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Musa zieht gegen die Stadt Sevilla.
Nach der Einnahme von Carmona stieg Musa in eine stolze Ebene hinab, welche mit Getraidefeldern bedeckt und mit Obst- und Blumengärten geschmückt war, durch die der sanft gleitende Guadalquivir floß. An den Ufern des Flusses lag die alte Stadt Sevilla, von römischen Mauern umgeben und durch ihren goldnen Thurm vertheidigt. Da Musa durch seine Kundschafter erfuhr, daß die Stadt die Blüthe ihrer Jugend in der Schlacht am Guadalate verloren hatte, erwartete er einen nur schwachen Widerstand. Es war jedoch noch eine bedeutende Truppenabtheilung innerhalb der Mauern, und was ihnen an Zahl abging, ersetzte ihre Kühnheit und Entschlossenheit.
Viele Tage widerstanden sie mit dem größten Muthe den Angriffen des Feindes und vertheidigten ihre Mauern beherzt; allein der Mangel an Kriegsbedarf und die überlegene Macht und Geschicklichkeit des belagernden Heeres ließ ihnen keine Hoffnung, lange ausdauern zu können.
Es waren zwei junge Ritter von ungewöhnlicher Tapferkeit in der Stadt. Sie sammelten die Krieger um sich und redeten sie so an:
»Wir sind nicht im Stande, die Stadt zu retten; aber uns wenigstens können wir retten und so manchen kräftigen Arm für den Dienst unseres Vaterlandes erhalten. Laßt uns einen Weg durch das Heer der Ungläubigen bahnen, und suchen wir irgend eine sichere Veste zu erreichen, woher wir mit neuer Verstärkung zurückkehren können, um die Stadt zu entsetzen.«
Der Rath der jungen Ritter wurde angenommen. In der Dunkelheit der Nacht versammelte sich die Besatzung, ungefähr dreitausend Mann, die größtentheils beritten waren. Sie brachen plötzlich aus einem der Thore und stürzten in dicht gedrängter Masse auf das Lager der Sarazenen, das nachlässig bewacht wurde; denn die Moslemen erwarteten eine solche That der Verzweiflung nicht.
Das Lager wurde ein Schauplatz großen Gemetzels und Gewirres; von beiden Seiten fielen viele Krieger. Die beiden tapfern Anführer der Christen blieben, mit Wunden bedeckt, auf dem Kampfplatz; der treuen Schaar jedoch gelang es, sich einen Weg mitten durch das feindliche Heer zu bahnen und zu Baja in Lusitanien eine Zuflucht zu finden.
Musa konnte sich nicht erklären, was dieser verzweifelte Ausfall bedeuten sollte. Als der Tag kam, sah er die Thore der Stadt weit geöffnet. Eine Anzahl alter, ehrwürdiger Männer erschienen in seinem Zelte, boten Unterwerfung an und flehten um Gnade; denn Niemand war in der Stadt geblieben, als Alte, Kranke und Gebrechliche. Musa hörte theilnehmend auf ihr Flehen und gewährte ihnen, um was sie baten; und die einzige Abgabe, welche er forderte, bestand in drei Maas Weizen und drei Maas Gerste, welche jedes Haus oder jede Familie zu liefern hatte. Er legte eine Besatzung von Arabern in die Stadt und ließ eine Anzahl Juden dort, welche sich zu Sevilla ansässig machen sollten. Nachdem er sich auf diese Weise zwei bedeutende Plätze in Andalusien gesichert hatte, überschritt er die Grenzen dieser Provinz und rückte mit vielem kriegerischen Pompe in Lusitanien ein.