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Drittes Capitel.

Ein Rundblick.

Vierzehn Tage etwa lebte Hackert in dieser dämmernden Stimmung so fort, ohne ein besonderes Ereigniß. Die große Politik, die bewegt genug war, kümmerte ihn nicht. Die kleinen Aufträge, die ihm Pax ertheilte, führte er mit der ihm eignen lässigen Gedankenlosigkeit aus oder hatte seine Freude daran, andrer Leute Pläne zu durchkreuzen, mit seiner Menschenverachtung andern Unternehmungen in die Zügel zu fallen. Pax schenkte ihm, da er unendlich anschlägiger und scharfsinniger wie Schmelzing war, alles Vertrauen und veranlaßte ihn auch, da er zufällig nach außen hin einen Auftrag zu besorgen hatte, sich öfters auf der Polizei und in den Gerichtshäusern sehen zu lassen, als ihm sonst lieb war.

Eines Abends geschah es, daß Hackert auch die Ankunft jenes von zwei Landjägern und zwei Polizeidienern geleiteten Murray auf dem Profoßamte beobachten konnte. Er erinnerte sich, den Namen auf seiner Liste zu haben. Der Untersuchungsrichter Müller, derselbe, für den einst Hackert den Prinzen Egon gehalten hatte, als er in der Blouse neben ihm und Dankmar im sommerlichen Walde schritt, empfing den gebückten alten Mann mit der schwarzen Binde im vertraulichsten Tone, den Murray durch Nicken erwiderte. Es ist so gebräuchlich in den Kriminalgefängnissen, daß sich eine schadenfrohe Cordialität zwischen Inquisiten und Richter festsetzt, wo weder der Hohn für die Gerechtigkeit würdig, noch die Vertraulichkeit für die Besserung herzlich wirken kann, sondern jener nur erbittert, diese im Schlimmen bestärkt.

Bald wiedergesehen! Angenehme Reise gemacht! God dam! In No. 4 Mullrich! Mylord Murray werden sich bald zurechtfinden.

Mullrich und Kümmerlein schauten nicht wenig stolz um sich und wußten Wunderdinge von ihrer heldenmüthigen Fahrt zu erzählen. Sie bedauerten nur, daß Pax nicht anwesend war und ihnen sogleich die Diäten anwies, die sie redlich verdient hatten.

Müller nahm das Protokoll über die Ereignisse in Hohenberg und dem Forsthause auf und bemerkte:

So sind wir doch nicht vergebens veranlaßt worden, ein Auge auf diesen versteckten, zweideutigen Menschen zu haben.

Hackert hörte die Erzählung der Gerichtsdiener und dachte sich lebhaft in die Gegend hinüber, die er seit dem Sommer so wohl kannte. Er erfuhr den Tod jenes Schmieds, an dessen Werkstätte er zuweilen vorbeigestreift war, ohne seinen Namen zu erfahren, er sah das Forsthaus wieder, dem gegenüber er unter dem Ebereschenbaume im Grase geschlafen hatte. Den Namen Zeck hörte er in dieser Verbindung zum ersten Male und war erstaunt, in ihm den Namen wiederzufinden, der auf dem Bartuschen abgenommenen Geburtsscheine stand. Doch mochte er sich nicht mit Fragen dazwischen drängen, sondern hielt sich, da Assessor Müller ihm noch in Paxens Namen einige Aufträge zu geben hatte, in bescheidener Ferne von dem Pulte, wo die Landjäger und Gerichtsdiener ihre vorläufigen Aussagen niederlegten.

Hackert sah zum Fenster hinaus in den düstern Hof des unheimlichen Gebäudes, über welchen hin man den ruhig ergebenen Murray in No. 4 abgeführt hatte. Er sah in ihm schon einen Verbrecher, einen Mörder vielleicht und trommelte leise an die bekritzelten Scheiben, an denen schon Mancher gedankenlos wie er gestanden haben mochte und sich in Glas zu verewigen gedachte.

Die Diener der Gerechtigkeit hatten soeben ihre Aussagen beendet, als man auf dem Vorsaal dieser geräumigen Halle lautes Sprechen vernahm. Die Thür wurde aufgerissen und ein junger Mann stürzte mit dem Rufe herein:

Wo ist er? Haben Sie ihn schon abgeführt? Ich beschwöre Sie...

Aha! riefen die Gerichtsdiener. Da, Herr Assessor! Das ist der Herr, von dem Sie aufgeschrieben haben...

Was wünschen Sie, Herr Louis Armand? fragte der Assessor Müller den Eingetretenen ruhig und kalt.

Mein Herr, durchbrach dieser mit etwas fremdartigem Accent jede weitre Bedenklichkeit, Sie haben soeben den Engländer Murray eingebracht als einen ehrlosen Verbrecher...

Einer Tödtung überwiesen, deren Zeuge Sie waren! sagte Müller.

Sie sehen mich hier, mein Herr, fuhr Louis Armand in leidenschaftlicher Erregung fort, Sie sehen mich hier, die lautre Wahrheit über diesen Vorfall niederzulegen und nichts vom wahren Sachverhalte zu verschweigen. Ich bitte Sie, kann ich Murray nicht sehen?

