Detlev von Liliencron
Poggfred
Detlev von Liliencron

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Zweiter Kantus: Panorama um Golgatha.

Motto:

Tod ist des Lebens höchstes Unterpfand.

Richard Dehmel.

                      Spring an, mein Roß aus Alessandria!
Ein sonderbarer Anfang, ich gestehs.
Wie jeder weiß, ist Freiligrath Papa
Des Verses. Ach, mein Singsang fängt, ich sehs,
Wie Diebstahl an; Fluch! in absentia
Von Eigenem. O weh des Dichterwehs,
    Wenn die Gedanken fehlen und die Reime;
    Doch wächst der Baum auch aus gestohlnem Keime.

Aus meinem Fenster, einer Straße zu –
Nein, erst muß ich in Schulung mich befinden,
Dann läuft die Karre munter, und in Ruh
Kann Stanze sich bequem an Stanze binden.
Auch möcht ich vorher noch ein Rendezvous
(Ich bitte: Stelldichein) in Frühlingswinden
    Abmachen. Schade, wir sind im Oktober;
    So bleib ich denn Ottave-rime-Tober.

Ich muß es leider sagen: Reichlich bleiern
Und blechern klappert ein Ottavenlied.
Doch kann es schreien auch, ein Heer von Geiern,
Das eine Schlacht eräugt, hoch vom Zenit,
Und kann sich wieder senken wie aus Schleiern,
Wie letztes Abendrot auf Rohr und Ried.
    Trag mich hinaus, du mächtige Ozeanstrophe,
    Sei Fürstin mir, und sei auch Kammerzofe!

Auf italienisch fährt der Achterzug
Vollendet anmutig durch alle Stege.
Auf deutsch ist er beinah schon ein Betrug,
Er holpert, stolpert, knarxt, knurxt durch die Wege.
Auf italienisch tönts wie Himmelsflug,
Auf deutsch wie eine stumpfe irdische Säge.
    Nur Byron noch und Goethe, die Husaren,
    Durften es wagen, ihn uns vorzufahren.

Wir andern Stümper, ach, du liebe Zeit,
Wir sollten bloß den »deutschen Ton« gebrauchen;
Der ist des Vaterlandes Kleidsamkeit,
Man kann damit »so ins Gemüt« sich tauchen,
Sich stets erinnern der Bescheidenheit,
»Gott grüß dich, Alter, schmeckt das Pfeifchen« schmauchen.
    Ob überhaupt der Vers nicht ganz verschwindet?
    Die Prosa diesen »Luxus« überwindet?

Ich mache ziemlich viele »Gänsefüßchen«,
Anführungsstriche »offiziell« genannt.
Die Muse ist dann »mit Verlaub« ein Müschen,
Das manchen »anführt« mit der »hehren« Hand.
Wer sich »chokiert« fühlt durch »derartige« Grüßchen,
Der »findet« »Gänsefüßchen« »degoutant«.
    Sie hießen dann gescheiter: Teufelsschwänzchen.
    Und nun lies weiter, liebes deutsches Hänschen.

Von meinem Fenster eine Straße schau ich –
Nein, noch geht nicht die Kutsche wie geschmiert;
Noch immer, glaub ich, bin zu plump, zu rauh ich,
Und eh mein »Sang« unsterblich mich blamiert,
Versuch ich, fingerüb ich, bild ich, bau ich,
Bis alles gut gereiht ist und gruppiert.
    Dann soll ein kleines Schlachtbild sich entrollen,
    Bis dahin bitt ich nicht zu laut zu grollen.

In dreien Kriegen war ich; in Gefechten,
Ich rechne nach, es können fünfzig sein.
Die Ruhmesgöttin sah ich Kränze flechten,
Aus Rosen nicht, aus Eingeweid, Gebein,
Zerschossenem; ich will nicht mit ihr rechten,
Denn großes Ziel verlangt auch große Pein,
    Bevor es durch des Geistes Macht errungen,
    Durch Lanzenstich und Kolbenstoß erzwungen.

Mein greiser Kaiser Wilhelm, dir Hurra!
Bei Königgrätz einst küßt ich dir die Hände.
Dein gütig Herz, wie stand es jedem nah,
Gutes zu tun, daß jeder Hilfe fände.
Dein gütig Herz! säng ich ihm Gloria,
Ich müßte schreiben Bände über Bände.
    Zu deinen Siegeskränzen, die mich grüßen,
    Leg einen Dankeskranz ich dir zu Füßen.

