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Musa verfolgt den Eroberungsplan. – Belagerung von Saragossa. – Vollständige Unterjochung Spaniens.
Als die Zwistigkeiten, welche das arabische Heer in dem Verfolge seiner Eroberungen eine Zeitlang aufgehalten hatten, beigelegt und die Befehlshaber der maurischen Krieger dem Scheine nach wieder versöhnt waren, brach Musa als Oberfeldherr auf, um das Unternehmen durch die Unterwerfung der nördlichen Theile Spaniens zu vervollständigen. Dieselbe rasche Weise der Eroberung, welche durch Tarek so scharfsinnig angewendet worden, wurde fortwährend befolgt. Die Truppen waren leicht gewaffnet und jeder überflüssigen Belästigung baar. Jeder Reiter hatte außer seinen Waffen eine kleine Vorrathstasche, ein kupfernes Geschirr, in welchem er das Nöthigste kochen konnte, und ein Fell, das ihm als Bedeckung und als Bett dienen konnte. Das Fußvolk hatte nichts zu tragen, als seine Waffen. Jeder Abtheilung war eine beschränkte Anzahl von Maulthieren und Treibern beigegeben, welche gerade hinreichte, das nöthige Gepäcke und den Vorrath von Lebensmitteln fortzuschaffen. Nichts ward erlaubt, was die Zahl der Kämpfenden vermindern, ihre raschen Bewegungen aufhalten oder ihre Vorräthe nutzloser Weise aufzehren konnte. Von Neuem ergingen strenge Befehle, welche bei Todesstrafe alles Plündern verboten, mit Ausnahme eines feindlichen Lagers oder solcher Städte, die durch Sturm genommen werden mußten.Conde, p. I. cap. 15. – Der Verf.
Die Heere traten nun ihre verschiedenen Marschlinien an. Das unter Tarek wendete sich nordöstlich, bemächtigte sich des Landes gegen die Quelle des Tajo zu, überschritt die Kette der iberischen oder aragonischen Gebirge und verbreitete sich in den Ebenen und Thälern, welche der Ebro bewässert. Es war überraschend, in einem so kurzen Zeitraume ein so ausgedehntes und schwieriges Land in Besitz nehmen und unterwerfen und die eindringenden Heere, wie die Fluthen einer Ueberschwemmung, ihre Wogen bis in die entferntesten und verstecktesten Theile ausbreiten zu sehen.
Während Tarek auf diese Weise das Land in nordöstlicher Richtung durchstürmte, schlug Musa den entgegengesetzten Weg ein; doch war es sein Plan, im Norden mit ihm zusammen zu stoßen und dort ihre Kräfte zu vereinigen. Indem er sich nach Westen wandte, umging er die Gebirgskette, trat dann in das offene Land hinaus und entfaltete seine Fahnen vor Salamanca, das sich ohne Widerstand ergab. Von hier zog er gen Astorga und unterwarf sich das von plötzlichem Schrecken ergriffene Land. Nun begab er sich in das Douro-Thal, stieg an diesem berühmten Flusse aufwärts, in östlicher Richtung vorschreitend; die Sierra de Montcayo wurde überschritten, worauf er an den Ufern des Ebro anlangte und diesen Fluß entlang zog, bis er die starke Stadt Saragossa, die Veste dieses ganzen Theils von Spanien, erreichte. In diese Stadt hatten sich viele der tapfersten gothischen Krieger geflüchtet – die zerstreuten Trümmer der geschlagenen Heere, die aus den eroberten Städten geflohenen Kämpen. Saragossa war einer der letzten Vereinigungspunkte des Landes.
Als Musa ankam, hatte Tarek bereits seit einiger Zeit sein Lager vor der Stadt aufgeschlagen und den Platz eingeschlossen. Die Einwohner waren durch Hungersnoth arg bedrängt und hatten in wiederholten Kämpfen große Verluste erlitten; allein in ihrem Widerstand beurkundete sich ein Muth und eine Hartnäckigkeit, welche Alles übertrafen, was die Araber bis jetzt erfahren hatten.
