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Du wägst dein eigen Recht, mißt deine eigene Kraft
Und achtest dessen nicht, was andern Leiden schafft.
Die Jugend hat die Zukunft, das Leben vor sich, das bedeutet schon Sieg in ihren Augen. Und der Sieg des Augenblicks ist es auch wirklich, denn eben die Rücksichtslosigkeit dieser jungen, frischen, ungeprüften und ungeschwächten Kraft ist es, die alle Ketten sprengt, alle Hemmnisse niederwirft.
»Denn ich bin groß und du bist klein!« Nach diesem alten Satz handelt auch die Jugend: verächtlich schiebt der Große den Kleinen, der Starke den Schwachen, der Gesunde den Kranken, der Kluge den Einfältigen beiseite, und doch sind alle eines Gottes Kinder, mit demselben Anrecht an das Glück und die Güter dieser Erde. Wie tief einschneidend solches Verfahren auf jene armen Verkürzten einwirkt, welch bittere Stunden tiefer Demütigung, heimlich bohrenden, nagenden Schmerzes es ihnen bereitet, das bedenken sie nicht, sonst – wir wollen es zu ihrer Ehrenrettung annehmen, – würden sie ganz gewiß die Siegeszuversicht des Uebermutes in die notwendigen Grenzen zurückweisen.
Und Sieg im späteren Leben, wo wirklich Kraft gegen Kraft, Können wider Können streitet, ist dieser Augenblickstriumph nicht einmal. Man bedenke nur: immer »Ich gegen Ich« in seiner ganzen schroffen Nacktheit und Grausamkeit, welch erdrückendes, ermattendes, alle Ideale tötendes Dasein in Wehr und Waffen, niemals mehr im Rosenlichte harmloser Freude!
Das Recht des Schwächeren darf nicht übergangen werden, gerade der Herzenstakt, die Grundlage alles guten Tones, fordert dies.
Wer ist nun noch weiter der Schwächere? Immer der Rücksichtsvolle, der Gebildete, der Abwesende, der ahnungslos Angegriffene, denn ihnen allen fehlt die rechte Waffe zur Gegenwehr, fehlt die Kenntnis erlittener Unbill, die Gelegenheit des notwendigen Ausgleichs.
Die Jugend hat sich daher zu hüten vor raschem, unbedachtem Wort: Ihr ziemt nicht das Besprechen und Verurteilen Abwesender; solche werden gar nicht oder nur mit schicklicher Rücksicht erwähnt; Urteil steht der Jugend überhaupt nicht zu.
Die Jugend rede in geziemender Ehrfurcht von Geistlichen, Lehrern, Vorgesetzten, Paten, Vormündern, von dem ehrwürdigen Alter, ihnen allen hat sie Gutes zu verdanken. Ihren wohlfeilen Witz an Respektspersonen zu üben, ist sie niemals berechtigt; wer es auch sei, er hat das Recht seiner Persönlichkeit ihrem vorschnellen Urteil gegenüber zu behaupten.
Die Jugend schone Verkürzte aller Art: Gebrechliche, Mißgestaltete, Kurzsichtige, Schwache, geistig Beschränkte. Niemand weiß, was seiner harrt, Kraft und Jugendfrische verwehen wie ein Rauch. Sie schone das Nationalgefühl fremder Landeskinder und vertiefe ernstlich das eigene.
Die Jugend schone Glauben und Glaubensformen Andersgläubiger und achte den eigenen Glauben in seiner Ausdrucksform und seinem innersten Gehalt.
Die Jugend schone auch den Bedürftigen oder an Geldmitteln Beschränkten und mache sein notgedrungenes Sparsystem nicht zum Gegenstand kränkender Witzelei, ahnt sie doch gar nicht, welcher Selbstzucht und Selbstbeschränkung es bedarf, um gerade hier zum Siege zu gelangen.
Die Jugend schone fremdes Eigentum, Eigenwert und Kraftbetätigung. Hört man die Ausdrucksweise der Jugend in ihrem schonungslosen Lächerlichmachen, Verkleinern und Nachahmen der Lehrer und Lehrerinnen, so kann man nur bitter beklagen, daß sie in all ihrer grünen Weisheit das Wichtigste nicht kennt – das Recht des Schwächeren.
