten werden konnte. Sie erbitterte die Generale und Officiere Trajans, welche von der Fortsetzung des Krieges im Orient Ehren und Reichtümer erwarteten, und jetzt die Adler Roms wie Besiegte zum Rückzug sich wenden sahen. Hier hat Hadrian gleich bei seinem Regierungsantritt sich als Mann von selbständigem und besonnenem Geist gezeigt.Dies ist auch das Urteil Ranke's, Weltgesch. III, 285. Die Mißstimmung seiner Gegner aber spiegelt sich noch in den Urteilen späterer römischer Geschichtschreiber ab, welche den Verzicht Hadrians auf die Eroberungen seines Vorgängers dem gemeinen Neide über dessen Größe zugeschrieben haben.Eutrop. VIII, c. 6: qui Traiani gloriae invidens statim provincias tres reliquit, quas Traianus addiderat. Das Chron. Hieron. schreibt darnach Hadrianus Traiani invidens gloriae etc. Dio hat über diese ganze Angelegenheit kein Wort. Fronto (ed. Rom. 1846), Principia Historiae S. 226, sagt nur Hadrianus provincias manu Traiani captas omittere maluit, quam retinere. Indeß hatte nicht schon Augustus es für zweckmäßig erkannt, die Wolfahrt des Reiches nach so vielen kriegerischen Erwerbungen nur im Zusammenhalten seines Besitzstandes zu suchen? Hatte er nicht auf die Provinz Großarmenien freiwillig verzichtet und sie dem Sohne des Artavasdes überlassen?Mon. Ancyr. C. I. L. III, 2, S. 782.
Hadrian machte den Euphrat zur Gränze der römischen Herrschaft in Asien, indem er Armenien, Mesopotamien und Assyrien aufgab, und nach getroffener Uebereinkunft mit den Parthern die Legionen von dort zurückzog. Er anerkannte Kosroes als König Parthiens; den Arsaciden Partamaspates, welcher von Trajan jenem Lande zum Fürsten aufgedrungen, aber von Kosroes bereits vertrieben worden war, entschädigte er durch die Herrschaft über andre Gebiete. Denn den Einfluß Roms hat er doch in jenen Euphratgebieten zu sichern gesucht. Auch jenseits des Stromes scheinen einige Könige die Oberhoheit des Kaisers anerkannt zu haben.Unter den Münzen der mesopotamischen Fürsten Edessas findet sich eine des Abgarus mit dem Kopf Hadrians. Mionnet V, S. 613.
Von allen Erwerbungen Trajans behielt Hadrian nur Arabia Peträa, weil diese neue Provinz wegen ihrer Lage an den Gränzen Syriens und Judäas, am roten Meer und in der Nähe Aegyptens von großer militärischer und commerzieller Bedeutung war.
Der Aufstand der Judenvölker war bereits durch die Generale Trajans in Aegypten und Cyprus erdrückt worden. In Palästina jedoch dauerte die Aufregung fort, und hier schaltete noch mit eiserner Strenge als Statthalter Lusius Quietus. Man hat aus den Talmudisten und dem Buche Judith nachzuweisen gesucht, daß Quietus mit den Rebellen in Judäa wirklich Krieg geführt habe. Denn jenes merkwürdige Buch, die Verherrlichung des Judenvolkes und seines endlichen Sieges über die Feinde Israels, soll, wie man glauben will, aber nicht erweisen kann, in der hadrianischen Zeit entstanden sein. Ninive soll Antiochia, Judith Judäa, Nebukadnezar soll Trajan und Holofernes jenen grausamen Quietus vorstellen.Vollmar behauptet mit Eifer die geschichtlichen Beziehungen des Buches Judith auf den trajan. Judenkrieg und den Sturz des Quietus. Unter dem Polemos Schel Quitos versteht er den Krieg in Judäa. Seine jüdischen Quellen sind Midrasch zur Genesis, Bereschit Rabba c. 64, die Chronik des Seder olam Rabba, welche kurz nach dem Kriege verfaßt sein soll. Ihm ist Grätz gefolgt (Gesch. d. Jud. 1866, IV, 132 und Note IV). Schürer, Lehrbuch der Neutest. Zeitgesch. S. 354. A. Hausrath, Neut. Zeitg. III, 374 f. – S. Derenburg (Essai sur 1'hist. et la géogr. de la Palestine, I. part., S. 402 f.) lehnt den trajanisch-hadrianischen Krieg in Judäa ganz ab, und so auch Renan, Les Evangiles S. 507.
