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V. Das Verhalten bei besonderen Gelegenheiten.

25. Die Taufe.

Ein selt'ner Name ist ein kostbar Gut,
Doch sei auch schöne Deutung drin enthalten.
Die fernes Trägers ganzes Streben zwingt,
Das eig'ne Dasein würdig zu gestalten.

a) Der Zeitpunkt des Taufakts.

Wenngleich in Deutschland kein gesetzlicher Taufzwang mehr herrscht, den Eltern also hierin volle Freiheit gewährt ist, so wird sich dadurch das religiöse Gefühl, namentlich der Mutter, keineswegs befriedigt fühlen. Es genügt nicht, daß überhaupt ein neuer Erdenbürger vorhanden, der Unterhalt und sorgfältige Erziehung zu beanspruchen hat, mit der Zeit in die Pflichten eines Patrioten eintritt, erbberechtigt und dem Gesetze untertan ist. Nein, die tiefsten und reinsten Empfindungen erflehen Schutz und himmlische Weihe für das hilflose Lebewesen, dessen Weg noch dunkel, dessen Schicksal in undurchdringliche Schleier gehüllt ist, dem wir armen Menschen nichts Besseres mitgeben können als eben diesen reinen Gottesglauben, der im Glück demütig macht und im Kampfe des Lebens über Dornen und Klippen hinaushebt. Was der Mutter unabweisbares Bedürfnis ist, wird beim Vater, selbst wenn er dem symbolischen Taufakt geringere Bedeutung einräumen sollte, doch kaum jemals auf wirklichen Widerstand treffen. Vereinigen sich die Eltern nicht geradezu in der Richtung ihres religiösen Empfindens, so mögen den Hausherrn wenigstens andere, äußerliche Rücksichten veranlassen, von dem einmal üblichen Brauch nicht abzuweichen.

Den Zeitpunkt des Taufaktes bestimmt zumeist der Täufling selbst, dessen persönliches Befinden hierbei maßgebend fein muß. Schwächliche Kinder werden bald getauft, wohl schon in den ersten Lebenstagen. Dies ist besonders in katholischen Familien der Fall, überhaupt setzt die katholische Kirche den Taufakt zumeist erheblich früher an als die evangelische.

Bei etwa notwendigerweise verfrühter Taufe verzichten indes beide Religionsbekenntnisse auf eine besondere Festlichkeit. Ein einfaches Mahl für die Paten und die unumgänglichsten Gäste genügt durchaus, darf aber in dringendem Falle ganz wegbleiben. Der Hausvater führt den Vorsitz; an seiner Stelle kann auch eine ältere Verwandte der Familie sich den Gästen widmen.

Ist der Täufling gesund, so wird in protestantischen Kreisen, namentlich in der besseren Gesellschaft, die Taufe bis zur völligen Erholung der jungen Mutter hinausgeschoben, da eben die Anwesenheit derselben dem Feste erhöhte Weihe verleihen soll. Man wird also kaum vor Verfluß von 4-6 Wochen die Vorbereitungen zum Tauffest beginnen.

b) Der Ort und die Vornahme des Taufaktes.

Als schöne Sitte, an der möglichst festgehalten werden sollte, darf die heilige Taufhandlung im Gotteshause selbst gelten. Immerhin erfreut sich der Brauch, den Taufakt in der Wohnung vornehmen zu lassen, aus vielen Gründen großer Beliebtheit, und wo etwa das körperliche Befinden der Mutter oder des Täuflings bestimmend wirken, kann man demselben nur beistimmen.

Das gute Zimmer wird alsdann der passendste Raum dafür sein. Man entferne alle raumverengenden, die Gruppierung der Gäste und freie Bewegung hemmenden Schmuckmöbel und Ziergeräte und habe nur den einen augenblicklichen Zweck des Gemaches vor Augen. An Stelle des Taufsteins dient ein mittelgroßer Tisch, der mit weitherabreichender feiner Damastdecke altarähnlich geschmückt wird. Ein feiner Tüll- oder Spitzenüberwurf erhöht den Eindruck ganz wesentlich; besonders sinnig zieren zarte Blütengewinde mit feinem, lichtem Grün.

