Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Fox machte sich Vorwürfe, daß er Lotte bis jetzt so wenig beachtet hatte. Er mußte ihr Vertrauen gewinnen, und das Vertrauen der alten Frau Bornemann ebenfalls. Deren Geburtstag bildete die passende Einleitung zur Annäherung. – Er ließ sich bei ihr melden und verehrte ihr einen Hummer zum Wiegenfeste. Frau Bornemanns Augen wurden naß, sie wollte ihn erst nicht nehmen, da er doch gewiß sehr teuer sei, und hielt die Hände in die Schürze geknüllt wie ein schüchternes Mädchen. Dann nahm sie ihn aber doch, bereitete eine Sauce dazu nach ihren Erinnerungen einer besseren Zeit und lud Fox später zögernd zu einem Mahle ein, obgleich Lotte meinte, sie wollten das Tier lieber allein verzehren. Auf Lotte war dieser Hummer eigentlich berechnet. Fox wußte, daß sie gerne etwas Gutes aß. Er hatte das öfter bemerkt, wenn er an der Küche vorbeiging. Da stand sie an dem rohen Brettertisch, hielt eine seiner nicht ganz ausgeleerten Delikatessbüchsen in der Hand – Fox liebte es nicht, von Resten zu leben –, stocherte die Fischlein mit der Gabel heraus und verzehrte eines nach dem andern, andächtig, ohne Brötchen. Frau Bornemann, erst zurückhaltend, taute doch allmählich auf. Sie klagte, daß sie hier wie in einem Meer von Steinen säße, die Straßen verwirrten sie, sie kenne kaum jemand, alle ihre natürlichen Berater, Kinder und Schwiegersöhne, seien tot, man nütze ihre Unkenntnis in geschäftlichen Dingen aus, sie fühle sich der Welt preisgegeben, und Lotte wisse noch weniger als sie selbst, obgleich sie doch das Seminar besuche. Und dann sagte sie, das Großstadtpflaster sei doch nichts für junge Mädchen, obzwar sie ja auf Lotte wie auf einen Felsen bauen könne, denn im Grunde sei sie brav und gut – und ihre Rede floß weiter, leise und bescheiden wie ein ganz kleines, spärliches Wässerchen. Fox sagte zu allem: jaja, jaja, blickte nachdenklich und fürsorglich drein und versprach, er werde ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen, sie möge sich nur in allen schwierigen Fragen an ihn wenden. Das tat sie in Zukunft auch wirklich, erzählte ihm lange Geschichten über ihre bescheidenen Bankpapiere und fragte: Nun sagen Sie, was soll ich tun?! – Er hörte stirnrunzelnd zu, versprach, sich die Sache im Kopf herumgehen zu lassen, besprach sie dann mit Leuten, die davon mehr verstanden als er selbst, meinte zustimmend, dasselbe habe er ungefähr auch schon gedacht, und legte dieses Selbe später der Frau Bornemann als Resultat seines vierundzwanzigstündigen Nachdenkens vor. Lottes Wohlwollen erwarb er sich dadurch, daß er ihr nun ab und zu auch noch intakte kleine Leckereien verehrte, und Frau Bornemann hatte nichts dagegen, denn sie sah ja nun: Ihr Mieter war brav und meinte es gut mit ihnen. Und diese Überzeugung wurde besonders rege in ihr, wenn er Lotte, die zuweilen merkwürdig frei redete, ohne sich dabei im geringsten etwas zu denken, nachdrücklich zurechtwies: So etwas paßt sich nicht für ein Fräulein! Zuweilen lud er sie ein, mit ihm in eine Bildergalerie, in ein Museum zu gehen. Er erklärte ihr, daß es «Schulen» gäbe unter den alten Meistern; das glaubte sie erst nicht, ließ sich dann aber belehren, und erzählte zu Hause alles Großmutter wieder. – Lies ihm doch mal deinen neuen Aufsatz vor! Er interessiert sich doch für unser Wohl und Wehe! – Aber das wollte sie nicht, sie wußte selber nicht warum. Sie hatte ihn ja ganz gern und verehrte ihn, weil er alles wußte, aber – ihre Aufsätze vorlesen – nein, das wollte sie nicht. – Weshalb sein Bruder wohl gar nie mehr kam? Der sah so interessant aus! Ob der wohl noch viel mehr wußte als Fox? Manchmal wollte sie Fox fragen, weshalb er sich gar nicht mehr sehen ließe, aber sie unterließ es, aus einem unklaren Gefühle.
