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VII.

Die »Firma« verdiente an diesem Geschäft rund sechs Millionen Frank. Für vier hatte sie es vor einem Jahre dem Marquis abgekauft. Der würdige alte Herr André Fleury, der so eine Art Geheimagent des Gospodin war, erhielt 500 000 Franken, Elisabeth drei Millionen, den Rest Dazkovic. Sie hatte sich die halbe Million mehr ausbedungen – für die Idee.

»Das haben Sie fabelhaft gemacht!« sagte er. »Aber ich verstehe nicht, Gott soll mich strafen – Sie hätten ja den ganzen Davison mit allen seinen Dollarmillionen haben können. Da führen Sie diese Komödie mit ihm auf, um ihm sechs Millionen abzunehmen, von denen Sie noch die Hälfte abgeben müssen. Elisabeth, Sie sind ja gescheit – aber wirklich und wahrhaftig –, waren Sie da nicht ein bissel zu gescheit?«

»Finden Sie? Wieviel Millionen hat dieser Davison? Was sagen Sie? Eine runde Milliarde! Nun, die tausend Millionen mit ihm sind nicht soviel wie die drei ohne ihn. Verstehen Sie das?«

»Nein – aber es macht nichts«, setzte der Gospodin schleunigst hinzu, als er sah, daß in den blauen Augen seiner Kompagnonin Unwetter heraufgestiegen.

Er verstand sie schon lange nicht mehr. Dagegen flößte sie ihm oft Furcht ein – ja Furcht –, diese junge Frau, die noch so weit zu den Dreißig hatte und so kalt, so voll Haß und Verachtung gegen alle Welt war.

»Nie und nimmer kann die glücklich sein«, sagte er sich.

Eines Morgens – nicht lange war es nach dem Davison-Geschäft – erwachte sie und machte die gleiche Feststellung. Sie war nicht glücklich.

Sie hatte Geld gemacht in diesen vier Jahren, seit sie mit Dazkovic den Zug nach Paris bestiegen hatte. Sie war mehrfache Millionärin geworden, besaß ein Konto bei der Bank von England und beim Schweizerischen Bankverein. Sie war berühmt über die ganze Welt – ohne Künstlerin oder Kurtisane zu sein. Ihr Frauentum allein hatte sie berühmt gemacht. Wo immer sie erschien, wurde sie Mittelpunkt, Brennpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Die Männer verzehrten sie mit ihren Blicken. Alle urmenschlichen Instinkte riß sie in ihnen empor. Gier und Eifersucht und Haß – –. Die Männer! Sie machte Puppen aus ihnen, Hanswürste und wilde Tiere. Sie drehte ihr Innerstes nach außen. Holte aus ihnen den Urwaldmenschen heraus, der mit Händen und Zähnen den Nebenbuhler bekämpft. Bestien im Frack! Wie sie sich anfletschten, bereit, einander an die Kehle zu springen – – ihretwegen! Einer Frau wegen!

Das war amüsant! Für eine Zeitlang! Dann wurde es langweilig. Ach, mein Gott – so langweilig!

Wie jemand, der urplötzlich aus schwerem Schlaf auffährt, blickte sie um sich. Der Ekel faßte sie. War ihr Leben damit ausgefüllt, daß sie den Davison und Konsorten »die Seele im Leib herumdrehte«?

Sie erhob sich aus dem Bett, kleidete sich an und ging zu Stanko Dazkovic, der seinerseits noch im Bett lag. Als er endlich vor ihr erschien, sagte sie ihm:

»Stanko Dazkovic, ich will den Wechsel zurückhaben.«

»Was?« krächzte der Gospodin, der noch nicht recht ausgeschlafen hatte.

»Ich denke, wir haben jetzt genug verdient, und ich fordere daher den Wechsel zurück.«

»Jetzt gleich?«

»Jetzt gleich. Ich habe hier einen Scheck mitgebracht, rechnen Sie mir aus, wieviel Pfund 8000 Dollar samt sechs Prozent Zinsen für vier Jahre ausmachen. Ich gebe Ihnen den Scheck – und adieu!«

Stanko Dazkovic' gesund-rötliche Gesichtsfarbe ging in ein fahles Grau über. Er machte den Mund auf, machte ihn wieder zu und wußte nicht, was er sagen sollte.

»Nun wird's?« heischte sie. »Warum erschrecken Sie denn übrigens so? Wir sind ja nicht miteinander verheiratet, und da ich meine Verpflichtung Ihnen gegenüber mehr als erfüllt habe, will ich endlich wieder mein eigener Herr sein. Also bitte, Dazkovic, beeilen Sie sich! Ich möchte fort.«

»Ja – ja – – ich mache schon – –! In Pfund sagen Sie? Wie ist jetzt nur Stand von Pfund zu Dollar –? Muß ich erst Kurszettel einsehen. Gehe ich gleich auf die Bank – – gleich, Elisabeth – –! Ja, gleich gehe ich. Mein Gott, wo hab' ich nur meinen Hut – wo – – ist in drei Teufels – Namen –«

Und der sonst so vergnügte, nicht aus dem Gleichgewicht behaglicher Sorglosigkeit zu bringende Gospodin Stanko Dazkovic fuhr in seinen Zimmern hin und her wie eine dicke Hummel, die sich in eine Stallaterne verirrt hat. Einen Stuhl warf er um, klemmte sich die Finger in der Tür seines Kleiderschrankes und entdeckte dabei, daß er den Hut in der Hand hielt.