Sie erleichtern uns, bemerkte lächelnd der Assessor, durch Ihre persönliche Gegenwart die Untersuchung eines sonderbaren Falles. Haben Sie die Güte, uns Ihre Adresse zu nennen! Sie sollen zu rechter Zeit vorgefordert werden. Murray jetzt zu sehen ist nicht möglich.

Ich beschwöre Sie, sagte Louis voll schmerzlicher Theilnahme, leiten Sie die Untersuchung schnell ein! Jede Minute, die ein Unschuldiger schmachtet, muß einem gerechten Richter zur Pein werden.

Sie wohnen vielleicht noch Wallstraße No. 13? sagte Müller ruhig und schlau. Sie werden Ihre Citation rechtzeitig empfangen!

Als Louis Armand, erstaunt über die Kenntniß seiner Wohnung, schon gehen wollte, wandte er sich noch einmal und wagte die Frage:

Sagen Sie mir nur, mein Herr, wenn ich es erfahren darf, wie ist es möglich gewesen, daß dieser harmlose, brave Murray von verkleideten Agenten der öffentlichen Sicherheit verfolgt, in einer allerdings schrecklich geendeten Privatangelegenheit überrascht werden konnte?

Herr Armand, sagte der Untersuchungsrichter, ich bin eigentlich nicht befugt, Ihnen auf diese Frage eine Antwort zu geben. Allein, wenn Sie das Resultat bedenken, eine von diesen Agenten gestörte Mordscene, so werden Sie wohl einsehen, wie begründet die Spürkraft war, die den Oberkommissair Pax bestimmte, gerade dieser Fährte zu folgen und eine verdächtige Persönlichkeit, die Sie, mein Herr, getäuscht zu haben scheint, gründlichst zu beobachten.

Louis Armand überlegte diese Antwort mit nachdenklichem Ernst und entfernte sich langsam, tiefaufseufzend über die unläugbare Kraft der empfangenen Widerlegung.

Als er hinaus war, sagte der Assessor ziemlich laut:

Wenn man ihn nicht des Premierministers wegen schonen müßte...

Die Polizeidiener und Gensd'armen entfernten sich. Müller schloß sein Bureau und ertheilte Hackerten, der fern am Fenster mit abgewandtem und nur etwas seitwärts lugendem Antlitz die Scene beobachtet hatte, noch einige Aufträge. Dann ließ er auch ihn hinaustreten und schloß den Saal.

Louis Armand, sagte sich Hackert, als er allein war, ist auch Einer von den Rittern vom Geiste, die vielleicht schon auf dem Wege sind, irgend eine große weltverbessernde Thorheit zu begehen! Wer weiß, ob dieser Alte mit der schwarzen Binde mit dem geheim gesponnenen Menschenbeglückungsplane nicht auch zusammenhängt und mein Versuch, gutmüthig zu sein, als ich sie nicht entdeckte, an ihrer eignen Dummheit scheitert.

Und so kitzelte ihn jetzt wirklich die Lust, doch irgendwo an geeigneter Stelle seine neuliche Entdeckung über eine geheime Verschwörung auszusprechen, daß es des ganzen Gegengewichtes der Betheiligung der Gebrüder Wildungen bedurfte, um ihn von diesem Vorhaben abzubringen. Er war in seiner schlimmsten Stimmung. Er hatte heute Mittag Melanie neben Paulinen von Harder zu Wagen gesehen, vornehm und stolz auf der Promenade an ihm vorüberfahrend. Der jüngstgefallene Schnee war zwar auf dem Steinpflaster geschmolzen, aber in den Bäumen war er fest geblieben. Gegen dieses frische Weiß der Bäume hob sich Melanie wie die Bürgschaft des ewigen Frühlings. Daß sie ihn sehen, sich abwenden, verächtlich nach einer andern Richtung blicken konnte, erregte ihn so, daß es einen Tag bedurfte, um ihn wieder in das Gleichgewicht seines gewohnten ruhigen Phlegmas zu versetzen. Statt nun irgendwie dem Vorfall im Profoßamte weiter nachzugrübeln oder an den Geburtsschein zu denken, wo der Name Zeck mit dem im Verhör ausgesprochenen gleichlautend war, ging er mismuthig wie fast jeden Abend nach der Anlage vor's Thor, wo Pauline von Harder auch für den Winter wohnte. Da nur das Portal zu sehen, da nur den Lichtschimmer zu beobachten, hinter dem Melanie sich bewegte, war ihm wenigstens eine Zerstreuung und zu Abenteuern reizende Unterhaltung.

Heute kamen ihm in jener Gegend die beiden kleinen Eisolds mit ihren Zeitungen in den Weg...

Das Jahrhundert! Extrablatt! Das Jahrhundert! schrieen sie.

Hackert trat hinzu und kaufte das Extrablatt.

Machst gute Geschäfte, Line? fragte er.

Guten Abend, Herr Hackert! sagten die Kinder und gaben ihm ein von Regen und Schnee nasses Exemplar.

