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30. Über Todesfall und Bestattung.

Nicht die lauten Klagen sind es,
Die den Toten überdauern;
Nein, des Herzens heimlich Darben
Ist das echte, wahre Trauern.

a) Die Bekanntmachung eines Todesfalles.

Die Kundgebung eines Todesfalles erfolgt in der Regel vermittelst gedruckter Anzeige in der gelesensten Zeitung des betreffenden Ortes, wenn nötig auch der Nachbarorte. Der Brauch, den »Leichenbitter« in der Nachbarschaft von Haus zu Haus gehen und auch bei allen speziell Bekannten die Runde machen zu lassen, scheint hingegen in Wegfall zu kommen, und das ist gut, denn es gab bei dieser Mitteilungsart immer unliebsam Vergessene, die sich zurückgesetzt glaubten. Nur muß dann die gedruckte Mitteilung in der Zeitung den sichtbaren Vermerk: »Statt jeder besonderen Anzeige« tragen.

In feinen Kreisen werden neben der öffentlichen Bekanntmachung noch Karten oder Briefe mit Trauerrand ausgegeben, welche im Postwege unter Kuvert verschickt werden und die Mitteilung des Todesfalles gewöhnlich im gleichen Wortlaut wie die Zeitungsanzeige enthalten. Sie bedingen später zu versendende Dankkarten in derselben Form.

Auch in Oesterreich bedient man sich solcher »Partezettel«, deren Benennung wohl dem französischen » faire part«, Mitteilung machen, entnommen.

Den nächsten Verwandten und den liebsten fernen Freunden wird der Todesfall brieflich kundgegeben. Das hierzu benützte Briefpapier nebst Umschlägen sei einfach weiß, ohne Trauerrand, der für die anzutretende Trauerzeit vorbehalten bleibt. Es stimmt nicht zu dem überwältigenden Schmerz der ersten Tage, schon durchaus auf die äußeren Trauerabzeichen eingerichtet zu sein.

Aus diesen Briefen wie auch aus der Traueranzeige selbst spreche die echte, tiefe Trauer, die keine tönenden Phrasen kennt, keine geschraubten Wendungen sucht. Je weniger Uebertreibung, desto wahrer. Es schadet darum nicht, wenn an Stelle der gebeugten Witwe oder Tochter ein bewährter Freund des Hauses die Anzeige abfaßt. Jedenfalls müßte ein kundiges Auge die Anzeige genau prüfen, um etwa Vergessenes einzuschalten, jeden sinnstörenden Fehler auszumerzen.

Tag und Stunde des Begräbnisses sei genau vermerkt, ebenso das Trauerhaus. Sonst sei die Anzeige kurz gefaßt und prahle nicht durch räumlichen Umfang und augenfällige Umrahmung.

b) Das Unterzeichnen der Todesanzeige.

Es ist Sitte, daß stets die nächsten Angehörigen, die wirklich Trauernden, die Todesanzeige unterzeichnen, doch wird sehr häufig auch die gemeinsame Unterschrift: »Die trauernd Hinterbliebenen« gewählt.

Hierin ist kein Heraustreten aus dem Rahmen des guten Tones zu erblicken, nur wird es den Zunächstbeteiligten nicht leicht genügen. Persönlicher klingt daher schon die Form: »Im Namen sämtlicher Hinterbliebenen der Sohn Ernst Winter«, oder ähnlich.

Außerdem gilt als Regel, daß die Eltern den Tod ihres Kindes, der Gatte das Hinscheiden der Gattin, die Ehefrau den Verlust ihres Mannes, die noch im Elternhause weilenden Kinder den Tod des Vaters oder der Mutter anzeigen.

Nicht selten gefällt sich auch unsere persönlich angelegte Zeit darin, das Ich selbst im Trauerfalle zu betonen, dann wird namentlich bei kinderreichen Familien eine förmliche »Stammleiter« den kurzen Trauerworten angehängt, die zugleich den Stand wie den Aufenthaltsort des einzelnen anzeigt, müßiger Neugier ein willkommenes Forschungsfeld.

In diesem Falle darf auch der Verwandtschaftsgrad nicht übergegangen werden. Dann unterzeichnet etwa: Marianne Roth als Mutter oder Gattin; Theodor Roth als Sohn; Antonie Wagner, geb. Roth, als Schwester, deren Gatte Franz Wagner usw. nach der Altersgrenze angeführt.

c) Die Beantwortung der Todesanzeige.

