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21.
Über die elektrische Natur des Geistes


Warum ist die schließende Bewegung satanisch? Weil das Wesen Gottes elektrischer Art ist. Es liegt im Wesen der göttlichen Kraft, sich geteilt zu offenbaren, durch einen positiven und einen negativen Pol. Würden die Pole sich unmittelbar berühren, so würde Gott sich selbst zerstören, und es ist deshalb notwendig, daß mit der schließenden Bewegung zugleich der Stoff entsteht, wodurch die unmittelbare Selbstberührung der Kraft vermieden wird. Wäre nicht der Äther, der unverwesliche Stoff, in den die Kraft eingebettet ist, so könnte sie sich überhaupt nicht offenbaren. Gott in seiner Majestät ist unentrinnbare Zerstörung. Alle Völker haben das feurige Wesen der Gottheit erkannt, ihre zugleich wärmende, segnende, lebenschaffende und zerstörende Kraft. Dem Christentum allein indessen wurde klar bewußt, daß es zugleich die Liebe ist, also das Gefühl, welches die Kraft von sich selbst abwendet auf das Du.

Christus erschien der Magdalena im Garten und sprach zu ihr, die sehnsüchtig die Arme nach ihm ausbreitete: Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Es ist klar, daß nicht Er zu Seinem Schutze Maria Magdalena warnte, ihn zu berühren. Die Bibel erinnert hier an den Mythos von Semele und Jupiter, der die Geliebte, die ihn in seiner Majestät sehen wollte, bat, ihre Bitte zurückzunehmen, damit er sie nicht vernichten müsse. Göttlich ist die feurig-elektrische Kraft, die sich in der Natur und im Menschen gnädig verhüllt. »Wir haben alle«, sagt Goethe, »etwas von elektrischen und magnetischen Kräften in uns und üben wie der Magnet selber eine anziehende und abstoßende Gewalt aus, je nachdem wir mit etwas Gleichem oder Ungleichem in Berührung kommen.« Der Auferstandene, weder im Fleisch noch im Element gebunden, ist die freie blitzende Kraft, die den Sterblichen, der sie anrührte, töten würde. Von nun an, sagt er zu seinen Jüngern, werdet ihr mich sehen zur Rechten der Kraft und in Wolken.

Vergegenwärtigen wir uns den auferstandenen Christus, der mit göttlicher Gebärde die anbetende Magdalena zurückweist, so muß uns das Kümmerliche und Wesenlose der Geisterbeschwörungen unserer Spiritisten, der gewöhnlichen Geistererscheinungen überhaupt klar werden. Schatten ziehen da vorüber, Selbstbetrug des Teufels, wie Luther sagen würde, Gebilde auf sich selbst bezogener oder sich selbst belügender Individuen, gegensatzlose Gespenster. Ein lebendiger Geist läßt sich nicht beschwören, außer vielleicht, daß er auf das Gebet der Liebe durch eine innerliche Wirkung antwortete, und erschiene er, würde er den dreisten Anrufer töten.

Wie Magdalena, die Christus für den Gärtner hielt, erkannten auch die Jünger den Herrn nicht, der ihnen erschien, als bis er das Brot brach, an seiner Gebärde. Wie aufschlußreich ist auch das. Nachdem die körperlich erscheinende Form zerbrochen ist, bleibt noch das persönliche, das Geheimnisvolle, das einmal und unwiederholt da ist, das was unwiderstehlich zur Liebe bewegt, Schönheit und Tugend an Zauber übertrifft. Er ist es, dieser Einzige unter Millionen, der in Verklärung, in Entstellung, in jeder Gebundenheit sich dennoch durch Bewegung und Stimme geheimnisvoll verkündet.


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