Habt ja da noch einen ganzen Bettel! Wieviel Nummern sind das?

Dreißig Stück.

Das Stück einen Groschen? sagte Hackert. Da habt Ihr Eure ganze Auflage bezahlt. Nehmt!

Er gab den staunenden Kindern einen Papierthaler.

Ei, sagten sie, so kommen wir noch zum Punsch nach Hause.

Zum Punsch? Wetter, wird bei Euch Punsch getrunken?

Louise macht Punsch – Karl kommt nach Sieben aus der Fabrik... Gehen Sie mit in die Brandgasse, Herr Hackert?

Wie kommt Ihr denn zu Punsch? Hat Danebrand Geld vom Meere bekommen?

Nein, sagte Linchen, die viel rascher antwortete als der ältere Wilhelm, der noch immer den Papierthaler staunend betrachtete, Danebrand soll's nicht wissen, aber es gibt Kuchen zu Punsch... Der fremde Herr brachte Citronen und Zucker und Rum – schon gestern – gestern wollte Louise nicht –

Der fremde Herr? sagte Hackert erstaunt und mit dem bittersten Ausdruck. Ein fremder Herr? Citronen und Zucker und Rum? Und Danebrand darf's nicht wissen... Ha! Ha!

Die Kinder erschraken über dies grelle Lachen. Line wurde roth, weil sie Etwas, was ihr nicht im Mindesten spöttisch schien, unrecht berichtet zu haben glaubte.

Was du nur so dumm bist, fiel Wilhelm ernsthafter ein. Danebrand's Geburtstag ist ja heute und er soll's nicht vorher wissen...

So, so! Und der fremde Herr?

Er war erst zweimal da. Karl weiß, wie er heißt.

Und Louise hoffentlich auch, meinte Hackert...

Gewiß, sagte Wilhelm. Der Herr will uns Alle mitnehmen...

Mitnehmen? Alle?

Linchen lachte.

Warum lachst du denn, Line?

Der Herr will die Louise heirathen! sagte Linchen fast verschmitzt und nicht ohne Eitelkeit.

Die Louise? Punsch? Natürlich und zu Danebrand's Geburtstag? Da, guter Danebrand, trink! Stoß an! Hat er Geld, der Fremde?

Eine ganze Börse voll.

Ha! Ha! lachte Hackert. Man denkt, die Menschen sterben mit Denen, die wir kannten, aus, und immer neue kommen. Kinder, betrinkt Euch nicht im Punsch, damit Euch nicht zu bald die Augen zufallen! Thut's dem armen Danebrand zu Liebe! Schlaft nicht zu früh. Wer wohnt denn jetzt in meiner Stube?

Keiner, aber die Stube wird doch bezahlt –

Doch bezahlt?

Und die andre auch...

Von wem denn?

Von dem alten Mann, der verreist ist. Er hat ein böses Auge – Herr Murray!

Murray?

Der will nicht die Louise heirathen – der Andre, er hat einen rothen Bart.

Einen rothen Bart! Aber sagtet Ihr nicht Murray?

Der Alte mit der schwarzen Binde heißt Murray. Kommen Sie auch, Herr Hackert? fragte Linchen und faßte Hackert's Hand.

Kind! Schmieg' dich nicht so an die Paletots, auch wenn's friert! Grüße Louisen und sag' ihr, der Alte mit der schwarzen Binde... nein, sag' ihr nichts. Wenn er die Miethe bezahlt hat... Hat er sie bezahlt?

Auf ein Vierteljahr im Voraus.

So hat die Bescheerung Zeit bis Weihnachten. Ihr schwimmt obenauf! Macht, daß Ihr nach Hause kommt! Die Pfannenkuchen werden kalt und sagt dem Danebrand nicht etwa, daß er ein Esel ist. Das würde sich nicht schicken, wenn's auch wahr wäre. Gute Nacht, Kinder! Sagt Louisen: Nicht zu viel Citrone an den Punsch! Hört Ihr, Citrone macht Kopfschmerzen!

Die Kinder gaben Hackerten die Hand, dankten noch für die rasche Beendigung ihres Abendgeschäftes und liefen im Regen und Schnee unter den blendenden Gaslaternen hurtig über die nassen Pflastersteine nach einer festlichen Aussicht, wie ihnen eine solche mit wahrer Paradieseswonne wohl noch nie geboten war.

Punsch!

