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Zusammentreffen zwischen dem Vaterlandsfreunde Pelistes und dem Verräther Julian.
Die Biederkeit und Tapferkeit des guten Ritters Pelistes hatte ihm die Achtung selbst seiner Feinde gewonnen. Er lag an seinen Wunden eine lange Zeit nieder, während welcher er von den arabischen Häuptlingen, die auf alle Weise bemüht waren, seinen Trübsinn zu verscheuchen und ihn vergessen zu lassen, daß er ein Gefangener, auf das Freundlichste behandelt wurde. Als er von seinen Wunden genesen war, veranstalteten sie ihm ein stattliches Mahl, um ihre Bewunderung für seine Tugenden an den Tag zu legen.
Bei diesem Mahle erschien Pelistes in einer schwarzen Rüstung und mit blassem, niedergeschlagenem Antlitz; denn das Wehe seines Landes nagte immerwährend an seinem Herzen. Unter den versammelten Gästen war Graf Julian, welcher eine hohe Stelle in dem Heere der Moslemen begleitete und in einer Weise gekleidet war, welche halb christlich und halb maurisch war.
Pelistes war in früherer Zeit ein warmer und inniger Freund Julian's gewesen und hatte mit ihm in den afrikanischen Kriegen gedient. Als nun jetzt der Graf sich mit der gewohnten Freundschaft ihm zu nähern anschickte, wandte er sich stumm weg und würdigte ihn keiner Beachtung; auch während des ganzen Mahles richtete er nie ein Wort an ihn, sondern behandelte ihn als einen Unbekannten.
Als das Mahl fast zu Ende war, wandte sich das Gespräch auf die Begebenheiten des Krieges und die sarazenischen Häuptlinge verweilten mit großen Lobsprüchen bei den Verdiensten der christlichen Ritter, welche in den Kämpfen gefallen waren, und Alle erhoben die Tapferkeit derer, welche neulich bei der Vertheidigung des Klosters umgekommen waren.
Pelistes blieb eine Zeitlang stumm und drängte den Kummer zurück, welcher in seinem Herzen anschwoll, als er seiner treuen Ritter gedachte. Endlich erhob er seine Stimme und sagte:
»Glücklich, die todt sind; denn sie ruhen in Frieden und sind dahin gegangen, den Lohn ihrer Frömmigkeit und ihrer Tapferkeit zu empfangen. Ich würde über den Verlust meiner Waffengefährten trauern, wenn sie nicht ehrenvoll gefallen wären; wenn ihnen das schreckliche Gefühl nicht erspart wäre, das mein Herz zerreißt, indem ich Zeuge der Knechtschaft meines Vaterlandes sein muß. Ich habe meinen einzigen Sohn, den Stolz und die Hoffnung meiner alten Tage, an meiner Seite tödten sehen; ich habe Verwandte, Freunde und Dienstmannen einen nach dem andern um mich fallen sehen, und bin an diese Verluste so gewöhnt worden, daß ich keine Thräne mehr vergoß. Ueber einen Mann aber werde ich nimmer und nimmer aufhören, mich zu grämen. Er war der geliebte Gespiele meiner Jugend und der stete treue Gefährte meiner spätern Jahre. Er war einer der biedersten christlichen Ritter. Als Freund war er zärtlich und bieder; als Krieger waren seine Thaten über alles Lob erhaben. Ach, ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Wenn er im Kampfe gefallen ist und mir Jemand sagte, wo seine Gebeine liegen, ob sie auf den Ebenen um Xerez bleichen oder in den Wellen des Guadalate begraben sind, würde ich sie suchen und sie als die Reliquien eines heiligen Vaterlandsfreundes aufbewahren. Oder wenn er, gleich so vielen andern seiner Waffengefährten, gezwungen worden wäre, in fremden Ländern zu irren, würde ich in seiner düstern Verbannung zu ihm eilen, und wir würden mit einander über das Unglück unseres Vaterlandes trauern.«
Diese Klage des guten Pelistes erschütterte selbst die Herzen der arabischen Krieger, und sie sprachen:
»Wer war dieser unvergleichliche Freund, welchem dein glühendes Lob gilt?«
»Sein Name,« versetzte Pelistes, »war Graf Julian.«
Die sarazenischen Krieger standen überrascht.
»Edler Ritter,« riefen sie, »hat der Gram deine Sinne verdüstert? Sieh, dein Freund lebt und steht hier vor dir, und dennoch erkennst du ihn nicht! Dieser Mann – dieser Mann hier ist Graf Julian!«
Darauf wandte Pelistes seine Augen auf den Grafen und betrachtete ihn eine Zeitlang mit stolzer und strenger Miene; und das Antlitz des Grafen verdüsterte sich und zeigte die Unruhe seines Herzens, und sein Auge sank vor dem Blicke dieses biedern und ehrenhaften Ritters. Und Pelistes sagte:
»In dem Namen Gottes befehle ich dir, unbekannter Mann, mir zu antworten. Wagst du es, dich Graf Julian zu nennen?«
Der Graf erglühte vor Zorn bei diesen Worten.
»Pelistes,« sagte er, »was bedeutet dieses Possenspiel? Du kennst mich wohl; du weißt, daß ich Graf Julian bin.«
»Ich weiß, daß du ein elender Lügner bist!« rief Pelistes. »Graf Julian war ein edler gothischer Ritter; du aber erscheinst in zweideutiger maurischer Tracht. Graf Julian war ein Christ, fromm und treu; in dir aber sehe ich einen Abtrünnigen und Ungläubigen. Graf Julian war seinem König stets ehrenvoll ergeben, und der Erste, wo es das Wohl seines Vaterlandes galt; lebte er, er würde der Erste sein, der seinen Schild um den Hals schlänge und seine Lanze in die Hand nähme, um das Land von den Eindringlingen zu befreien; – du aber bist ein grauköpfiger Verräther! deine Hände sind mit dem königlichen Blute der Gothen befleckt, und du hast dein Vaterland und deinen Gott verrathen! Daher wiederhole ich es, unbekannter Mann, wenn du sagst, du seiest Graf Julian, so lügst du! Ach, mein Freund ist todt, und du bist wohl ein böser Geist der Hölle, welcher sich seiner Gestalt bemächtigt hat, um sein Andenken zu entehren und ihn zum Abscheu der Menschen zu machen.«
Bei diesen Worten wandte Pelistes dem Verräther den Rücken und ging aus der Halle, während Graf Julian in peinlicher Verwirrung dastand, ein Gegenstand der Verachtung aller sarazenischen Häuptlinge.