Die Beantwortung der erhaltenen Todesanzeige ist eine unumgängliche Pflicht, die nicht beiseite gesetzt werden darf, weil es etwa »auf den einen, die eine auch nicht ankommt«. Sie sollte stets Herzenssache sein und auch so aufgefaßt und ausgeführt werden.

Gedruckte Anzeigen werden durch gedruckte Beileidskarten erwidert; in Ermangelung solcher genügt die Visitenkarte mit ein paar teilnehmenden geschriebenen Worten.

Schriftliche Mitteilung muß durch briefliche Beileidsbezeigung erwidert werden. Dabei ist eine gedrängte, einfach herzliche Form die beste. Der Verstorbene wird in ehrenhafter Weise erwähnt, dem persönlichen Bedauern oder Vermissen schicklicher Ausdruck gegeben. Trostgründe oder Zukunftsfragen und Vorschläge dürfen noch keinen Raum finden, ihnen sei ein späterer schriftlicher Austausch vorbehalten.

Die Sitte der Kranzspenden ist in ihrem innersten Gedanken schön und nachahmenswert, allein unsere nimmersatte gegenwärtige Lebensführung hat daraus eine erdrückende Pflicht geschaffen, denn auch hier ist einem Luxus Raum gegönnt, der nur noch durch Massen und Geldverschwendung wirkt, nicht mehr durch die rührende Keuschheit der zarten Blumenkelche, welche dem Toten zur letzten Ehre vorzeitig hinwelken sollen.

Jüdischer Gebrauch verzichtet aus religiösen Rücksichten auf den zugedachten Blumenschmuck.

Auch sonst wird ein solcher zuweilen »im Sinne des Verstorbenen« ausdrücklich abgelehnt, und das versteht sich ganz besonders da, wo eine Ueberfülle von Kranzspenden vorauszusehen ist.

Diese Ablehnung gilt natürlich nicht den allernächsten Verwandten und Freunden, solche werden sich auch nicht von dieser letzten lieben Pflicht abhalten lassen. Da das Unterlassen einer teuren Blumenspende indes eine wirkliche Ersparnis bedeutet und Fernerstehenden keineswegs verdacht werden kann, so dürfen solche unbedenklich auf diese Art der Teilnahmsbezeigung verzichten. Ein paar herzliche Worte zu geeigneter Zeit ersetzen dieselbe in bester Weise.

Nahe Freunde widmen einen erlesenen Kranz oder einen Palmzweig mit oder ohne Atlasschleife; die Schleife kann in Goldschrift ein »Ruhe sanft«, »Auf Wiedersehen« oder ein Dankeswort tragen. Meist widmen Vereine dem verstorbenen treuen Mitglied einen solchen Kranz.

Entfernter Bekannte wählen einen einfachen Kranz, Blumenkranz, Blumenkissen oder flaches Bukett; man wählt die Lieblingsblumen des Verblichenen oder die Erstlinge der Jahreszeit. Der Gärtner beratet, was sich für das kindliche, jugendliche oder gereiftere Alter am besten eignet. Indes wird der eigene Takt stets die einfache Zier als die würdigste erkennen.

d) Die Anordnung der Bestattung.

Die schmerzlichste Pflicht für die nächsten Hinterbliebenen ist die Anordnung des Begräbnisses, gibt es doch so viel zu bedenken und zu entscheiden, während das Herz in bitterem Schmerz zuckt und die Gedanken sich nicht in geordnete Bahnen zwingen lassen wollen.

Fast überall gibt es indes nunmehr Leichenbestattungsinstitute, die alle notwendigen Schritte übernehmen, betreffe es nun Beerdigung oder Feuerbestattung. Es braucht nur die Bestattungsklasse gewählt zu werden, d. h. das Institut macht diesbezügliche Vorschläge, nennt den jeweiligen Kostenbetrag und die entsprechenden Leistungen. Die Hinterbliebenen treffen danach freie Wahl nach ihren Verhältnissen oder der maßgebenden Stellung und können hierauf alles weitere unbedenklich dem Institut überlassen.

