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Der 30. Juni gibt: Liste der anstößigen Stellen, welche dem Verf. auf seiner langen literarischen Laufbahn von den Zensoren ausgestrichen worden.
Er reicht hier nur einige Anstöße zum Anbiß:
Der Staat werde dem Bürger, was das Zimmer manchen zahmgemachten Singvögeln ist, aus welchem diese bei gutem Wetter ins Freie gehen, und in welches sie doch wieder zurückfliegen; aber er sei kein Käfig, der halb im Zimmer, halb im Freien hängt.
Bei den Alten glich der Staat mehr einem englischen Garten, welcher nach Kant die freie, aber ins Enge gezogne Natur sein soll; bei den Neuern gleicht er öfter einem französischen, welcher nach le NotreLe Notre war bekanntlich ein Deutscher; daher sein französischer Name: der Unsrige. (Sogar diese historische Note litt der Zensor nicht.) eine wachsende Baukunst ist.
Napoleon endigt seine Vorlesungen für Fürsten (wie man seine Kriege nennen sollte), gleich andern Professoren, meistens in einem Semester (Halbjahr).
Die Türken trauern blau; und über sie und die jetzigen Griechen trauert der Himmel auch blau.
Der erste Juli gibt die aus Raum-Mangel unterbrochene Fortsetzung der ausgestrichnen Zensor-Stellen.
Hier nur einiges daraus:
Zwar Büttel, aber nicht Schulmeister standen schon in Adreßkalendern, obgleich diese früher und länger mit dem Stocke lehren und prügeln als jene. Wahrscheinlich aber will man das Schul-Amt einziehen oder doch zu einer Vakatur-Stelle machen, welche der Büttel nicht mit versieht.
Politische Preßfreiheit und große religiöse Preßfreiheit sagen in der Geschichte fast einen entgegengesetzten Kurs ihrer Gegenstände aus. In Zeiten der Vaterlands-Wärme ist die politische Freiheit sehr groß; in Zeiten der Religions-Kälte ist die religiöse Preßfreiheit noch größer.
Der erste August bringt: Stammbuch des Teufels.
Da das Stammbuch künftig als ein dickes Buch erscheint und noch dazu in Klein-Queir-Folio: so kann das künftige Morgenblatt daraus nur einige Proben aufnehmen, von denen ich im jetzigen hier wenige Proben gebe. In dieses Album des Schwarzen haben sich neu – was erst in des Verf. Vorrede dazu begreiflicher wird – Menschen aus allen Ständen und Zeiten – denn der Teufel geht seit Jahrhunderten damit herum und hausiert noch fort – eigenhändig bei ihren Lebzeiten hineingeschrieben, und mit einem solchen Anstand fremder Sprachen und Handschriften, daß ich es mit keinem ähnlichen Buche, selber nicht mit dem Vaterunser vergleichen möchte, aus und in welchem Adelung alle Sprachen in Proben dargestellt hat. Denn alles durcheinander steht darin, Teufels Gönner und Widersacher – z. B. dessen Großmutter als Verwandte wie gewöhnlich vornen – Thomasius – Dr. Luther – Gréwiert – der Erzengel Michaelis (aber in sehr unleserlichen Charakteren) – Dr. Semler – Peter Breughel – David – David von Schottland – beide Carraggios – Shakespeare – Ivan Basilovirz – Tibull – Paul I. – ich, Meusel, Goethe, nebst vielen noch lebenden Gelehrten – Leibgeber – Judas Ischariot und Robespierre (bei welchen beiden einer, wahrscheinlich der Franzose, das alte Sprichwort beigesetzt, da sie auf einer Seite stehen: jungit pagina amicos) u. s. w.
Einige davon mögen am ersten August, wo nach alter Sage der Teufel vom Himmel geworfen worden unter uns auf die Erde herein, in meinen schwachen Übersetzungen da stehen:
Wie die Schnecke bei jedem Anstoße ihre zwei schwarzen Such- und Fühlpunkte zurückzieht und verbirgt, sie aber im Freien weit vorträgt: so ziehe jeder den Flecken oder ein ganzes schwarzes Herz zurück bei Unglück; bei Glück aber tast' er damit herum und zeige alles keck.