Die ganz unzuverlässigen talmudischen Quellen behaupten nun, daß Quietus Judäa zwar im Kriege bezwungen, aber daß der neue Kaiser seinem Wüten dort Halt geboten habe, worauf erst die Juden die Waffen gestreckt hätten, doch unter der Bedingung, den Tempel wieder aufbauen zu dürfen. Indeß keine Thatsache spricht für die Richtigkeit dieser rabbinischen Fabel, welche ein so großes Zugeständniß dem Kaiser von den Juden sogar mit den Waffen in der Hand abdrängen läßt. Nur die Friedensliebe Hadrians ist unzweifelhaft. Man darf glauben, daß ihn Gesandte auch des Synhedrin in Antiochia aufgesucht haben, um die Klagen und Wünsche ihres Landes ihm vorzutragen. Daß er aber selbst in Person von dort nach Jerusalem gereist sei, ist nicht glaublich, denn weder hatte er Zeit dazu, noch besaß Judäa nach dem Friedensschluß mit den Parthern eine so große politische Wichtigkeit, um Hadrian von allen seinen dringenden Geschäften abzuziehen.Dürr (Die Reisen des Kaisers Hadr. S. 16) will diesen ersten Besuch in Judäa, wie Pagi (Critica in Baron. S. 121), aus einer sehr verworrenen Stelle des Epiphanius (De mensuris c. 14) erweisen. Und doch rechnet er für Hadrians Aufenthalt in Antiochia bis zur Abreise nach Illyricum nur 2½ Monate. Nicht minder unhaltbar ist seine Vermutung, Hadrian habe damals auch Alexandria besucht. Zoega behauptet grundlos eine erste Anwesenheit des Kaisers dort vor 130. Eckhel IV, 41 f.; VI, 489 f. Aus Münzen läßt sich der von Pagi z. J. 119 angesetzte Besuch Hadrians in Alexandria nicht folgern, da sie kein Datum geben.
Den Lusius Quietus aber hat er aus Palästina entfernt. Dio und Spartian haben gerade diesen Günstling Trajans als Gegenstand seines Hasses bezeichnet, und wol darf man glauben, daß der mächtige Mann sich in keinem Falle beeilt haben würde, die Proclamation Hadrians zum Kaiser anzuerkennen. Dieser nahm ihm, wie es scheint in der ersten Stunde seiner Regierung, die Legation Judäas, wie auch das Commando nicht nur über die dortigen römischen Truppen, sondern auch über sein eigenes maurisches Kriegsvolk, welches er mit sich geführt hatte.Spart, c. 5: L. Quietum sublatis gentibus Mauris, quos regebat, quia suspectas imperio fuerat, exarmavit Marcio Turbone Judaeis compressis ad deprimendum tumultum Mauretaniae destinato. post haec Antiochia degressus est ad inspiciendas reliquias Trajani. Er verbannte ihn aus Palästina. Vielleicht schickte er ihn nach Rom, um sich vor dem Senat zu verantworten, da er, wie Spartian sagt, ehrgeiziger Absichten auf den Tron verdächtig war. Nach Mauretanien aber, welches Land damals im Aufstande begriffen war, schickte er als Präfecten den Marcius Turbo, den Besieger der ägyptischen Juden, einen Mann von erprobtem militärischen Pflichtgefühl und unermüdlichem Eifer.Eckhel VI, 498 und andre (Noten zu Dio in der Ausgabe von Sturz VI, 640) glauben irrig, daß Hadrian den Quietus als Regenten nach Mauretanien geschickt habe. Es ist unbekannt, welchem neuen Statthalter Hadrian die Stelle des Quietus in Palästina gegeben hat.Marquardt (R. Staatsr. I², 420) setzt zwischen Quietus und dem späteren Rufus als Legaten Judäas den Q. Pompeius Falco, einen Freund des jung. Plinius. Doch war er dort Legat noch unter Trajan, um 109. Henzen 5451 (mit Restitution Borghesi's IV, 125), Mommsen im Hermes III, 51, und im Ind. nomin. zu Keils Ep. Plin. Borghesi VIII, 365. Waddington, Fastes des Prov. Asiatiques S. 203.