In gleicher Weise wirkt an kleineren Orten der amtliche Leichenbesorger oder die Leichenfrau für weibliche Verstorbene und für Kinder.

Auch hier, so sehr das trauernde Herz zum ehrendsten, reichsten Schmucke drängt, ist ganz entschieden auf würdige Einfachheit hinzuweisen. Die wahre Trauer wohnt im Herzen und trotzt der Zeit. Leicht vergänglich ist aller pomphafte Schmuck, die Geldsummen aber, die er verschlingt, würden der bedrängten Witwe oft Monate der drückendsten Erwerbslosigkeit fristen oder die Trauertoilette der ganzen langen Trauerzeit bestreiten.

Der herrschende Brauch des Ortes oder Landes bestimmt die äußerlichen Einzelheiten; er ist zu berücksichtigen.

Die letzten intimsten Anordnungen wird indes die trauernde Gattin oder Tochter selbst bestimmen oder ausführen wollen.

Sie wird das Haar des geliebten Toten selbst und in gewohnter Weise ordnen, um dem letzten sichtbaren Bilde desselben jeden fremden Zug fernzuhalten.

Sie wird die Kranzspenden der nächsten Verwandten oder bewährtesten Freunde zu Häupten oder zu Füßen des Verblichenen niederlegen, die übrigen seitwärts gereiht.

Die Mutter bettet ihren toten Liebling durchaus in zarte, duftige Blütenfülle hell und licht, je zierlicher, desto passender; farbenreiche, starkduftende, prunkvolle Blumen sind hier durchaus unangebracht.

Die jugendliche Entschlafene, die Lenzesblüte, erhält Myrtenschmuck, die bräutliche Zier, die ihr hienieden nicht beschieden; ein duftiger Schleier verhüllt das Antlitz und bräutliche Gewand.

Der jungen Frau gebühren weiße Rosen in reicher Fülle, ein Strauß weißer Rosen ruht in ihren Händen.

Männern, sowie älteren Frauen ist immergrüner Laubschmuck vorbehalten, derselbe kann diskret mit blühendem Immergrün durchsetzt sein. Ihnen gibt man entweder ein Kreuz oder ein paar Blütenzweige in die gefalteten Hände.

Was du deinem lieben Toten selbst noch tun kannst, erweist sich als schmerzlich süßer Trost. Aus diesem Rechte laß dich selbst durch wohlmeinendste Schonung seitens Verwandter und Freunde nicht verdrängen.

e) Der Anzug zur Bestattung.

Auch die Trauer und Mittrauer verlangt ein festlich würdiges Gewand, so gut wie die Anlässe der Freude, jedes nach seinem besonderen Gepräge.

Für Herren ist je nach Art der Bestattung, der Zusammengehörigkeit oder der Jahreszeit vorgeschrieben: Schwarzer Tuchrock in Frackform, dazu weiße Krawatte und Zylinder, oder schwarzer Oberrock und schwarze Krawatte. Schwarzes Beinkleid, hoher Hut und Glacéhandschuhe vollenden den Anzug.

Das Florband an Hut und Arm ist den Anverwandten vorbehalten, es ersetzt oft beim Alltagsanzug jedes andere Trauerabzeichen; als taktvoll kann dies indes nicht gelten. In Oesterreich bedient sich nur das Militär des Florbandes am Arme, der Zivilstand nicht.

Damen tragen zumeist schwarze feine Wollkleider und schwarze Hüte, dazu schwarzen Schmuck und schwarze Glacéhandschuhe. Entfernter Bekannte können sich auch in schwarzer Seide an dem Begräbnis beteiligen, es widerspricht dies keineswegs dem guten Ton.

Als naturgemäß verbietet sich die Teilnahme am Leichenbegängnis in farbigem oder selbst grauem Gewande.

f) Das Verhalten im Trauerhause.

Zur festgesetzten Zeit pflegen sich die Teilnehmer an der Bestattungsfeierlichkeit im Trauerhause einzufinden, früheres Eintreffen ist nur nahen Anverwandten gestattet. Entfernte Bekannte und Nachbarn sammeln sich vor dem Trauerhause in Gruppen und lassen sich nachher durch den Ordner in den Zug einreihen.

