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Maasregeln Don Roderich's bei der Nachricht von dem Einfalle. – Der Zug Ataulph's. – Tarek's Gesicht.
Als Don Roderich hörte, daß Legionen von beturbanten Schaaren aus Afrika in das Land eingebrochen waren, kamen ihm die Gesichte und Prophezeihungen des Zauberthurms in das Gedächtniß zurück, und großes Bangen bemächtigte sich seines Herzens. War er aber gleich von seiner frühern Kraft und Tugend herabgekommen und durch Weichlichkeit entnervt, und durch ein böses Gewissen entmuthigt und geknechtet, so war er doch entschlossenen Herzens und raffte sich auf, um der drohenden Gefahr entgegen zu gehen. Er hob in der Eile ein Heer von Reiterei und Fußvolk aus, das sich auf vierzigtausend Mann belief; allein nun fühlte man die Wirkung des heimtückischen Rathes des Grafen Julian; denn die besten zum Dienste des Landes bestimmten Truppen zu Fuß und zu Roß waren nach Afrika geschickt worden und dienten jetzt den Absichten der Verräther. Freilich eilten viele Edle mit den prächtigen Schaaren, mit welchen sie auf Turnieren und Kampfspielen zu erscheinen gewohnt waren, dem Heere zu; aber die meisten ihrer Vasallen waren ohne Waffen, und in Lederkürasse oder in fast ganz verrostete Panzer gekleidet. Sie waren ohne Zucht und ohne Feuer, und ihre Pferde, gleich ihnen, durch trägen Frieden verderbt, wenig geeignet, die Hitze, den Staub und die Mühseligkeiten eines langen Feldzugs zu ertragen.
Don Roderich stellte dieses Heer unter den Befehl seines Verwandten Ataulph, eines Prinzen aus dem königlichen Geblüte der Gothen, von edlem, hochherzigem Charakter; und er befahl ihm, in aller Eile aufzubrechen und dem Feinde entgegen zu ziehen und unterwegs seine Macht durch die Truppen Theudemir's zu verstärken.
Mittlerweile hatte Tarek el Tuerto große Verstärkungen aus Afrika erhalten und die Anhänger des Grafen Julian und alle, die mit der Herrschaft Don Roderich's unzufrieden waren, hatten sich eilig unter seine Fahne gereiht; denn Viele waren durch die Vorstellungen des Grafen Julian getäuscht worden und glaubten, die Araber seien gekommen, ihm die Söhne Witiza's auf den Thron setzen zu helfen. Von dem Grafen geführt, drangen Tarek's Schaaren in verschiedene Theile des Landes ein, und verwüsteten Alles, wohin sie kamen, worauf sie, mit reicher Beute beladen, in ihre Veste auf den Felsen Calpe zurückkehrten.
Der Prinz Ataulph zog mit seinem Heere durch Andalusien, und Theudemir stieß mit seinen Schaaren zu ihm. Er traf auf mehrere Abtheilungen des Feindes, welche das Land plünderten, und hatte viele blutige Gefechte mit ihnen; allein es gelang ihm, sie vor sich herzutreiben, und sie zogen auf den Felsen von Calpe, wo sich Tarek mit der Hauptmacht seines Heeres verschanzt hatte.
Der Prinz lagerte sich nicht fern von der Bucht, welche sich vor dem Vorgebirge ausdehnt. Am Abend sendete er den alten Theudemir mit einem Trompeter ab, um eine Unterredung mit dem arabischen Heerführer zu verlangen, der die Botschaft in seinem Zelle, von seinen Häuptlingen umgeben, empfing. Theudemir war geradezu und kurz in seiner Sprache; denn er hatte den größten Theil seines Lebens fern von den Höfen hingebracht. Er entledigte sich in unumwundenen Worten des Auftrags, den ihm der Prinz Ataulph gegeben, warf dem arabischen Heerführer seinen zügellosen Einfall in das Land vor, und forderte ihn auf, sein Heer gefangen zu geben, oder keiner Gnade gewärtig zu sein.
Tarek el Tuerto's einziges Auge glühte wie eine Feuerkohle bei dieser Botschaft.
»Sagt Euerm Befehlshaber,« versetzte er, »ich sei über die Meerenge gekommen, um Spanien zu erobern, und ich würde nicht eher zurückkehren, als bis ich meinen Zweck erreicht. Sagt ihm, ich hätte kriegserfahrne, eisenbewaffnete Männer um mich, mit deren Hülfe ich hoffen könnte, mit seinem zusammengelaufenen Heere bald fertig zu werden.«
Ein Murmeln des Beifalls lief durch die Versammlung der moslemitischen Häuptlinge. Theudemir warf ihm einen trotzigen Blick zu; aber sein Auge ruhete auf einem abtrünnigen Christen, einem seiner alten Kriegsgefährten und einem Verwandten des Grafen Julian.