Wer zieht heran? Wer bringt mir seltne Kunde?
Was seh ich: meine alten Kameraden.
Seid mir willkommen aus dem Schlachtenbunde!
Zu einem Becher Blut seid eingeladen!
Du da, mein Hans, mit deiner Todeswunde,
Und du, und du: und weiter spinnt der Faden,
    Der lang sich dehnt: und mehr und immer mehr:
    Wie kommt ihr jetzt, in dieser Stunde, her?

Gezogen sind wir durch die Sommerhitze,
Gelagert haben wir im Winterwald.
Ein Rattenfänger, lockt die Helmturmspitze
Im Städtchen an die Fenster Jung und Alt.
Und Schritt vor Schritt, ob Sonne oder Blitze,
Ob sich der Nebel in den Tälern ballt,
    Wir fragten nicht: warum, wohin, wozu?
    Ein frisch Marschieren, gernbegrüßte Ruh.

Wie klopft mein Herz! Kommt, setzt euch hin im Kreise.
Die Trommeln hör ich, hör die Hörner rufen.
O Gott, das ist die nie vergessene Weise.
Die Erde bebt. Gestampf von Fuß und Hufen.
Gewiehr. Musik. Das All geht aus dem Gleise.
Die Fahnen senken sich zu Siegesrufen.
    Ich schwenke meinen Helm. Hurra, hurra!
    Mein fressiger Degen blitzt Viktoria.

Wenn wir durch frohe Ehrenpforten ziehn,
Durch blattgeschmückte, putzt uns mancher Orden.
Nicht allen ist die Auszeichnung verliehn,
Doch alle waren gleich beherzt beim Morden,
Gleich tapfer, bis die Feinde mußten fliehn.
Auch mir sind einige davon geworden,
    Mit Blut bespritzt, nicht etwa für Gedichte.
    Warum auch? das ist keine Weltgeschichte.

Für einen Dichter, doch ich schweige lieber,
Sonst käm ich gar in den Verdacht noch – halt:
Aus meinem Fenster blick ich oft im Fieber,
Im Fieber der Erinnerung. Es knallt;
Auf jener Höhe die Geschützeschieber,
Der Pferde Sturz, Mannschaft hilft aus, es galt.
    Und immer bin ich noch nicht recht im Schuß,
    Ich stanzle weiter. Muse, einen Kuß.

Die Deutschen nennen keinen Dichter Künstler;
Künstler sind Maler, Musiker, Athleten.
Und wär er auch des größten Königs Günstler,
Ein Dichter »schadt nix«: Künstler sind vertreten
Im Zirkus, Flohtheater, und ein dümmster
(Der Reim ist falsch) Tenor wird dem Poeten
    Stets vorgezogen. Klagt nicht! Eine Zeit
    Kommt auch für euch einst. Atmet auf! Bereit.

Und wann, ich frag euch, kommt einmal die Zeit,
Daß man statt eines Leitartikels Öde
(Bleibt mir mit Politik vom Hals!) Neuheit
Von einem neuen Dichter hinnimmt? Spröde
Erwägt der Redakteur die Nützlichkeit.
Poet, du bist vertagt, verlassen, schnöde
    Wie einer, der in Hamburg wohnt, verloren,
    Wenn, Fluch, er ohne Regenschirm geboren.

Poet, ich würde sagen: Je m'en fiche,
Wenn Hinz und Kunz an dir herum bekehren
Mit ihrem staubzerfressenen Flederwisch.
Laß nicht von jedem Laffen dich belehren;
Sei du du selbst, dein eigen, frech und frisch,
Und laß den Teufel dich die Sache scheren,
    Wenn sie dir sagen, daß nach Schiller, Byron,
    Und Gott weiß wem, die deutschen Dichter leiern.

Nur gar zu gern ist das ihr Bettelwort,
Wenn sie mit dir nichts anzufangen wissen.
Und schreien die Familienblätter Mord
Vor dir, so laß sie schrein, du kannst sie missen.
Denn die Familienblätter sind verdorrt,
Weil sie Geschlechtslosem die Fahnen hissen.
    Sei stolz, sei frei! Schreib Dich! Vergiß das nie!
    Und schreibst du Poesie, schreib Poesie.

Zwar vieles Geld kannst du von da erlangen,
Sie zahlen gut, die »Über Land und Meer«
Und wie sie heißen; brauchst dann nicht zu bangen,
Trägst du nach diesem, jenem heiß Begehr.
Zum Beispiel einen Hummer einzufangen,
Ich rate bei Jan Cölln, ist dann nicht schwer.
    Bei Ehmke singen ich und Fuhrmann Psalmen
    Und schleckern demütig Fasan und Salmen.

