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Städte, Municipien, Colonien.
Abgesehen von seiner Einteilung in politische und ethnographische Verwaltungsbezirke stellte sich das Reich als ein System von Städten mit eigener Municipalverfassung dar. Die Selbstverwaltung der Communen hat, so lange sie dauerte, dem römischen Reich einen großartigen bürgerlichen Charakter gegeben und das Glück der damaligen Welt ausgemacht. Noch nach dem Falle Roms konnten die Reste der Gemeindeverfassung die einzigen Bausteine zu neuen staatlichen Ordnungen liefern.
Der hellenische Orient, welcher seit der Eroberung durch die Türken nur noch die Trümmer des Altertums auf wüsten Landstrecken und versumpften Küsten darbietet, war im 2. Jahrhundert mit Städten und Handelsplätzen vom schwarzen bis zum roten Meer bedeckt. Dasselbe gilt vom Norden Africas. Selbst nicht unter den Ptolemäern war Aegypten so reich gewesen. Im Abendlande glänzte durch Städte besonders Spanien; Ptolemäus hat ihrer dort 428 gezählt. Nur das städtereiche Italien vermochte sich seit den Bürgerkriegen nicht mehr ganz zu erholen. Seine Gemeinden konnten nicht mehr mit denen Africas, Galliens und Spaniens wetteifern, und erst lange nach dem Sturz des Römerreichs hat Italien seine glänzende Epoche eines noch auf römischen Einrichtungen erbauten Städtewesens gehabt.Mailand war damals wahrscheinlich die größte Stadt Italiens und blühender als Turin; Hadrian machte sie zur Colonie. Zumpt, Comm. Ep. I, 408. Außerdem war die griech. Stadt Neapel blühend.
Auf dem Municipalsystem ruhte die gesammte Verfassung des Reichs; denn die Gemeindefreiheit war so sehr der politische Begriff des Altertums, daß auch die ganze innere Geschichte dieses Reiches nichts ist als die Entwicklung jenes Begriffs, mit welchem Rom begonnen hatte. Es gab im Reiche die verschiedensten Grade der Gemeindefreiheit, je nach dem geschichtlichen Ursprung der Communen und ihrem rechtlichen Verhältnis, zu Rom selbst; stipendiäre und tributpflichtige Städte ohne jedes Privilegien, andre mit latinischem und italischem Recht, endlich freie, autonome Stadtgemeinden. Diese Unterschiede schwächten das einheitliche Nationalbewußtsein der von Rom beherrschten Länder. Ihr Patriotismus wurde wie in der Vorzeit in die Mauern der Communen zurückgewiesen. Endlich schob sich auch in das städtische System fremder Länder das Municipal- und Colonialrecht Roms ein. So war es den Kaisern leicht, die geschichtlichen Formen des republikanischen Zeitalters der Städte bestehen zu lassen und selbst als die Beschützer ihrer Freiheit zu gelten.
Während die Vasallenstaaten, die Ethnarchen, Tetrarchen und Toparchen überall verschwanden, erhielt sich noch der Begriff freier und sogar mit Rom verbündeter Gemeinden.Eckhel IV, 262. Marquardt, R. St. I², 71 f. Kühn, Städt. Verf. II, 14 f. Sie waren die Reliquien der antiken griechischen Politie, und auch das monarchische Rom achtete ein paar Jahrhunderte lang ihre Selbstverwaltung durch Senat und Volk, ihre Magistrate, ihr Priestertum, ihre Nationalfeste, ihre Wahlversammlungen und communalen Gesetze. Die Duldung der geschichtlichen Rechte freier Gemeinden erscheint als etwas wirklich Großes, wenn auch dies conservative Princip Roms von der Notwendigkeit geboten war. Denn man mußte die eroberten Städte versöhnen und schonen, und indem man ihre Verfassung bestehen ließ, ersparte man sich selbst eine endlose Mühe des Regierens.Arnold, Rom. System of Prov. Admin., S. 22. Manche Freistädte waren in der That nie zuvor im gleichen Besitz ihrer Autonomie gewesen. Sie blieben nach dem Gesetze Cäsars unabhängig von der Militär- und Civilgewalt des Provinzialstatthalters und frei von Besatzung und Einquartirung. Sie hatten das Eigentumsrecht an Grund und Boden und das Münzrecht, welches zumal die Städte des hellenischen Orients nicht verloren. Nur wenn es nötig war, stellten sie Hilfstruppen zu den Legionen Roms. So bevorzugte Städte fanden sich meist nur in den griechischen Culturländern, wie Athen, Ephesus, Cyzikus, Sardes, Antiochia, Laodicea, Byzanz, Troas, Samosata, oder Amisus, Tarsus, Cäsarea, Tripolis und Tyrus in Phönizien, Seleucia und Massilia, Utica, Hadrumetum und fünf andre in Africa. Ehrentitel, wie die der Urbs sacra und Metropolis wurden nicht gespart.Ueber die Metropolen Eckhel IV, 273 f.; Marquardt, R. St. I, 343 f. Je nach der Gunst der Kaiser wurden Privilegien hinzugefügt oder im Fall der Ungnade entzogen, wie dies das Beispiel von Rhodus, Cyzikus, Laodicea und Antiochia beweisen kann.