Eines Tages stand Pitt plötzlich vor ihr, unter der Tür. Es regnete stark, er hatte weder Schirm noch Mantel und wollte sich beides von seinem Bruder borgen. – Er ist nicht zu Hause! sagte Lotte, aber kommen Sie nur herein, vielleicht ist er bald da! Pitt sah in ihre lebhaften und erfreuten Augen und ließ sich hineinziehen. Er saß ihr nun gegenüber, und es war, als habe sich da ein ganz besonderer interessanter Vogel neben ihr niedergelassen, den sie bisher nur flüchtig und im Fluge sah. – Was er für schöne tiefe Augen hatte! Gewiß hatte er furchtbar viel Interessantes erlebt. – Ich soll mich auf mein Lehrerinnenexamen vorbereiten! erzählte sie sofort, wir haben nicht viel Geld, und ich muß einen Broterwerb ergreifen! – Sie sollten lieber heiraten! sagte er, ich glaube, dazu passen Sie viel besser. – O Gott, das möchte ich ja so gern! Aber wen? Ich weiß ja keinen! – Sie holte Großmutters Visitenkartenschale, die nun Zimmerschmuck bei Fox geworden war: Mit was für vornehmen Leuten Ihr Bruder verkehrt! Sehen Sie, hier ist ein Baron, da ein Graf! Sie nahm die Karten achtungsvoll aus der Schale. – Furchtbar schade, daß die immer kommen, wenn ich im Seminar bin! – Diese Karten hatte Fox selbst importiert, um sein Renommee zu heben. In Salons für einen Moment allein gelassen, pflegte er zuweilen die Visitenkartenschale zu revidieren. – Ihr Herr Vater wird ja nun auch bald Graf! – Mein Vater? – Natürlich! Der Kaiser wartet nur auf die nächste Gelegenheit, und dann wird er Graf! – Hat Ihnen das Fox erzählt? Sie nickte und fand gar nichts Verdächtiges in seiner Frage.
Es klopfte leise und bescheiden. Frau Bornemann hatte an Foxens Zimmertür gehorcht und drinnen Lottes Stimme und eine andere, männliche gehört; wenn Lotte auch nichts Unrechtes tat: Es schickte sich nun einmal nicht.
Lotte war etwas verlegen. Sie stellte Pitt sogleich vor und erklärte eifrig, er warte hier auf seinen Bruder. Frau Bornemann dachte: dann kann ich ja ein bißchen mitwarten! überlegte, ob sie sich wohl auf einen ihrer eigenen Stühle setzen dürfe und ließ sich dann auf den Rand eines Sessels nieder. Also Sie sind der Bruder von unserm Herrn Sintrup? begann sie höflich und mit stillem Vertrauen, ja das habe ich mir gleich gedacht. In meiner Heimat hatte lobesam der Herr Bürgermeister auch zwei Söhne. – So sagte sie, indem sie ihn aus ihren sorgenvollen Augen halb freundlich und halb kurzsichtig ansah. Dann fuhr sie fort: Merkwürdig, wie einem doch manches zum Segen ausschlägt, von dem wir vorher denken, es brächte einem nur Kummer. Wie bitter schwer kam es mir an, einen Mieter für die neue Wohnung zu nehmen! Wenn einer so etwas nicht erlebt hat, versteht er's nicht. Alles, was man durchmacht, muß erlebt sein. Fremde Erfahrungen bringen einen selbst nicht weiter. Das denke ich manchmal, wenn ich die Menschen Irrtümer über Irrtümer begehen sehe; ich möchte ihnen dann zurufen: Kinder, seht ihr denn nicht, daß ihr das falsch macht? Aber dann denke ich: Laß sie nur gehen, laß sie nur machen! Hinterher sehen sie's dann besser ein, und einmal gebrannte Kinder scheuen das Feuer! Frau Bornemann schwieg, es kam nichts mehr. Und als Pitt sie erwartungsvoll ansah, drehte sie ihr kleines Hasengesicht freundlich hin zu ihm und blickte ihn so niedlich an, daß er innerlich lachte. Und das mit dem Segen des Zimmers? fragte er. – Sie sah ihm erst unsicher auf die Lippen, ob er vielleicht einen