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Graf Julian. – Seine Schicksale in Afrika. – Er hört von der Entehrung seines Kindes. – Sein Benehmen darauf.
Der Gang unserer Erzählung führt uns nun zu einer Andeutung der Schicksale des Grafen Julian, nachdem er Toledo verlassen, um seine Statthalterschaft auf der Küste der Barbarei wieder anzutreten. Er ließ die Gräfin Frandina zu Algeziras, seiner väterlichen Besitzung; denn die Provinz, welche unter seinem Befehle stand, war durch den Einfall der Araber bedroht. In der That fand er, als er zu Ceuta ankam, diesen Platz durch die Alles bedrängenden Muselmänner sehr gefährdet. Die Araber des Osten, die Anhänger Mahomet's, hatten viele der mächtigsten Königreiche des Morgenlandes unterjocht und ihren Herrschersitz zu Damaskus aufgeschlagen, wo zu jener Zeit Waled Almanzor,Von den Arabern Walid Ben Abdelmelek genannt. – Der Uebers. mit dem Beinamen »das Schwert Gottes«, den Thron inne hatte.
Von hier hatte sich der Strom der muselmännischen Eroberung weiter, bis zu den Gestaden des atlantischen Meeres, gewälzt, so daß ganz Almagreh oder das westliche Afrika der Fahne des Propheten unterworfen worden war, einen Theil von Tingitanien ausgenommen, das die Meerenge entlang lag und eben die Provinz war, welche die gothischen Spanier besaßen und welcher Graf Julian vorgesetzt war. Die arabischen Eindringlinge waren hundert tausend Mann stark, und die Mehrzahl des Heeres bestand aus alten gedienten Kriegern, die im Kriege abgehärtet und an den Sieg gewöhnt waren. Ihr Anführer war ein alter arabischer Kriegsheld, Musa Ben Nosair genannt, welchem die Statthalterschaft von Almagreh anvertraut worden war, das er selbst größtentheils erobert hatte. Dieser alte Krieger hegte den Ehrgeiz, die muselmännischen Siege vollständig zu machen, indem er die Christen von den Gestaden Afrika's verjagte; in dieser Absicht bedrohten seine Truppen die wenigen den Gothen noch bleibenden festen Plätze Tingitaniens, während er in eigener Person die Belagerung von Ceuta zu leiten beschloß. Der arabische Häuptling war durch seine fortdauernden glücklichen Erfolge vertrauensvoll und zuversichtlich geworden und glaubte, nichts könne ferner seinen Waffen und der heiligen Fahne des Propheten widerstehen. Ungeduldig über die langwierigen Zögerungen einer regelrechten Belagerung, führte er seine Truppen kühn gegen die felserbauten Thürme von Ceuta und versuchte es, den Platz durch Sturm zu nehmen. Der Angriff war wild und ungestüm, und der Kampf verzweifelt. Die dunkelfarbigen Söhne der Wüste waren gewandt und kräftig und von ungestümem Geist; aber die Gothen, welche auf diesem Grenzposten an jede Gefahr gewöhnt waren, besaßen noch ganz ihren alten kühnen Muth und die blinde Verachtung jeder Gefahr, während ihre Brüder in Spanien in hohem Grade erschlafft und verweichlicht waren. Auch hatten sie einen Anführer, der im Kriegswesen erfahren war und nach Ruhm dürstete. Nach einem heftigen Kampfe wurden die muselmännischen Stürmenden auf allen Punkten zurückgeworfen und von den Mauern der Stadt vertrieben. Graf Julian brach aus seiner Veste heraus und griff sie in ihren Verschanzungen an, und das Blutbad war so groß, daß der alte Musa sich freute, sein Lager abbrechen zu können, und die Belagerung tief gedemüthigt aufhob.
Der Sieg, den Graf Julian erfochten, hallte in ganz Tingitanien wieder und verbreitete allgemeine Freude. Ueberall hörte man das Jubelgeschrei, und das Lob des Grafen Julian ertönte aus jedem Munde. Das Volk begrüßte ihn auf jedem seiner Schritte als seinen Befreier, und überall rief man Segen auf sein Haupt herab. Graf Julian's Herz schlug stolz, und seine Brust schwoll im Bewußtsein seiner Kraft; aber es war ein edler, tugendhafter Stolz; denn er wußte, daß er den Segen seiner Landsleute verdient hatte.
Inmitten seiner Freude und während der Jubel des Volkes noch in seinen Ohren wiederklang, langte der Page an, welcher den Brief seiner unglücklichen Tochter trug.
»Welche Nachrichten vom König?« fragte der Graf, als der Page vor ihm kniete.
»Keine, mein Gebieter!« versetzte der Jüngling: »aber ich bringe einen Brief, welchen Dona Florinda in aller Eile sendet.«
Er nahm den Brief aus seinem Busen und reichte ihn dem Grafen dar. Wie ihn Graf Julian las, verfinsterte sich sein Antlitz und sein Herz kochte.
