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XVIII.

In der Halle saß noch Stephan. Er hatte eine Flasche Vöslauer vor sich stehen, die ihm half, die Rückkehr seines Onkels abzuwarten.

»Nun, wie gefällt sie dir?« fragte er den älteren Mann, als dieser sich neben ihm in dem Ecksitz niederließ und sich langsam ein Glas füllte.

So leichthin kam die Frage, aber Hubert Pertz hörte ganz deutlich den Ton der Spannung heraus, der durch sie zitterte. Sie Sache war wohl noch schlimmer, als seine Schwester sie geschildert hatte.

In langen Schlucken leerte er das Glas, stopfte sich seine Pfeife, zündete sie an und reckte sich behaglich in dem alten Lehnstuhl zurecht.

Dann sagte er:

»Sie ist wohl eine der schönsten Frauen, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Sie ist auch zweifellos eine der interessantesten, die mir je begegnet sind. Ich kann mir schon denken, daß sie die Männer alle miteinander zum Narren macht, und ich glaube, ich könnte darauf wetten, daß sie schon viel Unheil angerichtet hat. Also – laß die Hände davon, mein Junge!«

Stephan fuhr auf, beugte sich weit über den Tisch zu dem anderen hinüber. Wollte etwas sagen, etwas Heftiges, Trotziges – aber vor dem kalten Blick, dem er begegnete, wich er zurück.

»Warum regst du dich so auf?« sprach Hubert weiter. »Willst du vielleicht leugnen, daß ich recht habe? Meinst du, Elisabeth Worth wäre eine Frau für dich? Die würde hierher passen, auf Rottenstein – – –?«

»Ich weiß nicht, wie du auf solche Gedanken kommst – –« würgte Stephan. »Ich habe bis jetzt nie daran gedacht, sie zur Herrin von Rottenstein zu machen. Sie gefällt mir. Mehr als das – du sagst ja selbst, daß sie eine bezaubernde Frau ist. – – –«

»Stephan, wir wollen deutsch miteinander reden. Deine Tante hat mir nach Konstantinopel telegraphiert, ich möchte so schleunigst wie möglich herkommen. Ich habe das getan und habe mir heute die Dinge angesehen, so wie sie hier stehen. Sie gefallen mir nicht, Stephan. Ich kenne deine Geschichte mit Fräulein Dazkovic. Will dir absolut nicht zureden, sie zu heiraten. Ob sie für dich paßt oder nicht paßt, das ist eine Sache, über welche du allein zu entscheiden hast. Daß du Geld brauchst, dringend und viel Geld brauchst – das weißt du ebensogut wie ich. Du mußt dir also klar werden. Ich weiß nicht – die Dazkovic sind jetzt bereits drei oder gar vier Wochen hier; wenn dieses verfluchte Frauenzimmer, diese Worth, nicht mitgekommen wäre, könnte alles schon in Ordnung sein. Himmelherrgott, Junge, ist es denn so schwer, vernünftig zu sein?«

»Es ist schwer, vernünftig zu sein und seine Ruhe zu bewahren, wenn man wie ein Kind behandelt wird«, rief der »Junge«, dem der hochmütige Ton, in dem sein Onkel ihn abkanzelte, auf die Nerven ging. »Schließlich bin ich der Herr auf Rottenstein. – –«

»Meines Erinnerns hat das noch niemand bezweifelt oder bestritten. Aber – jetzt kommt ein sehr großes Aber! Deinen Bruder Leopold hat bereits der Teufel geholt. Er hat sich durch eine Frau ruinieren lassen. Willst du es ihm nachmachen?«

Er trat auf den jüngeren Mann zu, er griff ihn an beiden Händen und zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen.

»Jawohl, Elisabeth Worth ist ein Weib unter Tausenden. Zugegeben. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß sie das Weib für dich ist. Ich habe zwar nie viel mit Frauen zu tun gehabt – wenn man draußen lebt wie ich, behält man jedoch seinen klaren Menschenverstand. Man sagt mir, die Frau lebt hinter einem Schleier! Gott soll mich davor bewahren, wenn sie diesen Schleier fallen läßt.«

Stephan wußte nichts darauf zu erwidern. Finster und mürrisch stand er da – –. Achselzuckend ließ Hubert ihn los, trat an den Tisch und schenkte sich ein frisches Glas ein.

Stephan drehte sich um.

»Gute Nacht«, sagte er und stieg die Treppe empor.

*

Hubert sprach am anderen Tage mit seiner Schwester und dem alten Dazkovic. »Daß ihm Elisabeth Worth den Kopf endgültig verdreht hat, glaube ich nicht«, war seine Meinung. »Es wäre vielleicht besser gewesen, Ursula, du hättest ihn von allem Anfang an nicht so gedrängt. Schließlich ist er majorenn und hat ganz recht, wenn er mit der Faust auf den Tisch haut und schreit, er ist sein eigener Herr. Mit der sogenannten Vernunft werden wir ihm daher nicht beikommen. Warum sollen wir es denn nicht mit einem Gewaltstreich versuchen? Ich war immer für's Entweder – Oder. Erst totschlagen und dann verhandeln.

Ursula, du wirst für nächsten Sonntag alle Leute, die zu uns gehören, einladen. Man kann ja sagen, mir zu Ehren, und dann sorgst du dafür, daß alle erfahren, warum sie eigentlich geladen wurden, verstehst du? So kleine Andeutungen. Man kann sogar von einer bevorstehenden Verlobung sprechen. Die Leute sollen Ihnen und Ihrer Tochter, Herr Dazkovic, ganz ruhig gratulieren. Wir müssen so etwas wie Stimmung schaffen. Für das andere laßt mich sorgen!«

»Was willst du tun?«

»Ich habe so eine Idee. Sage einmal, Ursula, die Jagdhütte oben am Predigtstuhl besteht doch noch?«

»Selbstverständlich, aber was willst du?«

»Nichts – nichts. Sorge nur für die Einladungen!«

Am anderen Morgen spannte er sich den Jagdwagen ein und fuhr hinauf ins Gebirge. Zwei Tage lang blieb er unsichtbar und kam erst am Morgen des Sonntags zurück.


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