Noch lieber aber im Hotel »zur Sonne«,
Da wirtschaftet mit Energie Frau Meyer.
Der Grogk ist da wie eitel Lust und Wonne.
Trinkst du zu viel davon, sitzt du im Schleier,
Sitzt wie Diogenes in seiner Tonne,
Als Philosoph natürlich und Kasteier.
    Unübertrefflich ist das Beefsteak dort,
    Auch »Münchner Kindl« fand da sichern Port.

Mit Fuhrmann sitz ich auch bei Schmidts zu Zeiten,
In Petersens Hotel, da lebt sichs gut;
Der edle Karpfen wird den Freund verleiten,
Ich wähle Schellfisch à la Prince d'Auboutte.
Ein Citran rieselt dort, o Himmelsweiten,
Wer möchte nicht ertrinken in der Flut.
    Der Wirt, der liebe Schmidt, ist Temperenzler;
    Ich werde, täuscht nicht alles, Abstinenzler.

Maximilianus Fuhrmann ist ein Friese,
Hartknochig, ruhig, streng und kühl im Schmerz.
Und ist er auch im Widerstand ein Riese,
Er hat, so klug er ist, ein Kinderherz.
Auf seinem Schilde leuchtet die Devise:
Ein immer treuer Sinn in Ernst und Scherz.
    Wie kann man besser denn der Welt vertrauen,
    Als fest auf eines Mannes Wort zu bauen.

Zu Deeke, schlag ich weiter vor, zu gehn,
Wenn wir nach gründlich liederlicher Nacht
Auf Kaviar Hunger haben. Gegen Zehn
Wird dort ein warmes Plättchen angebracht,
Um das sogar die Götter lungernd stehn;
Magnetisch übt es seine Zaubermacht.
    Lebendige Wirtin, liebenswürdiger Wirt;
    Es hat sich oft mein Fuß dahin verirrt.

In Altona, nicht in Altohna, wohnt
Herr Deeke, und in seiner Nähe lastet
Sanft über unsers Klopstocks Grab und thront
Die Linde, wo gern jeder Fremde rastet,
Der diese Straße kommt; er ist belohnt
Durch heilig Land. Und in der Weste tastet
    Sein Finger nach dem Blei, um zu Papier
    Zu bringen, was die Steine reden hier.

(Hier schmuggl ich eine Stanze ein in Klammer:
Herr Deeke ist nach Hamburg hingezogen,
Für Altona und Ottensen ein Jammer,
Obschon sie unter einem Friedensbogen
Mit Hamburg schwingen ihren Arbeitshammer.
Aus Ottensen hat Rückert uns gesogen
    Die rührend schöne Gräberkranzgeschichte.
    Im Alter schrieb er täglich zwölf Gedichte.)

Am Denkmal unsers großen Klopstocks fand ich
Einmal ein hübsches Mädchen stehn, die schrieb
Den Spruch sich ab. Ein irgendetwas band mich,
Sie länger anzuschaun: hab ich dich lieb?
Und eine schwere Rosenkette wand sich
Sofort um uns, gefangen sitzt der Dieb.
    In Ottensen, im Hause ihrer Tante,
    War sie, so jung sie war, schon Gouvernante.

Wie alle Weiber, wußte sie blitzschnell,
Weils Liebe galt, die Bahn sich frei zu machen.
Wir sahen uns zuerst im Dämmerhell,
Dann hörten uns verschwiegne Wege lachen
Und glücklich sein. Und Amor ist Rebell,
Dreist überrennt er Hindernis und Wachen.
    Wir trafen uns und waren überselig
    In meinen Räumen, jeder Schranke ledig.

Wie las sie vor! Zum erstenmal im Leben
Versenkt ich mit Entzücken mich in Goethe.
Wie hat sie Odem jedem Wort gegeben.
Die Sonne schien aus früher Wolkenröte
So »morgenschön«. Anmutig sah ich schweben
Der Grazien Schritt zu einer Hirtenflöte.
    Bei solchen literarischen Genüssen
    Sind Adam, Eva aufgelegt zu Küssen.

Zuweilen nahm ich sie als Pagen mit
Im Knabenanzug; meist in ferne Teile
Der Riesenstadt verlor sich unser Schritt.
Und frischgemut, durch vollgedrängte Zeile,
Durch leere Gassen, trieb sich unser Tritt
Ohn jede Fährnis und besondre Eile.
    Des langweiligen Tages zu genesen,
    Half Leichtsinn uns, das lag in unserm Wesen.

