Jean Paul
Museum
Jean Paul

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Vorrede

Die Vorrede hat als ein längeres Titelblatt hier nichts zu erklären als das vorstehende kurze.

Da ich aber immer jede Vorrede mit dem närrischen Gefühle anhebe, daß ich sie ganz gut weglassen könnte, oder auch ebensogut hinschreiben, wie denn mein ältestes Werk, die grönländischen Prozesse, ebenso schicklich eine hätten haben können als dieses neueste keine: so verspürt man sich in einem so behaglichen Elemente, daß man die goldnen Worte des Vorberichts gern übermäßig wie in einem metallischen Walz- oder Streckwerke ausdehnen und kaum ablassen möchte, besonders weil ohnehin da, wo keine Notwendigkeit des ersten Worts war, schwerlich eine des letzten zu erweisen ist, daher sind denn Vorreden so lang. Auch bei dieser will ich mich durch kein Versprechen binden, aufzuhören.

Es gibt sowohl geschriebene als gebauete Museen. Von den gebaueten darf ein Werkchen ohne Kunstwerke schwerlich den Namen entlehnen, z. B. etwan von dem Museum in Frankfurt oder dem Beygangschen in Leipzig, noch weniger vom Museum in London, am allerwenigsten vom Musée Napoléon. Auch die geschriebenen Museen – das deutsche – das vaterländische – das Schlegelsche – das britische – das skandinavische – die Baumgärtnerschen des Wundervollen und des Luxus – dürften sämtlich zu stolz sein, einen Gevatterbrief für ein Selbstmuseum anzunehmen und ihm das Patengeschenk ihres Namens zu machen. In der Tat ist an diesem Museum nur ein Redakteur angestellt, der wieder nur die Arbeiten eines einzigen Mitarbeiters durchzusehen hat; ja beide, Redakteur und Mitarbeiter, sind wieder nur einer, nämlich ich selber. Jedoch schließt diese Einerleiheit der Arbeiter Verschiedenheit der Arbeiten nicht aus, sondern scherzhafte – poetische – philosophische – naturforschende – und sonstige wirklich ein.

Aber der Himmel bescherte doch dem Werke einen gelehrten Titel, und vorher dem Verfasser selber, Schon in meiner Kindheit wünscht' ich ein Mitglied irgendeiner gelehrten Gesellschaft, z. B. der Berliner Akademie, zu sein, und ich stellte mir unter dem Titel nichts anders vor als ein Titelblatt, worauf ich als ein zweiter Dr. Johann Paul Harl stände und mich wie er unterschriebe als Ehrenmitglied

der königl. sächsischen Leipziger ökonomischen Sozietät –

der königl. sächsischen privilegierten thüringschen Landwirtschafts-Gesellschaft –

der herzogl. sachsen-gothaschen und meinungschen Sozietät der Forst- und Jagdkunde zu Dreißigacker –

der naturforschenden Gesellschaft zu Halle im Königreiche Westfalen –

der Nürnbergschen Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Indüstrie –

des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg –

etc. –

Ich versah aber Jahre lang vergeblich meine Werke mit gelehrten TitelnZeugen sind die Palingenesien, Hesperus, Levana, Titian, Herbstblumine und so viele kleinere in den Werken selber, z. B. Jobelperiode, Zykel oder Kykel etc. aller Art, ohne für mich selber auch nur den kleinsten zu erringen, als ich endlich vor vier Jahren zum mitarbeitenden Mitgliede des Museums in Frankfurt ernannt wurde. Mit diesem gelehrten Titel gedenk' ich, zumal wenn ich zu ihm noch mit dem politischen eines Legationsrates als Verstärkung stoße, mich schon neben dem Kameralkorrespondeten Harl zu halten und zu passieren und so lange etwas vorzustellen, bis vielleicht gar eine Zeit kommt, wo ich selig werde und mich eine ganze Akademie wegen meines rühmlich zurückgelegten literarischen Lebens und Sterbens zu einem auswärtigen korrespondierenden Mitgliede umso lieber ernennt, als die größten Akademien von jener Welt noch zehnmal weniger wissen als selber von dieser.