Wunsch habe, dann in die Luft, endlich hatte sie den Faden wieder und fuhr fort: Ach ja, das wollte ich ja sagen: Ich müßte lügen, wenn ich behaupten wollte, daß ich nun sehr glücklich gewesen wäre – obgleich es Ihr Herr Bruder ist. Aber der Wahrheit die Ehre: Die ersten Tage war ich ganz unglücklich darüber! In dem Bett, worin er schläft, ist mein Mann selig gestorben, und den Fußteppich hat mir meine Schwester selig gestickt zur Hochzeit; na, und was da noch für Erinnerungen sind, das kann Sie ja kaum interessieren. Aber jetzt danke ich unserem Schöpfer, daß er da ist. – Ihr Herr Bruder nämlich: So ein ausgereifter Verstand in einem so jungen Kopfe – wenn man so sagen darf – und dann die hochanständige Gesinnung: Einen Teppich hat er legen lassen auf dem Vorplatz! Ich sehe ihm auch manches gerne nach; einem andern würde ich es nicht erlauben, all die alten Familienbilder von den Wänden zu nehmen; meine Tochter gehört nun mal übers Sofa, wo sie immer drauf gesessen hat, und mein eigenes Jugendbild von anno dazumal hat auch stets einen Ehrenplatz gehabt. Aber ich dachte: Mathilde, du versündigst dich, der junge Mann ist in der Fremde, und wenn er dich bittet, eigene Bilder hinhängen zu dürfen – laß ihn dem Zug seines Herzens folgen. Na, Familienbilder hat er ja nun nicht gerade hingehängt, sondern solche abgemalten Bilder; ich versteh ja nichts davon, aber wenn ihm das Freude macht – ich habe nichts dagegen! Nun sagen Sie mal: was studieren Sie nun eigentlich? Auch Jura. – Sieh mal! Dann sind Sie also zwei Juristen?
Pitt wurde dies langweilig, er erhob sich und wollte gehen. Der Regen hatte aber zugenommen, und Frau Bornemann sagte: Nun werden Sie ja naß! Lotte flüsterte ihr etwas ins Ohr; sie murmelte dagegen: alte Andenken, und so tief weggepackt – verstand sich dann aber dazu, sie zu suchen, und Pitt mußte versprechen, sie am nächsten Tag wiederzubringen. Um drei! rief Lotte; und an der Tür sagte sie noch einmal leise und dringlich: Punkt drei! Um diese Zeit – so wußte sie – war Fox nicht zu Hause.
Wirklich war Pitt am nächsten Tage um die angegebene Zeit auf dem Wege. Soll ich nun den Mantel einfach abgeben und dann gleich wieder gehen? So fragte er sich.
Die letzte Zeit, in der er Fox nicht mehr besuchte, hatte er kaum an Lotte mehr gedacht. Aber seit gestern hatte er fortwährend an sie denken müssen. Immer sah er sie vor sich, mit ihrer festen, etwas derben Gestalt, mit ihren gesunden, frischen Backen und den blanken, lebenslustigen schwarzen Augen. Nie hatte er ein Mädchen gesehen, das ihm auf den allerersten Blick so sehr gefallen hatte.
Nach seiner Trennung von Elfriede hatte Pitt die erste Zeit sehr zurückgezogen gelebt, fast ängstlich jede Bekanntschaft mit einem Mädchen vermieden, da er sich vor einem neuen Schiffbruch fürchtete; bis er schließlich den Zustand gänzlicher Zurückgezogenheit doch nicht mehr ertrug und, wie die Schnecke, langsam seine Fühlhörner wieder vorzustrecken begann. Aber seine Annäherungen blieben doch stets wie in einer Ferne, und fühlte er gar eine Annäherung des anderen Teils, so ergriff ihn sogleich wieder die erste Furcht, ja fast ein Schreck, er zog sich Augenblicks wieder in sein Häuschen zurück und lachte sich selber aus: Liebe, so sagte er sich, ist etwas, das man nicht suchen darf; sie muß kommen, ohne daß man sie sucht. Nun hatte er immer darauf gewartet, daß sie von selber käme, aber sie kam nicht.