Wie sie laufen in's Teufels-Elend! rief Hackert hinter ihnen her und schleuderte zornig das Packet Zeitungen in den ersten besten Straßenwinkel. Louise Eisold, die ihm bisher wie das Bild der reinsten Tugend erschienen war, Louise Eisold, die ihm immer gewesen war wie einem vorübergehenden Zweifler eine offene Kirche, Louise Eisold, wo er immer gedacht hatte, die Kirche steht ja da, sie ist ja gleich in der Nähe, wenn die Erleuchtung über dich kommt, sieh im Vorübergehen blinzelnd hinein und warte die Zeit ab, wo du dich für würdig hältst, ihre Schwelle zu betreten!... Und nun... Punsch und ein Mann mit rothem Bart! Hackert hatte oft, wenn ihm zu wehmüthig, zu einsam und verlassen zu Muthe war, auf dem Sprunge gestanden, sich zu Louisen zu flüchten. Im Neu- und Vollmond fast immer. Kam der unheimliche Dämon und siedelte sich in seinen Nerven an und trieb ihn, Nachts aufzustehen ohne Bewußtsein, ohne Hüter als Gottes Huld, so riefen tausend innere Stimmen in ihm nach jenem Mädchen, das so viel warme, liebevolle Freundschaft ihm gewidmet hatte und das er floh, weil sie ihm zu tugendhaft und zu wenig schön war. Und nun... Ha! Die Gourmandise der Kleinen schien ihm schon die kitzelnde Satanspfote zu sein, die sich auch nach Brandgasse No. 9, dritter Hof zwei Treppen hoch, ausgestreckt hatte. Das schleckert, das kichert! sagte er sich. Diesem Rindvieh, dem Danebrand, drehen sie eine Nase und der Rothbärtige nimmt gleich das ganze Nest aus und zieht sich auch die flügge junge Brut für die Zukunft auf!... Und nun schmetterte eine Trompete von einem Tanzsalon herüber. Geputzte Mädchen, lockre Bursche schlüpften über den Koth. Hackert folgte und durchraste die Nacht bis zum Morgen.

Als er hohläugig, gliedermatt nach Hause wankte, schlug es fünf Uhr. Er warf sich auf sein Lager, schlief bis gegen elf Uhr, ungestört von der lebhaften Frequenz in Herrn Zipfels »Atelier«. Erst nach elf Uhr pochte Frau Zipfel den Nachtschwärmer aus dem Schlafe.

Herr Hackert! Herr Hackert! rief's durch's Schlüsselloch.

Zum Henker, lassen Sie mich schlafen!

Es ist zu wichtig! Stehen Sie auf!

Hackert entschloß sich, nach langem Bitten aufzustehen; er schlorrte an die Thür, um sie zu öffnen.

Wie staunte er, als er einen feingallonirten Bedienten mit reichen Achselschnüren und Wappenknöpfen vor sich sah, der ihm ein Billet überreichte mit den Worten:

Von Madame Ludmer.

Madame Ludmer! Wer ist Madame Ludmer? Sie irren sich!

Herr Privatschreiber Hackert? bemerkte der Bediente, in dem wir den Bedienten Ernst der Frau Geheimräthin von Harder erkennen.

Mein Name Das! Ob ich Privatschreiber bin, muß ich den Wohnungsanzeiger befragen.

Mit diesen Worten nahm Hackert und erbrach das an ihn gerichtete Billet, in dem er folgende Zeilen fand:

»Mein sehr geehrter Herr, der Herr Oberkommissair Pax haben für die Zeit seiner längern Abwesenheit von hier die Frau Geheimräthin von Harder versichert, daß Sie sein ganzes Vertrauen besitzen und sich jedem Ihnen gegebenen Auftrage so unterziehen würden, als wenn sie ihn selbst gegeben. Haben Sie die Güte, zum Behuf einer kleinen Kommission sich heute Abend etwa um sieben Uhr im Hause der Frau Geheimräthin von Harder einzufinden und nach der Unterzeichneten zu fragen, die sich ein Vergnügen daraus machen wird, Ihnen das Nähere in dieser Angelegenheit auseinanderzusetzen. Ihre ergebenste Charlotte Ludmer.«

Die Alte hatte diesen Brief sicher nicht ohne Hülfe der Verfasserin von Amarantha und Nadasdi geschrieben...

Befremdet nickte Hackert, daß er kommen würde.

Der Bediente ging und weidete sich an dem Wohlgefallen, mit dem Frau Zipfel seine reiche Livree bewunderte.

Hackert, den die Aussicht, mit Menschen zusammenzukommen, die in so naher Beziehung zu Melanien standen, in große Spannung versetzte, zog sich fast bewußtlos, wüthend jetzt über die verlorene Nacht, an. Wie hätte er jetzt frisch, lebendig, geweckt sein mögen! Die Aussicht für den Abend elektrisirte ihn. Er nahm sich vor, schwarzen Kaffee so stark zu trinken, wie er ihm bei Schlurck gemacht wurde, wenn er des Nachts aufbleiben und bei wichtigen Revisionen bis in den frühen Morgen arbeiten sollte...