»Sehen Sie, Elisabethchen,« sagte er, »jetzt machen Sie mich auch so verrückt wie die anderen Männer. Nein – nein, nicht so verrückt!« berichtigte er sich voll Angst gleich selber. »Nein – anders verrückt – – aber – – aber – – sagen Sie mir bloß um des Heilands willen, warum wollen Sie denn auf einmal fort? Haben Sie jetzt auf einmal – nach vier Jahren bitte! – Grund, sich über mich zu beklagen? Habe ich Sie je beleidigt? Habe ich nicht ehrlich immer auf Heller und Pfennig mit Ihnen abgerechnet? Reich sind Sie geworden – durch wen? Durch mich! Durch mich, durch den alten Stanko Dazkovic, der Ihnen nie auch nur mit der Spitze seines kleinen Fingers ist zu nah' gekommen! Warum, weil ich selber eine Tochter habe, jung und schön und brav, und weil ich will, daß auch sie immer geachtet und nie beleidigt wird.«

»Das ist ja alles wahr, Dazkovic«, erwiderte Elisabeth ungeduldig, aber mit einer Freundlichkeit und Wärme, die sie selbst überraschte. »Ich werde Ihnen nie vergessen, was Sie für mich getan haben. Wir scheiden ja auch als Freunde, nicht als Feinde, und sagen uns ›Auf Wiedersehen‹ – – aber – – Und nun schrien alle ihre Kümmernisse, alle ihre Enttäuschungen in einem Wort auf: »Begreifen Sie denn nicht, daß ich dieses Leben satt habe? Daß ich fort will von all diesen Männern, die mir die Kleider vom Leibe reißen möchten! Die mich mit jedem ihrer Blicke beleidigen! Fort von diesen Weibern, die mich zu bewundern vorgeben und mich auf den Scheiterhaufen schleppen möchten, um mich als Hexe zu verbrennen! Und ich bin doch keine Hexe, ein Mensch bin ich wie sie alle. Ich will nicht mehr lügen und so selbstherrlich tun, so kaiserinnenhaft. Mir liegt nichts daran, in den Zeitungen abgebildet und » la plus belle femme du monde« tituliert zu werden! Es langweilt mich, die Männer zum Narren zu halten. Es ist immer dasselbe, denn die Gemeinheit, die Brutalität ist in allen gleich, nur der Grad der Feigheit und der Dummheit ist verschieden. Und der eine trägt gern dunkle Krawatten, der andere zieht die hellen Dessins vor – das ist noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, das ich habe feststellen können. Sonst – Dazkovic – sonst? Ah – –! Also geben Sie mir den Wechsel zurück und lassen Sie mich gehen!«

Bei dem Wort »Wechsel« verzog sich des Serben rundes, fettes Biedermannsgesicht zu einer schmerzlichen Grimasse.

»Ich will Ihnen ja den vertrackten Wechsel geben, aber ich – ich habe ihn nicht hier, nicht in Nizza.«

»Wo denn?«

»In Safe von Bank natürlich. In Wien hab' ich ihn. Oder in Berlin? Nein – nein, natürlich in Wien. Schauen Sie, ist das verflixte Papier doch bei mir besser aufgehoben als bei Ihnen. Was werden Sie damit machen? Verbrennen – versteht sich! Und wenn Ihr Mann eines Tages zurückkommt? Grad' wenn Sie ahnungslos beim Frühstück sitzen, zur Tür hereintritt und sagt: ›Guten Tag, liebes Weiberl, da bin ich. Hab' ich gehört, daß du viel Geld verdient hast. Das ist gescheit, gib nur alles her, damit ich verputzen kann.‹ Was dann?«

»Er kommt nicht zurück. Er wagt es nicht – und wenn er es wagen sollte – –!«

Sie lächelte. Und Gospodin Stanko Dazkovic dankte allen Heiligen, daß nicht ihm dieses Lächeln galt.

»Was wollen Sie da machen?« fragte er, indem er sich nach einem festeren Boden unter den Füßen zurücktastete. »Nichts werden Sie machen, denn Sie können nichts machen, selbst mit dem Wechsel nicht. Sie können ihm nicht mit Anzeige drohen, weil Sie ja selber draufstehen – wird er also Ihrer Drohung nicht glauben. Aber ich kann drohen, ich, der alte Stanko. Und ich – so soll Gott mir helfen – werde drohen, wenn dieser elendige Fallot zurückkommt und Ihnen Ihr Geld wird wegnehmen wollen. Deshalb ist es besser, wenn ich den Wechsel behalte. Sind Sie so gescheite Frau, Elisabeth – haben Sie nie selber daran gedacht?«

Sie sah ihn an, höhnisch, überlegen.

»Sie sind doch wirklich gescheite Frau,« stotterte er.

»Wir fahren mit dem nächsten Zug nach Wien,« erklärte sie.

»Gut – wie Sie wollen. Hab' ich eine glänzende Idee, werd' ich an die Helena, meine Tochter, telegraphieren. Soll uns an der Bahn abholen. Sie wissen doch, Elisabeth, sie lebt in Wien bei meiner Schwester, was mit dem General Suviljewich verheiratet ist. Geht ihnen jetzt nicht gut – na ja, kaiserlicher General im heutigen Oesterreich! Schöne Einrichtung das – die Republik! Läßt die alten treuen Diener verhungern – eine Schande ist's – – –«

»Dazkovic, erkundigen Sie sich, wann der nächste Zug nach Wien geht! Ich kann es nicht erwarten, die Bekanntschaft Ihres Fräulein Tochter zu machen. Hoffentlich ähnelt sie nicht ihrem Vater.«


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