Musa übernahm nun den Befehl über das Belagerungsheer und gab Befehl, einen allgemeinen Angriff auf die Mauern von Saragossa zu versuchen. Die Moslemen legten ihre Sturmleitern an und stiegen mit ihrer gewohnten Unerschrockenheit hinan, wurden aber kräftig zurückgewiesen und konnten, ungeachtet aller ihrer Anstrengungen, auf den Zinnen nicht Fuß fassen. Während sie auf diese Weise die Mauern stürmten, ließ Graf Julian Brennmaterialien an einem der Thore aufhäufen und sie in Brand stecken. Vergebens suchten die Einwohner von dem Thurme aus die Flammen zu löschen. Sie loderten so ungestüm empor, daß nach kurzer Weile das Thor verbrannt war. Auf einem mächtigen Streitroß sitzend, das, wie er, ganz in Eisen gehüllt war, galoppirte er in die Stadt. Dreihundert seiner Anhänger, von Magued, dem Renegaten, durch eine Reiterschaar unterstützt, folgten ihm.
Die Einwohner der Stadt machten dem Feinde jede Straße und jeden freien Platz streitig; aus den Leichen machten sie Bollwerke und kämpften im Schutze dieser aus ihren ermordeten Landsleuten bestehenden Wälle. Jedes Fenster und jedes Dach war mit Streitern besetzt; selbst die Frauen und Kinder nahmen an dem verzweifelten Kampfe Theil, indem sie Steine und Wurfgeschosse aller Art auf den Feind niederwarfen und kochendes Wasser hinabgossen.
Der Kampf wüthete bis zur Vesperstunde, wo die vornehmsten Einwohner sich zur Unterhandlung verstanden und sich zur Uebergabe geneigt zeigten. Musa war durch ihren hartnäckigen Widerstand, welcher vielen seiner Soldaten das Leben gekostet hatte, auf das Höchste erbittert. Er wußte auch, daß in der Stadt die Schätze vieler Städte des östlichen Spaniens aufgehäuft waren. Er forderte daher außer den gewöhnlichen Bedingungen, daß von den Bürgern eine große Summe Geldes, der Bluttribut genannt, da sie sich durch diese Abgabe von dem Tod durch die Schärfe des Schwertes loskauften, bezahlt werde. Das Volk mußte sich fügen. Man sammelte alle Juwelen und Kostbarkeiten der reichsten Familien und der Kirchen und legte sie zu Musa's Füßen nieder; auch viele der edelsten Jünglinge wurden ihm als Geiseln übergeben. Eine starke Besatzung wurde dann in die Stadt gelegt, und so kam das stolze Saragossa unter das Joch der Eroberer.
Die arabischen Heerführer setzten ihre Eroberungen selbst bis zum Fuße der Pyrenäen fort. Tarek zog dann dem Ebro und der Küste des mittelländischen Meeres entlang, unterwarf sich die berühmte Stadt Valencia mit ihren reichen und schönen Besitzungen, und trug seine siegreichen Waffen bis nach Denia.
Musa unternahm mit seinem Heere einen ausgedehnteren Siegeszug. Er unterwarf die Städte Barcelona, Gerona und andere, welche an dem Saum der östlichen Gebirge lagen; zog dann in das Land der Franken und nahm die Stadt Narbonne ein, wo er in einer Kirche sieben Reiterstatuen von Silber fand, welche er als Siegestrophäen mit sich nahm.Conde, p. I. cap. 16. – Der Verf. Nach Spanien zurückgekehrt, durchstreifte er dessen nördliche Theile, Galizien und Asturien, zog siegreich durch Lusitanien und kam abermals, mit Lorbeern bedeckt und mit unermeßlicher Beute beladen, nach Andalusien.
So wurde die Unterjochung des unglücklichen Spaniens vollendet. Alle seine Städte und Vesten und Vertheidigungsplätze waren in den Händen der Sarazenen, einige wilde Gebirgsstrecken ausgenommen, welche an das atlantische Meer gränzten und sich nach Norden erstreckten.
Hier dürfte also die Geschichte der Eroberung zu schließen sein; aber der unermüdliche Chronikenschreiber Fray Antonio Agapida fährt fort, des Schicksals derjenigen zu gedenken, welche sich in dem Unternehmen am meisten ausgezeichnet haben. Wir wollen seinen Schritten folgen und von seiner Belehrung, welche er aus den mannichfaltigsten Quellen mit lobenswerthem Eifer zusammengetragen, Vortheil ziehen; und wahrlich, die Geschichte eines jeden in diesem großen historischen Drama Auftretenden hat ihre anziehende Moral und ist voller nützlicher Winke und belehrender Einzelnheiten.