Das Billet der Madame Ludmer führt uns in die lange nicht betretene Salonsphäre zurück... Pauline von Harder erlebte bereits seit länger als vier Wochen das Glück, nach dem sie so lange wie nach einer schon zu entschwindenden drohenden Hoffnung geschmachtet hatte. Ihre Cirkel, glänzender denn je, waren fast jeden Abend wieder geöffnet und der Mittelpunkt der tonangebenden, nun sogar die Welt bewegenden Gesellschaft. Sie war nicht in die »kleinen Cirkel« gedrungen, aber die »kleinen Cirkel« mußten sich vor ihr beugen. Ha, sie hatte die Achse der Welt am Drehgriff! Sie hatte eine Zeitschrift begründet, die man das deutsche Journal des Débats nannte. Sie hatte sich die ganze höhere geistige Agitation zur Verfügung gestellt und beherrschte die öffentliche Meinung um so nachdrücklicher, als sich der in bewunderungswürdigem Fluge emporgestiegene junge Adler, Fürst Egon von Hohenberg, auffallend genug nur bei ihr ausruhte, nur bei ihr die Schwingen senkte, nur bei der Feindin seiner Mutter Frieden und Erholung von seinen kühnen Flügen zu finden schien.

Man wollte das Geheimniß dieser sonderbaren »Allianz« oder dieses warmen Nestchens, wie Pauline sagte, in mancherlei Dingen finden, konnte aber nichts mit völliger Gewißheit als Beweis seiner Behauptungen anführen. Die Einen sagten: Es wäre die alte Erfahrung von der Anziehungskraft der Gegensätze, während Andre ganz einfach das einflußreiche Organ der Geheimräthin, »Das Jahrhundert«, als den Wegweiser bezeichneten, der den jungen Numa zu dieser schon bejahrten Egeria führte. Man spürte in der Amarantha und dem Nadasdi, den beiden von Frau von Harder herausgegebenen Romanen, ob sich in ihnen politische Blicke fänden und gerade weil sich deren keine entdecken ließen, stieg der Glaube an die politische Sehergabe dieser jedenfalls bedeutenden Frau um so höher. Eine noch menschlichere und jedenfalls physiologischere Auffassung der »Allianz« zwischen Pauline und Egon lag darin, daß man an Paulinen eine große Uneigennützigkeit in Betreff ihrer weiblichen Umgebungen rühmte. Sie war immer von den schönsten Erscheinungen der Mädchen- und Frauenwelt umringt. Man fand darin einen gewissen Zug von Hochherzigkeit; denn nichts ist in dieser Sphäre seltner als die Neigung, sich zur Folie fremder Anmuth zu machen. Allgemein erklärte man einen Bruch zwischen Frau von Trompetta und der Geheimräthin daher, daß jene nicht so sehr an den geänderten politischen Ansichten ihrer Freundin Anstoß nahm – war sie doch vollends seit dem vom Hofe nicht angekauften Gethsemane in die Opposition gegangen und wirkte mit Trotz für die deutsche Flotte – sondern aus der der kleinen runden, gar nicht anspruchslosen Frau fatalen Zumuthung, sich mit einer Menge junger hübscher Mädchen und Frauen in einem und demselben Salon bewegen zu sollen. Von Pauline von Harder war bekannt, daß sie nur noch eine elegante, phantastische Toilette liebte, mit Heinrichson, dem nach Verkauf seiner Leda nach Rom verschollenen Maler, gleichsam die Grenzlinie ihrer Herzenswallfahrt bezeichnete und jetzt nur noch den Gedanken, den Systemen, den Begebenheiten lebte. Sie gefiel sich, das entdeckten sogar die Spötter schon, in der Vorstellung einer geheimen Rathgeberin eines der merkwürdigsten jungen Genies, das plötzlich an dem politischen Horizonte aufblitzte. Nur darüber stritt man: Sucht Egon wirklich ihren Verstand oder ihre Intrigue oder sucht er nur die schönen Frauen, die Paulinen umgeben, diese schalkhafte kleine Gräfin von Wachendorf mit den hochgezogenen schwarzen Augenbrauen, die wie zwei musikalische Fermatenzeichen aussahen, diese schlanke Baronin von Spitz, die mit einem englischen Profil eine französische Lebhaftigkeit verband und eine Offenheit des Blickes besaß, die jeden noch so gefaßten Weltmann bei ihrer ersten Frage aus dem Gleichgewicht bringen konnte, oder fesselte ihn die einer altdeutschen Madonna ähnliche Frau von Landskrona, die nicht viel Geist besitzen sollte, aber mit ihrem etwas röthlichblonden Haare und ihrer blendendweißen Haut und der fast zu starkgeformten Brust den Reiz einer Rubens'schen Schönheit darstellte? Auch Fräulein von Flottwitz war Paulinen, seit so schroffe Oppositionsmänner wie Major von Werdeck nicht mehr bei ihr angetroffen wurden, treu geblieben und konnte für Die, welche mehr dem Aschenblond zugethan sind, noch anmuthig wirken. Alle überstrahlte aber die reizende Melanie Schlurck, zwar eine Bürgerliche, aber eine Ausnahme von der Regel, die sich von selbst verstand. Hier entschied die künstlerische Hand der Natur. Hier entschieden Witz und Laune. Die Lücken, die hier der fehlende Adel ließ, konnten nicht bemerkt werden; denn Melanie räumte sie selber nicht ein. Sie war stolz wie eine Gräfin. Nie kam ihr bei, vor den schwarzen Augenbrauenfermaten der Gräfin von Wachendorf, nie vor dem englischen Profil der Baronin Spitz, vor dem altdeutschen Madonnenblick der Frau von Landskrona zu erschrecken; was sollte sie gar erst vor Titeln und Namen zittern? Wenn sie durch die Flügelthür rauschte, wehte es einher, wie wenn eine Königin kam und man mußte es Paulinen zum Ruhme nachsagen, sie stützte, sie hob diesen Eindruck, sie ließ Melanie nie ohne Umgebung, sie wußte ihren Schützling zu placiren. Sie war gegen Alle nur tolerant, gegen Melanie zuvorkommend. Ihr Kuß auf die kleine Stirn des Mädchens, ein sanfter Strich auf ihr glänzendes Haar gab ihr die Weihe, doch in diesen Räumen die Erste zu sein. Und Das, was Pauline etwa unterlassen hätte, ergänzte Egon, der Fürst, der Premierminister, der große Staatsmann, der zwar niemals lange in diesen Gesellschaften blieb, wenn sie allgemein waren, bald verschwand – man sagte, ohne sich indessen aus dem Hause zu entfernen – dieser und jener Schönheit artig war, aber nur über Melanie hin jene träumerisch sinnenden Blicke entsandte, in denen so viel verschwiegene Huldigung, so viel verborgene Traulichkeit schlummert. Er sprach mit der schönen Baronin von Spitz oft lebhafter, mit der verschämten Frau von Landskrona oft länger als mit Melanie. Aber jedes scharfe Auge errieth, daß er nicht nöthig hatte, sich an Melanie erst im Salon anzuschmiegen. Er sah sie viel öfter in dem kleinern Kreise der Geheimräthin, und ohne Zweifel viel vertraulicher.

