Artur Landsberger
Bankhaus Reichenbach
Artur Landsberger

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Zweiter Teil

1.

Zwei Jahre war es her, daß aus Hedda Baroneß von Nedlitz-Tornau-Neukirch eine Frau Bankdirektor Hedda Morener geworden war. Eine mustergültige Ehe, deren äußere Erscheinungsform einmal die Hebung des gesellschaftlichen Niveaus auf Schloß Reichenbach, in dem jetzt der Adel dominierte, des weiteren aber die veränderte Lebensweise Moreners war, den man nun jeden Morgen um sieben Uhr neben seiner Gattin auf dem Hippodrom zu Pferde sah, bartlos und in einer Haltung, als ob er auf dem Rücken eines Pferdes zur Welt gekommen wäre. – Mit diesen Worten schmeichelte ihm Hedda – und wenn das vielleicht auch übertrieben war, so mußten selbst die, die ihm sein Glück nicht gönnten, zugeben, daß er den Eindruck eines um zehn Jahre Verjüngten machte. Ja, Frau Hedda mußte es sich gefallen lassen, daß man sie in den Salons den weiblichen Voronoff nannte. Aber so sehr sich alte und weniger alte Herren um die Gunst bemühten, von Frau Hedda in das Geheimnis der Verjüngung eingeweiht zu werden – sie blieb allen Annäherungsversuchen gegenüber unnahbar. Auch nachmittags auf dem Golfplatz in Westend sah man die beiden täglich zusammen. Und wenn Morener auch häufig durch Konferenzen vom Spiel abgehalten wurde, so verging doch kein Nachmittag, an dem er nicht wenigstens auf eine halbe Stunde auf dem Golfplatz erschien. – Das Leben auf Schloß Reichenbach war völlig verändert. Nicht nur im Vergleich zu den vier Jahren, in denen Morener hier Herr war. Auch alles, was an den hundertfünfzigjährigen Besitz der Reichenbachs erinnerte, fiel dem Ehrgeiz Heddas zum Opfer, das Schloß ihrer Väter hier neu erstehen zu lassen. Etwas stillos. Denn, während sie einen Teil des Schlosses in eine Art Burg mit alten Rüstungen, Waffen und Ahnenbildern verwandelte, die teilweise kaum noch erkennen ließen, ob es sich um einen männlichen oder weiblichen Nedlitz handelte, stattete sie die Schlaf- und Gesellschaftsräume völlig modern aus. Morener ließ sie gewähren. Nur, als die Reichenbachschen Bilder denen der Nedlitz Platz machen sollten, hatte er moralische und wohl auch geschäftliche Bedenken. Denn der Wunsch und Wille, als der natürliche Erbe der Reichenbachs zu gelten, beherrschte ihn so stark, daß er diesen Bildern gegenüber eine gewisse Pietät empfand und den Wiederaufstieg des Bankhauses Gebrüder Reichenbach & Co. teilweise auf diese Kontinuität – wie er es nannte – zurückführte. Aber es gab Dinge, wie eben diese, in denen die sonst so nachgiebige Frau Hedda ihren Willen durchsetzte. »Pah!« sagte sie, »was sind deine hundertfünfzig Jahre im Vergleich zu den achthundert Jahren der Nedlitz, die mit dem Markgrafen von Hessen zusammen Jagd auf Menschen gemacht haben.«

So wohl es Heinrich Morener tat, daß sie ihm die hundertfünfzig Reichenbachschen Jahre anrechnete – was wohl klug berechnet von ihr war –, so schwer trafen ihn die Worte: »Jagd auf Menschen machten«. – Gerade das hatte man dem Großspekulanten Morener früher nachgesagt: daß er über Leichen gehe und Jagd auf Menschen mache. – Diesem übertriebenen Geschwätz von Leuten, die weniger klug und erfolgreich waren als er, verdankte er seinen schlechten Namen, für dessen Besserung ihm kein Opfer zu groß war. Und nun kam seine Frau und sagte ihm, daß der achthundertjährige Ruhm in ihrer Familie seinen Höhepunkt in dieser Jagd auf Menschen habe. War das für ihn eine Entlastung oder trieb das Schicksal ein Spiel mit ihm, indem es seinen schlechten Ruf auf diese Art verewigen wollte?