Auf der Tischfläche finden die vom Kirchendiener mitgebrachten Taufgeräte, wie Taufbecken, Bibel, Leuchter, Kruzifix ihren Platz. Lin feines Tüchlein liege bereit, um nach vollzogener Weihe das benetzte Köpfchen des Täuflings damit abzutrocknen.

Der jungen Mutter ist ein Sessel zunächst dem Taufstein bereitgestellt; den Platz in der Mitte nehmen Pate und Patin ein, die Gäste reihen sich zu beiden Seiten des Altartisches auf.

Ueber die Taufhandlung hält der Hauptpate das Kind. Nach derselben wird es durch die Hebamme der Mutter übergeben, damit diese zugleich mit dem Täufling den Segen des Geistlichen empfange. Damit ist der neue Erdenbürger in die christliche Gemeinschaft aufgenommen und der Taufakt beendet.

c) Die Patenwahl.

Wo nicht zum voraus ein alter Familienbrauch bestimmend wirkt, der für jeden neuen Täufling beachtet zu werden pflegt, ist die Patenwahl, ganz besonders für das erste Kindchen, nicht so ganz leicht, da mancherlei Punkte dabei zu beachten sind.

Im allgemeinen gilt, daß der Pate und die Patin möglichst dem eigenen Kreise entstamme, am besten Verwandte oder bewährte Freunde, die dem Täufling auch das dauernde Interesse entgegenbringen, das den besten Teil der Patenschaft ausmacht.

Das Streben nach hohen, reichen Paten wird als persönliche Eitelkeit, als Spekulation für Gegenwart oder Zukunft gedeutet werden. Indes hat man andererseits auch diejenigen zu schonen, deren schmalbestellter Kasse das kostspielige Ehrenamt allzufühlbare Opfer auferlegen müßte.

Die Berufung zur Patenschaft wird als Ehre zugeteilt und angenommen; doch darf zugestanden werden, daß dies in Wirklichkeit nur beim ersten und zweiten Kinde zutrifft. Je öfter die Ehre, desto erheblicher die Opfer; es dürfte sich deshalb ein schicklicher Wechsel oder Ersatz der Erstlingspaten in späteren Fällen empfehlen, wodurch beiderseits gedient wäre.

Die Einladung zur Uebernahme der Patenschaft hat frühzeitig zu erfolgen, damit der Betreffende überzeugt sein kann, auch wirklich als Erster aufgefordert zu sein. – Andernfalls wird, falls eine Ablehnung unumgänglich, diese so zeitig erfolgen, daß ein zweiter Pate nicht zu spät gewählt und aufgefordert werden muß, ein Punkt, der sehr ins Gewicht fällt. Auch in dieser Hinsicht empfiehlt es sich, seine Wahl im Verwandten- oder Bekanntenkreise zu treffen, da alsdann schon vor Eintreffen des Täuflings gegenseitige Rücksprache erfolgen kann.

In Oesterreich beschränkt man sich auf einen Paten, dem eine Mitpatin zur Seite steht; dieselben übernehmen mit dieser ersten Patenpflicht gemeinhin auch alle folgenden, unter Umständen ein Amt von weittragender Bedeutung. In Deutschland wählt man meist einige Paten und Patinnen, nicht Patenpaare; dieselben gehen damit jedoch keinerlei Verpflichtung für künftige Fälle ein.

