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Fünftes Kapitel.

Nach diesem Vorfall forderte Tante Margret Magnus auf, anstatt mit den übrigen Lehrlingen nach oben zu gehen, die Abende mit ihr und Thora zu verbringen. Dies führte zu dem glücklichsten Zeitabschnitt seines Lebens. Thora spielte auf der Gitarre, während Tante Margret ungezählte Strümpfe strickte, und Magnus, um einen Vorwand für seine Anwesenheit zu finden, anfing die Flöte zu blasen. Er hatte keinen Funken von Musik in sich, wurde jedoch nicht müde, durch sein Instrument hindurch zu kreischen und zu puffen, wie ein Schnellzug durch einen ventilierten Tunnel. Und wenn er sich dann außer Atem geblasen, wartete Thora sanft und geduldig, bis er sich die Stirne abgetrocknet hatte.

Diese musikalischen Zwischenpausen waren stets die schönsten Momente des ganzen Abends für Magnus, denn während derselben konnte er sich mit Thora unterhalten. Der schwerfällige, schweigsame Bursche, der nur selten mit sonst jemandem redete, sprach mit einer Gewandtheit und Überzeugung, daß Tante Margrets zufallende Augen sich wieder öffneten. Es war nur Geschäftliches, was er heute getan hatte oder morgen tun würde, sein Gesicht leuchtete jedoch auf dabei, seine Augen blitzten, seine Zunge wurde geläufig, und er schien ein anderer Mensch zu werden.

Als im Zeitverlauf Magnus seine Lehrjahre beendet hatte, fing er an, sich mit großen Plänen und Ideen zu tragen, und Thora diente ihm stets als erster Prüfstein für dieselben. Der Tauschhandel würde eines Tages auf den Hund kommen und das Vermögen der Zukunft durch Fischfang gemacht werden. Der reichste Mann der Welt würde der sein, dessen Besitz in der See läge, und wenn die Isländer nur Einsicht genug hätten, um zu sehen, wo ihr Vermögen ihrer harrte, würden sie Einmaster bauen anstatt ihrer offenen Boote und schnelle Dampfschiffe kaufen, die ihre Fische nach England brächten. Das alles natürlich erfordere Geld; die Regierung müsse dasselbe schaffen und eines Tages – ja, wer konnte wissen, was eines Tages nicht alles geschehen würde? – würde Magnus dem Althing beitreten und jenen plappernden Automaten klar machen, was sie tun müßten.

Der Faktor hörte durch Tante Margret von diesen Projekten, die durch ihre Einsicht und praktische Weisheit großen Eindruck auf ihn machten. Eines Tages, nachdem er mehrere Pfeifen über seinem Hauptbuch geraucht hatte, ging er zum Gouverneur hinüber und sagte:

»Meiner Treu, Stephen, dein Junge da ist kein Narr. Er hat Ideen und wenn er zugleich auch Geld hätte, sollte es mich nicht wundern, wenn er es zu etwas brächte. Dicke Lenden gebrauchen aber weite Hosen, und die Frage ist, was sollen wir tun?«

»Schieße dem Jungen etwas Geld vor und gib ihm eine Gelegenheit,« sagte der Gouverneur.

»Und schaffe dir einen Rivalen, der dich vernichtet? Nein, nein! So nahe mir auch mein Hemde ist, ist meine Haut mir doch näher! Aber höre, alter Freund – weshalb sollte Magnus nicht Thora heiraten?«

»Herrlich! Es ist stets der Traum meines Lebens gewesen, unsere Freundschaft in der zweiten Generation durch ein engeres Band noch zu befestigen.«

»Dann laß uns also zu Tatsachen und Ziffern zurückkommen,« sagte der Faktor, und nach Verlauf einer halben Stunde war die Heirat zwischen Magnus und Thora eine abgemachte Tatsache.

Magnus hörte von dem Gouverneur davon: »Ich habe deinetwegen mit dem Faktor Rücksprache genommen, Magnus, und wir sind der Ansicht, daß es das beste wäre, wenn du und Thora ein Paar würdet. Er wird dich sofort zu seinem Teilhaber und mit der Zeit zum Erben des halben Vermögens machen, das er hinterläßt. Wenn du also einverstanden bist –«

»Aber Thora?« Magnus' Augen leuchteten im höchsten Entzücken auf. »Ist Thora einverstanden?«

»Das herauszufinden, muß ich dir selbst überlassen,« sagte der Gouverneur.