Diese Gedanken beschäftigten ihn so stark, daß er seinen Widerstand aufgab und die Bilder mit einem Schreiben an Frau Kommerzienrat Reichenbach sandte, in dem er seiner Freude Ausdruck gab, durch notwendig gewordene Veränderungen nunmehr in der Lage zu sein, den Wunsch ihres verstorbenen Gatten zu erfüllen. – Frau Reichenbach, die sofort die Zusammenhänge erkannte, erwiderte: »Welches auch immer die Gründe für die Überlassung der Gemälde sein mögen – meiner Tochter und mir haben Sie damit die erste frohe Stunde seit dem Tode meines Mannes bereitet. Wenn die Wände in meiner jetzigen Wohnung auch nicht ausreichen, um die Bilder unterzubringen, so macht uns doch das Gefühl glücklich, sie bei uns zu haben.«

Aber kaum waren die Bilder fort, da bereute Morener auch schon seinen Entschluß und machte Frau Hedda Vorwürfe.

»Daß du mich dazu veranlaßt hast,« sagte er, »zeigt, wie wenig du mich kennst. – Du sollst aber endlich wissen, wie es in mir aussieht – selbst auf die Gefahr hin, daß du mich auslachst.«

»Ich lache dich nicht aus, aber ich begreife nicht, wie man sich die Wände mit den Porträts einer Familie behängen kann, die einem völlig fremd ist.«

»Die Reichenbachs sind für mich mehr als nur eine Familie.«

»Was soll denn das heißen?«

»Sie sind ein Begriff – und wer wie ich diesen Begriff nach außen hin sichtbar repräsentiert, ist eben ein Reichenbach.«

»Auch, wenn er Morener heißt?«

»Auch dann.«

»Das begreife ich nicht.«

»Wenn ich heute Papst würde, hörte ich dann nicht auf, Morener zu sein? Wäre ich dann nicht der natürliche Nachfolger all derer, die vor mir Papst waren? – Die Reichenbachs – das ist für die Bankwelt genau so ein Begriff, wie für die katholische Welt der Papst. – Alles, was über hundert Jahre lang den Reichenbachs gehörte, gehört heute mir, ihr Einfluß, ihre Macht ist auf mich übergegangen. Wenn es mir gelingt, ihr Ansehen zu erringen, dann bin ich ihnen ähnlicher als allen Moreners, die je gelebt haben. Der Unterschied zwischen dem Heinrich Morener von vor zehn Jahren und dem von heute ist jetzt schon größer als zwischen einem Reichenbach und mir. Es gehört nur der Glaube und ein starker Wille dazu – und Morener und Reichenbach sind ein und derselbe Begriff.«

»Heinrich, ich bitte dich, rede dich nicht in diese krankhafte Vorstellung hinein!«

»Statt mir zu helfen, erschwerst du es mir.«

»Du hast alles erreicht, was du erreichen konntest. Sei damit zufrieden, statt nach Unmöglichem zu streben.«

»Für einen Willen wie meinen gibt es nichts, was nicht erreichbar wäre. Ist aus einem Bohlen-Hallbach nicht ein Krupp geworden? Warum soll aus einem sehr viel stärkeren Morener nicht ein Reichenbach werden?«

»Dann hättest du eine Reichenbach heiraten sollen. Mit der nächsten Generation hätte sich dann dein Wunsch erfüllt – daß Morener gleich Reichenbach wäre.«

»Es muß auch anders gehen.«

»Es geht nicht! Gib es auf! Du machst dich krank!«

»Ich zwinge es – und schrecke vor nichts zurück. – Laß mich nicht allein in diesem Kampf! Ich habe das Gefühl, als wenn du mir helfen könntest.«

»Ich? – Ja, was könnte ich tun? Selbst wenn ich dir Kinder schenkte! Mit einem Nedlitz ist dir nicht gedient – obschon das Geschlecht genau so berühmt und sehr viel älter ist.«

»Es muß ein Reichenbach sein!«

»Verwirr mich nicht! Zieh mich nicht mit hinein in deine Ideen. Es genügt, wenn einer daran zugrunde geht.«

»Du weißt nun, Hedda, wie es um mich steht,« sagte Morener resigniert. »Ich werde von nun an nie mehr mit dir davon sprechen.« –

Am selben Abend noch besuchte Frau Hedda ihre alte Tante, die Gräfin Amalie Wahl-Reuth.

Die empfing sie mit den Worten:

»Mein armes Kind!«

Und als Frau Hedda fragte:

»Sieht man es mir an? Sehe ich sehr unglücklich aus?« erwiderte sie.