Im Allgemeinen gab es auch hier die Kehrseite des städtischen Glücks; denn der Bestand der Autonomie hing doch von der Gesinnung des Kaisers ab. Dies zeigt schon der Titel der Libertas, welche je nach den Umständen eine relicta oder concessa, eine adempta oder redempta, oder restituta war.Schon Augustus entzog Städten die Freiheit: urbium quasdam, foederatas – libertate privavit, Sueton Aug. c. 47. In Folge des Verfalles der bürgerlichen Energie und aus Grund finanzieller Verschuldung mußten Freistädte kaiserliche Beamte, Correctoren und Curatoren, zulassen, welche ihre Vermögensverhältnisse und ihre Verfassung regelten und sich Eingriffe in ihre Autonomie erlaubten.Plin., Ep. VIII, 24. Ein von Hadrian bestellter curator reipub. Comensis (Orelli 3898); sogar ein von Hadrian gesetzter Curator der öffentl. Werke in Venusia 4006, der Thermen in Benevent 3264; kaiserliche curatores calendarii publici (Finanzbeamte) in den Municipien (Henzen, Annali d. Inst. 1851, S. 15); von Hadrian in Canusium eingesetzt (Mommsen, I. R. N. n. 1486). In griech. Städten hießen die kais. Aufsichtsbeamten διορθωτής und λογιστής. Marq, R. St. I², 85. Kuhn, städt. Verf. II, 24.
Auch die römischen Colonien waren bevorzugte Gemeinden. Sie bildeten ursprünglich als Ansiedlungen der Veteranen in den eroberten Barbarenländern feste Anhaltspunkte der römischen Macht. Sodann wurden Colonien gegründet, durch welche alte Städte erneuert wurden, oder sie entstanden auf Befehl des Kaisers aus den Eingeborenen selbst. Augustus legte eine Anzahl von Colonien in den verschiedensten Ländern an.Eckhel IV, 467 f. Seine Nachfolger thaten das Gleiche, daher trugen Colonien ihre Namen.Julia, Augusta, Claudia, Flavia, Trajana, Ulpia, Aelia, Hadriana &c., wozu noch oft die Bezeichnung Felix trat. Spanheim, De Praest. et Usu Num. IX, 766 f. Hadrian gründete mehrere neu und verlieh auch manchen alten Städten das Colonialrecht.Ich habe das bei den einzelnen Provinzen bemerkt. Siehe im Ganzen Zumpt, Comm. Ep. I, c. 6. Dieses Recht, welches oft auch Gemeinden gegeben wurde, wohin keine Colonie geführt worden war, sicherte ihnen eine eigene Verfassung mit einem Senat und Communalbeamten (Duumviri und Aedilen). Die Gemeinde durfte Magistrate wählen und Beschlüsse fassen. Als aber unter Tiberius in Rom alle Wahlen an den Senat gekommen waren, fielen sie auch in den Kolonien dem Stadtsenat (Curia) zu. Die Curialen wählten aus ihrer Mitte die Magistratsobrigkeiten.Savigny, Gesch. des röm. Rechts im Mittelalter I, c. 3. In Africa, so bemerkt er, geschah die Wahl nicht, wie in andern Städten, von den Decurionen allein, sondern vom ganzen Volke. Die Stellen im Senat waren erblich und wurden durch Wahl ergänzt. Die Colonien hatten in der Regel das italische Recht und die Civität; sie unterschieden sich daher von den Municipien, deren Gemeindewesen weniger beschränkt war.
Gellius hat den Unterschied der Colonie vom Municipium so bezeichnet, daß dieses sein eigenes Recht besaß und nicht gezwungen war, das römische anzunehmen, wenn es dasselbe nicht freiwillig wählte.Gellius, Noct. Att. XVI, c. 13. Einst hielt Hadrian eine Rede im Senat, worin er diese Verhältnisse auseinandersetzte;Gellius a. a. O. Veranlassung dazu hatten die Municipien Italica und Utica gegeben, welche in das Recht der Colonien einzutreten wünschten. Dagegen hatte Tiberius den Wunsch der Stadt Präneste erfüllt, aus einer Colonie zum Municipium zu werden, um sich die einheimischen Rechte zu bewahren. Im Ganzen war der Stand der Kolonien in der Kaiserzeit der bevorzugte und wünschenswert, weil sie, wie Gellius sagt, Abbilder der Größe Roms waren, und bei weniger Freiheit weniger Verpflichtung hatten. Aber der wahre Zweck des Gesuchs jener beiden Municipien war wol die Erlangung des italischen Rechts, welches den Colonien gegeben wurde.Puchta, Institut. I 8 , § 95, S. 243. Aus ihm floß das quiritarische Eigentum des Bodens (commercium), die Befreiung von der Grundsteuer und die Befugniß eigener Verfassung mit Municipalmagistraten. Die Kolonien zahlten eine Steuer nach römischem Census gleich den Municipien, deren Bewohner zum Unterschiede von den Kolonien nicht von Hause aus römische Bürger waren. Allmälig haben sich diese beiden Arten von Gemeinden ausgeglichen.Ueber die Verhältnisse von Municipien und Colonien im Allgemeinen Arnold S. 216 f.
Auch das jus Latii die Latinität, wurde noch immer nicht nur Magistraten, sondern ganzen Provinzialstädten verliehen, welche dadurch eine Mittelstufe zwischen Peregrinen und römischen Bürgern einnahmen. Hadrian hat vielen Städten die Latinität geschenkt.Spart, c. 21: Latium multis civitatibus dedit.