Der Brauch, dem Täufling den Kamen des Paten oder der Patin als Rufnamen zu geben, ist glücklicherweise ziemlich ausgestorben. Es hieße den Ehrgeiz zu weit treiben, wollte man durch solches Entgegenkommen noch ganz besonders berücksichtigt werden. Verständige Paten schlagen schöne, wohlklingende, deutungsreiche Kamen vor, ohne den eigenen, vielleicht recht unschönen, unbillig vorzudrängen. Die eilende Zeit hat frühere Geschmacksrichtungen längst überholt, was ehedem als schön galt, ist's heute nicht mehr; der Name aber ist des Kindes, des Jünglings, des Mannes steter Begleiter, er soll wohl klingen, sinnreich und schön sein, ohne durch gesuchten Aufputz auszufallen.

Soll oder will der Pate durchaus speziell geehrt werden, so geselle man seinen Namen als zweiten hinzu, der Rufname aber bleibe dem Geschmacke der Eltern durchaus freigegeben.

d) Patenpflichten.

Die Ablehnung einer Patenstelle gilt stets als Geringschätzung der zugedachten Ehrung und wird zum mindesten empfindlich aufgenommen. Dies zu bedenken, sei jedem einzelnen, an den solche Wahl herantreten könnte, dringend empfohlen; er richte sich zuvor schon danach, d. h. treten nicht überhaupt leichtverständliche Hinderungsgründe dazwischen, so sei das Verhalten zum voraus taktvoll ablehnend, so daß eine Anfrage gar nicht zu erfolgen braucht.

Persönliche Anwesenheit während der Taufhandlung ist nicht durchaus notwendig, im Verhinderungsfalle kann ein Ersatzpate eintreten.

In früherer, gottesfürchtigerer Zeit galt der Pate als Miterzieher und Mitberater in weltlichen wie in geistlichen Angelegenheiten; die Eltern richteten daher ihr Augenmerk auf ernstgesinnte, fromme Menschen, die das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen wußten. Die rasch- und leichtlebige Neuzeit hat diesen Teil der Patenschaft längst abgetrennt. Mit dem Tauftribut an den Täufling, mit den bis zur Einsegnung fortdauernd zu spendenden Weihnachts- und Geburtstagsgaben ansehnlicher Gestalt sind die Patenpflichten erschöpft, es sei denn, daß der Pate nobel genug gesinnt ist, sein Patchen auch noch im Erbfalle zu bedenken. Die Mitbeteiligung am Erziehungswerke wird nicht mehr ins Auge gefaßt; in den seltensten Fällen sogar wäre eine solche erwünscht, da sich die Eltern am liebsten ungeschmälertes Bestimmungsrecht hinsichtlich ihrer Kinder vorbehalten.

Die Verpflichtung des Taufgeschenkes wird nicht sobald der Vergessenheit anheimfallen, darum sei dieses ganz besonders eingehend berücksichtigt.

Erfreut sich der Pate günstiger Vermögensverhältnisse, so wird er den Täufling reichlich bedenken. In feinen Kreisen wählt man aus der reichen Fülle passender Taufgaben wie: Trinkbecher, Tischbestecke, Löffel von Silber, Schmucksachen, die indes durch seltene Arbeit vor dem Veralten geschützt sein müssen, Glückslose, Barsummen ansehnlichen Betrages oder Wertpapiere nach Belieben aus. Sind die Eltern des Täuflings jedoch nicht mit Glücksgütern gesegnet, so wendet der Pate diesen selbst die Gabe zu, die am besten aus barem Gelde besteht, um ihnen die augenblicklich vermehrte Ausgabenlast zu erleichtern.

Der Mitpatin überreicht der Pate einen Blumenstrauß, je nach Ortsgebrauch auch feine Handschuhe; sein Verhalten sei sehr fein und ritterlich.

Damit ist indes die Gebepflicht noch nicht erledigt, denn auch Amme, Hebamme, Kirchendiener, das aufwartende Hausmädchen rechnen auf ein wohlgemessenes Geldgeschenk.

Die Patin wird nicht minder in Anspruch genommen. Große Geldgeschenke und Wertpapiere werden von ihr allerdings nicht erwartet, es sei denn, daß sie, selbst in bevorzugter Vermögenslage, untergeordneten Kreisen die Gunst ihrer Patenschaft zuwendet.

