Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Fünfzehntes Kapitel.

Benehmen des Abdalasis als Emir von Spanien.

Während sich das Erzählte in Syrien begab, war der junge Abdalasis, der Sohn Musa's, als Emir oder Statthalter in Spanien geblieben. Er war edeln und wohlwollenden Charakters; allein er war auch offen und vertrauensvoll und wurde leicht durch die Ansichten derer, die er liebte, geleitet und beherrscht. Glücklicher Weise hatte, wie schon bemerkt worden, sein Vater, als er von ihm schied, als ersten und treusten Rathgeber den klugen Ayub, Musa's Neffen, bei ihm gelassen; durch seinen Rath geleitet, verwaltete er eine Zeitlang die öffentlichen Angelegenheiten des Landes mit Umsicht und Erfolg.

Nicht lange nach der Abreise seines Vaters erhielt er ein Schreiben von ihm, welches er auf seiner Reise nach Syrien an ihn gerichtet hatte. Es war folgenden Inhalts.

»Geliebter Sohn! Ehre deines Stammes! Allah schirme dich vor jeder Gefahr und jedem Ungemach! Höre die Worte deines Vaters!«

»Meide jeden Verrath, wenn er auch großen Gewinn verspricht; traue dem nicht, der dir dazu räth, selbst wenn er dein Bruder wäre. Halte fern von dir die Gesellschaft von Verräthern; denn wie kannst du gewiß sein, daß der, welcher falsch gegen Andere war, gegen dich treu und wahr sein werde?«

»Hüte dich, mein Sohn, vor der Verführung der Liebe. Sie ist eine eitle Leidenschaft, welche das Herz schwächt und das Urtheil blendet; sie macht den Mächtigen schwach und wandelt Fürsten in Sklaven um.«

»Wenn du bemerkst, daß irgend eine Schwäche lasterhafter Art in deiner Natur aufkeimt, so reiße sie aus, welche Schmerzen es dir auch mache. Jeder Fehler kann, so lange er neu ist, leicht ausgejätet werden; läßt man ihn aber Wurzel fassen, so kömmt er in Blüthe und trägt Saamen und bringt hundertfältige Frucht.«

»Folge diesem Rathe, Sohn meines Herzens, und du wirst glücklich sein.«

Abdalasis dachte über dieses Schreiben nach; denn ein Theil desselben schien ein Geheimniß zu enthalten, welches er nicht im Stande war zu durchdringen. Er ließ seinen Verwandten und Rathgeber, den klugen Ayub, rufen.

»Was beabsichtigt wohl mein Vater,« sagte er zu ihm, »damit, daß er mich vor Verrath und Verräthern warnt? Glaubt er, mein Charakter sei so gemein, daß ich zu solchen niedrigen Mitteln meine Zuflucht nehme?«

Ayub las den Brief aufmerksam.

»Dein Vater,« sagte er dann, »will dich vor den Verräthern Julian und Oppas, und vor denen aus ihrer Partei, welche dich umgeben, gewarnt wissen. Welche Liebe kannst du von Männern erwarten, welche unnatürlich an ihren Verwandten gehandelt haben? Welche Treue kannst du von Elenden erwarten, die ihr Vaterland verrathen haben?«

Abdalasis war mit dieser Auslegung zufrieden. Der Verkehr mit diesen Männern war ihm seit langer Zeit zuwider gewesen; denn ein offener und edler Charakter verabscheut nichts mehr, als Falschheit und Verrath. Auch die Klugheit forderte ihre Mitwirkung ferner nicht mehr; ihr schmachvolles Werk war vollbracht; sie hatten jetzt kein Vaterland mehr zu verrathen: aber sie konnten wieder wechseln und ihre bisherigen Freunde verrathen. Abdalasis entfernte sie daher von seinem Hofe und brauchte sie zu solchen Diensten, wo sie nicht schaden konnten; auch empfahl er seinen Untergebenen, daß sie sich in jeder Weise ihres Einflusses entschlagen und ihrer Hülfe niemals bedienen sollten.