Noch eins! Auch gegen ältere Verwandte, Schwestern oder Freundinnen der Mutter, oder ältere gebrechliche Angehörige gewöhnt sich die Jugend so gerne einen oberflächlichen, respektwidrigen, überlegen verletzenden Ton an, der seine Wirkung sicher nicht verfehlt. Und doch hat sie die Kraft und Güte der einen so gern genossen, wie sie noch immer diejenige der anderen gedankenlos in Anspruch nimmt, bis in die fernste Zukunft hinaus, was den letzten handgreiflichen Liebesbeweis anbetrifft. Wer aber Liebe übt oder übte, pflegt sich nicht zu wehren, darum müssen auch hier Herzenstakt und guter Ton sich verbünden, um in Dankbarkeit zu tun, was sich gebührt.
Endlich aber noch: Was irgend Gutes und Tüchtiges zu lernen ist, das eigne sich die Jugend an und betätige sich danach mit ihrem besten Können. Wer jedoch nicht gezwungen ist, sein Brot selbst zu verdienen, der besinne sich wohl, anderen, Bedürftigen, im Lichte zu stehen! Der Arbeitsmarkt ist ohnehin überschwemmt von suchenden Kräften, jeder neue Mitbewerber entwertet das Angebot, drückt den Lohn herab, erweitert die Konkurrenz.
Auch hier gilt das Recht des Schwächeren im besten Sinne; wer möchte es bestreiten?
Umfassende Bedeutung wird heutzutage der Leibesübung beider Geschlechter zugestanden, und nicht mit Unrecht, da den gesteigerten geistigen Anstrengungen auch ein richtiges Gegengewicht gebührt. Unter der Gesamtbezeichnung: Spiel und Sport haben sich diese Uebungen und Vergnügungen der verschiedensten Art Macht und Ansehen zu erwerben gewußt; durch die Jugend hoch gefeiert, von Aerzten und Jugendfreunden warm empfohlen, zuweilen vielleicht überschätzt, mitunter aber auch angefochten von denjenigen, die unter gewissen unleugbaren Ausschreitungen der stetig wachsenden persönlichen Freiheit zu leiden haben.
In Anbetracht der Anmut, die den meisten körperlichen Uebungen innewohnt, der Muskelkräftigung, die sie bezwecken, der Bewegungsleichtigkeit und Sicherheit, die sie erzielen, verbunden mit Schärfung des Blickes und wachsender Entschlossenheit, die in geistiger wie körperlicher Beziehung gleicherweise in die Erscheinung tritt, dürfen Spiel und Sport tatsächlich wohl beachtet und befürwortet werden, ganz besonders für unsere Mädchenwelt, die immer weniger von Bleichsucht, Korsettplage und Nervosität wissen wird, je gesünder und kräftiger sie sich bewegen lernt. Den Körper stählenden Turnunterricht fordert längst auch das Erziehungsprogramm der Mädchenschule, den gesunden Eislauf beanstanden sogar überängstliche Großmütter nicht mehr, wollen sie doch rosige Gesichter und strahlende Augen um sich sehen, die kräftig aufblühende Jugend bekunden. Früher gestattete man jungen Töchtern höchstens den Tanz, und das Bewegungsbedürfnis derselben mochte nicht selten durch übermäßige Ausnützung dieses einzigen und einseitigen Jugendrechtes zu ganz bedeutender Gesundheitsschädigung führen. Noch immer wird der anmutigen rhythmischen Tanzbewegung große Sympathie entgegengebracht, allein die wirklichen Bewegungsspiele, die zuträglich bequeme Kleidung bedingen, wo die Lunge ungehindert sich ausdehnen, Luft einholen und ausatmen kann, wo die Muskeln sich straffen und das Blut in gleichmäßig raschem Kreislauf den ganzen Körper mit wohltuendem Wärmegefühl durchströmt, haben die einst ungeschmälerte Herrschaft des Tanzes eingeschränkt und sich wachsende Beliebtheit erworben. Dem beliebten Eislauf ist das Tennis- und Krocketspiel zugesellt, körperliche Uebungen, die