»Nein! – Aber, wenn du dich deiner alten Tante erinnerst, dann mußt du schon arg in Bedrängnis sein.«

Frau Hedda widersprach und überlegte, ob sie überhaupt etwas sagen sollte. Aber Tante Amalie zog sie zu sich auf die Chaiselongue, legte den Arm um sie und sagte:

»So, mein gutes Kind – und nun beichte! Mit wem hast du deinen gräßlichen Mann betrogen?«

»Ich find ihn gar nicht gräßlich.«

»Damit hast du es halb schon wieder gutgemacht.«

»Ich habe auch nichts gutzumachen.«

»Also betrügt er dich?«

»Als wenn es gar nichts anderes gäbe! Eine Ehe ist eben viel komplizierter als du glaubst.« – Und nun erzählte sie ihrer Tante von Heinrich Moreners fixer Idee und von der Unterhaltung, die sie am Vormittag mit ihm gehabt hatte.

Tante Amalie hörte gespannt zu und sagte:

»Du hast recht! So verrückt war man zu meiner Zeit nicht.« – Dann dachte sie nach und wiederholte halblaut: »Mit einem Nedlitz ist ihm nicht gedient – es muß ein Reichenbach sein.« – Jetzt sah sie ihrer Nichte ins Gesicht und sagte laut: »Na also!«

»Du verstehst das?«

»Tu ihm seinen Willen – wenn du ihn damit von seiner fixen Idee befreist.«

»Was soll ich tun?«

»Zunächst einmal dich für altes chinesisches Porzellan interessieren.«

»Was?«

»Damit hast du ihn schon halb gewonnen.«

»Wen?«

»Heinz Reichenbach. – Seine Sammlung soll eine der besten in Europa sein.«

»Was hat denn das alte Porzellan Heinz Reichenbachs mit der fixen Idee meines Mannes zu tun?«

»Mit einer chinesischen Porzellanfigur ist ihm freilich nicht gedient. Es müßte schon eine Puppe sein, die lebt.«

»Du meinst . . .? – Jetzt verstehe ich! – Das ist ja ein toller Gedanke!«

»Eine fixe Idee heilt man mit einer noch fixeren.«

»Ist das dein Ernst?«

»Er wünscht sich einen Morener, der ein Reichenbach ist. Erfüll ihm den Wunsch.«

»Du tust, als ob es sich um ein Geschenk handelt, das man in einem x-beliebigen Laden kaufen kann.«

»O nein! die Echtheit müßte in diesem Falle schon verbürgt sein.«

»Du mutest mir viel zu.«

»Du fragst mich um Rat – und ich gebe ihn dir – den einzigen, der in diesem Falle Erfolg verspricht.«

»Das bringe ich nicht über mich.«

»Dann wirst du es zu verantworten haben, wenn dein Mann über kurz oder lang in eine Anstalt kommt.«

»Man kann von mir doch nicht verlangen,« erwiderte Frau Hedda in gereiztem Ton – »daß ich meinem Mann zuliebe . . .« – Tante Amalie lächelte und Frau Hedda fuhr fort: »das ist ja grotesk.«

»Wenn du einen anderen Ausweg weißt, – bitte! Ich weiß keinen.«

Frau Hedda dachte nach und sagte plötzlich:

»Selbst wenn ich – was ich für ausgeschlossen halte – meinem Manne dies Opfer brächte, wer sagt mir denn, daß Heinz Reichenbach darauf einginge?«

»Du schätzt dich aber tief ein.«

»Je höher er mich schätzt, um so bestimmter wird er es ablehnen, etwas Derartiges aus Gefälligkeit zu tun.«

»Du wirst ihm doch nicht den Grund nennen!« rief Tante Amalie entsetzt.

»Ich muß ihm doch irgend etwas sagen,« erwiderte Frau Hedda.

»Nicht ein Wort mehr, als daß du dich für chinesisches Porzellan interessierst. Für eine Frau, die aussieht wie du, genügt das vollkommen. – Alles andere überlaß ihm.«

Und als Frau Hedda noch weiterhin Bedenken äußerte, sagte sie:

»Wie du dich in der kurzen Zeit deiner Ehe gewandelt hast! – Aus der feschen Baroneß Nedlitz – ist eine richtige kleine Bürgersfrau geworden. Daß du je so verspießern würdest, hätte ich nicht für möglich gehalten.«

Frau Hedda widersprach.