Wie sich die uns bereits bekannten großen politischen Wagnisse des Prinzen Egon von Hohenberg in diesem Hause seiner Freundin ausnahmen, wie sie hier widerhallten, kann man sich vorstellen. Das war ein Lärmen, ein Fahren, ein Treppauf, Treppab, ein Thürenschlagen, ein Klingeln, ein Geschwirr... Es ging jetzt so lebhaft in der Villa her, daß man den Entschluß des Geheimraths, seine eigne nicht minder unruhig gewordene Existenz ganz in das in der innern Stadt gelegene alte Wohnhaus der Marschalks zu verpflanzen, billigen mußte. Herr von Harder war der Intendant des königlichen Hoftheaters geworden. Se. Excellenz hatten sich dadurch einem ganz neuen Studium zu widmen, bei dem sie möglichst wünschen mußten ungestört zu sein. Er, der die Einsamkeit der königlichen Gärten bisher geliebt hatte und nur begleitet vom Inspektor Mangold zuweilen hier und dort die Schloßkastellane und Hofgärtner überraschte, auch er war jetzt in den Strom der lebendigsten und rauschendsten Thätigkeit geworfen. Dichter, Künstler, das Publikum nahmen ihn in Anspruch. Und was mußt' er studiren, lesen, prüfen, denken! Und auch für Paulinen wäre dieser an sich unter andern Verhältnissen ihr ganz angenehme, aber jetzt störende, gemeine Verkehr von Nachfragenden, Bittenden, Widersetzlichen und was sonst zur Bühnenpraxis gehört, unerträglich gewesen. Jetzt ließ sie ihren Gemahl gern in die Stadt ziehen, wo er ungestört, wie er sagte, »Dichterstücke« lesen und junge Schauspielerinnen und Sängerinnen »prüfen« konnte.

