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57. Die ersten Menschen.

Was hat der Mann im Monde nicht alles in seinem Leben gesehen! Wenn der reden könnte! Doch er ist still und stumm und verrät nichts von all den tausend Geheimnissen des Weltenraums. In ihren ersten Anfängen war die Erde eine gasförmige Masse. Dessen erinnert sich zwar der Mann im Monde kaum noch, denn damals war es, daß er selbst sich erst gleich einer reifen Frucht aus der Mutter, der Sonne, loslöste. Wohl aber weiß er noch, wie die Erde ehemals eine feuerrote, heißflüssige Kugel war, wie ihre Oberfläche erstarrte und zu einer immer härter werdenden Kruste gerann, und wie dann diese Rinde durch die Ausstrahlung in den Weltenraum allmählich erkaltete. Schließlich war die Erde genügend abgekühlt, um Leben tragen zu können. Zuerst zeigte es sich in sehr tiefstehenden Formen. Aber weshalb es kam, und woher es kam, und warum es sich unter Milliarden vorhandener Himmelskörper gerade die Erde zu seiner Heimat wählte – darauf kann Gott allein Antwort geben! Wer kennt die unzähligen Welten unter den Sternen, die vielleicht ebenfalls bewohnt sind, und auf denen das Leben vielleicht gar noch höher entwickelt ist, als auf unserer Erde?

Der Mann im Monde weiß auch, daß tausend Millionen Jahre verflossen sind, seit das erste keimende Leben sich im Schoß der Erde niederließ. Bei ihrem rastlosen Suchen nach Wahrheit haben die Menschen gefunden, daß die ältesten Tierformen, die versteinert im Innern der Berge erhalten geblieben sind, Pilze, Korallen, Schnecken, Muscheln, Seesterne, Krustentiere, Kopffüßler und andere, daß diese alle ehemals Bewohner der morgenfrischen Wellen des Urmeeres gewesen sind. Jene Zeit nennen wir das Kambrium. Seit diesen Anfängen hat sich das Leben zu immer höheren Formen entwickelt.

Während der Steinkohlenzeit wucherten auf Erden ungeheuer dichte, üppige Wälder, in deren Farngebüsch Dämpfe und Dünste feucht und stickig schwebten. Während einer späteren Periode waren riesengroße Reptilien die Herren der Schöpfung. Einige von ihnen weideten die Blätter der Bäume ab, andere waren Raubtiere. Die einen glichen Delphinen, die andern sahen aus wie Flugeidechsen, und viele wurden dreißig bis vierzig Meter lang. Solch ein Reptil mit kleinem Kopf, langem, schwanenähnlichem Hals, kurzem Leib und langen Schwimmflossen war z. B. der Plesiosaurus.

Damals war Land und Meer nicht so verteilt wie heute, und die Grenzen zwischen beiden erlitten beständige, wenn auch sehr langsame Veränderungen. Noch in unsern Tagen gehen solche vor sich, nur die Oberfläche des Mondes ist unveränderlich. Die ganze Nordhälfte Asiens, der größte Teil Europas und das nordwestliche Nordamerika lagen unter Wasser, während Südamerika und Afrika als ein einziger Weltteil zusammenhingen.

Während der Tertiärzeit bildeten sich die größten Bergketten der Erde durch die fortgesetzte Abkühlung und Faltung der Erdrinde. Daher finden sich in Tibet, im Himalaja und in den Alpen Europas Gesteine, die sich in einem Meere abgesetzt haben, das sich noch zu Beginn der Tertiärzeit quer durch Europa und Asien erstreckte. Damals verschwanden die Rieseneidechsen von der Erde, und die Säugetiere gelangten zu schneller, großartiger Entwicklung.

Ein weiterer Schritt in der Nacht der Zeiten – und Europa prangt in tropischer Vegetation. Palmen gediehen in Skandinavien und England, und linde Seewinde säuselten durch die Wälder Grönlands und Spitzbergens, da, wo jetzt nur Schnee und Eis heimisch sind. Aus Afrika wanderte das Mastodon über Europa und Asien nach Nord- und Südamerika. Durch Vergleich des Alters der Erdschichten, in denen seine Skelette gefunden wurden, kann man auf sein weites Umherwandern auf der Erde schließen.

Dann breitete sich die Eiszeit über die nördlichen Gegenden der Erde aus. Mammut und Rhinozeros zogen südwärts.