raschen, sicheren Blick, gewandte Bewegungen, und bei aller Behendigkeit maßvolles Verhalten erfordern. Zu empfehlen ist es, Kindern mit den Grundregeln des betreffenden Spieles zugleich auch die Regeln des guten Tones beim Spiele einzuprägen. – Unerlaubt ist: unberechtigtes Hervordrängen, Umgehen der aufgestellten Regeln, Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit im Spiel; am wenigsten jedoch darf eigensinniges Beharren auf vermeinten Vorrechten geduldet werden, immer ist der Spielverderber ein gefürchteter Kamerad. Besonderes Augenmerk muß auf anmutige, leichte und taktvolle Bewegungen gerichtet werden. Wohl bedingt das Bewegungsspiel durch gleiche Pflichten und gleiche Rechte eine gewisse Ausgleichung des gegenseitigen Verkehrs; allein die schöne Form darf so wenig außer acht gelassen werden wie der gute Ton, der immer und überall den gebildeten Menschen bekundet. Was den Kindern gilt, findet in erhöhtem Maße Anwendung bei der heranwachsenden Jugend, die noch leichter zu Ausschreitungen hinneigt und im Uebermut der Brausejahre manch eingebildetes Vorrecht für sich in Anspruch nimmt. Hier haben Eltern und Erzieher mit ernstem Wort Einhalt zu gebieten.
Lauf-, Reifen-, Fangball- und Wurfspiele stehen, in richtigen Grenzen gehalten, ebenso der weiblichen wie der männlichen Jugend zu, Fußball indes nur der letzteren. Vielfach tritt auch das Bestreben zutage, die antiken griechischen Bewegungsspiele einzuführen, und es kann nicht geleugnet werden, daß durch ihre Verbreitung eine Fülle von Bewegungskraft und Schönheit neu aufleben würde. Es kommt nur darauf an, nicht nur das Spiel in seinen Grundbedingungen, sondern auch den wahren Schönheitsbegriff zugleich einzubürgern, um eine wirkliche Bereicherung des Spiel- und Bewegungsprogrammes unserer genußfreudigen Jugend zu erzielen. Alle diese Körperübungen verlangen gleichwie das Turnen einfache, passende, nicht beengende Kleidung, fußfreien Faltenrock und bequeme Bluse, gutsitzendes Schuhzeug mit mäßigem Absatz, Knopf- oder Schnürschluß und richtig gearbeiteter Sohle, denn ebenso wie beim Marschieren oder Bergsteigen muß der Fuß, der des Körpers volle Schwere zu tragen hat, ungehemmt und in guter Rüstung sein. Bei aller Einfachheit kann dem guten Geschmack doch sein volles Recht gewahrt bleiben; leichte helle Flanelle oder Waschstoffe im Verein mit einer abstechenden Bandschleife werden immer gefällig wirken. Dazu einfache, ungesuchte Haartracht, wie sie der raschen Bewegung entspricht, dies sind für junge Mädchen die maßgebendsten Toilettevorschriften.
Junge Herren brauchen natürlich weder festlichen noch feierlichen Anzug beim Spiel; korrekt muß derselbe aber dennoch sein, gut im Schnitt, bescheiden in Form und Farbe. Alles Auffallende ist zu vermeiden; ein Sichgehenlassen im Anzug müßte mit vollem Rechte ebenso gerügt werden wie ein Vernachlässigen des auch beim Spiel gebotenen guten Tones. Wohl wird der gute Spieler jeder Partei willkommen sein, vereinigt er aber feine Manieren mit persönlicher Gewandtheit, so bringt er unstreitig selbst die beste Empfehlung mit. Auffallende, prunkende Schmucksachen eignen sich beim Spiel weder für Damen noch für Herren; zum mindesten können sie durch die raschwechselnde Bewegung zu Schaden kommen oder verloren gehen, ein Mißgeschick, das keineswegs im Spielprogramm vorgesehen ist und für alle Beteiligten eine erhebliche Störung, dem zunächst Betroffenen aber außerdem eine recht ärgerliche Einbuße bedeutet.
