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Alle Folianten sollten vor und für Methusalem geschrieben sein. Man hat jetzo keine Zeit mehr, lange Werke zu lesen, seitdem es zu viele kurze gibt. Die Werkchen verdrängen und ersetzen die Werke. Die Geschichte allein hat das Recht, gar nicht aufzuhören.
Wird man vollends vorgelesen, wie abwesendes neues Ehren-Mitglied Ihres Museums, so benehme man sich kurz; der Leser verträgt mehr Weile und Langeweile als der Zuhörer; auch macht jener leichter das Buch zu als dieser das Ohr.
Daher – und weil überhaupt, wie am Leibe, Ausdehnen der Glieder und Gähnen immer reimend beisammen sind – und weil abgerissene Gedanken einen kleinern Anspruch an Aufmerksamkeit machen, da man, so viele man davon will, überhören kann, ohne die übrigen weniger zu verstehen – darum hat das neue Mitglied folgende Sedez-Aufsätze gewählt:
Lykurg (s. Plutarch im Lyk.) verlegte alle beratschlagende Versammlungen aus den öffentlichen Gebäuden ins Freie hinaus, damit nicht diese jene mit ihren Bildern und Statuen störten und zerstreueten. In diesem Punkte haben mehre deutsche Städte besser für sich gesorgt, indem sie aus ihren Rat- und andern Sessionstuben so glücklich alle Kunst bis sogar auf den Geschmack ausgeschlossen, daß man darin ohne die geringste Zerstreuung stimmt. Die vier Wände setzen ihren Areopag schon in die nötige Finsternis, so wie Vögel so lange verhangen werden, bis sie ihre Melodie pfeifen gelernt.
Die Kunst ist zwar nicht das Brot, aber der Wein des Lebens. Sie unter dem Vorwande der Nützlichkeit verschmähen, indes sie doch die grobe durch die zärtere erstattet, heißt dem Domitian gleichen, welcher die Weinstöcke auszurotten befahl, um den Ackerbau zu befördern. Gesegnet sei jeder Fürst, der die Freskogemälde ablöset von ihrer Mauer; denn er ist unähnlich jedem Fürsten, der die Mauer vom Gemälde, den Nutzen von der Kunst abtrennt und selig die nackte Mauer allein nach Haus fährt.
Der Leser scherzt vielleicht so sehr mit dem Schriftsteller als dieser mit ihm. Es wolle nämlich einmal ein Autor sein Werk recht für den Geschmack des Lesers zuschneiden, und er arbeite und nähe daran 10 Jahre ganz eifrig: so findet er, wenn ers endlich bringt, einen andern Mann oder Leser dastehen, als der gewesen, von dem er das Maß genommen. Ähnlich sprang Joseph Clark mit seinem Schneider um. Er hatte die seltenste Gabe, an seinem Leibe jeder Verwachsung nachzuspielen und sich in jede einzuschießen; brachte nun der Schneidermeister den Rock, den er irgendeiner Verwachsung desselben angemessen und, wie er hoffte, recht gut angepaßt hatte, froh unter dem Arm getragen: so fand er einen ganz neuen Verwachsenen zum Anprobieren vor sich, kein Rockschoß und Ärmel wollte stehen, und der Meister wußte nicht, was er machen sollte aus der Sache und aus dem Rock.
Je älter die deutschen Ritterschlösser, desto weniger Fenster und desto mehr Schießscharten haben sie. Deutschland hatt' es bisher umgekehrt und mehr Licht als Feuer gegeben.
Alles der kräftigen Jugend recht leicht machen, heißt darauf sinnen, recht leichte Anker zu schmieden. Hingegen dem ermatteten Alter werde alles so leicht wie die Schwimmfeder einer Angel gemacht.