Es ist zweifellos, daß schon während der Eiszeit Menschen in Europa lebten, ja, daß es schon zu Ende der Tertiärzeit menschliche Bewohner der Erde gab. Aber wie lange es her ist, daß die ältesten Menschen lebten, diese Frühe kann niemand beantworten. Einige Forscher sagen: mehr als zwanzig Millionen Jahre. Während einer späteren Periode lebten schon ziemlich hochentwickelte Menschen in Mitteleuropa, und seit dem Anfang dieser Zeit sollen nicht weniger als vierundzwanzigtausend Jahre verflossen sein!

Die ältesten Menschen, von denen sich versteinerte Skelette bis auf unsere Tage erhalten haben, waren sehr tiefstehende Geschöpfe. Aus der Form der Gaumenwölbung hat man schließen zu müssen geglaubt, daß sie kaum sprechen konnten, wenigstens nicht in deutlichen Worten. Sie besaßen keine andern Werkzeuge als die Steine, die sie auf dem Erdboden fanden, und erst weit später verstanden sie es, Feuerstein scharfkantig zu schleifen und ihn zu Messern und Waffen zu benutzen. Mit mangelhaften Gerätschaften versehen, zum Schutz gegen die Kälte in Tierfelle gekleidet, in Grotten und Höhlen ihr Obdach für die Nacht suchend, führten diese Menschen ein schweres Dasein im Kampf mit der Natur, miteinander und mit den Riesentieren der Wälder, dem Mammut, dem Höhlenbären, dem Bisonochsen, dem Urstier und andern. Aber sie verstanden sich schon darauf, diese Tiere zu erlegen, um sich ihr Fleisch als Nahrung zu verschaffen. Auf unübersehbare Herden wilder Pferde machte man Jagd, man verfolgte die Tiere auf abschüssige Felsen hinauf und hetzte sie von da in die Tiefe am Fuße der steilen Wände. Das Mammut fing man in Fallgruben. Das Fleisch des Wildbrets wurde über dem Feuer geröstet, und an zerschlagenen Knochen, die sich gefunden haben, hat man erkannt, daß das Mark damals ein sehr beliebter Leckerbissen gewesen ist. Die Menschen jener Zeit verstanden es auch, Feuer anzuzünden, und brieten sich an seinen Flammen Schnecken und Muscheln. Auch waren sie Menschenfresser, und wenn sie mit Feinden in der Schlacht gekämpft hatten, verzehrten sie die gefallenen Gegner. –

Leisen Schrittes gehen die Jahrtausende dahin, und die schwere Erdkugel dreht ihre Masse unermüdlich um ihre Achse, durch ewige Gesetze an ihre Bahn gebunden. Nun schreiten die Menschen lichteren Zeiten entgegen. Gleich Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel benutzen sie, was die Erde ihnen bietet, zu ihrem Besten. Auch das Kunstbedürfnis erwacht in ihrer Seele, und sie schmücken sich mit durchbohrten Tierzähnen, die sie auf Sehnenstränge aufziehen und sich um den Hals binden. Aus Tierhäuten schneiden sie Riemen und fertigen sie Zelte an, aus Knochen und Horn stellen sie Werkzeuge und Geräte her, mit beinernen Nadeln und Sehnen lernen sie nähen, sie fangen sich wilde Pferde, um sie zu zähmen und zuzureiten, und können nun noch schneller und leichter als bisher umherwandern und das Wild verfolgen, ohne zu ermüden. Das Renntier spielt in ihrem Leben eine Rolle, wie kein anderes Tier. Mit scharf zugespitzten Steinen ritzen sie Renntier-, Pferde-, Mammut- und Bisonbilder in Knochen ein und malen gewaltige Tierbilder an die Innenwände ihrer Höhlen in dem Glauben, daß dies ihnen Glück auf der Jagd bringen werde.

Aus ihrer Urheimat verzweigen sich die Menschen nach und nach in die verschiedenen Weltteile und entwickeln sich zu weißen, gelben, roten und schwarzen Rassen. Erst spät treten die am höchsten stehenden Völker in die Periode ein, die wir die geschichtliche Zeit nennen, in das graue Altertum, das schon Urkunden besitzt, die auf Stein und Ton geschrieben sind. Diese Zeit beträgt nur sechstausend Jahre! Ein verschwindend kleiner Bruchteil der ganzen Unendlichkeit! Aber niemals haben sich die Menschen mit solcher Schnelligkeit entwickelt, wie in den letzten hundert Jahren!


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