Thora ihrerseits hörte durch Tante Margret von der Vereinbarung.

»Dein Vater wird alt, mein Schatz, und es ist an der Zeit, daß er sich nach einem Teilhaber umsehen sollte. Es ist ein Jammer, daß er keinen Sohn für eine derartige Stellung hat, das nächstbeste jedoch ist ein Schwiegersohn, und wenn ihr, Helga oder du jemand heiraten würdet, der das Geschäft weiterführen könnte – jemand wie Magnus –«

»Aber Magnus steht mir wie ein Bruder nahe, Tante Margret.«

»Desto leichter, ihn zu deinem Gatten zu machen, mein Herzblatt.«

»Aber es ist doch ganz gewiß notwendig, Tantchen, daß man seinen Gatten lieben sollte?«

»Gewiß ist es notwendig ihn zu lieben, das sollte dir aber mit Magnus leicht genug werden – so ein alter Freund, und so ergeben wie er der Familie ist.«

Es schien nichts weiter übrig zu bleiben, als daß Magnus selbst mit Thora sprechen mußte, dies war aber eine höchst schwierige Aufgabe. Den kraftvollen Burschen, der dem großsprecherischen Prahlhans das Rückgrat gebrochen hatte, überfiel allein schon in Gegenwart der sanftstimmigen, kleinen Dame, die, sobald er nur ins Zimmer trat, die Augen niederschlug, ein Zittern.

Eines Tages jedoch kam Magnus, der des Schafeintreibens wegen geschäftlich in Thingvellir gewesen war, mit einem jungen Pony zurück und rief Thora, um es ihr zu zeigen, in den Hof herab. Das vierjährige, vor schierer Lebenslust herumtanzende Pferd war fehlerfrei im Bau, hatte glänzendes, nußbraunes Haar, eine silberfarbene Mähne und ebensolchen Schwanz.

»Gefällt es dir?« fragte Magnus.

»Es ist ein Prachtexemplar,« sagte Thora. »Es ist tadellos! Das entzückendste Geschöpf, das je auf vier Beinen herumgesprungen ist! Wem gehört es?«

»Dir gehört es,« sagte Magnus, und als Thora ihm dankend die Hand reichte, behielt er dieselbe, während er ihr in die Augen blickte, einen Moment in der seinen und zog sie dann an sich heran und küßte sie.

»Soll es so sein, Thora?« flüsterte er, und von irgendwo aus dem Schutze seiner sie bergenden Brust antwortete Thora: »Ja.«

Die Welt schien in wildem Freudentaumel um ihn herum zu tanzen, als ihm jemand auf die Schulter schlug. Es war der Faktor, der alles vom Hause aus mit angesehen hatte.

»Das ist das beste Tagewerk, das du je in deinem Leben vollbracht hast, mein Junge, und ich werde dafür sorgen, daß es dich nie gereuen soll. Aber ist es wahr, was ich mir habe erzählen lassen – daß du für dieses Jahr Bergkönig von Thingvellir geworden bist?«

»Ja, das ist richtig,« sagte Magnus.

»Gut denn, ich bin's zufrieden. Nimm dir zehn Tage für dein Schafeintreiben und während du fort bist, will ich den Kontrakt ausgeschrieben und fertig haben. Dann können wir ihn am Tage nach deiner Rückkehr unterschreiben und die Hochzeit kann je nach deinem Gefallen stattfinden.«

Thora und Magnus gingen wie ein paar Kinder Hand in Hand ins Haus, und Tante Margret, die schluchzend hinter der Küchentüre gestanden hatte, fiel ihnen um den Hals und küßte sie. Magnus meinte in seinem ganzen Leben nicht so glücklich gewesen zu sein. Am nächsten Morgen ging er nach Thingvellir zurück, kaum zwei Stunden darauf durchlief die Kunde, daß das Dampfboot Laura im Fjord eingelaufen und sein Bruder mit demselben heimgekehrt sei, wie ein erfrischender Windhauch die Stadt.

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