Befreit von der Nähe eines beschränkten und zuweilen eigensinnigen Mannes, erfaßt von dem Wirbelwinde der Begebenheiten, denen sie sich nicht ohne Grund einbilden konnte, eine Form mit aufdrücken zu helfen, hätte Pauline von Harder jetzt alle Ursache gehabt, sich nach ihren Bedürfnissen glücklich zu fühlen, wenn nicht immer noch ihr Herz, das sich nicht ganz zur Ruhe geben wollte, peinliche Erfahrungen gemacht hätte. Dieser Heinrichson, wie undankbar, wie treulos! Sie verlangte so wenig von dem bei allen Weltdamen beliebten, witzigen, in der Kunstwelt geachteten Manne! Er sollte ihr nichts als eine Art von beflissener Aufmerksamkeit widmen! Er konnte neben ihr vielleicht eine Grisette lieben; ein Verhältniß wie mit jener Auguste Ludmer war ihr im höchsten Grade gleichgültig; allein sich einer Dame aus der großen Welt geopfert sehen, wie ihr das mit der »an ihrem Busen genährten« wie sie es nannte, treulosen Helene d'Azimont geschah, Das erschütterte sie tief. Von dem Tage an, wo Heinrichson, uneingedenk der vielen Freundlichkeiten, die sie ihm gewidmet, ihrer Protektion, der Beförderung seiner Gemälde, ja der kritischen Abhandlungen, die sie ihm für einige Kunstblätter schrieb, sie zu vernachlässigen schien und immer und immer nur bei Helene d'Azimont angetroffen wurde, die ihrerseits in ihrer Liebe zu Egon ihr nicht mehr wahr und überzeugend erschien, sondern nur noch die Stimmungen der verletzten Eitelkeit, die Verzweiflung über den Bruch für Liebe auszugeben schien: seitdem hatte sie mit Anstrengung ihrem Herzen Schweigen gebieten müssen und im Vollgenuß der übrigen Freuden, die ihr, wie sie sagte, »das Schicksal schenkte«, im Vollgenuß der ausströmenden Wirksamkeit, des weltbewegenden Einflusses, den sie üben konnte, sich entschlossen, für den Freund, den der sonderbarste Zufall ihr schenkte, für Egon nun auch nur rein mütterlich zu empfinden. Der Kampf war gewaltig genug! Als Heinrichson seine Leda verkauft hatte und ihr eines Tages sagte: Pauline, ich verlasse Sie! und sie die Frage, ob er nach Italien ginge, mit Ja! beantwortet hatte, fuhren noch tausend spitze Messer, wie sie späterhin der Ludmer erzählte, in das Herz der »fünfzigjährigen«, aller Zärtlichkeit längst entrückten Frau. Gehen Sie, hatte sie gesagt, gehen Sie, Heinrichson, nehmen Sie mit dem Reste vorlieb, den Egon stehen ließ! Widersprechen Sie nicht! Sie folgen Helene! Ich kenne Das. Ich kenne diese Verzweiflung einer Frau, die erst Mitleid, dann Trost, dann Rache will! Helene wird Egon noch oft zeigen, daß man sie nicht ungestraft verläßt und daß man um ihretwillen noch Alles vergessen kann, auch Ihnen, Heinrichson, wird sie es zeigen! Auch Ihr Roman wird mit dieser Liebes- und Gefühlsschwelgerin einst vorüber sein! Hüten Sie sich nur, Ihr Auge auf das schöne Kind zu werfen, das im verblendeten Wahne mit Helenen ihrer Mutter entflohen ist! Sie finden nicht sobald eine Pauline wieder, die nur weint, wenn ihr Geliebter treulos scheidet! Sie könnten einmal doch noch bei irgend einer verrathenen Frau jenen Dolch finden, den alle Ihre Bonmots nicht pariren!... Noch mehr aber, als diese flüchtigeren Schmerzen drückte die Geheimräthin die seit einiger Zeit sonderbarerweise Alles schwarzsehende Laune der Charlotte Ludmer. Sie, die sonst immer zur Heiterkeit stachelte, keine Gefahr anerkannte, jedes Wagniß ebnete, sie sah jetzt Gespenster und erschreckte ihre langjährige Freundin mit Visionen. Gespenster und Visionen waren die Worte der Geheimräthin. Die Ludmer sprach von Wirklichkeiten und schilderte die Aussicht noch manches heraufsteigenden Verdrusses mit einer Umständlichkeit, daß ihr Pauline einmal sagte: Ich weiß es, Charlotte, du magst nicht leiden, daß ich wieder an die Öffentlichkeit appellirte! Du warst die hartnäckigste Gegnerin meiner kurzen, schriftstellerischen Laufbahn! Du hast Freude empfunden über jede Bitterkeit, die ich auf ihr erfahren mußte! Du gönntest mir die Demüthigungen der Kritik, als Nadasdi erschien und hast erreicht, daß ich mehr deinen Wünschen, als diesen Impertinenzen nachgab und die Feder niederlegte. Gegen den Ankauf des »Jahrhunderts« hast du alle erdenklichen Gründe vorgebracht und kannst noch jetzt z. B. diesen Stromer nicht sehen, weil du glaubst, ein allerdings im Leben unbeholfener, komischer, eitler, unerzogener Mann, den aber, wenn er schreibt, Alle bewundern, hätte mich zu diesem Ankaufe veranlaßt. Die Beziehung zu Egon, so überraschend und unerwartet, misbilligst du, auch meine Theilnahme für Melanie, die mich erheitert und für die ich fühle, wie für eine Tochter – ja, Charlotte, je älter ich werde, desto schönre Keime entdeck' ich in meinem Herzen. Laß sie mich doch pflegen! Mit den Jahren sollen ja aus uns Engel wachsen, sagte Stromer neulich. Glaube doch nicht, daß meine gesellschaftliche Stellung darunter leidet, daß ich mich an den großen Fragen der Zeit betheilige! Weißt du wohl, Charlotte, daß du immer aristokratischer warst als ich und mir hundertmal die Etikette vorhieltest, wo meine verschmachtende Seele nur nach Freiheit rief?