»Was Euch betrifft, Don Graubart,« sagte er, »der Ihr in Euerm späten Alter zum Abtrünnigen werdet, so erkläre ich Euch hier für einen Verräther an Eurem Gotte, Euerm Könige und Euerm Vaterland; und ich bin bereit, es in diesem Augenblick an Euerm Körper zu beweisen, wenn mir freier Raum dazu gestattet wird.«
Der verrätherische Ritter schäumte vor Wuth, als er diese Worte hörte; denn die Wahrheit bohrte sie ihm stachelnd in das Herz. Er würde der Herausforderung augenblicklich entsprochen haben, wenn Tarek es nicht verboten und befohlen hätte, den Christen aus dem Lager zu geleiten.
»Mag es sein,« versetzte Theudemir; »Gott wird mir die Gelegenheit bieten, welche Ihr mir abschlagt. Jener grauköpfige Verräther mag morgen in dem Kampfe auf seiner Hut sein; denn ich schwöre, ich werde meinen Speer gegen niemand Anderen wenden, ehe sein Blut den heimischen Boden tränkt, welchen er verrathen hat.«
Mit diesen Worten verließ er das Lager, und die moslemitischen Häuptlinge konnten sich nicht enthalten, den biedern Unwillen dieses patriotischen Ritters zu bewundern, während sie insgeheim seinen abtrünnigen Gegner verachteten.
Die alten maurischen Chronikenschreiber erzählen viele schreckliche Vorzeichen und seltsame, geheimnißvolle Gesichte, welche sich in dieser bangen Nacht den Anführern der beiden Heere zeigten. Gewiß war es eine Nacht furchtbarer Aengstlichkeit, und Moslemen und Christen blickten ungewiß auf das Schicksal des kommenden Tages. Die spanischen Wachen schritten nachdenkend auf und nieder und lauschten gelegentlich auf die unbestimmten Töne auf dem entfernten Felsen von Calpe, auf denselben schauend, wie der Seemann auf die schrecken- und verderbenschwangere Gewitterwolke schaut. Auch die Araber sahen von ihren hohen Klippen die zahlreichen Lagerfeuer der Christen allmählich aufflammen und überzeugten sich, daß ein mächtiges Heer sich ihnen gegenüber stelle; zu gleicher Zeit hörten sie mit dem Nachtwind das wilde Rauschen des Meeres, welches sie von Afrika trennte. Als sie ihre gefährliche Lage erwogen – auf der einen Seite ein Heer und eine ganze Nation, dasselbe zu verstärken, und auf der andern eine nicht zu überschreitende See: sank vielen Kriegern der Muth, und sie bereuten den Tag, an welchem sie sich in dieses feindliche Land gewagt hatten.
Tarek bemerkte ihre Niedergeschlagenheit wohl, aber er sagte nichts. Kaum zitterte aber der erste Streifen des Morgenlichts über das Meer, so forderte er seine Kriegsobristen zu sich in das Zelt.
»Seid guten Muthes,« sagte er; »Allah ist mit uns und hat seinen Propheten gesendet, um uns seiner Hülfe zu versichern. Ich hatte mich in der vergangenen Nacht kaum in mein Bett begeben, als ein Mann von majestätischem und ehrwürdigem Ansehen vor mir stand. Er war um eine Handbreit größer, als der gewöhnliche Menschenstamm; sein fliegender Bart war von Goldfarbe, und seine Augen so glänzend, daß sie feurige Blitze zu versenden schienen. Ich habe den Emir Bachamet und andere alte Männer den Propheten beschreiben hören, den sie, während er auf Erden wandelte, oft gesehen hatten, und der Art waren seine Gestalt und seine Züge.«
»Fürchte nichts, o Tarek,« sagte er, »wegen des morgigen Tages – ich werde mit dir sein im Gefechte. Kämpfe daher kühn und siege. Diejenigen deiner Begleiter, welche die Schlacht überleben, werden dieses Land zu ihrem Erbe erhalten; für die, welche fallen, ist ein Wohnsitz im Paradies bereit und unsterbliche Houris harren ihres Kommens.«
»So sprach er und verschwand; ich hörte Töne himmlischer Musik, und die Düfte des glücklichen Arabiens erfüllten mein Zelt.«
Auch dies war, sagen die spanischen Chronikenschreiber, eines der Kunststücke, durch welche dieser verschmitzte Sohn Ismael's die Herzen seiner Begleiter zu beleben suchte; während die angebliche Erscheinung von den arabischen Schriftstellern als ein wirkliches Begebniß erzählt wird. Wunderbar in der That war die Wirkung, welche diese Aussage auf die arabischen Krieger hatte, die nun feurig verlangten, gegen den Feind geführt zu werden.