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Mehr als ein Jahrzehnt war vergangen, seit Jochen Braun Meerschweinchen gehalten hatte. Doch immer behielten diese in Farbe und Behaarung so vielfältigen Tierchen einen starken Reiz für den Maler. Vor allem, daß sie so leicht zu züchten waren und eine so schnelle Generationsfolge hatten, machte die Beschäftigung mit diesen immer knurrenden und quiekenden Lebewesen für Jochen reizvoll. Doch ließen seine Wohnverhältnisse jetzt die Anschaffung nicht zu. Er hatte im Laufe der letzten drei Jahre noch dreimal die Wohnung gewechselt und hatte nun ein sehr kleines Atelier inne, das er mit einem Paar Orangeköpfchen teilte. Diese entzückenden Zwergpapageien erfreuten ihren Besitzer nicht nur durch ihr drolliges Wesen, sondern dienten ihm, farbenfunkelnd wie sie waren, auch als Modelle. Trotz aller Mühe, die sich Braun gab, gelang es ihm jedoch nicht, das Pärchen zur Brut schreiten zu lassen. Es gab nichts, das Jochen mehr ersehnte, als viele Tiere zu halten und zu züchten.
Eines Tages, der Frühling fing eben an sich kräftig zu entfalten, faßte Jochen den Entschluß, aufs Land zu ziehen. Vierzig Kilometer vor der Stadt mietete er ein kleines Holzhäuschen, dicht am See. Es war ein großes, sehr schönes Grundstück unter mächtigen alten Pappeln. Zum See hin entwickelte sich das Anwesen zu einem kleinen Park, und dort stand das Haus, in dem die Besitzerin wohnte. Es war ein großes, behäbiges Landhaus, das vorzüglich in die Umgebung paßte. Am Eingang des Grundstückes, dicht an der grünbemoosten Tür, an deren einen Seite statt einer elektrischen Klingel eine Kuhglocke hing, standen drei Bäume, wie sie Braun noch nie gesehen hatte. Es waren Haselnußbäume. Hoch und schlank wuchsen die etwa dreißig Zentimeter starken Stämme empor. Die Besitzerin, ein Fräulein im vorgeschrittenen Alter, war Züchterin von schottischen Terriern. Das war die Hunderasse, mit der Braun schon in seinem Elternhause von frühester Kindheit an in Berührung gekommen war, die er liebte und verstand.
Er wohnte noch kein Vierteljahr dort, da hatte er schon einen kleinen, tiefschwarzen Welpen erworben. Das Fräulein hatte ihre beiden besten Rüden von Braun malen lassen und ihm als Bezahlung diesen Junghund gegeben. Sie züchtete mit etwa acht Hündinnen, die alle sehr rassig waren; und mit älteren, jüngeren und ganz kleinen Junghunden hatte sie bis zu fünfundzwanzig Schotten. Es gab mitunter böse Beißereien, denn es waren einzelne Krakeeler unter den Hunden.
Zweimal konnte Braun im letzten Augenblick dazwischenfahren, und in beiden Fällen gelang es ihm, die bedrohte Hündin vor dem sicheren Tod zu retten. Besonders die eine, die er sehr gut leiden konnte, war hart bedrängt.
Es war ein etwas zartes Tier, noch dazu tragend. Die Hündin stand mit dem Hinterteil an den Draht des Zwingers gedrückt und schlug wild mit dem gefährlichen Gebiß, das alle Scotchterrier haben, nach den drei Angreiferinnen. Im Augenblick, als Braun dazukam, hatte eine der Hündinnen die Arme am Hinterlauf gepackt und daran nach vorn gerissen. Nun auf dem Rücken liegend, ihrer Schutzstellung beraubt, griffen die drei hinten, vorn und in der Mitte zu, und obwohl die kleine Hexe immer noch zuschlug, wohin sie traf, wäre sie in wenigen Augenblicken erwürgt worden, wenn Braun nicht mit donnerartigem Gebrüll in langen Sätzen in den Zwinger gestürzt wäre. Er hatte einen Harkenstiel in der Hand, mit dem schlug er drauflos, und so rettete er die junge Hündin.
Hexe blieb ihm von da an treu. Sie besuchte ihn oft in seinem kleinen Häuschen. Morgens, wenn Jochen die Tür aufschloß, saß die Kleine mitunter schon auf der Holzveranda und begrüßte ihn freundlich wedelnd. Brauns »Lump« teilte die Sympathie seines Herrn, und so hielt sich Hexe mehr bei dem Häuschen des Malers auf, als drüben bei dem großen Hause ihrer Besitzerin.