Der Verfasser dieses munterte den Sonettisten zu Werken auf, welche durchaus dem ganzen Publikum, auch dem verehrten Museum gefallen werden. »Bekanntlich« – sagte er zu ihm –»schrieb Brockes ein Gedicht von 70 Versen ohne ein R; – und doch warum führ' ich Ihnen dieses an, da ja der Neapolitaner Vincentius Cardone im 17ten Jahrhunderte, der selber kein R aussprechen konnte, unter dem Titel L'R sbandita gar ein Gedicht über die Liebe von etlichen tausend Versen geschrieben, worin kein einziges R vorkam? – Diese Parteilichkeit wider einen Schnarr- und Hundbuchstaben, der meinen Namen beginnt und beschließt, ist überhaupt einfältig. Aber, Sonettist, könnten Sie, der Sie in Ihren Sonetten die größten Lasten des Versbaues leicht bewegen und besiegen, nicht jenes Cardonesche Verdienst um 23 mal übertreffen, wenn Sie (was Sie gewiß können) nur Gedichte lieferten, worin außer dem R noch die übrigen 23 Buchstaben geschickt vermieden wären? Ein solches Verdienst um die deutsche Dichtkunst wäre desto größer, je unerkannter es bliebe.« –
Unter den auf dem Bildungwege hintereinander schreitenden Völkern geht stets eines an der Spitze, dem sich die andern in Abstufungen nacharbeiten. Aber jedes nachkommende Volk, das sich die Selbstverbesserung des ersten einverleibt, bekommt diese gewaltsamer und schneller, weil sie ihm nicht, wie jenem, von innen, also aus einem langsamen Zubereiten erwachsen. So müssen einem Heere die letzten Abteilungen desselben am schnellsten nachziehen.
Kinder und Völker müssen dem Ulysses nicht bloß im Talente, beredt und klug zu sein, sondern auch im Vermögen, Ulysses-Bogen zu spannen, nachgebildet werden.
Gesetze, Zeiten, Völker überleben sich mit ihren Werken; nur die Sternbilder der Kunst schimmern in alter Unvergänglichkeit über den Kirchhöfen der Zeit.
Es gibt, könnte man behaupten, einen Wagen, der noch langsamer fährt als ein Postwagen oder ein Lastwagen oder ein Staatwagen oder ein Leichenwagen, – nämlich der gestirnte Wagen am Himmel; denn er steht seit Jahrtausenden gar fest, was wohl der geringste Grad von Schnelle ist. Ebenso langsam, könnte man fortfahren, rückt Glück und Licht der Menschheit weiter; denn es rückt nie. Aber fliege nur hinauf, näher ans Wagengestirn, so siehst du dessen Sonnen fliegen, und die ferne Erde wird ihm nur träger nachgezogen, und sie weiß von nichts.
Chladni bauet mit Tönen Gestalten aus Steinchen, Amphion aus Steinen, Orpheus aus Felsen, der Tongenius aus Menschenherzen; und so bauet die Harmonie die Welt.
Sonst zählten Deutsche auch die Häuser unter die beweglichen Güter,Dreyers Miszellen. Seite 81. aber durch das römische Recht wurden sie um diese leichte Ansicht gebracht. Erst später oder jetzt muß es durch die glücklichsten Zufälle sich fügen, daß wir wieder zum altdeutschen Gesetze zurück dürfen und können, so daß jetzo nicht bloß die gemeinen leichten Häuser, sondern auch die gewichtigen Handelhäuser bewegliche Güter, ja fliegende geworden, und jeder Kredit zugleich mit jedem Heere mobil, und daß ein Bankerutt im Kriege ein Erdbeben ist, das ein massives Haus mehr versetzt als verschlingt.
Es gibt einen Flut-Anker und einen Ebbe-Anker; jener halte die Jugend, dieser das Alter.
Die kalten Worte, welche in die Liebe oder Freundschaft fallen, sind Frühlingschnee, welcher bald zu glänzendem Tau einschmilzt; die kalten Worte, die der Haß hagelt, sind herbstlicher Schnee, welcher den hohen winterlichen verkündigt.
Das Leben – das Sterben – die Unsterblichkeit: diese drei bilden den Dreiklang der menschlichen Endlichkeit.
Mir träumte: ich nahm einem Lande voll Reichtum, voll Menschen und voll Sonnenschein den weisen Fürsten, der zugleich ein guter war: da erlags. – Mir träumte wieder: ich gab einem erlegenen, welken Lande voll Wüste, Dürftigkeit und Klage diesen weisen und guten Fürsten: da erstands. – Endlich erwacht' ich und sah umher, aber zum Glücke war der weise und gute Fürst keinem Lande entnommen; er herrschte über Glückliche und Unglückliche zugleich und verwandelte niemand als diese in jene.
Zu Wundärzten wollten beide in der Jugend sich bilden. Aber das Schicksal sagte: »Nein! Es gibt tiefere Wunden als die Wunden des Leibes – heilet die tiefern!« – und beide schrieben.
Zeigt ihr statt fremder Sünden bloß den eigenen Wert und erwärmet und befruchtet alles Reine und Himmlische in der jungfräulichen Natur zur paradiesischen Blüte: dann ist sie beschirmt genug vor der Entheiligung. Ihr vergiftet sie aber früher als der Feind selber, wenn ihr die reine Unbefangenheit durch hellgemalte Warnungen und Bilder der Feinde verscheucht und die Unschuld hinter kokette Sicherheitregeln verschanzt. So wird der junge zarte Baum bedornet und gesichert gegen die Zähne hungriger Tiere im Winter; aber die Dornen zerstechen die weiche Rinde und zerstören das Bäumchen.
