Reise durch das Biedermeier
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Vorwort

Hinter dem tollen Fasching der Laubeschen Reisenovellen, hinter ihrer Ausgelassenheit und Frechheit liegen doch ernstere Absichten versteckt: das Suchen nach einer neuen Welt, nach einer neuen Poesie. Es war die Poesie auf der Wanderschaft, ja, man darf, so seltsam es klingen mag, an Goethe und seine »Wanderjahre« erinnern. Die junge Generation empfand die klassische Dichtung wie ein Hemmnis neuen Schaffens, wie einen Druck, der auf ihren Geistern lag. Goethe war kaum gestorben, Schiller lebte im Volke fort. Es war unmöglich, über sie hinwegzukommen, schwer, neben ihnen Geltung zu erlangen. Ein unwiderstehlicher Zwang ging von ihnen aus, als seien sie nicht nur Dichter schlechtweg, sondern die beiden gegensätzlichen Urbilder jedes möglichen Dichters: in Goethe sah man die wunderbare Begabung, Poesie zu erleben, in Schiller die bewundernswerte Fähigkeit, gefundene und gewählte Stoffe zu poetisieren. Schillers ideales Pathos lag der Zeit eines freiheitlichen Aufschwunges nahe, Goethes Sinn für die Wirklichkeit war ihr, die so viele Illusionen schwinden sah, nicht fremd. Welches Ideal: Schillers Herz und Goethes Weltauge! Es ist aber den Menschen nicht gegeben, geistig von der Erbschaft früherer Zeiten zu leben; jede Zeit muß an sich selbst lernen, muß aus sich selbst heraus ihre Dichter und Künstler bilden. Das fühlte auch das junge Geschlecht, dem Heinrich Laube angehörte. Es gab das Schlagwort »modern« aus. Modern ist, was die Gegenwart bewegt. Durch den Geist der Gegenwart die Gegenwart bewegen, das ist unsere Aufgabe – riefen die jungen Geister aus. Die klassische Dichtung ist zwar ein Abschluß, aber kein Ende; wir haben das Gefühl, auch etwas zu sein, auch etwas zu können. Wir müssen die Breite der Welt erobern und neuen Stoff schaffen und ihn mit dem Geiste unserer Zeit durchdringen. Gehen wir daher auf Reisen, beobachten wir die Gesellschaft, werfen wir uns, wenn es sein muß, in die Politik! Vielleicht kommt einmal eine Zeit, die uns gleichfalls als Klassiker verehrt und verwirft ... Nun, so weit ist es wohl nicht gekommen, aber leugnen kann man doch nicht, daß jene modernen Geister viel Bewegendes und Befreiendes geschaffen haben.

Ludwig Speidel
(1830-1906)


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