Jetzt sah er Lotte, und zum erstenmal empfand er: Liebe ist etwas, das im Blute liegt und zum andern will! Zum erstenmal fühlte er einen starken Trieb in sich.
Mit äußerer Ironie und innerem Neide hatte Pitt auf seine Kameraden gesehen, die ein ihm fremdes Leben führten. Waren sie nicht weit besser dran als er selbst, der in jedem Sinn egoistisch nur für sich selber lebte?! War es nicht Feigheit, Mangel an Selbstvertrauen, wenn er jetzt auch nur der Möglichkeit eines Erlebens aus dem Wege gehen wollte? – Unter diesen Erwägungen näherte er sich der Wohnung der Frau Bornemann.
Lotte öffnete, sah ihm frisch und freudig in die Augen und sagte: Ich hatte schon gefürchtet, Sie kämen überhaupt nicht mehr, denn es ist schon zwanzig Minuten nach drei! Wir wollen aber nicht in Ihres Bruders Zimmer gehen, sondern in unser eigenes! Pitt war hiermit sehr zufrieden, dachte aber: du lieber Gott! als ihm Frau Bornemann auch heute entgegentrat; im ersten Momente sah er sie gar nicht, da ihre unscheinbare Gestalt in dem braunen Kleide sich wenig von der ebenfalls braunen Tapete abhob. Sie machte Pitt diesmal eine feierliche Reverenz, die er ebenso erwiderte, ohne zu wissen, weshalb sie das beide täten. Er hatte keine Lust, ähnliche Ansprachen zu erleben wie die gestrige, nahm sich vor, sogleich wieder zu gehen, und Lotte an der Tür zu fragen, wann er sie einmal allein sehen könne. Aber wie er nur das erste Wort davon sagte, rief Lotte, das gehe nicht, sie habe sich so darauf gefreut, daß sie ihm ihre Hefte zeigen würde! So ließ er sich mit einem innerlichen Seufzer auf einen Stuhl nieder. – Was mögen Sie am liebsten? Französisch, Geographie? – Aufsatz! sagte er und dachte: Da erfahre ich wenigstens etwas über sie selber. Sie holte sogleich alle ihre Hefte; er schlug das erste auf. – Den nicht! sagte sie und blätterte bis zum zweiten. Er las, sie sah ihm ab und zu über die Schulter, ob er schon an die schöne Stelle käme, die ihr so besonders gut geglückt war. Dann kam der nächste: Über die Erziehung der Jugend. Was für abgedroschene Worte und Gedanken das alles waren! – Sie glaubte etwas wie Mißbehagen auf seinem Gesichte zu sehen, sagte selbst, alles sei gräßlich, während sie alles eigentlich ganz in der Ordnung fand, verteidigte sich auch gar nicht und rief bloß: Ich muß ja! Ich muß ja! – Er legte das Heft endlich beiseite, sie brachte sofort ein neues. Sie wollte durchaus hören, was er über Iphigenie dachte und «Goethes Stellung zum Christentum». Auf diesen Aufsatz war sie wirklich stolz. Sie hatte darunter die beste Note erhalten, und außerdem war alles kalligraphisch musterhaft geschrieben. Er las ihn von Anfang bis zu Ende, dann reichte er ihr das Heft mit einem stummen Blicke. – Geist und Ideen hatte dieses Mädchen nicht, das stand fest. Aber das schadete ja gar nichts – im Gegenteil: ein solches urwüchsiges, frisches, einfaches Geschöpf und Aufsätze – das paßte nicht zusammen. Und die sollte in eine Schule eingesperrt werden? – Lotte war etwas betrübt, daß er gar nichts sagte. – Hier ist noch ein Aufsatz, meinte sie aber mit frischem Mute, der heißt einfach: Die Kuh. Den habe ich am allerliebsten gemacht