Hinsichtlich der Tisch- und Gesellschaftsspiele, ernster und humoristischer Vorträge, kleiner Theateraufführungen und musikalischer Leistungen haben wir in dem vorhergehenden Abschnitte » Allerlei« schon die erforderlichen Winke gegeben, ebenso in dem Kapitel der Tee- und Abendgesellschaften, wo derartige Unterhaltungen an Stelle des Tanzens treten. Wir gehen also hier über die dem Sport nicht verwandten Spiele hinweg und beschränken uns nur auf den wiederholten Hinweis, daß ein bereitwilliges Eingehen auf die Absichten des Spielleiters, bescheidenes Zurückstellen der eigenen Persönlichkeit, wo dies durch natürliche Rücksichtnahme und Takt geboten, anderseits aber auch ein ungeziertes Zurverfügungstellen etwa vorhandener Talente von den Mitwirkenden wie von der Gesellschaft am dankbarsten anerkannt wird und daher mit allem Nachdruck empfohlen werden darf. Man erwarte nie zuviel für sich selbst, verspreche nicht zuviel an eigener Leistungsfähigkeit, und man wird weder andere enttäuschen, noch selbst enttäuscht sein. Hingegen bestrebe man sich, redlich, wie bei der Arbeit, so auch beim Spiele, sein bestes Können zu entfalten, ebensowohl, um andere zu befriedigen, als um der eigenen Vervollkommnung willen, die auch auf diesem Gebiete nicht vernachlässigt werden soll.
Von den Sportspielen wenden wir uns
im besonderen noch einmal zu, steht doch unsere Zeit im Zeichen des Sportes für jung und alt, für Herren und Damen, ja, fast möchte man sagen für alle Kreise. Der Schwimm- und Radfahrsport mindestens kann als jedem einzelnen zugänglich bezeichnet werden, ist doch das Rad ein allgemeines Verkehrsmittel geworden, das den Schüler wie den Arbeiter oder Geschäftsleiter zum gewünschten Ziele befördert, während der Pflege des ersteren Vergnügens wohleingerichtete Schwimmhallen zur Verfügung stehen.
Als weitaus beliebtesten und verbreitetsten Sport dürfen wir wohl ausnahmslos das Radfahren bezeichnen. Nicht nur der Bemittelte hält sich zum sportlichen Vergnügen sein Stahlroß, um fern der qualm- und lärmerfüllten Stadt weite Strecken zu durchmessen, auch dem durch anstrengende Tagesarbeit Gebundenen dient es zu sonntäglicher und abendlicher Erholung. Selbst das weibliche Geschlecht hat sich diesen Sport erobert und von seiten des guten Tones kann kaum etwas dagegen eingewendet werden. »Andere Zeiten, andere Sitten«, manches, was früher streng verpönt gewesen wäre, ist durch völlig veränderte Verkehrs- und Erwerbsbedingungen geradezu zur Notwendigkeit geworden, und warum sollte das Rad, das die erwerbende Dame als unentbehrliches Beförderungsmittel benützt, nicht auch zugleich zu ihrer Erholung dienen? Ist nur das Benehmen damenhaft, die Tracht bescheiden und taktvoll gewählt, so wird die radfahrende Dame nicht auffallen. Als passendster und praktischster Anzug darf der fußfreie enge Rock von gutem Schnitt, vervollständigt durch einfache Bluse oder Jackett und sorgfältig gewählte Fußbekleidung, bezeichnet werden. Auch hier seien Hut und Haartracht einfach gehalten; besser als prunkender Schmuck eignet sich eine kleine farbige Bandschleife als Kragenschluß.
