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Einnahme von Granada. – Unterjochung der Alpuxarra-Gebirge.
Der Schrecken der Waffen des Tarek Ben Zejad ging ihm voran und, zu gleicher Zeit, der Ruf von seiner Milde gegen die, welche sich ohne Widerstand fügten. Wohin er kam, schickten die meisten Städte einige ihrer angesehensten Einwohner ihm entgegen, um ihm die Schlüssel anzubieten; denn sie waren ohne Befestigung und Schutzwehr, und ihre waffenfähigen Männer waren im Kampfe untergegangen. Sie leisteten alle dem Kalifen den Eid der Treue und wurden gegen Plünderung und jede Belästigung geschützt.
Nachdem er eine Strecke in dem Lande vorgedrungen war, betrat er eines Tages eine schöne und ausgedehnte Ebene, welche mit Dörfern bedeckt, mit Gärten und Waldpartieen geschmückt, von windenden Bächen durchschnitten und von hohen Bergen umschlossen war. Es war die berühmte Vega oder die Ebene von Granada, die bestimmt war, den Moslemen Jahrhunderte hindurch als Lieblingsaufenthalt zu dienen.
Als die arabischen Sieger diese liebliche Vega erblickten, waren sie vor Bewunderung außer sich; denn es schien, als hätte der Prophet ihnen ein irdisches Paradies als Lohn für ihre Dienste in seiner Sache gegeben.
Tarek näherte sich der Stadt Granada, welche, auf stolzen Höhen gelegen und durch gothische Mauern und Thürme befestigt und durch das rothe Schloß oder die Zitadelle, welche in alten Zeiten von den Phöniziern oder Römern erbaut worden war, vertheidigt, einen furchterregenden Anblick darbot. Als der arabische Feldherr den Platz in Augenschein nahm, erfreute er sich des starken, kriegerischen Charakters desselben, welcher mit der lächelnden Schönheit der Vega und der Frische und üppigen Fülle ihrer Hügel und Thäler in so grellem Gegensatze stand. Er ließ seine Zelte vor den Mauern der Stadt aufschlagen und schickte sich an, sie mit seiner ganzen Macht anzugreifen.
Die Stadt hatte jedoch nur den äußern Schein mächtiger Befestigung. Die Blüthe der Jugend war in der Schlacht am Guadalate gefallen; viele der ersten Bewohner der Stadt hatten sich in die Gebirge geflüchtet, und die Zahl derer, welche zu Haus geblieben, war nur klein und bestand aus alten Männern, Frauen und Kindern und einer Anzahl Juden, welche letztere ziemlich geneigt waren, mit den Feinden gemeinschaftliche Sache zu machen.
Die Stadt übergab sich daher bald und wurde unter günstigen Bedingungen in die Knechtschaft der Sarazenen aufgenommen. Die Einwohner sollten ihr Eigenthum, ihre Gesetze und ihren Glauben beibehalten; ihre Kirchen und ihre Geistlichen sollten geachtet werden; keine andere Abgabe sollte von ihnen bezahlt werden, als die, welche sie ihren gothischen Königen zu bezahlen gewohnt waren.
Nach der Besitznahme von Granada legte Tarek eine Besatzung in die Thürme und festen Punkte, und ließ einen Alcayde oder Statthalter, Namens Betiz Aben Habuz, einen Eingebornen aus dem glücklichen Arabien, zurück, der sich durch seine Tapferkeit und Befähigung ausgezeichnet hatte.
Dieser Alcayde erhob sich in der Folge zum König von Granada und baute auf einer der Höhen einen Palast, von welchem man noch heut zu Tag die Trümmern sieht.Das Gebäude, welches man als die Wohnung des Aben Habuz zeigt, wird »la Casa del Gallo« oder »das Haus des Wetterhahns« genannt. Dieser Name stammt, wie Pedraza in seiner Geschichte von Granada sagt, von der ehernen Gestalt eines mit Lanze und Schild bewaffneten und darüber angebrachten arabischen Reiters her, der sich bei jedem Winde drehte. Auf dieser kriegerischen Wetterfahne las man folgende Inschrift in arabischen Buchstaben:
»Dice el sabio Aben Habuz,
Que asi se defiende el Andaluz.