von allen, und immer, wenn ich eine Kuh sehe, denke ich: Ob das wohl die ist, von der ich das geschrieben habe? – Pitt las auch diesen Aufsatz, und ehe er etwas äußern konnte, ließ sich Frau Bornemann, die mit Wohlgefallen zuhörte, wie ihre Enkelin sich wissenschaftlich unterhielt, von ihrem Nähtisch aus vernehmen: Gegen den Aufsatz kann keiner was sagen, da fehlt auch kein Härchen vom ganzen Fell! Nun quäle Herrn Sintrup aber auch nicht mehr! Doch Lotte wollte jetzt durchaus, daß er auch ihre Geographiehefte ansähe. Sie hatte bemerkt, daß es draußen regnete, und wünschte, der Regen möchte inzwischen zunehmen, damit Pitt auch morgen einen Grund habe wiederzukommen. Wirklich ging ein ganzer großer Guß nieder; als er fast vorüber war, erhob sich Pitt, aber Lotte sagte: Es steht eine ganze Wand am Himmel, Großmutter, er darf doch den Mantel noch einmal mitnehmen? Frau Bornemann erlaubte es zögernd. – Wenn es besseres Wetter wäre, sagte Pitt an der Tür zu Lotte, hätte ich gedacht, ob Sie nicht ein bißchen mitgingen. – O Gott, dasselbe habe ich ja auch schon gedacht, sagte sie erfreut; das Wetter macht mir gar nichts – ich muß mir ja sowieso neue Hefte kaufen, setzte sie hinzu und dachte: Das kann ich ja wirklich. In zehn Minuten komme ich! – Sie begab sich ins Zimmer zurück, setzte sich scheinbar an die Arbeit, behielt die Uhr genau im Auge und brachte nach zehn Minuten ihr Anliegen vor. Großmutter suchte in ihrem Portemonnaie, gab ihr ein Geldstück und sagte: Von den zwanzig Pfennigen, die übrigbleiben, darfst du dir ein Magenbrot kaufen, das heißt: für fünf; die übrigen muß ich wiederhaben!
Pitt wartete unten. Sie schoß zur Tür hinaus und spähte, ob er noch da sei; denn inzwischen war schon fast eine Viertelstunde verflossen. – Ich muß mir die Hefte nun aber wirklich kaufen, dachte sie, denn sonst wäre es eine Lüge gewesen, und ich lüge nie. – Wo wohnen Sie denn eigentlich? Pitt nannte die etwas entfernte Straße, und sie sagte, da kaufe sie immer ihre Schulhefte. Sie fing noch einmal an, von ihren Aufsätzen zu sprechen, und dann erzählte sie ihm, daß sie schon einmal durchs Examen gefallen sei, nicht aus Dummheit, sondern aus Angst, daß sie sonst Lehrerin werden müsse. Großmutter dürfe das nie erfahren, das wäre entsetzlich. – Auch Ihrem Bruder, fügte sie hinzu, würde ich das nie erzählen; aber ich weiß nicht, zu Ihnen habe ich ein großes Zutrauen. – Sie erreichten allmählich seine Straße; wirklich entdeckte sie dort einen Schreibwarenladen, sagte zu Pitt, er möge draußen warten, sie wäre im Augenblick wieder da, und blieb dann sehr lange drinnen. Endlich erschien sie wieder mit einem glücklichen Ausdruck in den Augen: Ich habe alles um fünf Pfennige billiger bekommen als in dem eigentlichen Laden – ich kaufe manchmal auch woanders – und nun darf ich zehn Pfennige für Kuchen verwenden anstatt fünf! – Ist eine Konditorei hier in der Nähe? fragte Pitt. – Konditorei? Ich gehe immer in Bäckerläden, da kriegt man mehr. – Er wollte aber durchaus in eine Konditorei. Sie zögerte erst, indem sie dachte, sie könne ihre zehn Pfennige ausgiebiger anlegen, aber dann überwog die Freude, mit ihm zusammenzusitzen.