Und eine stürmische Dezembernacht:
Die Luft ist dumpf und feucht und ungesund,
Die Seuche hat sich hämisch aufgemacht,
Sie nimmt den Sarg in ihren bösen Bund,
Ein Winterwetter und Gewitter kracht,
Geängstigt heult vom Kirchhof her ein Hund.
    Des Windes Harfenspiel treibt seine Hetze
    Durch Telephon- und Telegraphennetze.

Was focht uns an, daß wir in diesen Graus
Hinaus uns wagten? Wars nur Übermut,
Wars unbewußter Drang, daß wir das Haus
Verlassen mußten? Her mit Handschuh, Hut!
Und Gutenabend, kleine Fledermaus.
Es trieb geheimnisvoll uns unser Blut.
    Und kurz, der nächste Zug führt uns ins Land,
    Wir steigen aus auf Rastort Unbekannt.

Ein Städtchen nimmt uns auf. Vor einem Gitter
Stehn, uralt, eine Esche, eine Eiche;
Aus einer Schenke klimpert eine Zither.
Hinein! wir sind gewillt zu lustigem Streiche.
Hinein! Nur keine Furcht, ich bin dein Ritter;
Der Weg zu dir geht über meine Leiche.
    Wir lachen, und zwei Freunde, Arm in Arm,
    Sind gleich wir mitten unterm Gästeschwarm.

Arbeiter sinds, die hier behaglich trinken;
Verständig ist ihr Reden und Benehmen.
Der dort spielt Skat, der gabelt seinen Schinken,
Und keiner läßt den Abend sich vergrämen.
Der eine, der Musik macht, nimmt die flinken
Finger nicht von den Saiten. So bequemen
    Wir uns in diesen Kreis und hören froh
    Bald Tingeltangellied, bald Bolero.

Der Spieler sieht uns unablässig an,
Und einmal nickt er uns vertraulich zu;
Zuweilen lächelt er. Was will der Mann?
Sein Auge läßt uns garnicht mehr in Ruh,
Bis ich die Sache ernstlich übersann:
Am Besten wärs, wir schnallten uns die Schuh.
    Da steht er plötzlich auf, o schlimmer Stern,
    Zeigt auf uns, lacht, und sagt: Kiek, das 's 'n Deern!

Und alles schweigt, und alles stutzt und staunt.
Herr Wirt, die Zeche bitte. Komm, Dorette.
Der Musikant, gleichmäßig gut gelaunt,
Setzt sich und trällert eine Chansonette.
Und während ein Getuschel rinnt und raunt,
Entwinden wir uns rasch der lästigen Kette.
    Schon sind wir an der Tür, da hebt die Hand
    Ein wüster, finnenübersäter Fant.

Platz da, ruf ich. Doch frech höhnt er uns an.
Platz da, weg, oder! und schon warnt mein Stock.
Sein Messer blitzt im Nu, und es begann
Der Kampf. Getümmel um uns, und ein Schock
Von Fäusten droht und drängt an uns heran.
Zurück! Es fliegen Krüge, Bank und Bock.
    Da trifft der Stahl, statt mich, den Pagen tödlich;
    Ich weiß nicht: Farben? schwimmt es schwärzlich, rötlich?

Ich steh allein da; auf dem Gasttisch liegt
Mein Page ausgestreckt mit bleichem Munde,
Liegt zwischen schmutzigen Karten, Würfeln, liegt
Inmitten umgestoßener Gläserrunde,
In Bier und Branntwein, Salz und Tellern, liegt
In all dem Schlamm mit unrettbarer Wunde.
    Erloschen ist ihr Leben und verloren,
    Und meine Augen wollen sich umfloren.

Die Linke hängt ihr schlaff vom Rande nieder,
Mein rechter Arm hält sie umkrampft, umspannt.
Das Lämpchen trübt auf die erstarrten Lider;
Rock, Weste, Hemd sind aufgerissen, Band
Und Schlips blutig, es schimmern weiß die Glieder,
Die zarten Brüste, weiß wie Marmorwand.
    Der Sturm gibt draußen lärmend, laut ein Fest;
    Mein Kopf liegt auf ihr stummes Herz gepreßt.

Nun keine Störung mehr! Endlich Bataille!
Der Tuben Schreckenston. Von meinem Fenster
Auf eine Straße seh ich; glaubts, auf Taille!
Ein Höhenzug, ein abendglanzbeglänzter,
(Wasch ich den Reim auch aus in meiner Balje?)
Von blassen Cirruswölkchen ein bekränzter,
    Blaut vor mir, den von mir zwei Meilen trennen;
    Des Heerwegs Bäume sind kaum zu erkennen.