Er vertraute nun ganz und allein auf seine arabischen Schaaren und auf die maurischen Krieger Afrika's, und durch ihre Hülfe vollendete er die Eroberung Lusitania's bis zu den äußersten Theilen Algarbiens, oder des Westen, und selbst zu den Gestaden des großen »Oceanischen Meeres.«Algarbe oder Algarbien bedeutet im Arabischen den Westen, so wie Azarkia den Osten, Agulfia den Norden und Aquibla den Süden. Dies wird einige geographische Bezeichnungen der Halbinsel erklären helfen, welche offenbar arabischen Ursprungs sind. – Der Verf.

Von hier sandte er seine Oberbefehlshaber aus, um alle jene öden und wilden Sierras, welche wie Bollwerke die Meeresküste der Halbinsel entlang sich erheben, zu ersteigen und sie zu säubern. Und sie trugen die Fahne des Islam im Triumphe selbst bis zu den Gebirgen Biscaya's und sammelten alle Arten von kostbarer Beute.

»Es ist nicht genug, Abdalasis,« sagte Ayub, »daß wir dieses Land mit dem Schwerte erobern und beherrschen. Wenn wir wollen, daß unsere Herrschaft von Dauer sei, müssen wir die Künste des Friedens pflegen und das Vertrauen des Volkes uns sichern, das wir besiegt haben, und sein Wohlergehen fördern.«

Abdalasis gefiel dieser Rath, welcher mit seinem eigenen wohlwollenden Charakter so sehr übereinstimmte. Er bemühte sich daher, das Wirre und Stürmische des Kampfes niederzuschlagen, verbot unter den schärfsten Strafen jede muthwillige Bedrückung oder Plünderung und schützte die alten Einwohner des Landes in dem Genusse und in dem Anbau ihrer Besitzungen und in der Pflege aller nützlichen Gewerbe und Künste. Auch ermuthigte er auf Ayub's Rath eine große Menge thätiger Mauren und Araber, aus Afrika einzuwandern, und gab ihnen Ländereien und Wohnungen und führte so eine friedliche mahometanische Bevölkerung in die eroberten Provinzen ein.

Die gute Wirkung der Rathschläge Ayub's zeigte sich bald. Statt eines plötzlich erwachsenden, aber vorübergehenden Reichthums, welcher durch den Ruin des Landes erworben wurde und die Provinzen verarmte, ergab sich ein regelmäßiges, dauerndes Einkommen, das durch das wiederbelebte Gedeihen des Volkes erzeugt und ohne Gewalt eingezogen wurde. Abdalasis ließ die Abgaben durch öffentliche Beamten, welche zu diesem Zwecke in allen Provinzen angestellt wurden, redlich einsammeln und in dem Schatze niederlegen; und das Ganze wurde durch zehn Abgeordnete nach Damaskus geschickt, um dem Kalifen überbracht zu werden – nicht als die Beute aus einem besiegten Lande, sondern als die friedlichen Trophäen einer weise geleiteten Verwaltung.

Die gemeine Schaar kriegerischer Abenteurer, die blosen Leute vom Säbel, welche sich des Raubs und der Plünderung wegen in Haufen nach Spanien gedrängt hatten, waren sehr unzufrieden, als sie sich auf diese Weise in ihrem Thun gehemmt sahen und sich überzeugten, die Herrschaft des Schreckens und der Gewalt nahe ihrem Ende.

»Was ist dies für ein Häuptling,« sagten sie, »der uns verbietet, bei den Feinden des Islam Beute zu sammeln und uns des Landes zu erfreuen, welches wir den Ungläubigen entrissen haben?«

Auch die Anhänger Julian's ließen es nicht an Verläumdungen und Einflüsterungen fehlen.

»Seht,« sprachen sie, »mit welcher Güte er die Feinde eures Glaubens behandelt! Alle die Christen, welche die Waffen gegen euch getragen und sich eurem Eintritte in das Land widersetzt haben, werden begünstigt und geschützt; es reicht aber hin, daß ein Christ sich der Sache des Islam geneigt zeigte, um ihn von Abdalasis zur Verfolgung ausgewählt und mit Hohn aus seinen Augen verbannt zu sehen.«

Diese Einflüsterungen steigerten das Mißvergnügen jener ungestümen und räuberischen Moslemen; aber alle Freunde des Friedens und der Ordnung und guten Verwaltung zollten der Mäßigung des jungen Emirs ihren Beifall.


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