Ist in Vorstehendem der Sportberechtigung nach den einmal bestehenden Verkehrsverhältnissen das Wort geredet, so wollen wir doch nicht versäumen, auch auf die Pflichten der Sporttreibenden mit allem Nachdruck zurückzukommen. Was dem einen Bequemlichkeit oder Unterhaltung bedeutet, wird gar vielen anderen zur offenbaren Belästigung. Schon in kleinen Orten, wo der Straßenverkehr keineswegs beeinträchtigt erscheint, kann der Radsport recht störend wirken; namentlich Kinder und alte oder gebrechliche Personen vermögen sich oft nicht rasch genug über die Straßenbreite oder auf den Bürgersteig zu retten, kommt solch rücksichtsloser Radfahrer dahergesaust. Schlimmer noch als dies sichtbare ungestüme Herannahen in Sturmwindseile, ist das jähe Ueberholen von hintenher, oft mit so enggezogenen Kreiswendungen, daß der erschreckte Fußgänger nicht selten ernstlich gefährdet wird, umsomehr als die wenigsten Radfahrer die naturgemäße Verpflichtung des Glockenzeichens zu kennen scheinen oder beherzigen wollen. Wer aber das Recht des Vergnügens für sich beansprucht, soll auch die Pflicht der notwendigsten Rücksichtnahme üben. Der geübte Radfahrer kann ja wohl seiner Sache sicher sein, er weiß, welche Strecken er zu durchmessen, welche Straßenkreuzungen er zu berücksichtigen hat, kann allenfalls von ihm entgegenkommenden Personen die Vorsicht erwarten, die er selbst zumeist versäumt. Allein die Bewegungen, welche völlig ahnungslos vor ihm Dahinschreitende ausführen wollen, kann er nicht voraussehen noch erraten; hier findet eine Begrüßung statt, vielleicht auch eine Handreichung, die unbeabsichtigt die Bewegungslinie unterbricht, oder ein Ueberschreiten der Straße, ein rasches Abbiegen vom bisher eingehaltenen Pfade erweist sich als notwendig; der rücksichtslose Radfahrer, der wieder einmal das Klingelzeichen versäumte, ist in sausender Fahrt – ein Zusammenprall und das Unglück ist geschehen! Meist kommt der Schuldige ungerügt davon, sein Opfer mag zusehen, wie es Schaden oder Mißgeschick überwindet; auch die Radnummer wird in der Bestürzung nicht erkannt, wie soll sich also der Geschädigte zu seinem guten Rechte verhelfen? – – Allen denjenigen aber, die den Radsport treiben, ganz besonders jedoch der Jugend beiderlei Geschlechtes, seien hierdurch die unumgänglichen Pflichten gegen die Allgemeinheit, gegen Kinder und Gebrechliche eindringlichst ins Gedächtnis gerufen; dem anspruchsvollen Ichbewußtsein, das in den Brausejahren solch ungemessene Bedeutung gewinnt, steht auch hier das unleugbare Recht des Schwächeren gegenüber, das nicht verkürzt werden darf!
Das Automobil, heute noch der Lieblingssport Reichbegüterter, wird in nicht allzuferner Zeit auch dem wohlhabenden Mittelstand für Sportzwecke erreichbar sein, besser aber noch sich als Lastfuhrwerk und raschestes Beförderungsmittel in allen dringenden Fällen betätigen müssen. Wir haben uns indes nicht mit der Zukunft dieses Fahrzeugs, sondern mit den Pflichten seines Lenkers zu befassen.
Ueber die erlaubte Fahrgeschwindigkeit belehren die bestehenden Vorschriften, wer noch nicht völlig Herr über sein Auto ist, verzichte auf das Fahren in den Straßen der Stadt, bis er genau Fahrgeschwindigkeit, Kurvenwendung im Verhältnis zum Personenverkehr zu berechnen und gegeneinander abzuschätzen weiß. Ereignet sich dennoch ein Unfall, so ist es Pflicht des Lenkers, sich nicht feige den mißliebigen Folgen desselben zu entziehen, sondern rasch auszusteigen und in ausgiebigster Weise für das Wohl des Verunglückten Sorge zu tragen. Am besten wird der Lenker den Betroffenen selbst zur nächsten Unfallstation bringen und sich alsdann aus freien Stücken der Polizei stellen.
Für Damen eignet sich die Selbstbedienung des Autos, sei es nun im Sport- oder Berufsfalle, nicht auf die Dauer; das Motorrad verbietet sich für sie infolge seiner Bauart ohnedies.
Der Vorzugssitz, der Fond des Autos, gebührt wie im Wagen der Dame oder durch Alter und Rang ausgezeichneten Personen. Ist das Auto von der Rückseite aus zu besteigen, so werden die Respektpersonen seitlich plaziert. Der Platz neben dem Chauffeur wird niemand angeboten, es wäre dies ein grober Mißgriff; nur genaue Bekannte können denselben freiwillig einnehmen, Damen natürlich nicht.