Die Landstraße weckt mir Erinnerung,
Und jene Bäume werden wieder wach,
Die einst . . . Es klopft? Den bring ich auf den Schwung
Der jetzt mich stört, dem trampel ich aufs Dach!
Herein! Ah, du . . . und dann ein lustiger Sprung.
Um Gotteswillen, halt, gemach, gemach!
    »Is's wahr?« Sie lacht. Wie glänzt der Zähne Schimmer.
    Und Hut und Handschuh fliegen weit ins Zimmer.

Du kommst mir eigentlich recht ungelegen.
»Is's wahr?« sie fällt mir um den Hals geschwind.
Ja, ich bin heute auf ganz andern Wegen.
»Is's wahr?« sie küßt mich wie der Wirbelwind.
Ich schreibe Verse, die mich stark erregen.
»Is's wahr?« jetzt heult sie wie ein Waisenkind.
    Was ist zu machen, Schuh wett ich und Strumpf:
    Die Liebe siegt, die Liebe spielt den Trumpf.

Es wird mir wohl verdacht, daß ich zu viel
Von Liebe rede; bleibt mir hübsch gewogen!
Erzürnt euch denn so sehr das Schäferspiel?
Bald kommt der Leichenwagen angezogen
Und hält vor meiner Tür: ich bin am Ziel,
Die Saite riß, es sprang der Fidelbogen.
    Die Liebe lebe, die mein Carmen preist,
    Ob sie nun Mary oder Mieze heißt.

Der Liebe ziehn wir Maske vor und Schleier,
So treiben wirs, um schamhaft zu bestehn,
Und predigen als Tugendpfandverleiher
Moral sogar. Laß dich einmal besehn,
Du holde Heuchlerin: Mord ist, beim Geier,
Fürwahr ein minder schlimmes Teufelslehn.
    Und doch, graunhaft: in all der Wüstenei,
    Wo blieben ohne dich wir, Heuchelei!

Mit diesem herzigen Spruch ging ich zu Bette
Und hatte einen Traum, der schwer mich plagte.
Als schleppten meine Füße eine Kette,
Zog ich im Zimmer hin und her und klagte.
Die Tür sprang auf, ich hörte eine Mette
Aus einem dunklen Kirchenraum, der ragte
    Im Dämmer säulenhoch; zunächst der Schwelle
    Schlief eine junge Frau der Klosterzelle.

Sie saß in einem seidengrauen Sessel,
Das blasse Haupt lag sanft zurückgebogen.
Oder war sie erlöst der Erdenfessel?
Ich schlich mich hin, zitternd, wie hingesogen,
Und muß durch ein Gebüsch der Heckennessel,
Das sich mir plötzlich hindernd vorgezogen.
    Ich sank zu ihr und weinte still: Vergieb.
    Sie aber schluchzte leis: Ich hab dich lieb.

Und sie erhob sich, und ein blauer Schein
Floß durch die Halle. Langsam schritt sie vor,
Schritt weg, und zweier Teckel krumm Gebein
Mit ihr; Gesang quoll rieselnd her vom Chor.
Die Arme breit ich ihr: Ich bin allein!
Sie aber und die Hunde sind am Tor.
    Und meine Teckel weisen mir die Pracht
    Der treuen Zähne: Du, nimm dich in Acht!

Die Traumeswirren lassen mich nicht los:
Ich bin in Schleißheims Park, in Schleißheims Schloß.
Septembernachmittag. Den Wald, das Moos
Durchsang, durchsprang mit mir mein Weggenoß:
Ein Münchner Madel liegt in meinem Schoß,
Die mir mein Herz mit Liebesriegeln schloß.
    Nun starrt ihr Auge trostlos in die Weite,
    Und was sie spricht, gibt rührendes Geleite:

»Du Fadling, geh, bleib do, bleib dengerscht do.
Was willst denn auffi in dei Preißenland?
I gilt nix mehr? I woaß! Bleib dengerscht no.
Mei Herz g'hert dir, i gib dir drauf mei Hand.
Host allweil g'sagt: du warst um mi so froh,
Die Luschtigst war i und fir di koan Schand.«
    Und ihre großen braunen Augen trauern;
    Der Abend senkt sich, Gras und Laub erschauern.

»Was weinst denn so? Seffi! Sieh doch! Die Leute!
Der ganze Wartesaal schaut auf uns her.
Nimm dich zusammen, bitte; nur noch heute.
Mach mir den Abschied doch nicht gar zu schwer.
Hör doch! Du tatst ja immer, was mich freute.
Komm! hör! es ist ja nicht auf nimmermehr.«
    Ein langer Pfiff. Der Zug faucht in die Nacht.
    So ist das Schicksal. Und ich bin erwacht.