Beim Eintritt in das Versammlungszimmer genügt für alle Unbekannten oder Entferntbeteiligten ein stummes Verneigen. Zu dem oder den Hauptleidtragenden aber lenkt der Eintretende seine Schritte, um zunächst seine Teilnahmspflicht zu erfüllen. Wer nicht Meister des kurzgefaßten und dennoch vielsagenden Wortes ist, darf sich an stummem, warmem Händedruck genügen lassen, dieser kann mehr sagen als eine Reihe ungeschickt gesetzter oder falsch betonter Worte. Dasselbe gilt beim Anblick unbegrenzten Schmerzes, den ein Trostwort verletzen, ein teilnehmendes Wort aufs neue entfesseln müßte. Ernste Miene, gehaltenes Wesen gebietet sich von selbst; auch Begrüßungen unter Bekannten werden möglichst geräuschlos abgemacht, um jenes unausstehliche Summen zahlreicher Stimmen zu vermeiden.

Befindet sich der Sarg noch unverschlossen im selben Gemache, so ist es passend, zum letzten Gruß für den Verstorbenen leise heranzutreten. Ein ernster, warmer Blick, ein paar stumme Gebetsworte genügen. Der katholische Ritus gestattet das Besprengen des Toten mit geweihtem Wasser; dies geschieht in diskreter Weise.

Alles laute Reden, Befehlen, Bestimmen oder Auskunftheischen ist zu unterlassen. Wir müssen schon im Trauerhause die Ruhe des Verblichenen ehren und hüten.

g) Die Teilnahme am Leichenbegängnis.

Der Leichenordner sorgt für die Anordnung des Bestattungszuges, soweit Begleitung zu Fuß damit verbunden ist. Fällt diese weg, so werden die Teilnehmer, die sich dann nur aus nahen Verwandten und Freunden der Familie zusammensetzen, nach vorher bestimmter Ordnung in die zur Verfügung stehenden Wagen verteilt, deren erster mit Trauerabzeichen dem amtierenden Geistlichen und den nächsten Leidtragenden vorbehalten ist.

Nach Ortsgebrauch wird die Einteilung des Trauerzuges immer Verschiedenheiten aufweisen, doch ist der Ordner darauf eingeübt, man braucht also nur seiner Anleitung Folge zu leisten.

Dem Geistlichen wie den nächsten Angehörigen pflegt stets ein Wagen zur Verfügung zu stehen. Dieser schließt sich dem Trauerwagen an, die anderen folgen in langsamem Tempo. Inzwischen ordnet sich der Zug der Leidtragenden entfernten Grades. Diese folgen zu Fuß, die Frauen voran, sodann die Vereine, denen der Verstorbene angehörte, vorstand oder die er förderte; zum Schluß die männlichen Leidtragenden privaten Charakters. Die Wagen werden gewöhnlich vom Zuge bald überholt und folgen dann am Ende des Zuges.

Ist Musikbegleitung durch Vereine zugesagt, so eröffnet diese den Zug, dessen letztes Ende die Wagenreihe ausmacht.

Wo zuvor Hausandacht und Hauseinsegnung vorgenommen wird, darf der Bestattungsakt auf dem Friedhofe als kurz zusammengefaßt gelten. Wird die Einsegnung in der Kirche vorgenommen, oder bei schlechtem Wetter in der Friedhofkapelle, so brauchen bloße Bekannte den weiten Weg zum Friedhof nicht mitzumachen oder in letzterem Falle der Einsenkung in das Grab beizuwohnen. Nur Verwandte und nahe Freunde beteiligen sich ausnahmslos an der gesamten Bestattungsfeierlichkeit.

Gattin und Töchter schließen sich zuweilen nicht dem Geleite des Toten an, sie fahren alsdann unmittelbar nach der Bestattungsfeierlichkeit in geschlossenem Wagen zum Friedhof, um in stiller Andacht an der letzten Ruhestätte des geliebten Toten zu verweilen.

In großen Städten ist Fußbegleitung gemeinhin ausgeschlossen, der Verblichene müßte denn ein Amt von Bedeutung eingenommen haben oder sonstwie von öffentlichem Interesse sein. Sämtliche Trauergäste fahren, doch haben dieselben für den Wagen selbst zu sorgen und fahren nach der Feierlichkeit auch unmittelbar wieder nach ihrem Wohnort zurück.