Als sie dann zum Werfen kam, hatte sie es wider Erwarten leichter, als man befürchtete. Immerhin, es war ihr erster Wurf, und etliche Stunden mußte sie sich quälen.
Während sie nun in Schmerzen lag, saß ihre Mutter, die alte »Missy«, an der Tür des Zimmers und hielt Wache. Sowie eine der anderen Hündinnen in die Nähe kam, knurrte Missy tief und böse. Näherte sich aber gar ein Rüde, so sprang sie ihm sofort an den Hals und biß ihn weg. Dann ging sie wieder zum Lager ihrer Tochter und wirkte freundlich und beruhigend. Hexe, die ebenfalls keine Hündin und keinen Rüden in ihrer Nähe duldete, ließ trotz aller Nöte die Mama gern in unmittelbarer Nähe ihres Korbes.
Fünf Welpen brachte sie zur Welt. Für eine so kleine Rasse war das recht reichlich.
Obwohl es ihre erste Mutterschaft war, sorgte Hexe wie eine erfahrene Hündin für die Kleinen. Doch ihre regelmäßigen Besuche bei Jochen und Lump gab sie nicht auf.
Braun hatte inzwischen seiner alten Liebe nachgegeben, er hatte sich einen Stamm Angorameerschweinchen beschafft.
Sie waren rot-weiß, und er hatte solche ausgesucht, die möglichst wenig weiße, dafür um so mehr rote Flecken aufwiesen. Einfarbig rote Angoras wollte er ziehen. Einfarbig rote Tiere gab es wohl bei Kurzhaar- und Rosettenmeerschweinchen, doch rote Tiere in Angora, wirklich lang- und seidenhaarige Exemplare, waren nicht da.
Voll Ungeduld wartete Jochen die 63 Tage der Tragezeit ab, doch kamen die Jungen erst am 69. Tage. In allen späteren Fällen fand Braun diese erste Beobachtung bestätigt, Meerschweinchen tragen nicht 63 Tage, wie es im Brehm und anderswo steht, sondern 68 bis 69 Tage.
Dieser erste Wurf war kein Erfolg, denn obgleich es vier Junge waren, für Meerschweinchen viel, so war doch nur eins in der Zeichnung so gut wie der Vater, es hatte nur am Kopf etwas Weiß. Da es ein Weibchen war, hatte es immerhin züchterischen Wert, denn zur Farbenzucht brauchbare Weibchen fallen bei Meerschweinchen lange nicht so oft wie Böcke.
Auch das zweite Zuchtweibchen brachte bald einen Wurf von zwei Jungen. Es waren beides Weibchen mit nur wenig Weiß. Mit diesen drei jungen Weibchen züchtete Braun, als sie ausgewachsen waren, weiter. Doch obwohl er sie an den Vater zurückkreuzte, war keines von den erzielten Nachkommen besser als die Eltern, eher schlechter. So leicht wollte das Weiß nicht weichen, obwohl die rotbraune Farbe gegenüber der weißen in der Zucht dominiert.
Da entdeckte Braun eines Tages, als er Messing im Zoo besuchte, ein junges Rosettenmeerschweinchen, das einfarbig rot war, ohne auch nur ein einziges weißes oder schwarzes Haar aufzuweisen. Messing tauschte es gegen eins aus der Braunschen Zucht ein, und Jochen hatte endlich, was er brauchte. Das neue Tier war ein Weibchen. Als es herangewachsen war, paarte es Jochen an seinen besten Bock. Der zog sein wunderbar langes Haar wie eine Schleppe hinter sich her, leider hatte er ein wenig Weiß.
Nun hatte also der Vater einwandfreies Haar, aber infolge des Weiß eine fehlerhafte Farbe, und die Mutter besaß einwandfreie Farbe, aber für Angorameerschweinchen viel zu kurzes Haar.
Als die Zeit um war, kam ein Wurf von drei Jungen. Davon waren zwei einfarbig rot, das dritte war ebenfalls rot, bis auf die Füße, die weiß waren. Jetzt hatte Braun endlich zwei Tiere, die im Haar leidlich gut waren und in der Farbe einwandfrei, so daß er nun ernsthaft beginnen konnte, einfarbige Angorameerschweinchen zu züchten.