Und schlafe wieder ein, und träume weiter:
Von Elefantenkampf, von Zwerg und Zwiebel,
Von Sichelwagen, Jakobs Himmelsleiter,
Von Läusesucht, von einem griechischen Giebel,
Von Eidechsen, von einem Sargbegleiter,
Und meine Mutter liest in ihrer Bibel.
    Ich sehe einen großen sanften Stern,
    Den Stern von Bethlehem, den Stern des Herrn.

    Das Land lag wie aus Glas gesponnen um mich,
    So rein, so klardurchsichtig war die Luft.
    Ich stand auf einem sanften Haidehügel
    In meiner Heimatinsel Schleswig-Holstein.
    Rings Sonne; eine weite, leere Aussicht.
    Die Himmelsschlüssel blühen überall,
    Vergißmeinnicht und gelber Löwenzahn.
    Der Tod hat sich ins Kraut zum Schlaf gestreckt,
    Reumütig liegt die Sense neben ihm.

    Kein Pflügerruf, kein Vogel läßt sich hören,
    Kein Wagen ringt sich durch den dicken Sand,
    Die Mühle selbst hält Rast: es ist Karfreitag.

    Auf meinem kleinen Berge stehn drei Kiefern,
    Ich schreite ab: sechs Fuß weit von einander.
    An eine dieser Kiefern dann gelehnt,
    Sah ich hinab in all die stille Landschaft
    Und freute mich des wundervollen Friedens.
    Ein Schwarm von Eintagsfliegen nur gab Leben,
    Von feuchtem Ort im Wind hierher getrieben.
    Er hob und senkte sich vor mir wie Rauch,
    Glückselig in der Freude seines Daseins.
    Mich drückt die Frühlingsluft, ich sitze nieder.

    Der Mittag kam, ich saß noch immer da.
    Die Sonne sticht, die Frühlingsluft wird schwerer,
    Ich werde müde, meine Wimper fällt:

    Aus den drei deutschen Kiefern werden Pinien,
    Und die drei Pinien wandeln sich zu Palmen,
    Und seltsam ändert sich um mich die Gegend:
    Im Westen, Osten steigen Mauern auf,
    Ein Tempel schimmert auf, ein Rathaus auf,
    Fern eine fremde, nie gesehne Stadt:
    Jerusalem! Die Burg Antonia,
    Der Schloßbau von Herodes mit den Türmen,
    Und Josaphat, das Tal mit seinem Kidron,
    Gethsemane, der Ölberg, Golgatha!
    Vor allen Toren glänzen Villen, Gärten,
    Springbrunnen klatschen in die Marmorbecken,
    Und Säulenhallen stehn: Jerusalem!
    Der Schmerzensweg, die via dolorosa.
    Und zieht den Weg nicht eine große Schar?
    Grad auf mich zu? Und zieht nach Golgatha?
    Steh ich auf Golgatha, der heiligen Stätte?

    Laut schiebt sich, stößt sich alles durcheinander,
    Barone, Priester, Staatsanwälte, Bader,
    Doctores: Pöbel aller Stände folgt
    Dem blassen, zarten Mann, der vorne geht.
    Von bernsteingelben Haaren eingerahmt
    Ist sein Gesicht; und große braune Augen
    Schaun traurig, starr, verlassen in die Menge,
    Die tobend, lachend, lärmend ihn umdrängt.
    Und plötzlich bin ich auch mit im Gewühl,
    Und höhne, lache mit . . .

    Und der die bernsteingelben Haare hat,
    Der blasse Mann schleppt sich mit einem Schragen,
    Bis ihn die Kraft verläßt; er sinkt zusammen.
    Ein andrer, stärkrer, nimmt die Last ihm ab,
    Und weiter zieht der Zug nach Golgatha.
    Und alles, was uns nun entgegenkommt,
    Hält an: ein General, ein Bärenführer,
    Die Purpursänfte einer Edeldame,
    Ein Bauer, der sein Kalb zu Markte treibt,
    Mit Staatsdepeschen ein Courier aus Rom,
    Die alte Semmelfrau von Jericho,
    Ein Handwerksbursch, zuletzt ein Trupp Soldaten,
    Der eben von der Felddienstübung heimkehrt.
    Und alles lacht und johlt und kreischt und brüllt:
    »Hurra, da bringen sie den Judenkönig« –
    Und trollt sich weiter auf dem Weg zur Stadt.
    Und eine Geierschar, in Wolkenhöhe,
    Gibt, langsam kreisend, unserm Zug Geleit.