Ueber die ganze Dauer der Bestattung sind weltliche Gedanken und Gespräche fernzuhalten; nichts ist taktloser, als das Besprechen von Tagesneuigkeiten und Stadtklatsch, wenn wir einen lieben Toten zur letzten Ruhestätte geleiten.

Auch sonst wird ernste, würdige Haltung, ernste Miene und ernster Blick verlangt. Lautes Sprechen, lebhaftes Mienenspiel, Hin- und Hergrüßen, bequeme Haltung im Wagen oder kühle Gleichgültigkeit verstößt gegen den guten Ton.

Auf dem Friedhofe wird der Sarg vorangetragen. Ihm folgen unmittelbar der Geistliche und die nächsten Leidtragenden; danach erst die anderen Anverwandten, nach diesen der Zug in vorgeschriebener Ordnung.

Während der Rede des Geistlichen am offenen Grabe entblößen die Herren das Haupt. Aeltere oder leidende Herren beschränken das Abnehmen des Hutes auf Gebet und Segen.

Nach Ortsgebrauch werden von jedem Teilnehmer drei Erdschollen oder ein Zweiglein Sinngrün in die offene Gruft geworfen, dies bedeutet den letzten Gruß der Lebenden an den Vorangegangenen.

Die Unsitte der Trauermahlzeit ist glücklicherweise in den Städten verschwunden. Man hat endlich einsehen gelernt, wie sehr dies der ernsten Würde des Tages widerspricht. Auch die ganz unnötig verursachten Kosten mögen hierbei mitgewirkt haben. Auf dem Lande, wo die Beteiligung von auswärts das Darbieten einer Erfrischung nötig macht, wird an dem alten Brauch noch festgehalten, und hier kann man ihm auch eine gewisse Berechtigung nicht wohl versagen.

h) Die äußere Trauer.

Zu allen Zeiten und bei fast allen Völkern war die Form der äußerlichen Trauer, die Trauerkleidung, einem ganz besonderen Studium unterworfen, und dürfen wir demzufolge in manchem noch heute gültigen Brauche die schöne Symbolik längstvergangener Geschlechter, die naive, aber innige Pietät unserer Altvordern erkennen.

Der Witwe ist über die Dauer tiefster Trauer der Krepp als Trauerzeichen vorgeschrieben. Sie trägt lange, faltige Gewänder von stumpfem Schwarz mit breiter Kreppblende, einen Krepphut mit langem Schleier. Die Handschuhe sind schwarz, von Glacé oder Seide, die Taschentücher tragen Trauerrand, als Schmuck dient eine Krepprüsche mit Jett- oder Haarzierat.

Die Halb- oder Abtrauer gestattet leichtere und minder stumpfe Stoffe, Kürzung oder Ablegung des Kreppschleiers, auch sonst einen schwarzen Hut ohne Kreppgarnierung. Allmählich kann auch Seide getragen werden, im Uebergang zur gewohnten Kleidung endlich auch Grau, Weiß und Lila.

Der Witwer trägt schwarzen oder doch dunklen Anzug, schwarze Handschuhe und an Hut und Arm den Flor; letzterer ist am linken Arme anzubringen und weist geringere Breite auf als derjenige am Hute.

Töchter trauern in derselben Weise wie die Witwe, doch ist der Kreppschleier keineswegs vorgeschrieben. Schmuck und Abtrauer entsprechen dem Vorhergesagten. Immer ist die Einfachheit die würdigste Trauer.

i) Über die Dauer der Trauer.

Allgemeine Regeln über die Dauer des Trauertragens dürften wir uns füglich ersparen, denn immer und überall entscheidet eben doch das persönliche Gefühl. Was nützt die tiefste äußere Trauer, die sich allen denkbaren Vorschriften gehorsam anschmiegt, wenn dabei die Augen strahlen, die Lippen lächeln, das ganze innere Leben zu Lust und Vergnügen drängt? Und anderseits, welches in namenloser Trauer verharrende Menschenkind begnügte sich mit den vorgeschriebenen sechs Monaten tiefster äußerer Trauer, wenn das Herz blutet unter dem Druck grausamer Vereinsamung.

Wir teilen nur die allgemeinen Regeln mit, jedem einzelnen mag es überlassen bleiben, seinem innersten Empfinden auch äußerlich genugzutun.