»Ich bin dieselbe geblieben. Und wenn es darauf ankommt, Mut zu zeigen oder meinen Willen durchzusetzen, so gibt es für mich auch heute noch nichts, wovor ich zurückschrecke.«

»Nun also!«

»Aber aus der Liebe einen Zweck zu machen . . .«

»Liebe! Zweck! was sind das für Worte? – Du belügst dich ja selbst.«

»Wie kannst du das sagen?«

»Hast du diesen gräßlichen Morener etwa aus Liebe geheiratet?«

»Ich habe ihn, als er mich bat, seine Frau zu werden, über meine Gefühle nicht im unklaren gelassen.«

»Das berechtigt dich nicht, ihn jetzt im Stich zu lassen, wo es dich so wenig Mühe kostet, ihn zu retten.«

»Du hast recht,« erwiderte Frau Hedda. »Wenn du wüßtest, wie mir bei dem Gedanken zumute ist.«

»Jede andere Frau würde sich ein Vergnügen daraus machen.«

»Ich bitte dich, Tante, zieh es nicht ins Lächerliche.«

»Ob es für dich ein Opfer oder ein Vergnügen ist, bleibt sich völlig gleich.«

»Wenn es nicht gerade Reichenbach wäre – vielleicht, daß es mir dann leichter fiele.«

»Ist er dir so unsympathisch?«

»Im Gegenteil! Ich wünschte, er wäre mir gleichgültiger.«

»Schalte dein Gefühl aus, Hedda! und tue deine Pflicht!«

»Ich will es versuchen,« versprach Hedda und ging.

Und als sie nach ein paar Wochen wieder zu ihrer Tante kam, machte sie einen recht niedergeschlagenen Eindruck.

Der Alten lag es auf der Zunge zu fragen: na, wie war es? – Sie war aber klug genug unbefangen zu tun, und sie wie stets mit den Worten zu begrüßen:

»Wie nett, daß du an deine alte Tante denkst!« – Dann zog sie sie zu sich auf die Chaiselongue, legte den Arm um sie und sagte:

»Mein armes Kind!«

»Warum bedauerst du mich?« fragte Frau Hedda.

»Wenn du keine Sorgen hättest, würdest du gewiß nicht zu mir kommen,« erwiderte die Alte.

Frau Hedda stöhnte und sagte:

»Ach Tante! – Wenn du wüßtest!«

»Ich kann mir denken, mein armes Kind! Verheiratet zu sein und einen kranken Mann zu haben, das ist eine Last.«

»Ich habe mir wirklich Mühe gegeben,« beteuerte Hedda.

»Ich weiß, du warst immer ein gutes Kind!«

»Ich bin ja kein Kind mehr, Tante.«

»In meinen Augen wirst du es immer sein.«

»Du hattest mir einen Rat gegeben.«

»Ich – dir?«

»Um meinen Mann von seiner fixen Idee zu heilen.«

»Ach damals! – Ich erinnere mich. – Reden wir nicht davon. Das ist doch längst in Ordnung.«

»Eben nicht.«

»Wie?« fragte die Tante erstaunt. »Es geht deinem Mann nicht besser?«

»Es wird alle Tage schlimmer mit ihm. – Er hat des Nachts Angstzustände und redet sich ein, Reichenbach zu sein.«

»Und die Medizin – die wir ihm verordnet hatten?«

»Das ist es ja, Tante! – Ich kann nicht!«

»Du hast es versucht?«

»Ich kenne mich mit chinesischem Porzellan besser aus als im Gotha – mich hat geradezu eine Leidenschaft gepackt, alte Porzellane zu sammeln . . .«

»Ja – und? Bist du – ihm damit nicht näher gekommen?«

»Viel näher, Tante! Er hat mir das schönste Stück seiner Sammlung, von dem er sich nie zu trennen gedachte, eine kostbare Kuanyin aus weißem Jade geschenkt.«

»Dann ist doch alles in Ordnung, Kind!«

»Ich . . . ich . . . hatte ihn . . . so weit, daß er eines Abends, als mein Mann in Hamburg war . . .«

»Dieser gräßliche Mann!«

»Er aß bei mir – und brachte mir die Kuanyin – wir waren uns schon ganz nahe gekommen – rein menschlich, meine ich.«