Ist der Bestimmungsort erreicht, so wird die Motorzündung abgestellt und nicht eher wieder in Anlauf gebracht, als bis alles zur Abfahrt bereit ist. Das fortdauernd ratternde Geräusch muß von den Umwohnenden als ärgerliche Belästigung empfunden werden.
Wer sich außerdem eines kohlenstoffarmen Schmieröles, wodurch der Rauchbelästigung vorgebeugt wird, sphäroidischer Kotflügel und melodischklingender Hupen, nächtlicherweile weittragender Scheinwerfer, außerdem aber maßvoller Geschwindigkeit bedienen will, wird sich gewiß die Anerkennung des Publikums erwerben.
Die Sporttracht des Herrn sei einfach und zweckentsprechend. Als bewährt empfehlen sich Samt, Beige oder englischer Stoff in braunen oder grauen Tönen; auch dunkles Marineblau ist haltbar und kleidsam. Ein rohseidener Mantel, englische, mit Sturmband und Ohrenklappe versehene Sportmütze, eine Zelluloidbrille in bescheidenen Größenverhältnissen, dänische Stulphandschuhe und abknöpfbare Ledergamaschen vervollständigen den Anzug. Für den Winter eignet sich ein pelzgefütterter Mantel nebst Pelzmütze.
Brünette Damen wählen feingetönte Rohseide, Blondinen bevorzugen mattblaue Bordüre zu hellem Grund. Den breitrandigen Hut, die Automobilmütze, das Pelzbarett schmückt ein weißer oder blauer, unter dem Kinn zu voller Schleife gebundener Gazeschleier. Der Mantel ist weit und faltig, blanke Metallknöpfe beleben den matten Farbenton.
Bei kürzeren Spazierfahrten bewährt sich neuerdings der früher so beliebte »Knickerschirm« kleinen Umfangs, dessen Stock beim Aussteigen als Stütze benutzt werden kann.
Bei Respektspersonen oder nur flüchtig Bekannten Besuche im Sportskostüm zu machen, verbietet sich von selbst; auch Freunde können in ihrem Heim und für ihre Lebensgewohnheiten die schickliche Rücksicht der Sporttreibenden erwarten.
Noch heutzutage wird die Jagd gewohnheitsmäßig als ein »edler Sport« bezeichnet, an dem sich jedoch nur in den seltensten Fällen Damen zu beteiligen pflegen. Diese Beteiligung wird vom Standpunkte des guten Tones ebensowenig geradezu verlangt, wie entschieden zurückgewiesen, dennoch ist es ein Zeichen warmherziger Gesinnung, wenn das weibliche Geschlecht sich von dieser Sportübung grundsätzlich fernhält. Den Edelgeborenen früherer Zeit war das Weidwerk Vorbehalten, daher wohl jene noch immer gern angewandte Bezeichnung; denn ganz besonders heutzutage, wo es sich ganz selten um richtige Revierschädlinge handelt, die vertilgt werden müssen, wo vielmehr eine Kette von Treibern das verängstigte, abgehetzte Wild bequem zum Schusse bringt, ist wenig Edles an dem zur Streckebringen der reichsten Jagdbeute zu erblicken.
St. Hubertus, fälschlicherweise als Schutzpatron der Jäger angesehen, in Wahrheit aber Schützer des verfolgten Wildes, wird an seinem Namenstage durch Parforcefuchsjagden gefeiert; häufig tritt aber auch die Schnitzel- oder markierte Fuchsjagd an deren Stelle. Nur durchaus kundige und geübte Reiter und Reiterinnen mögen sich an dieser Jagd beteiligen, gilt es doch, weite Strecken zu durchmessen, über Busch und Dorn, Gräben und Hecken hinwegzusetzen. Nach beendigter Hatz vereinigt das Halali, der weithintönende Jagdruf, die Teilnehmer auf dem Sammelplatze; unter Fanfarengeschmetter überreicht der Sieger alsdann der zuerst eingetroffenen Dame den Fuchsschwanz als willkommenes Beutestück.
