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Nach einem von herzlicher Wärme getragenen Abschiedsbesuch war Ulrich Glür in die Heimat verreist. Siegfried fühlte sich beglückt darüber, daß er seine Verlobte über Sommer so gut aufgehoben wissen durfte.
Da lag sein Doktordiplom!
In ruhiger, männlich tiefer Freude hatte er es ihr überbracht, nicht wie ein Geschenk des Zufalls, das zum äußeren Jubel reizt, sondern wie das wohlverdiente Zeugnis eines in ehrlichem Ringen erreichten Zieles. Beide waren sie nun von den Pflichten des Tages frei, sie von der Malerei, er von Studien und Prüfung. Oh, war das herrlich, die Automobilfahrt weit um den von Sonne und Frühlingsahnung übelleuchteten Starnberger See! Wie ein tiefes Atemholen ging es durch ihrer beiden Leben. Selig empfand Hilde die Schönheit der Tage. –
In der Familie Herdhüßer war Festtafel zu Ehren des jungen Doktors. Stillbeglückt saß Hilde im Kreis seiner Freunde von der Technischen Hochschule an seiner Seite. Es war aber kein auflachendes, lautes Fest, wie wenn Künstler und Künstlerinnen schwärmend beisammensitzen, sondern Abschieds- und Trennungsgedanken gaben den Stunden eine ernste Weihe. Gustav Wieland, der Schwabe, hielt die zu Herzen gehende große Rede des Abends und gedachte dabei humorvoll des »feinen und gediegenen Kerls« von der Ludwig- und Leopoldstraße. Wonnig überdachte Hilde die schöne Lebensfügung, daß es ihr beschieden sein werde, ihren weiblichen Wirkungskreis gerade in der anregenden, schritt- und schicksalssicheren Welt der Technik zu finden, von der schon ihre Jugend umgeben gewesen war – an der Seite Siegfrieds, ihres treuen, starken Siegfrieds.
Glückwunschtelegramme liefen zu der schönen Feier ein. Sie kamen aus der Heimat Siegfrieds und von Berlin, von seinen früheren Mitarbeitern und seinen künftigen obersten Vorgesetzten. Jedes wurde laut vorgelesen, jedes freudig begrüßt.
Einmal aber erblaßte Hilde.
»Dem Jugendfreund ein herzliches Glückauf zum Doktor! – Schloß Edenkogen, Marthe Burmester!«
Das erschreckte sie! Sie begriff. Durch den Doktortitel war Siegfried in den Anschauungen der holsteinischen Gutsbesitzerfamilien, auch derjenigen Marthe Burmesters, wieder in die Achtung und Ehre eingesetzt, die man dem jugendlichen Techniker verweigert hatte. Wie nun, wenn Siegfried von seinem Osterbesuch in St. Agathen, wie es die Rücksicht auf seine Familie erforderte, nach seiner Heimat fuhr, dort, ehe er seine Berliner Direktorstellung antrat, kurze Ferien hielt und Marthe wiedersah?
Ein inniger, tiefer Blick seiner herrlich blauen Augen, der ihr leuchtend in die Seele drang, beruhigte sie. Leidenschaftlicher loderte nur ihre Liebe zu ihm. Der würde eher wie eine Eiche im Sturm brechen, als nur mit einem flüchtigen Gedanken von seiner Liebe zu ihr lassen! –
Am Morgen nach dem Feste, dem Sonntag vor Ostern, hielt sie einen Brief Adolfs in den Händen. Der Junge sprudelte von Freude über ihre bevorstehende Heimkehr und über den Malauftrag in der Villa Glür. »Aber was für Sachen sind das? Du verlobt! Herrgott, wenn das alles wahr ist, was Herr Glür sagte, was bekomme ich für einen vornehmen Mann zum Schwager! Nein, so recht innig habe ich mich daran nicht freuen können, daß Du so der Heimat entwachsen und uns nach dem fernen Berlin verlorengehen willst! Der Lehrer aber sagt, Du hättest Dich wohl in München so schwungvoll entwickelt, daß Du keinen unserer Bureauschreiber oder Zeichner zum Mann nehmen könntest.«
Darüber mußte ste herzlich lachen. Hatte der Alte einen hellen Kopf!
Doch der Brief Adolfs lief weiter: »Der Lehrer billigt also Deine Verlobung, und auch ich erwarte Dich und Deinen Bräutigam mit den besten brüderlichen Vorsätzen. Denke Dir, Hilde, auch ich habe meine stille Liebe. Da fällt es mir nicht schwer, die Wünsche und Gefühle Deines Herzens zu verstehen.«
»Junge! – Junge!« entfuhr es ihr.
»Und nun bloß noch eins«, schrieb Adolf, »gelt, Du bist nicht stolz geworden, Hilde? Du schämst Dich nicht, daß ich ein einfacher Arbeiter bin und es wohl bleiben werde? Nein, das tust Du nicht! Und so freue ich mich jede Stunde und jeden Augenblick auf Dich, mein Schwesterchen, und selbst aus dem Schlaf weckt mich die Freude. Willkommen, tausendmal willkommen in der Heimat, Hilde!«
Leise lächelnd sann sie über dem Brief. Oh, die sonnige, wonnige Heimkehr! Ihr war, eine gütige und gesegnete Hand führe sie auf die heiterste Höhe des Lebens.