Die Ludmer hatte bei dieser Erörterung zur Antwort gegriesgrämelt und »gebrummkatert«. Sie war offenbar tiefverstimmt, die gute Frau. Sie sah zuviel neue Menschen im Hause. Diese weltbewegenden Abende griffen sie an. Die Entfernung des Geheimraths, mit dem sie gern plauderte wie mit Ihresgleichen, that ihr zu leid. Der gute Geheimrath! Die besten muntersten Bedienten des Hauses nahm er mit sich in die Stadt. Sie hätte weit lieber gehabt, die Geheimräthin hätte sich an der »Komödie« betheiligt und wäre, wie manche Intendantin, die Regentin des Hoftheaters geworden. Da hätte sie doch für ihre alten Tage eine Zerstreuung, eine Erholung gehabt. Sie lachte gern, sie sah gern tanzen, liebte lustige, rauschende Musik und wer weiß, ob sie nicht für die ökonomischen Ersparnisse der Verwaltung neue Gesichtspunkte über Sammt- und Seidenstoffe, Brennholz und Beleuchtung hätte aufstellen können. Alle diese Neigungen theilte nun die große Semiramis, Pauline nicht. Die wollte die Welt umformen! Die wollte mit dem Hebel ihres Einflusses die Erde aus dem Gleichgewichte bringen! Die Verächter des Nadasdi sollten sagen: Welch' ein Weib! Die Oberhofmeisterin von Altenwyl, diese »Cerberus« der »kleinen Cirkel« sollte eingestehen, daß in Pauline von Harder eine große, wenn nicht »immense«, doch endlos »extensive Seele« verborgen läge und der Hof selbst sollte fühlen, daß er nichts wäre, wenn nicht ein Verstand wie der ihrige für sein Wohl dächte und wachte. Sie war zu tief gekränkt, zu oft zurückgesetzt, zu sehr in ihrem innersten Sein von jener romantisch-sentimentalen Richtung, in der die Königin lebte, verletzt worden, daß sie ihr jetzt nicht hätte zeigen mögen, was denn doch noch in einer solchen »verlornen Seele« wie die ihrige, lebe, glühe und wirke. Pauline las mit Gier alles Jüngste und Neueste; den Kosmos, die Zeitbrochüren, die Schriften über Physiologie, Phrenologie, Alles was nur auf -ogie endete, die Schriften über Volkswohl, Gewerbe, sogar über Freihandel. In solchem Bildungsdrange waren ihr die Klagen der Ludmer lästig. Sie bat sie, ihre Nerven zu schonen. Sie überließ ihr zu thun und zu lassen was sie wolle. Sie berief sich auf das Bild, welches die Memoiren der Fürstin Amanda an ihren Sohn enthalten hatte, um zu beweisen, daß sie wohl wisse, wann es Zeit zum Handeln wäre; für jetzt verfolge Charlotte nur Schatten und gefalle sich in Träumereien.

So war Pauline von Harder gestimmt an jenem Tage, für dessen Abend die Ludmer Fritz Hackert zu sich berufen hatte. Sie hatte wieder Entdeckungen gemacht, über die sie um jeden Preis erst mit ihrer Gebieterin Rücksprache nehmen wollte; aber diese horche Dem, was sie erzählte, nur halb zu; denn sie glaubte Egon's Wagen zu hören. Er war es auch. Es war die Livree des jungen Fürsten, die sie mit ihm gemeinschaftlich verbessert, neu gemodelt, neu gezeichnet hatte. Aber der Wagen fuhr ja an ihrem Hause vorüber und hielt... drüben bei der noch immer in Büchsenschußweite von ihr entfernt wohnenden Fürstin Wäsämskoi?... Sie erschrak darüber nicht. Ist Das der Besuch, sagte sie, den Egon schon längst bei der grillenhaften Frau macht, die sich seit der Flucht ihrer Tochter und der Ankunft ihres abenteuerlichen Schwiegersohnes vor Niemanden mehr sehen läßt? In der That kehrte auch Egon's Wagen sogleich zurück. Die Fürstin Wäsämskoi hatte ihn nicht angenommen oder war nicht zu Hause oder war bei Tische, wie sie eigentlich selbst. Es waren eigenthümliche Diners, die Pauline seit einiger Zeit veranstaltete. Sie bestanden aus einer kleinen gedeckten Tafel mit zwei Couverts in ihrem gelben ostensiblen Boudoir. Ein Nebentisch diente zum Anrichten. Eine große weißbrennende, geschliffene Krystalllampe stand auf der kleinen gedeckten Tafel, deren Gläser, damastne Decken, Porzellanteller und silberne Bestecks einen traulichen Anblick boten. Die im weißen Porzellanofen prasselnde Flamme, die Decken im Zimmer, die gleichmäßig schlagende Stutzuhr, alles Das erhöhte die Stimmung und um nichts zu vergessen, was den Beiden, die hier zu essen pflegten, den Genuß werthmachen konnte, erwähnen wir noch den im Eiskühler schon frierenden Champagner... So fast täglich, so auch heute... Die Ludmer entfernte sich und erhielt den Auftrag, daß sie die am Abend erwartete Gesellschaft in den großen Sälen empfangen sollte. Schritte hallten. Der ohne Anmeldung eintretende Fürst Egon küßte Paulinen die Hand und warf sich ohne Weiteres sogleich auf die weichen gelbseidenen Kissen des Sophas. Er benahm sich als wär' er zu Hause und Pauline war glücklich, den Allgefeierten bei sich zu haben, ihn hegen, ihn pflegen zu können wie seine Mutter.


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