Die meisten Aufsätze dieses Werkchens sind nun – denn nur diese Vorrede und die drei letzten Nummern IX, X, XI nehmen sich aus – Aufsätze, welche ich als gelehrtes Mitglied ins Frankfurter Museum zum Vorlesen abgeschickt; und die hier bloß sehr verbessert und vermehrt erscheinen. Daher denn der Titel: Museum von Jean Paul.

Das Ende mancher Aufsätze wird an die Geburttagfeier eines der edelsten Fürsten Deutschlands erinnern, welcher allerdings dem Papste Leo X., dem Beschirmer des wissenschaftlichen Reichs, dieses geistigen Kirchenstaats, noch viel ähnlicher sein könnte, wenn er nicht auch zugleich ein Mehrer des Reichs des Geistes wäre und nicht so Verdienste, die ein anderer Fürst nur belohnt, selber erwürbe. Dieser Umstand kann seinen Belohnungen und Belobungen wissenschaftlicher und poetischer Verdienste vielleicht in einigen Augen den eigennützigen Schein anstreichen, als belohn' und belob' er in Philosophen und Dichtern nur seine Nachahmer und also wahrhaft sich selber; ein Anschein, welchen der Kaiser Augustus, der seine Verse ganz anders machte als der jungfräuliche Virgil, geschickt genug vermieden. Dabei will man doch nicht ableugnen – sondern vielmehr behaupten –, daß er, wenn er nur auf dem bloßen Pindus säße und nicht glücklicherweise zugleich auf dem hinaufgetragnen Throne dazu, ganz eines Fürsten seines Gleichen würdig wäre, der ihn so aufmunterte und unterstützte wie er selber uns.

– – – Hiemit mach' ich die Vorrede auf der Stelle aus, vielleicht wider allgemeines Erwarten. Es soll mir genug sein, daß ich mir sogleich auf der vorredenden Schwelle einen gültigen vollen Preßfreiheitbrief oder Selber-Konsens ausgefertigt, den Vorbericht so lang auseinander zu dehnen, als ich nur will. Vermittelst dieses Konsenses hab' ich schon während der Zeit des Vorredens in der schönen menschlichen Phantasie das ideale Vergnügen voraus genossen und ausgekostet, die Vorrede ins Unbestimmte wachsen zu lassen, indem ich ihr bloß ganz fremde Gedanken-Fechser einimpfte.

Ich impfte ihr in Gedanken – um nur einiges anzuführen – z. B. ein:

– Im Staate fressen zuweilen, entgegengesetzt dem pharaonischen Traume, die sieben fetten Kühe die sieben magern auf – die Reichen die Armen – die Hohen die Niederen – der Adel die Lehnleute – und einer die Vorigen –

Ferner den Satz:

Werft Perlen vor die Schweine, aber nur falsche aus Wachs –

Desgleichen, aber nur mehr politisch:

– Wer leise geht, muß (physisch und politisch) langsam gehen; aber wer laut geht, muß es schnell tun –

Ferner hab' ich mir vorgestellt, daß ich noch schreiben und einpelzen könnte die Sätze:

Im äußeren Unglück noch inneres erfahren, nämlich eigne Feigheit, heißt einem Menschen gleichen, welcher in einer belagerten Festung nicht als ein Krieger, sondern als ein Festung- oder Baugefangner liegt. – Ebenso wie künftigen Schmerz durch Furcht vergegenwärtigen, ist vergangnen durch Erinnerung verewigen und heißt, gleich den Ägyptern Krokodile zugleich ernähren und einbalsamieren. –

Ja ich könnte noch literarische Fechser, die ich ideal einimpfte, nennen, und unter diesen besonders folgende drei:

Die größten romantischen Algebraisten sind einige neuere Romanenschreiber – oder deren Verleger –, welche die Buchstabenrechnung des Ehrensolds oder des Buchpreises zu einer Höhe treiben, daß sie ein leeres Gespräch in mehre kurze Kapitel mit mehren leeren Halbseiten und kurzen Zeilen zerblättern und zerflocken, da doch diese poetischen Leerdärme sich schämen sollten, einen so großen, geschweige größeren Raum zu besetzen als ein voller Klopstock, Baader und Kant; und die kleine Perlschrift sollte den Mangel ihrer Perlenbank einschleiern; wie denn Vorredner dieses selber mit dem größeren Drucke seiner Werke zugleich seine Fehler vergrößert spüren würde, oder in jeder Druckfraktur – es sei grobe, kleine, Doppel- oder Mittel-Fraktur – das Mikroskop seiner Sommer- und Sonnenflecken fände und auf Elephantenpapier sich selber zur Elephantenameise würde – – Himmel, würden nicht manche Schreiber am schönsten so unendlich klein und eng abgedruckt, daß sie typographisch so wenig zu lesen wären als ästhetisch?

Der zweite literarische Gedanke in meiner Vorstellung ging sowohl die poetischen Former als die poetischen Un- oder Mißformer an. Denn jene Töpfer halten sich gern für Köche, weil sie, gleich diesen, Töpfe in den Ofen schieben, wiewohl diese es mit harten vollen tun, jene mit leeren weichen. Den genialen feurigen Männern geben daher dichtende Eisvögel das schöne Beispiel, daß sie sogar das schwache Feuer, das sie haben, durch gute Kritik zu mäßigen und zu dämpfen suchen, so wie etwa blinde Pferde an den Augen Scheuleder tragen. Was die poetischen Un- oder Mißformer im guten Sinne betrifft, so wissen diese recht gut, daß ein Musenpferd durch einige Auswüchse und Bastardglieder ein geniales werde, und sorgen daher für letzte zuerst, so wie große historische Pferde immer etwas Monströses hatten, z. B. Alexanders Buzephalus einen Ochsenkopf, Cäsars Pferd und Neptuns Arion den Vorderhuf einem Menschenfuße gleich. Daher nennen sie sich, wie z. B. der dramatische Kleist, mit noch mehr Recht Shakespearens Jünger, als sich in London die jungen Shakespeare's boys hießen, welche damals, als noch der große Dichter vor dem Schauspielhause den vornehmen Zuschauern die Pferde hielt, als dessen Unterdiener im Pferdehalten von ihm angestellt und besoldet wurden.

Drittens malt' ich mir meinen Wunsch recht lebhaft geschrieben aus, daß das gelehrte Deutschland besonders zwei Wünsche eifrig äußern und unterstützen möchte, nämlich erstens: daß uns die Exzerpten des herzlichsten und vielgelehrtesten Geschichtforschers, Johannes v. Müller, sein lieber Bruder gedruckt bescherte, und ich würde gern unterschreiben (subskribieren), um auszuschreiben – und zweitens, daß uns der nachgelassene Anfang von Adelungs gleichsam neutestamentlichen Wörterbuche, das an der Zeit sich verklärte, wie er nachher an der Ewigkeit, nicht vorenthalten würde, und ich würde mit Vergnügen einige vorausbezahlte Taler aufwenden, um nach dem Empfange des Exemplars über den fleißigen Mann noch zehnmal sanfter zu urteilen, als ich schon getan. – –

Aber beim Himmel! fahr' ich so fort und schwärze so unter dem Deckmantel gedachter Gedanken geschriebene ein: so kann ich mir, da auf diese Weise ganze Bücherballen guter Gedanken einzuflechten wären, gar nicht vorstellen, wie nur die Vorrede je ein Ende nehmen könne, oder ich müßte mich gewaltig verzählen.

Baireuth, den 31. Oktober 1813

Jean Paul Fr. Richter


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