Der Sturz des verhaßten Maurenfürsten, welcher vom Blute Israels triefte, konnte von den Juden, wenn auch irrig, als ein Pfand des Wolwollens des neuen Kaisers aufgefaßt werden, zumal sein unrömischer Rückzug von der Politik Trajans ihre Messiashoffnungen beleben mußte. Sie jubelten; die blutigen Siege des Quietus in Mesopotamien waren nutzlos erfochten worden, denn sie sahen ihre Brüder dort vom Joch des »Tyrannus Trajanus« erlöst, nachdem Hadrian den Besitz jenes Landes aufgegeben hatte. Der Judenwürger selbst war entfernt worden, und bald erfuhren sie sogar seinen schmählichen Tod. Sie setzten ein Fest zum Andenken der Befreiung Israels ein.Jom Trajanus, Volkmar Judith S. 40 f. Daß sie auf Hadrian im Beginne seiner Regierung mit Hoffnung und Sympathie blickten, und von ihm eine bessere Wendung der Geschicke Judäas erwarteten, lehren Stellen der sibyllinischen Bücher, worin der Dichter, vielleicht ein alexandrinischer Jude, den Nachfolger Trajans verherrlicht, den trefflichen Herrscher, der von einem Meer den Namen hat; mit ihm werde ein neues Zeitalter des Glücks für Israel und Jerusalem beginnen.Orac. Sibyll. ed. Alexander V, v. 247–285, 414–434. Grätz IV, 138. Hausrath III, 307 f. Volkmar Judith S. 104 f. Renan (L'église chretienne S. 13) behauptet mit Recht, daß diese Weissagungen noch zur Lebenszeit Hadrians geschrieben sind.
Die Talmudisten behaupten nun, daß Hadrian den Juden wirklich das Versprechen gegeben habe, ihren Tempel als nationales Heiligtum wieder aufbauen zu lassen und die von Titus zerstörte Stadt wiederherzustellen. Die Entstehung dieser Sage unter den Juden ist erklärlich; aber einem römischen Kaiser nach Titus ein solches Versprechen an verachtete Judenrebellen zuzumuten, ist ganz sinnlos, denn dies wäre gleichbedeutend gewesen mit der Anerkennung der jüdischen Nation, welche Rom aus Staatsgründen vernichtet hatte. Derselbe Hadrian hat schließlich den Mittelpunkt des Judentums für ewige Zeiten ausgetilgt, indem er auf den Trümmern Jerusalems die römische Colonie Aelia Capitolina gründete. Den Plan dazu kann sogar schon Trajan gefaßt haben.Ewald, Gesch. des Volkes Israel VII, 361. Wenigstens muß er in Verbindung mit den letzten Rebellionen der Judenvölker des Ostens und im Zusammenhange mit dem Entschlusse Hadrians gedacht werden, die parthischen Eroberungen aufzugeben. Jerusalem war die stärkste aller Festungen Syriens gewesen. Titus hatte sie zerstört, und erst Hadrian hat diese Zerstörung als einen Fehler erkannt. Sobald er die Reichsgränzen hinter den Euphrat zurückzog und von den neuen Provinzen Trajans nur Arabia behielt, mußte er darauf bedacht sein, vom Euphrat bis zum roten Meere feste Plätze zu schaffen, welche Stützen der römischen Kriegsmacht gegen die Parther, die Beduinen Arabiens und die Judenvölker werden, und zugleich als Handelsemporien dienen konnten. Die neue Blüte der Städte Baalbek, Damascus, Palmyra, Bostra, Gerasa und anderer in der Trachonitis und dem transjordanischen Lande schreibt sich in der That von der Zeit Hadrians her. Es ist unnötig darzuthun, wie wichtig hier die Lage Jerusalems war auf der Hochfläche, welche die Pässe zum phönizischen Meer, zum Jordantal, dem Asphaltsee und zu den Karavanenstraßen Arabiens beherrscht. Hadrian also faßte den Plan, Jerusalem als römische Colonie herzustellen, aber erst spät hat er ihn zur Ausführung gebracht.
Von Rom empfing der Kaiser noch in Antiochia Gratulationsschreiben des Senats, welcher ihm nicht nur die Götterehren zum Gedächtniß seines Adoptivvaters, um die er gebeten hatte, bewilligte, sondern auch den parthischen Triumf an Stelle Trajans zuerkannte. Diesen lehnte er ab.Spart, c. 6.
Die Partei der Opposition unter den Aristokraten, welche im Dienste Trajans groß geworden waren, konnte dem neuen Herrscher gefährlich werden. Es schien daher seinen Freunden gut, ihr sofort zu begegnen. Attianus hatte ihm schon in Selinus den Rat gegeben, verdächtige Gegner unschädlich zu machen. Als solche hatte er ihm den Stadtpräfecten Bebius Macer, den Laberius Maximus und Frugi Crassus bezeichnet.Spart, c. 5. Crassus wurde später doch durch einen dienstfertigen Procurator umgebracht. Aber Hadrian zeigte sich edler als seine Anhänger: er ging darauf nicht ein. Zu Präfecten des Prätorium machte er Attianus und Similis, einen der rechtschaffensten Männer seiner Zeit.