    Zwei Zimmerleute fügen aus den Kiefern,
    Aus den drei Kiefern, meinen lieben Kiefern,
    Drei plumpe, rohbehaune, kurze Kreuze.
    Wir stürzen uns auf Jesum, packen ihn,
    Wir schlagen ihn mit Nägeln an die Äste.
    Und ein Geschrei klagt gräßlich in die Welt
    Hinauf, so gräßlich, wies ein Mensch ausstößt,
    Dem mit Gewalt ein großer rostiger Nagel
    Durch Hand und Fuß gehämmert wird . . .

    Und Jesus senkt die bernsteingelben Haare,
    Daß sie sein blutiges Gesicht verdecken:
    »Mich dürstet!« Ein Soldat der deutschen Wache
    Steckt den getränkten Schwamm auf seinen Spieß
    Und läßt den Heiland in Erbarmen trinken.
    Und Barrabas erscheint, der Gassendichter,
    Der wegen Straßenraubs verurteilt saß,
    Doch den das Volk losbat, und grinst hinauf:
    »Ja, hättest du wie unsereins verstanden,
    Den Leuten Spaß zu machen, alter Freund,
    Du hingest nicht, ein schwerer Sack, am Holz;
    Kerl, dein Genie hat dich ans Kreuz gebracht!«
    Und Jesus senkt die bernsteingelben Haare,
    Daß sie sein blutiges Gesicht verdunkeln.

    Ein rabenschwarz Gewölk kriecht vor die Sonne,
    Nur einen schmalen, grellen Lichtrand lassend,
    Der dem Erlöser in die Augen blinkt.
    Ein Blick der Liebe trifft uns, seine Quäler,
    Ein Schimmer, der uns anglänzt wie erstarrt,
    Und Jesus schreit, der Marterpfahl erbebt,
    Schreit: Eli, Eli, lama asabthani.

    Da: seht doch, seht! da jagt, von Straßenstaub
    Verhüllt, jetzt wieder frei, jagt einer her,
    In rasendem Galopp jagt er hierher.
    Sein Helm stürzt ab, sein Haar fliegt lang ihm nach.
    Er spornt den Hengst auf unsern Blutplatz zu,
    Er schwenkt ein weißes Tuch, er schwenkts, er schwenkts,
    Er setzt die Zinken ein zum äußersten Sprung.
    Auf unserm Hügel, an der Kante kommt
    Des Fuchses wilde Mähnenwelle hoch:
    Ein Adjutant von Pontius Pilatus.
    Er und sein Syrer, wie getüncht von Schweiß,
    Brechen zusammen, und ein Wort springt hörbar
    Aus diesem wüsten Knäul von Mann und Gaul:
    Begnadigt!

    Stracks klettert einer das Gebälk hinan:
    Er hebt die bernsteingelben Haare Jesu
    Ihm von den Augen – er ist tot.

    Auf meinem kleinen Berge stehn drei Kiefern,
    Sie stehen noch; sechs Fuß weit von einander.
    An eine dieser Kiefern angelehnt,
    Sah ich hinab in all die stille Landschaft,
    Und freute mich des wundervollen Friedens.
    Ein Schwarm von Eintagsfliegen nur gab Leben,
    Glückselig in der Freude seines Daseins . . .

Und wieder wirrer werden meine Träume:
Was will bei mir denn Monsignore Retz?
Kommt da nicht anspaziert Herr Dichter Seume?
Ein schlankes Mädchen schwingt sich am Trapez.
Wo bin ich? Welche rätselhaften Bäume?
Und mittendrin stürm ich bei Königgrätz?
    Jetzt bin ich gar in Düsseldorf bei Krause;
    Nie fand ich eine angenehmre Klause.

Und weiter zieh ich stromhinauf den Rhein:
»Sankta Maria,« Köln, »am Kapitol.«
Du mystisch Kirchlein, heimlich tret ich ein.
Was, Fredegunde? Und mit Vitriol
Begießt sie mich? Da brummt Hans Klapperbein:
Verbeuge dich und sage Lebewohl.
    Und endlich wach ich auf, vom Unsinn satt;
    Die Sonne spielt auf meiner Lagerstatt.

Und nun Trompeten, Trommeln, Schwerterstunden!
Bringt mir den Helm, die Schärpe! Zorn und Zank!
Die Weiber ins Verließ, bis sie die Wunden
Uns waschen; Dank, ihr himmlischen, habt Dank.
An meines Hengstes Schweif den Feind gebunden!
Heraus die Plempe! An die Fleischerbank!
    Die Dörfer brennen, heulend stürmt die Wut,
    Der Abend stirbt, getaucht in rote Glut.