»Ich verstehe, mein Kind.«

»Nein, du verstehst mich nicht – denn als er meine Hand nahm und zu mir sagte: und nun wollen wir einen würdigen Platz für die chinesische Göttin suchen . . .«

»So! so! eine Göttin ist das, diese Kuanyin!«

». . . da führte ich ihn in mein Schlafzimmer . . .«

»Das war recht, Kind! Das warst du deinem Manne schuldig.«

». . . und war froh.«

Die Alte lächelte, streichelte Heddas Hand und sagte:

»Und er war auch froh.«

»Er nahm meinen Kopf zwischen seine Hände, sah mir in die Augen und sagte: Glaubst du nun, daß es Schicksal ist?«

»Etwas jung,« meinte die Tante.

»Da kam mir plötzlich zum Bewußtsein, daß es in Wirklichkeit ja Komödie war – daß ich ihn belog und betrog – und da sagte ich ihm die Wahrheit.«

»Was ihn hoffentlich nicht abgehalten hat, dir seine Liebe zu beweisen.«

»Er sagte: Das glaube ich dir nicht.«

»Das war sehr klug von ihm.«

»Aber ich bewies es ihm.«

»Hast du ihm etwa erzählt, daß ich dir den Rat gegeben habe?«

»Alles! Ich konnte ihn nicht belügen.«

»Was hat er von mir gesagt? Hat er mich beschimpft?«

»Er ist dir dankbar. Denn daraus, daß ich ihm im letzten Augenblick die Wahrheit sagte, erkannte er . . .«

»Ich kann mir denken,« fiel sie ihr ins Wort. »Aber vor lauter Anstand und Gewissen hast du vergessen, daß die Krankheit deines Mannes eine Tat verlangt – und daß ihm mit platonischen Mitteln nicht geholfen ist.«

»Das ist es ja, was mich bedrückt und weswegen ich zu dir kam.«

»Und was steht jetzt im Wege, wo ihr euch menschlich doch so nahe gekommen seid?«

»Ich will ihn nie wieder sehen – so schäme ich mich vor ihm.«

»Du bist eine Egoistin, mein Kind.«

»Möglich, daß ich das bin. – Aber, was soll nun geschehen?«

»Reise in ein Bad! Führ eine Komödie auf.«

»Was für eine Komödie?«

»Adoptiere ein Kind – und sage deinem gräßlichen Manne, es sei ein Reichenbach.«

»Ein fremdes Kind?«

»Er muß natürlich glauben, daß es dein Kind ist.«

»Ich soll ihn belügen?«

»Wenn du ihn damit vor dem Irrenhaus bewahrst.«

»Ja . . . dann kann . . . ich ihm doch einfach sagen, daß nicht er der Vater des Kindes ist, das ich erwarte – sondern Reichenbach.«

Die alte Gräfin sperrte den Mund weit auf.

»Du . . . erwartest . . . ein Kind?« fragte sie entgeistert. »Von deinem Manne?«

»Mit ziemlicher Sicherheit.«

»Und das sagst du mir erst jetzt? – Dann hättest du dich doch gar nicht mit dem chinesischen Porzellan zu quälen brauchen. Wenn sein Zustand sich nicht bessert oder gar verschlimmert – und das Kind ist da, dann zeigst du es ihm und sagst: dein Wunsch ist erfüllt! Der Vater dieses Kindes, das deinen Namen trägt, ist Reichenbach. – Dann wird er dich entweder erschlagen oder gesund sein.«

»Ich bin so zermürbt und mit meinen Gefühlen so durcheinander,« erwiderte Frau Hedda, »daß mir das erste beinahe schon lieber wäre.«

»Versündige dich nicht!« schalt die Tante. »Du hast nun mal diesen gräßlichen Menschen geheiratet, der dreißig Jahre älter ist als du . . .«

»Zwanzig,« verbesserte Frau Hedda.

»Das macht keinen Unterschied. Jedenfalls bist du seine Frau und hast Pflichten ihm gegenüber. Je gewissenhafter du sie erfüllst, um so mehr Freiheiten kannst du dir erlauben.«

»Was meinst du damit, Tante?«

»Laß deinen Mann noch ein paar Jahre älter sein – und du wirst nicht mehr fragen, Kind.«

»Ich weiß, was ich meinem Manne schuldig bin,« widersprach Frau Hedda – und die alte Tante erwiderte:

»Das sagt jede Frau – solange der Mann ihr nichts schuldig bleibt.«


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