»Wie der weise Aben Habuz spricht,
Schirmt sich anders Andalusien nicht.«
Selbst die Wonnen von Granada waren nicht vermögend, den thätigen und glühenden Tarek zurück zu halten. Oestlich von der Stadt sah er eine hohe, bis zum Himmel sich aufthürmende Gebirgskette, welche mit glänzendem Schnee bedeckt war. Dies waren » die Berge der Sonne und der Luft;« und der ewige Schnee auf ihren Gipfeln erzeugte die Bäche und Flüsse, welche die Ebenen fruchtbar machten. In ihren Einschnitten, welche von Klippen und Abgründen umgeben waren, zogen sich viele kleine Thäler von entzückender Schönheit und Ueppigkeit hin. Die Bewohner derselben waren ein kühner, abgehärteter Stamm, welcher seine Berge als Vesten betrachtete, die nie genommen werden könnten. Aus der ganzen Umgegend waren die Leute in diese natürlichen Verschanzungen geflohen und hatten ihre Heerden herauf getrieben, der sichern Zuflucht sich freuend.
Tarek fühlte wohl, daß die Herrschaft über die Ebenen, die er mit seinen Truppen überzogen, unsicher sein würde, so lange er nicht in diese stolzen Gebirge eingedrungen und sie unterjocht hätte. Er überließ daher Aben Habuz den Oberbefehl über Granada, zog mit seinem Heere durch die Vega und betrat die Schluchten der Sierra, welche nach Süden hinzieht. Die Bewohner flohen mit Entsetzen, als sie die maurischen Trompeten hörten und das Herannahen der beturbanten Reiter gewahrten, und begaben sich tiefer in die Schluchten und Verstecke ihrer Berge.
Während das Heer vorrückte, wurde der Weg rauher, schroffer und beschwerlicher; zuweilen wand er sich große felsige Anhöhen empor, zuweilen führte er steil in tiefe Schluchten, das Bett der Winterbäche, hinab. Die Berge waren ungemein wild und öde in Klippen und Abgründe gesprengt, wo der bunte Marmor zu Tag trat. Zu ihren Füßen waren kleine Thäler, welche mit Lustwäldchen und Gärten geziert, von Silberbächen durchströmt und mit Dörfern und Weilern, freilich jetzt aller ihrer Bewohner baar, bedeckt waren.
Niemand ließ sich sehen, um den Moslemen den Weg streitig zu machen, die ihren Zug mit wachsender Zuversicht fortsetzten; ihre Fahnen wehten von Fels und Klippe, und die Thäler hallten vom Klange der Trompeten, Trommeln und Cymbeln lustig wieder.
Endlich erreichten sie einen Engpaß, wo der Berg aus einander gerissen schien, um einem schäumenden Waldbache Platz zu machen. Der enge, felsige Pfad wand sich an dem schwindelnden Abhang einer Schlucht hin und führte zu einer Stelle, wo eine Brücke über den Abgrund geschlagen war. Es war ein fürchterlicher und düsterer Weg; mächtige Felsstücke hingen drohend über dem Pfad, und drunten brüllte der wilde Waldstrom.
Dieser schaurige Engpaß war in der Kriegsgeschichte jener Gebirge stets berühmt. Ehedem hieß er die Barranca de Tocos und jetzt die Brücke von Tablete.
Das Heer der Sarazenen betrat den Paß furchtlos. Ein Theil hatte die Brücke bereits überschritten und arbeitete sich langsam den zerrissenen Weg auf der andern Seite hinauf, als ein mächtiges Geschrei gehört wurde und plötzlich jeder Felsvorsprung mit wüthenden Feinden bevölkert schien. In einem Augenblicke regnete es eine Fluth von Wurfgeschossen auf die erstaunten Moslemen herab. Pfeile, Speere, Wurfspieße und Steine flogen zischend und pfeifend nieder und lasen sich unter den Reitern die hervorragendsten als Beute aus; dann und wann stürzten große Felsenmassen donnernd die Bergseite nieder, zerschmetterten ganze Reihen auf ein Mal oder warfen Rosse und Reiter über den Rand der Abgründe.
Es war vergeblich, diesem Gebirgskrieg Trotz zu bieten. Die Feinde waren außer dem Bereiche der Pfeile und gegen Verfolgung gesichert, und die Pferde der Araber waren hier eher ein Hinderniß, als ein Beistand. Die Trompeten riefen zum Rückzug, und die Truppen eilten stürmisch und in großer Verwirrung zurück, von dem Feinde heftig bedrängt, bis sie aus dem Engpasse heraus waren.
Tarek hatte gesehen, wie Städte und Vesten sich ohne einen Schwertstreich ergaben, und war wüthend, daß eine blose Horde von Gebirgsbewohnern ihm Trotz zu bieten wagte. Er machte einen zweiten Versuch, in das Gebirge einzudringen, wurde aber zum zweiten Mal überfallen und unter einem furchtbaren Blutbade zurückgeworfen.
