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22.
Offenbarung der dreieinigen göttlichen Kraft als das Wunder, hervorgerufen durch den Druck des Stofflichen


Offenbarung der dreieinigen Kraft ist die eröffnende und die ergänzende Bewegung, die sich in einem Punkte kreuzen, der Ausgleich der entgegengesetzten Elektrizitäten, Blitz und Donner, worin die Menschheit von jeher die Stimme Gottes erkannt hat; Offenbarung der dreieinigen Kraft ist innerhalb der organischen Natur die Durchdringung der männlichen Zeugungskraft und der weiblichen Einbildungskraft im Keime eines neuen Menschen, innerhalb des Geistes jener Vorgang, den wir Inspiration oder Empfängnis nennen, wenn ein Wille mit der Idee einer Tat oder eines Werkes verschmilzt, die Augenblicke also des höchsten sinnlichen und geistigen Entzückens. Was an Qualen und Wonnen durchzukämpfen ist, bis eine Tat vollbracht ist, kann an den Schmerzen und Freuden der gebärenden Mutter ermessen werden. Wir dürfen glauben, daß in dem Augenblick, als der Herr den überschwenglichen Gedanken faßte, sein Volk und die Menschheit zu erlösen, die höchste gottmenschliche Beseligung erlebt wurde.

In allen Offenbarungen des dreieinigen Gottes ist eine Gegenwirkung, nennen wir sie Teufel, inbegriffen, welche freilich im Augenblick des blitzenden Ausgleichs überwunden wird. Ja, die Überwindung der Gegenwirkung muß man eigentlich als die Veranlassung der göttlichen Offenbarung betrachten. Goethe soll sich über die Äußerung Kants geärgert haben, daß der Hang zum Bösen dem Menschen von Gott eingepflanzt und stärker sei als die Anlage zum Guten. Das allerdings mußte Goethe ablehnen, da er, wie er ausdrücklich sagt, an den Sieg des Guten über das Böse glaubte, der nicht eintreten könnte, wenn die Anlage zum Bösen im Menschen stärker wäre als die zum Guten. Allein hören wir Goethe: »Alles Edle ist an sich stiller Natur und scheint zu schlafen, bis es durch Widerspruch geweckt und herausgefordert wird.« Die Nötigung, sagt er an anderer Stelle, rege den Geist auf, und er halte deshalb die Beschränkung der Preßfreiheit für wünschbar.

»Das Gleiche läßt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.«

Er tadelt es an den jungen Poeten, daß sie Stoffe aufsuchen, die ihnen gleich oder ähnlich sind, ebenso an den Franzosen.

»Der Irrtum ist immer obenauf, auch auf Schulen und Universitäten, darum muß das Wahre, wenn auch nicht neu, immer wiederholt werden.« Die Meinung ist also die, daß das Böse oder Falsche, wenn auch durchaus nicht stärker als das Gute und Wahre, doch zunächst vorhanden sei und eben dadurch das Göttliche, das seinem Wesen nach ruhend ist, eine verborgene Anlage, zur Äußerung reize. Dies ist ja auch die Auffassung des Teufels im Faust, als die Kraft, die, das Böse wollend, das Gute bewirke. Auch in der Bibel heißt es, daß erst das Wüste und Leere war, aus dem die schaffende Kraft Gottes hervorblitzte. Das Nichts war gleichsam der Druck, der Gott veranlaßte, sich durch die Schöpfung zu offenbaren, und der noch immer fortfährt, dies zu tun; ist ja doch die Sünde ein Nichtsein, eine Ermangelung des Göttlichen. Daß nun das Böse als Nichtsein einen Druck ausüben kann, wird sofort klar, wenn man daran denkt, daß der Stoff ein Totes, ein Nichts ist, das schaffende Kraft verdrängt. Nichts in dem Sinne, den man ihm gewöhnlich beilegt, wäre nur nichts Sichtbares, und das kann grade das Allerlebendigste sein. Das Tote, Nichtseiende ist ausgedehnt und sichtbar; aber es hat keine Zukunft und wird nur von außen bewegt, weil es keinen freien Willen, nichts Unwillkürliches hat. Gott ist von Ewigkeit da, im Inneren; aber seine Offenbarung im Blitze der Kraft wird später wahrnehmbar als das Nichtseiende, welches als bloß Äußeres für die Sinne immer vorhanden ist und sich nicht, wie die Kraft, äußert. Das Göttliche lebt in der Beziehung von Innerem und Äußerem, das Satanische im bloßen Äußeren. Nur Gott offenbart sich, und wo Äußerung, das heißt spontane, freiwillige Äußerung ist, da ist auch noch etwas Göttliches.

Wir begehen gewöhnlich den Fehler, daß wir das Gute, Wahre, Schöne für das Normale oder Natürliche halten, wohingegen das Kranke, Häßliche, Unzulängliche das Gemeine ist, das Schöne, Große aber das Aufleuchten einer Blüte, die ihren Duft ausatmet und welkt. Etwas Göttliches ist in denjenigen Menschen, die durch das Häßliche, Falsche, Böse, welches nach dem Ausdruck Goethes immer obenauf ist – es ist ja das Äußere an sich –, gereizt werden, es in Wort und Tat zu bekämpfen. Man mißtraue deshalb allen denen, die nur der Liebe, nicht des Hasses fähig sind und sein wollen. Im Hasse des Toten, das heißt des Erstarrten, des bloßen Stoffes, sowie im Erbarmen für diejenigen, die durch das Erstarrte bedrückt werden, offenbart sich die schaffende Lebenskraft. Daß Liebe ohne Haß sich äußere, ist im einzelnen Falle natürlich sehr wohl denkbar, nicht aber, daß sie nicht organisch zusammenhängen.

»Nun bin ich«, schreibt der junge Goethe einmal, »mit all den Leuten wieder gut Freund – es ist mir gar nicht recht. Es ist der Zustand meiner Seele, daß, so wie ich etwas haben muß, auf das ich eine Zeitlang das Ideal des Vortrefflichen lege, so auch wieder etwas für das Ideal meines Zornes.« Man sieht, die Seele ist da, gerüstet zu kämpfen, bereit zu lieben und zu hassen, anzubeten und zu zerstören. Sie sucht ihr Schlachtfeld, die Gegner, an denen sie sich messen will, das hohe Vorbild, mit dem sie eins werden möchte.


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