»Dies,« sagte er bitter, »ist mein Lohn, weil ich einem Tyrannen diente; dies ist die Ehre, welche mein Heimathland auf mein Haupt häuft, während ich in einem fremden Lande seine Schlachten kämpfe. Möge das Unglück mich treffen und die Schande auf meinem Namen lasten, wenn ich je raste, bevor ich in vollem Maase Rache genommen!«
Graf Julian's Leidenschaften waren ungestüm, und er hörte in seinem Zorne auf keinen Rath. Er war ungemein hohen Geistes, aber er kannte den wahren Edelsinn nicht; war er verwundet, so kehrte er Alles zu Gift und Galle. Ein düsterer, boshafter Haß bemächtigte sich seiner Seele, nicht allein gegen Don Roderich, sondern gegen ganz Spanien. Er betrachtete jetzt sein Vaterland als den Schauplatz seiner Schande, als das Land, wo seine Familie entehrt worden; und indem er die Unbilden zu rächen bedacht war, welche er von seinem Monarchen erfahren hatte, ersann er gegen sein Geburtsland einen der schwärzesten Verrätherplane, auf die je ein menschliches Herz verfallen war.
Graf Julian's Plan war, König Roderich von seinem Throne zu stoßen und Spanien in die Hände der Ungläubigen zu überliefern. Wie er diesen verrätherischen Plan in's Werk zu richten und auszuführen sann, schien sein ganzer Charakter ein anderer geworden zu sein. Jedes hohe und edle Gefühl war in ihm erstickt, und er ließ sich zu der gemeinsten Heuchelei herab. Seine erste Sorge war, seine Familie der Gewalt des Königs zu entziehen und sie aus Spanien zu entfernen, bevor seine Verrätherei bekannt würde; sodann dachte er darauf, sein Vaterland der ihm noch bleibenden Vertheidigungsmittel gegen die einfallenden Feinde zu berauben.
Mit diesen schwarzen Vorsätzen in dem Herzen, aber offenen und heitern Antlitzes, ließ er sich nach Spanien übersetzen und begab sich an den Hof von Toledo. Wohin er kam, empfing man den siegreichen Feldherrn mit allgemeinem Jubel, und strahlend von dem Siege zu Ceuta trat er vor seinen König. Er verbarg vor Don Roderich seine Mitwissenschaft an der Schmach, welche seinem Hause widerfahren war, und nahm die Miene der treuesten Ergebenheit und Liebe gegen seinen Monarchen an.
Der König überschüttete ihn mit Gunstbezeugungen; denn er wollte sein eigenes Gewissen beschwichtigen, indem er den Vater als Sühne für die tödtliche Unbild, welche er seinem Kinde angethan, mit Ehren überhäufte. Auch achtete er den Grafen Julian als einen fähigen und im Kriegswesen erfahrnen Mann und nahm seinen Rath in allem, was sich auf die militärischen Verhältnisse Spaniens bezog, in Anspruch. Der Graf vergrößerte die Gefahr, welche die unter seinen Oberbefehl gestellte Grenze bedrohte, und vermogte den König, die besten noch aus Witiza's Zeit übrigen Truppen zu Fuß und zu Pferd dorthin zu senden, da man derselben in dem Mittelpunkte Spaniens bei dessen jetzigem ruhigen Zustande nicht bedürfe. Die andern Schaaren wurden, auf seinen Rath, an die Grenze von Gallien geschickt, so daß das Königreich gegen einen möglichen plötzlichen Einfall in Süden fast ohne alle Vertheidigung blieb.
Nachdem er seine Plane so verschlagen entworfen und Alles zu seiner Rückkehr nach Afrika angeordnet hatte, ward ihm die Erlaubniß, seine Tochter vom Hofe zu entfernen und sie bei ihrer Mutter, der Gräfin Frandina, zu lassen, welche, wie er vorgab, zu Algeziras gefährlich krank lag.
Graf Julian ließ die Thore der Stadt hinter sich, von einer glänzenden, auserlesenen Schaar begleitet, während die blasse, weinende Florinda neben ihm auf einem Zelter ritt. Das Volk grüßte und segnete ihn und jubelte ihm zu, während er vorüber kam; aber sein Herz wendete sich mit Abscheu von ihnen. Als er über die Brücke des Tajo ritt, sah er mit bewölkter Stirn auf Toledo zurück und hob seine gepanzerte Faust und schüttelte sie gegen den königlichen Palast Don Roderich's, der die felsige Höhe krönte.
»Eines Vaters Fluch,« sagte er, »laste auf dir und den Deinigen! Verderben falle auf dein Haus, und Verwirrung und Sturz treffe dein Reich.«
Auf seiner Reise durch das Land blickte er mit boshaftem Auge um sich. Die Schalmei des Hirten und der Gesang der Landleute klangen wie Mißtöne in sein Ohr; jeder Blick, jeder Ton, welcher von dem Glück der Menschen zeugte, that seinem Herzen wehe, und in der Bitterkeit seiner Seele wünschte er, er mögte den ganzen Schauplatz des Glückes und Gedeihens durch Feuer und Schwert der Feinde verödet sehen.