London 1649 | Damit will sich seinem Protektor empfehlen Oliv. Cromwell. |
Stehet ihr auf dem Glatteis des Hofes gefährlich, so streuet nur Asche von Häusern und PfälzernBekanntlich entzündete der Minister Louvois den Krieg von 1688, worin er die Verwüstung der Pfalz anordnete, um sich dem ungünstigen Louis XIV wieder notwendig zu machen. darauf: dann steht ihr fest; so will es der Polizei-Lieutenant.
Paris 1690 | Ewig der Ihrige Louvois. |
Die Grenzgötter sind ohne Arme und Beine abgebildet, sie können also weder (nec) streiten noch (nec) fliehen; daher trage diese Götter selber über die Grenzen und über jeden Rubikon hinweg und setze sie dann nieder, wo du willst, etwan an den Herkules-Säulen.
Romae. | Dem bösen Genius zum Opfer Julius Cäsar. |
Die Thronen sind jetzt auf der ganzen Erde kriegerisch-schön, gleich Vulkanen, verknüpft; so wie diese Vulkane immer in Verbindung Feuer speien, so geben sie Feuer meistens in allen vier Weltteilen auf einmal, und auf dem Ozean dazu; ein erhabner Anblick!
London 1802 | Auch dafür sei Ihnen Dank, hoher Fürst der Finsternis! Lord ...... |
Sollte wohl der Mensch erst eine Paradieses-Schlange zu seiner Vergiftung brauchen? Kann er nicht so gut wie die Klapperschlange, wenn sie sich beißt, sich selber vergiften?
Nie, mein Teufel, werd' ich die Stunde unserer ersten Bekanntschaft vergessen! Schriebs zum Andenken |
Baireuth 1807 | Jean Paul Fr. Richter. |
Der Michaelistag des Septembers bringt: Der wiedergefundne »allzeit fertige Banqueroutierer« von Rabener samt meiner Einleitung.
Da der Verf. schon seit Jahren bei allem Verlust, den Dresden durch die Belagerung von Friedrich II. erfuhr, den größern am meisten bedauerte, welchen Deutschland durch das bis jetzo vorausgesetzte Einäschern der genannten letzten und gewiß besten Rabenerischen Satire erlitt, besonders da bei diesem sich im dornigen Gradierhaus des Alters das satirische Salz immer reiner und schärfer anhing: so hatte der Verf. über die (wahrhaft wunderbare) Errettung und Erkaufung dieser Rabenerischen Satire eine so große Freude, als hätt' er das köstliche Stück selber gemacht. Deutschland soll ihm danken, meint er. Nur so viel aus der Einleitung:
»Gewiß genießen wir alle diese alte Satire über Bankerutte jetzo reiner, ohne bittere Beziehungen, kurz nur als unbefangene Liebhaber eines Kunstwerks, da wir seit Rabeners Zeiten Falliments so wie Selb-Falliments (Selbstmorde) und Unehelichkeit etc. im viel gerechtern und mildern Lichte erblicken. Wenn sonst der arme Banquerutier Steine und Hunde tragen mußte: so wird jetzo besser sämtlichen Gläubigern diese Schulden-Last verteilend aufgelegt; und die leeren Beutel, womit sonst Jungen den ohnehin leeren Zahlunfähigen durch die Gassen ordentlich recht zu seiner Schande verfolgen mußten, halten zu Hause nur dessen Gläubiger in der Hand.Quistorps Beiträge 1. B. 1780.