Sonst, vielleicht der Schwester oder Freundin zuliebe, bemüht sie sich um den Taufanzug, immerhin ein sehr namhaftes Geschenk. Das Taufkissen kann mit gesticktem Ueberzug versehen werden oder farbig seidenen Grund mit duftiger Spitzenhülle aufweisen. Für das lange Taufkleid wird am besten zarter Stoff gewählt und mit Spitzen, Handstickerei oder feinen Blütensträußchen geschmückt; seltener kommen Samt oder Atlas in Betracht. Auch das Taufhäubchen wird aus zartem Tüll oder feinen Spitzen hergestellt. Für die Taufhandlung in der Kirche wird oft noch, je nach der Jahreszeit ein großer Schleier oder gestickte Decke notwendig, dazu bestimmt, den Täufling sowie sein kostbares Festgewand damit zu schützen.

Der alte Satz, daß die Ehre der Patenschaft teuer bezahlt zu werden pflegt, bewährt sich selbst noch bei vernünftigem Maßhalten, das angelegentlichst empfohlen zu werden verdient.

e) Das Taufmahl.

Beim ersten Kinde, zumal wenn dies ein Stammhalter ist, vermögen die Eltern gewöhnlich des Guten kaum genug zu tun. Die Freude ist übermächtig und drängt zu größerer Prachtentfaltung und einem großartigen Tafelarrangement. Eine Nötigung hierzu gibt es indes durchaus nicht; niemand wird es dem Elternpaare verargen, wenn es seinem Glücksgefühl vielleicht in der Weise erhöhten Wohltätigkeitsbedürfnisses Ausdruck gibt und dafür die Grenzen der Tauffestlichkeit enger zieht; am wenigsten natürlich die Paten, die dadurch ihrerseits eines übertriebenen Geschenkaufwandes enthoben sind.

Bei größerem Taufschmaus sind nicht nur die Paten anwesend, sondern auch andere Freunde der Familie; selbstredend muß die Einladung zu demselben so deutlich abgefaßt sein, daß jeder einzelne Gast weiß, ob er als Pate oder als Tischgenosse zu erscheinen hat.

Dem Geistlichen, der besonders angelegentlich einzuladen ist, wird der Ehrenplatz neben der jungen Mutter eingeräumt. Aus Rücksicht für diese mag die Festlichkeit zu guter Stunde ihren Anfang nehmen und frühzeitig zum Schluß geführt werden.

Die Hebamme wird in bürgerlichen Kreisen unter die Tischgäste gerechnet.

Möglichst bald nach dem Tauftag wird dem Geistlichen schriftlich oder mündlich herzlicher Dank für seine Mühewaltung ausgesprochen, dabei wird zugleich die demselben zugedachte Geldsumme in neugeprägtem Golde ober auch in neuen Banknoten entrichtet. Bei schriftlicher Abmachung verwahre man die Geldsumme besonders in geschlossenem Umschlag.

f) Allgemeines über die Taufe.

Was vom Paten erwartet wird, nämlich die Gebepflicht und die notwendige Bewunderung des kleinen Erdenbürgers, läßt sich aus Büchern erlernen, das Beste aber, die Paten treue, steigt aus geheimem Born empor und lehrt ohne alle Theorie die erhabenste Weisheit.

Wenige werden gerade dies Beste über alles schätzen; oft gilt greifbares Gut mehr als die lauterste Absicht. An dem Paten ist es alsdann, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.

Heitere Tischlaune beim Tauffest ist gern gesehen; doch hüte man sich vor unzarten Scherzen und verschone namentlich die jüngere Damenwelt damit.

Ueberhaupt ist laute Fröhlichkeit nicht wohl angebracht; besonders wo beschränkte Räume maßgebend sind, gedenke man schonend des ruhebedürftigen Täuflings und der jungen Mutter.


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