Der feurige Sohn Ismael's schäumte vor Wuth, sich in seiner Siegerbahn aufgehalten und um seine Rache betrogen zu sehen. Er war im Begriff, sein Unternehmen aufzugeben und auf die Vega zurückzukehren, als ein christlicher Landmann sein Lager aufsuchte und vor ihn geführt wurde.
Dieser elende Wicht besaß im Gebirge eine Hütte und ein Fleckchen Landes, und erbot sich, wenn man diese vor der Verwüstung schirmen wollte, dem arabischen Befehlshaber einen Weg anzugeben, auf welchem er seine Reiterschaaren unbelästigt in den Schoos der Sierra einführen und sich das ganze Gebirg unterwerfen könne.
Der Name dieses Schurken war Fantino, und er verdient, daß seiner ewig mit Schmach gedacht werde. Sein Fall ist ein Beispiel, wie sehr es zuweilen in der Gewalt des unbedeutendsten Wesens steht, großes Unheil anzurichten, und wie all der Heldenmuth der Edeln und Braven an dem Verrath eines Selbstsüchtigen und Verachtenswerthen scheitern könne.
Durch diesen Verräther unterrichtet, ließ der arabische Befehlshaber zehntausend Mann zu Fuß und viertausend Reiter, unter der Anführung eines tapfern Feldhauptmanns, Ibrahim Albuxarra mit Namen, zur See in den kleinen Hafen Adra bringen, der am mittelländischen Meere und am Fuße der Gebirge liegt. Hier landeten sie, und drangen, von dem Verräther geführt, in das Herz der Sierra, und verheerten und verwüsteten Alles. Die wackern Bergbewohner, welche auf diese Weise zwischen zwei Heere eingezwängt, aller festen Punkte entblös't und ohne Hoffnung auf Beistand waren, sahen sich genöthigt, sich zu ergeben; aber ihre Tapferkeit war nicht ohne alle Früchte; denn niemals hat, selbst in Spanien, ein besiegtes Volk sich auf stolzere oder ehrenvollere Bedingungen übergeben.
Wir haben den Namen des Wichtes genannt, der seine heimischen Berge verrieth; wir wollen des Namens dessen gleichfalls gedenken, dessen fromme Vaterlandsliebe sie vor gänzlicher Verwüstung schützte. Es war der ehrwürdige Bischof Centerio. Während die Krieger in ingrimmiger und drohender Stille auf ihren Waffen ruhten, stieg dieser ehrwürdige Prälat zu den arabischen Zelten in dem Thale nieder, um bei den Friedensverhandlungen gegenwärtig zu sein. Unter dem, was er zum Besten des Bergvolks anführte, vergaß er auch nicht, zu bemerken, daß sie tapfere Männer seien und immer noch hinreichend Waffen in ihren Händen hätten. Er erhielt Bedingungen, welche von der Eindringlichkeit seiner Gründe zeugten. Man kam überein, daß sie ihre Wohnungen, Ländereien und ihre gesammte Habe behalten sollten; daß sie in ihrer Religion unbelästigt, daß ihre Kirchen und Geistlichen geachtet werden sollten; und daß sie keinen anderen Tribut, als den, welchen sie gewöhnt waren, ihren Königen zu geben, bezahlen sollten. Wenn sie es jedoch vorzögen, ihre Heimath zu verlassen und sich in ein anderes Land der Christenheit zu begeben, so sollte ihnen zugestanden sein, ihre Besitzungen zu verkaufen und das Geld und alle ihre übrigen Habseligkeiten mitzunehmen.Pedraza, Hist. Granad. p. III. cap. II. – Bleda, Chron. Lib. II. cap. 10. – Der Verf.
Ibrahim Albuxarra behielt den Oberbefehl über die Gegend, und die ganze Sierra oder Bergkette nahm seinen Namen an, welcher seitdem nur wenig in den der Apuxarras verderbt wurde. Die Unterjochung dieses rauhen Landstriches war jedoch noch eine geraume Zeit unvollständig; viele der Christen wußten sich in einer wilden und feindlichen Unabhängigkeit zu erhalten, indem sie in den grünen Thälern und kleinen Einschnitten der Berge lebten; und die Sierra der Alpuxarras ist in allen Jahrhunderten einer derjenigen Theile von Andalusien gewesen, welcher am schwierigsten zu unterjochen war.