Aber besonders gehört es unter die wenigen Wohltaten der Kriege, daß man leichter falliert und – ich wag' es zu sagen – nicht ohne Ehre, komme letzte auch nicht sogleich. Was dem Wort- und Bankbrüchigen so unentbehrlich ist als dem Trauerspielschreiber, nämlich gute glaubliche Unglücksfälle, um mit ihnen, wie dieser, eignen Schrecken und fremdes Mitleid zu reinigen, kurz, jedes zur Herstellung einer guten Konkursrechnung nötige Unglück liefert der Krieg nach Wunsch; leicht ist durch fremde Truppen das Alibi des Geldes zu bezeugen; leicht schließen mit den Häfen sich die Kaufläden, und Kriegs-Compagnien sprengen Handels-Compagnien, nicht aber Kriegsreiterei die Wechselreiterei. Im Oktober oder Weinmonat falle eine Schlacht vor, so ist aus ihr im nächsten oder Wind-Monat so viel (bisher latenter) Land-Wind zu entbinden, als nötig ist, um für den See-Wind zu entschädigen, der keine Schiffe mehr zubläset. Matthey zu TurinBusch Handbuch der Erfindungen. B. 8. Artikel Windbüchse. erfand Windbüchsen, welche man auf einmal zu achtzehn Windschüssen lädt durch Gas-Entwicklung, wenn man in ihrer Kammer bloß 2 Unzen Schießpulver abbrennt. Wahrlich aus einigen verflüchtigten Pulver-Zentnern einer Schlacht getrau' ich mir so viel Wind für dreißig Bankerutierer auszuziehen, daß ich noch genug davon für ebenso viele Zeitungsschreiber übrig behalte.
Ist der Krieg das Mausern (die Mauße) der Menschheit, worin ihr die alten Federn ausfallen oder sonst ausgehen (und wär's durch Ausrupfen): so geht dem entfiederten berupften Kaufmann so gut das Gedächtnis seiner Wechselbriefe, Versprechungen und so weiter aus als jedem Falken in der Mauße alles in schlaflosen Nächten Erlernte. Besonders tut hier der Buchhändler in der Mauße das Seinige und Nötige – spielt zweimal jährlich zur Messe eine Malefiz-Komödie gegen seine Mitspieler – hilft dem reinen Ertrag etwas durch unreinen nach – wird aus Mangel an Absatz schreibender Seelen der Seelenverkäufer seiner eignen armen Seele und verschreibt sie durch Verschreibungen und durch jeden doppelsinnigen Schuld- Schein – und verkauft mir kurz nach dem Fallissement das Manuskript von Rabeners Satire darüber; denn letztes hab' ich wirklich von einem falliten Buchhändler in Sachsen.«
Der 14. Oktober bringt: Erziehanstalt für Embryonen und Fötus von Stande.
Die Vorrede sei hier Vorschmack:
»Wie sehr den höhern Ständen die stärkere Leibes- und oft dadurch die Geistes-Beschaffenheit täglich einschwinde und einschrumpfe, dies zu zeigen, hieße am unschicklichen Orte einen Wagenzug von Krüpelfuhren aufführen und am Ende doch mehr Lachen erwecken als Mitleid. Genug, daß bloß die Rüstigern daraus noch abgemagerten verdrüßlichen Löwen gleichen, welche in den Eismonaten des gefrornen Deutschlands hinter Gittern zur Schau herumgefahren werden – andere dagegen sind, zumal auf der Rückreise von einer Residenzstadt, wahre Bart- und Haarsterne, welche, von der Sonne zurückkehrend, ihren Kern in Nebel und Schweif aufgelöst mitbringen – einige werden zum zweiten Male Embryonen und erhalten sich, wie totgeborne, nur frisch in Gläsern voll Spiritus – ja viele sind kaum. – So sehr will, anstatt daß bei ältern Völkern der längste stattlichste Mann der vornehmste und regierend war, hoher Adel gegen niedern in Rücksicht der Statur und Zelle fast die Beinamen auswechseln und glaubt die Zahl der künftigen Ahnen durch die Menge der vergangnen zu ersetzen. Überhaupt ist jetzt sogar Reichtum schon halbe Krankheit, und junge reiche Kaufmanns-Söhne schreiben auf Reisen das alte Sprichwort so: quod habet in crumena, luit in corpore; d. h. wer Geld hat, kann so gut als irgendein junger Engländer halb tot und halb sichtbar nach Hause kommen.