Die Gräfin Frandina hatte bereits die Geschichte der Schmach und Entehrung ihrer Familie erfahren. Als die unglückliche Florinda vor ihre Mutter kam, fiel sie ihr um den Hals, verbarg ihr Antlitz an ihrem Busen und weinte. Aber die Gräfin vergoß nie eine Thräne; denn sie war eine Frau von stolzem Geiste und starkem Herzen. Sie blickte streng in das Antlitz ihres Gatten.
»Verderben treffe dein Haupt,« sagte sie, »wenn du diese Schmach duldest. Was mich betrifft, eine schwache Frau, werde ich die Freunde und Getreuen meines Hauses um mich sammeln und nicht rasten, bevor Ströme von Blut diesen Flecken weggewaschen haben.«
»Beruhige dich,« sagte der Graf; »die Rache naht, und sie wird sicher und schrecklich sein.«
Da Graf Julian nun auf seinen eigenen Besitzungen und von seinen Verwandten und Getreuen umgeben war, fuhr er fort, sein Verräthernetz vollständig zu weben. Darin unterstützte ihn sein Schwager Oppas, der Bischof von Sevilla, ein Mann, schwarz und treulos wie die Nacht, aber von frommer Miene und glatt und gleisend im Rathe. Dieser verschlagene Prälat hatte sich in das unbedingte Vertrauen des Königs zu schleichen gewußt und diesen dahin vermogt, seinen Neffen, Evan und Siseburt, Witiza's verbannten Söhnen, die Rückkehr nach Spanien zu gestatten. Sie wohnten in Andalusien und wurden nun als passende Werkzeuge bei der jetzigen verrätherischen Verschwörung betrachtet.
Dem Rathe des Bischofs zufolge berief Graf Julian seine Verwandten, Freunde und Anhänger zu einer geheimen Berathung auf einen wilden felsigen Berg, nicht fern von Consuegra, welcher heute noch die maurische Benennung »la Sierra de Calderin,« oder »der Berg des Verraths« trägtBleda, Chron, cap. V. – Der Verf.. Als Alle versammelt waren, erschien Graf Julian, von dem Bischofe und der Gräfin Frandina begleitet, unter ihnen, berief die, welche von seinem Blute und mit ihm verwandt waren, um sich, und entdeckte ihnen die Schmach, welche ihrer Familie angethan worden. Er stellte ihnen vor, Don Roderich sei ihr geschworner Feind, er habe Witiza, ihren Verwandten, entthront und nun die Ehre einer der edelsten Töchter ihres Stammes entehrt. Die Gräfin Frandina unterstützte seine Worte. Sie war eine Frau von majestätischer Gestalt und beredter Zunge, und ihre Worte regten, da die Gefühle einer Mutter sie begeisterten, die versammelten Ritter bis zur Wuth auf.
Der Graf benutzte die Erregung des Augenblicks zur Enthüllung seines Planes. Die Hauptabsicht ging dahin, Don Roderich zu entthronen und die Krone den Söhnen des verstorbenen Königs Witiza zu geben. Dadurch würden sie die Sünden des Tyrannen an seinem Haupte rächen und zu gleicher Zeit die königliche Ehre ihrem Stamme zurückgeben. Ihre eigenen Kräfte würden zu diesem Zwecke hinreichen; sie könnten sich aber auch die Beihülfe des arabischen Häuptlings in Mauritanien, Musa Ben Nosair's, verschaffen, welcher ohne Zweifel freudig einen Theil seiner Truppen nach Spanien schicken würde, um das Unternehmen zu unterstützen.
Der auf diese Weise von dem Grafen Julian hingestellte Plan erhielt die gottlose Genehmigkeit des Bischofs Oppas, der sich anheischig machte, ihm heimlich durch seinen ganzen Einfluß und alle seine Mittel Vorschub zu leisten; denn er hatte einen großen Reichthum an Schätzen und Besitzthum und viele Anhänger. Das Beispiel des hochgeehrten Prälaten bestimmte Alle, die ohne dieses noch gezaudert haben mögten, und sie machten sich durch furchtbare Eide verbindlich, der Verschwörung treu zu bleiben.
Graf Julian nahm es über sich, nach Afrika zu gehen und Musa's Lager aufzusuchen, um dessen Hülfe zu ermitteln, während der Bischof in der nächsten Umgebung des Königs bleiben und ihn in das ihm gestellte Netz locken sollte.
Nachdem Alles auf diese Weise geordnet und verabredet war, sammelte Graf Julian seine Schätze, nahm seine Gemahlin und Tochter mit sich, verließ das Land, das er zu verrathen gedachte, und schiffte sich zu Malaga nach Ceuta ein.
Das Thor in der Mauer dieser Stadt, durch welches sie zogen, trug Jahrhunderte hindurch den Namen »Porta della Cava,« oder»das Thor der Hure;« denn diesen schmachvollen und unverdienten Namen gaben die Mauren der unglücklichen FlorindaBleda, Chron, cap. IV. – Der Verf. .