Jedes Zeitalter wird von zwei Zeiten regiert, von der Gegenwart und von der nächst verstorbenen Vergangenheit; so hatten die ersten Einwohner der Kanarieninseln stets zwei Könige, den eben gestorbenen und einen lebendigen. Aber freilich seufzet oft die Gegenwart: sie müsse blutend untersinken und die Perlen fischen, womit die Zukunft sich schmücke; aber ist sie selber nicht auch damit geschmückt von der Vergangenheit?
Die Jünglinge fallen vor euch auf die Knie, aber nur wie das Fußvolk vor der Reiterei, um zu besiegen und zu töten, oder wie die Jäger nur mit gebognen Knieen (als hätten sie Amors Geschoß) ihre Opfer fällen.
Ein Volk straft das andere, sündigt aber wieder unter dem Strafen, und ein drittes züchtigt das zweite und sündigt, um zu züchtigen. So wurde (erzählet la LoubereAllgemeine Historie der Reisen zu Wasser und zu Land. B. 10.) in Siam einem Diebe des königlichen Silbers geschmolzenes in den Hals gegossen; – der Mann, der es erhärtet aus dem toten Schlunde zu holen hatte, stahl wieder etwas davon; ein dritter, der dem zweiten den glühenden Einguß gab, steckte auch wieder von dem kaltgewordenen heimlich zu sich; – der König begnadigte aber den dritten, um es nicht zu spät bei dem letzten seines Reichs zu tun. Die Römer straften die Griechen – die Deutschen die Römer – die Zeit die Deutschen – die Zeiten die Zeit – und die Ewigkeit zuletzt die Zeit.
Sie will Licht, aber weniger, um davon innen erleuchtet, als außen illuminiert zu werden. Die Augen der jungen Zeit sind mehr Schmuck als Glied; so haben die Schmetterlinge auf ihren Flügeln Augen, und der Pfau auf seinem Schweif.
Gibt es etwas Schöneres als Schönheit und Unschuld? Welche Reize kann eine schöne unschuldige Jungfrau noch borgen, die nicht kleiner wären als ihre eignen? Aber sie borgt doch, sogar die kleinsten; denn sie gleicht dem Römer,Plin. VIII. 48. XXI. 5. welcher die weiße Lilie und das weiße Lämmchen bunt anstreichen ließ.
Das Volk bewundert beide zweimal am meisten: wann sie ihre Regierung antreten und wann sie sie niederlegen; Am Krönungtage und am Sterbetage werden sie am feurigsten gelobt. So funkelt ein Stern zweimal am stärksten, bei dem Aufgange, bei dem Untergange; aber kleiner erscheint die Sonne und jedes Gestirn in der Mitte, wo sie eben das reichste Licht auf die Erde gießen.
Nicht aus Gemeinem ist der Mensch gemacht (wie Schiller sagt), sondern aus Worten. Vom Worte werden die Völker länger als vom Gedanken regiert; das Wort wohnt auf der leichten Zunge fester als dessen Sinn im Gehirn; denn es bleibt, mit demselben Tone Köpfe zusammenrufend und aneinanderheftend und Zeiten durchziehend, in lebendiger Wirkung zurück, indes der ewig wechselhafte Gedanke ohne Zeichen umfliegt und sich sein Wort erst sucht. So gleicht das Wort – diese Gedankenschale – den Schaltieren, deren Gehäuse ohne die weichen Einwohner das bilden, was kein Tier und Riese zu bilden vermag – Inseln und Gebirge.Die Inseln aus Korallen und die Kalkgebirge.
Die Begierden beschneiden ihrem Prometheus-Geier statt des Schnabels die Flügel – und so hackt er ewig ins Herz.
Der Mensch sieht nur das Spinnrad des Schicksals, aber nicht die Spindel; daher sagt er: seht ihr nicht den ewigen, leeren Kreislauf der Welt?
Die Menschen erschrecken ordentlich über die Erhabenheit, welche ihnen der Tod oder die Ewigkeit droht. Wohin, sagen sie, sollen wir vollendet droben streben, wohin soll sich eine Sonnenblume wenden, welche selber auf der Sonne steht? Ich antworte: nach der größern Sonne, um welche unsere zieht.