Tatsächliche Beteiligung an wirklichen Jagden würde indes schlecht zum frauenhaftmilden Gemüte und Herzenstakt stimmen; darum wird auch die Gattin des Jagdherrn sich nur zum Waldfrühstück einfinden, um die Gäste ihres Gemahls zu ehren. Die spätere Jagdmahlzeit, das ausschließliche Herrenessen, zeichnet sie dagegen nur ganz kurze Zeit durch ihre Gegenwart aus.
Als Jagdregel, selbst für den beeifertsten Schützen, sei erwähnt, daß die Pflicht der Rücksichtnahme auf andere auch hier nicht versäumt werden darf. Der Jagdeifer muß rechtzeitig gezügelt werden; älteren Herren und Respektspersonen gönne man den Vorrang; auch dem schlechten Schützen, der meint, im Nachteil zu sein, überlasse man schon aus Rücksicht für den Gastgeber das vielleicht zu Unrecht beanspruchte Beutestück.
Jägerlatein und Jägeraberglauben sind weltbekannt; man halte sich fern davon.
Eine der anmutigsten Sportbetätigungen ist ohne Zweifel das Reiten, eine Liebhaberei, die Herren wie Damen wohlansteht und zu allen Zeiten gern gepflegt war. Der Wille des Lenkers findet seinen Ausdruck in den maßvollen, elastischen Bewegungen des Tieres, dessen hervorragende Intelligenz nur durch seine rührende Treue noch übertroffen wird. Grundbedingung dieses harmonischen Verhältnisses ist selbstredend die wahre verständige und liebevolle Zuneigung des Reiters, der neben der notwendigen Energie im Verkehr mit seinem Rosse allzeit natürliche Milde und Schonung walten läßt, das Tier nicht über Gebühr anstrengt, vielmehr über sein Wohlbefinden und Bedürfen aufs sorgsamste wacht, gleichsam Treue um Treue gebend, wie seinem vertrautesten Freunde.
Nicht dem gelegentlichen Sonntagsreiter, sondern dem ritterlichgeübten Reiter gelten die hier angeführten Punkte, die indes mit dem Reitunterricht schon Hand in Hand gehen und zugleich den Allgemeinregeln des guten Tones entsprechen.
Beim Ausritt mit Damen hat der Reiter seiner Begleiterin das Pferd zum Aufstieg bereit zu halten. Dies geschieht mit der Linken, indes zugleich die rechte Hand steigbügelartig den linken Fuß der Dame unterstützt. Während des nun erfolgenden Rufschwungs zum Sattel hebt der Herr die Reiterin mit rücksichtsvollster Berührung bis zur Gabelhöhe empor und zieht die Hand unter leichter Verneigung erst zurück, wenn die Dame die Zügel ergreift. Auf den Grad der Bekanntschaft und den Takt des Begleiters kommt es an, ob außerdem das Ordnen der Reitschleppe als gestattet erscheinen mag.
Beim Zusammenritt nimmt der Kavalier seinen Platz zur Linken der Dame, läßt ihrem Pferde um Kopflänge den Vorrang und beachtet dasselbe genau so aufmerksam wie sein eigenes Roß, um nötigenfalls sofort helfend einzugreifen und seine Begleiterin in schonungsvollster, unaufdringlicher Weise vor Verlegenheit und Schaden zu bewahren.
Als Reitbekleidung empfiehlt sich für Herren meliertes Grau oder Braun in passender Tuchsorte und bequemem Schnitt anstatt des früher vorgeschriebenen feierlichschwarzen Reitfracks. Den hohen Hut hat die leichte Sportmütze verdrängt, ebenso beliebt ist der steife, schmalrandige Filzhut.
Damen tragen schwarzes oder dunkelblaues Reitkleid, auch melierte Töne kommen zur Geltung. Der Taillenschnitt ist schlankanliegend, mit markiertem Jäckchen oder kleinem Schoß; die überlange Schleppe ist überwunden, bequemer und minder gefährlich, doch auch nicht so malerisch als diese, ist der heutige weitaus kürzere Reitrock. Der Damenzylinder ist unmodern geworden; neben dem typischen schwarzen Herrenhut mit flatterndem Schleier erzwingt sich der leichte, knabenhafte Strohhut mit einfachem Bandschmuck berechtigte Geltung.