Tiefe Witwentrauer umfaßt ein halbes Jahr; doch wird nur ganz selten vor Ablauf eines Jahres diese tiefste Trauer abgelegt, um der allmählichen Abtrauer zu weichen.

Aeltere Witfrauen kommen selten mehr auf hellere oder farbige Stoffe zurück, sie beharren bei schwarzer oder dunkler Kleidung. Ebenso Frauen, die eine Wiederverheiratung durchaus nicht mehr beabsichtigen.

Nach Ablauf des Trauerjahres kann sich die Witwe wieder verheiraten; ihr eigener Takt wird ihr übrigens sagen, daß diese Wartefrist immer noch zu knapp bemessen ist, und sie veranlassen, weitere Grenzen zu ziehen.

Der Witwer trägt sechs Monate tiefe Trauer. Er ist berechtigt, nach dieser Frist zu neuer Eheschließung zu schreiten, niemand wird es ihm verargen. Ist er aber nicht gar so rasch getröstet, so wird ihm dies gewiß um so höher angerechnet werden.

Eine Mutter wird ihr Kind immer tief betrauern, ob die Etikette äußere Abzeichen vorschreiben mag oder nicht. Um Kinder unter zehn Jahren wird gewöhnlich keine äußerliche Trauer zur Schau getragen, doch steht es der Mutter selbstredend frei, ihrem Herzensbedürfnisse Folge zu leisten.

Kinder in zartem Alter sollten überhaupt nicht Trauer tragen oder doch wenigstens durch Weiß gemildert. Halb- und Vollwaisen trauern jedoch auch äußerlich, denn sie haben das Beste schon dahingegeben.

Die Trauer erwachsener oder heranwachsender Kinder umfaßt für die Eltern ein ganzes Jahr, für Großeltern, Oheim und Tante, Bruder oder Schwester ein halbes Jahr. Für einen Schwager, eine Schwägerin oder sonstige entfernte Verwandte nur drei Monate. Darauf folgt die Abtrauer rascher als bei den Vorgenannten.

Daß tiefe Trauer jegliche Art von öffentlichen oder geräuschvollen Zerstreuungen und Vergnügungen untersagt, ist selbstverständlich. Auch Familienfestlichkeiten unterbleiben. Ganz falsch ist es, in die erste, tiefe Trauer Reisen u. dergl. zu drängen, um die Betreffenden von ihrem berechtigten Schmerze »abzuziehen«. Auch der Schmerz hat im Menschenleben sein angestammtes Heimatsrecht, gleichwie jede andere Empfindung; nicht umsonst singt der Dichter:

»Die Liebe darf wohl weinen,
Wenn sie ihr Fleisch begräbt ...«

Tiefe Trauer kann je nach den Umständen auf einen Tag durch eine Hochzeit, die vielleicht längst anberaumt gewesen, unterbrochen werden, setzt jedoch nach Begehung derselben sofort wieder ein. Die Festlichkeit trägt dann überhaupt nur einen ernsten, würdigen Charakter; von geräuschvollem Vergnügen ist durchaus abzusehen.

k) Allgemeines über Trauerfälle.

Still sei der Schmerz, gemessen das Verhalten.

Sei maßvoll im Ausdruck des Leides, dafür um so vertiefter, innerlicher.

Oft ist die kalte Neugier zu Gaste bei einem Begräbnis; bereite ihr kein Schauspiel durch deinen Kummer.

Trauerkleid und Trauerstimmung stehe in ungetrübtem Einklang, andernfalls enthalte man sich der Beteiligung am Trauerzuge.

Leidende mögen einem Begräbnis überhaupt fern bleiben.

Führt dich nur deine Pflicht an ein offenes Grab, so werde in deinem ganzen Verhalten der ernsten Feier gerecht, auch wenn dein Herz nicht zur Trauer gestimmt ist.

Kinder lasse man am besten fern von den Eindrücken irdischer Vergänglichkeit. Wo dies nicht angeht, da umkleide man das Hinscheiden mit dem lichten Bilde gewisser Hoffnung eines Auferstehens in Wonne und Glückseligkeit.

Fortleben im Sinne der verstorbenen Eltern, das Heilighalten ihres Vorbildes und Beispiels ist der Kinder schönster und unvergänglicher Dank für so viel zuvor empfangene Liebe und Treue.


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