Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Neuntes Capitel.

Florus. Suetonius. Geographie. Philologie.

Es waren also wesentlich Griechen, welche die Weltgeschichte und auch die Geschichte Roms schrieben, nachdem diese Aufgabe bis zum zweiten Jahrhundert von den Lateinern geleistet worden war. Diese traten fortan hinter den Griechen zurück. Sie konnten wol auf Tacitus hinweisen, der noch die Regierung Hadrians erlebte, aber mit ihm endete der große nationale Zug in der Geschichtschreibung der Römer; die folgenden Antoren bezeichnen schon den Verfall der historischen Literatur, welche keine Spur einer höheren Auffassung der Weltdinge mehr erkennen läßt.

Zwei lateinische Geschichtschreiber gehören dieser Zeit an, Julius Florus und Sueton. Florus machte einen Auszug der Geschichte Roms nach Livius, welcher sich erhalten hat und im Mittelalter sehr beliebt gewesen ist.J. Flori Epitom. de T. Livio bellor. omnium annor. DXX, Libri duo, ed. O. Jahn 1852, dann Halm 1854. Florus wird bald Julius, bald S. Annäus genannt. Ob er mit dem Dichter P. Annius Florus identisch war, ist ungewiß.

Wichtiger ist C. Suetonius Tranquillus, ein Römer von humanistischer Bildung und vielen Talent, doch ohne schöpferisches Genie. Er war der Sohn eines Ritters, im Jahre 77 geboren, Liebling des jüngeren Plinius, von welchem Briefe an ihn gerichtet sind.I, 18; III, 8; V, 10, worin er ihn auffordert, seine Werke herauszugeben, appellantur quotidie et flagitantur. In den Rhetorschulen Roms hat wol Hadrian diesen seinen Altersgenossen schon in der Jugend kennen gelernt. Als er Kaiser wurde, machte er ihn zu seinem Secretär; aber Sueton verlor sein Amt, weil er sich zu vertraulich der Kaiserin genähert hatte. Seine weiteren Lebensumstände sind unbekannt. Von seinen Schriften grammatischen, kritischen und historischen Inhalts, worin er Varro zum Muster genommen zu haben scheint, sind die meisten verloren gegangen. Er schrieb über die Spiele der Griechen und der Römer, über die Gebräuche der Römer, ein Leben Ciceros, einen Katalog berühmter Römer und anderes.Suidas 934 f.; J. Regent, De C. Suetonii vita et scriptis, 1851; A. Reifferscheid, Suet. Tranquilli praeter Caesarum libros reliquiae, 1860; Gellius IX, 7, S. 472. Teufel (Röm. Literaturgesch.) führt von ihm eine Historia ludicra an.

Seinen Ruhm verdankt Sueton den Biographien der zwölf ersten Kaiser, die er im Jahre 120 verfaßte und seinem Freunde Septicius Clarus widmete, ehe dieser mit ihm zugleich in die Ungnade des Kaisers gefallen war. Der glückliche Gedanke, die Ausbildung der Monarchie des ersten Jahrhunderts biographisch darzustellen, hat ebensoviel als die Dürftigkeit der Literatur über die Kaiserzeit dazu beigetragen, dieser Schrift eine hohe Wichtigkeit zu sichern. Sie ist skizzenhaft, einfach, fließend und angenehm geschrieben, aber den Charakteristiken fehlt künstlerische Einheit und Tiefe der Auffassung. Die Biographien wimmeln von Anekdoten meist scandalöser Art, so daß man den Einfluß des Hofs eines Kaisers darin erkennen kann, welcher die Welt und ihre Größen mit sarkastischer Laune zu behandeln pflegte. Doch stofflicher Reichtum und die Zuverlässigkeit mancher aus Familienarchiven geschöpfter Nachrichten machen das Werk Suetons immer zu einer bedeutenden geschichtlichen Quelle. Dies Kaiserbuch ist ein Denkmal der lateinischen Literatur, worin noch nach Tacitus der nationale Trieb, die Geschichte Roms aus ihrem eigenen Mittelpunkt aufzufassen, sichtbar ist. Vielleicht hat Hadrian selbst das Werk Suetons veranlaßt.

Auch die Geographie konnte aus den Reisen des Kaisers neue Anregungen empfangen; indeß das einzige chorographische Denkmal des hadrianischen Zeitalters ist der Bericht Arrians über die Umschiffung des schwarzen Meers.Bunbury, Hist. of ancient geography II, 510. Die Geographie, ein Product hellenischer Wissenschaft, wurde seit Cäsar aus Zwecken der Reichsverwaltung auch in Rom eifrig gepflegt. Die Riesenwerke des Strabo und Plinius sind die epochemachenden Denkmäler des Studiums der Erdkunde in beiden Weltliteraturen. Dann erhebt sich die Geographie unter den Antoninen, wo das große Straßenverzeichniß des Reichs verfaßt wurde, durch das Genie des Claudius Ptolemäus zur mathematischen Wissenschaft der Erdkunde, zusammen mit der Astronomie und Chronologie. Die Himmelsbeobachtungen der Alten sind durch jenen Alexandriner zu einem System zusammengefaßt worden, welches bis auf Copernikus geherrscht hat. Aehnliches gilt von der medicinischen Wissenschaft, denn der Grieche Claudius Galenus schloß die Erfahrungen des Altertums in ihr ab und beherrschte die wissenschaftliche Anschauung von dreizehn Jahrhunderten. Noch unter der Regierung Hadrians, im Jahre 131, wurde dieser große Mann in Pergamon geboren.

Eine ganz besondere Thätigkeit haben in der hadrianischen Zeit die grammatischen und philologischen Studien entfaltet. Viele Lateiner und noch mehr Griechen sind auf diesem Gebiet als Atticisten, Lexikographen und Etymologen in der Literaturgeschichte verzeichnet; so die Alexandriner Orion, Apollonios Dyskolos, der berühmte Vorgänger des Aelius Herodianus, Hephästion, Nikanor von Cyrene, Aelius Melissus, Heliodorus, Aelius Dionysius aus Halikarnaß, der Pergamener Telephos.Ueber die Grammatiker: Nicolai, Griech. Literaturgesch. II, 316 f.; Gräfenhan, Gesch. der class. Phil., Bd. IV. Unter den lateinischen Philologen glänzten Valerius Pollio, Quintus Terentius Scaurus, der Commentator des Plautus und Virgil, Flavius Casper, Vellejus Celer, Domitius, Cajus Apollinaris Sulpicius, Julius Vestinus und andre. Diese Studien bildeten die Grundlage der Beredsamkeit, welche aus Wissenschaft und Kunst die Summe aller humanen Bildung der römisch-griechischen Welt in sich begriffen hat.


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