Nicht will ich quälen lang mit Greueltaten,
Wie sie der Krieg, der scheußliche, gebiert;
Nicht allzulang will ich im Blute waten.
Saht ihr den Sterbenden? Sein Auge stiert:
Wasser! Wasser! Die Sonne will ihn braten.
Ist denn die ganze Welt verroht, vertiert?
    Wird nie des Friedensengels Stab auf Erden
    Der einzige Schlichter alles Streites werden?

Niemals, seit Kain Abeln hat erschlagen;
Tief ist der Sinn, den dieser Mord erzählt.
Schlug Brutus Cäsarn, edleres zu wagen?
Neid wars, und Scheelsucht hat ihn wüst gequält.
Ich lese immer wieder mit Behagen,
Was Mark Anton rief, als vor ihm entseelt
    Der göttliche Julius lag, mit launiger Galle:
    Ja, ehrenwerte Menschen sind wir alle.

Nie wird die Herrschsucht ihre Faust ablassen,
Die sie auf Andrer Nacken hat gelegt.
Vereinzelt säumt ein Schwärmer durch die Gassen,
Der Liebe predigt, segnet, sänftigt, pflegt,
Und wird verlacht, sie schneiden ihm Grimassen,
Bis sich das Volk mit ihm ans Kreuz bewegt.
    Der Friede ist für Kinder ein Gedicht:
    Werft nur die Waffen nieder, ich tus nicht.

Die große Schlacht gleicht einem Sintflutmeere,
Das wild bewegt ist, einem Götterkampf;
Wie Hagelwetter prasseln Spieß und Speere,
Der Staub vermischt sich mit dem Wolkendampf,
Schild klirrt an Schild, und Wehre blitzt auf Wehre,
Die Erde bebt von Ruf und Roßgestampf.
    Doch nicht der Schlacht gilt heute meine Ode,
    Ich nehm aus ihr nur eine Episode.

Der Mittag kam. Wir waren vorgedrungen.
So furchtbar klang ein einziger Knall und Schall,
Als hätten lautlos zwei im Sand gerungen,
Lautlos, bis endlich einer kommt zu Fall,
Die Arme um des Gegners Hals geschlungen:
Erdrosselung, Ersticken überall.
    Der General, dem ich am Bügel reite,
    Läßt seinen Gucker gleiten an die Seite:

»Noch immer ist der Hügel nicht besetzt,
Dort lauert auf uns eine Wetterhölle,
Bis wir hinaufgekommen sind, zerfetzt;
Und oben erst verlangen sie die Zölle
Höhnisch von uns. Kartätschen sinds zuletzt.
Und gäbs Lawinen oder Felsgerölle:
    Trommler, schlag an! Was warten wir und zaudern,
    Wir können jetzt nicht über Plato plaudern.«

Da plötzlich wimmeln droben Mann und Pferd,
In Emsigkeit wächst Schanze rasch an Schanze,
Die Bäume fallen, und ein Kugelherd
Wird aufgeworfen, Lanze drängt an Lanze.
Der Ritter stützt sich prahlig auf sein Schwert:
Beliebt es euch, ich bin bereit zum Tanze.
    Ja, es beliebt; beginnt den Stein zu schmeißen!
    Wir klettern gut und werden euch zerreißen.

Der Abend kam. Die Höhe ist genommen;
Fragt nicht, wie stark, unglaublich der Verlust.
Wir hatten sie, wir haben sie bekommen;
Die Kugel sitzt in manches Kühnen Brust.
Wir sind durch eine See von Blut geschwommen,
Uns selber nicht des Schrecklichen bewußt.
    Ich hob im Sattel mich, ich warf die Hand:
    Der König lebe und mein Vaterland!

Am Tagesende ritt mein General
Mit mir durch Traum und Tod und Schlaf und Leben;
Die Hingemähten ruhten gelb und fahl,
Und zwischen Erd und Wolken sah ich schweben
Die Sterbenden, den Raben bald zum Mahl.
Durch meine Seele zitterte ein Beben.
    Der General blieb ruhig, blieb ein Mann,
    Er lächelte; sah ich erregt ihn an?

An einer Stelle kamen wir vorbei,
Da drückte Leich auf Leiche, eng geschichtet,
Ein Turm von Leibern, Fetzen, Blei und Brei,
Von Freund und Feind zum Walle rasch verdichtet,
Als Schutzwehr in der Riesenbalgerei;
Vielleicht auch hat der Teufel sie errichtet.
    Spitz lief sie zu wie eine Pyramide;
    Es hätte sich entsetzt selbst der Pelide.

Und ihren Gipfel krönt ein alter Zuave,
Mit langem grauem Bart, mit bunten Litzen
An seiner Jacke. Grimmig hält der Brave
Die Fahne mit der Linken, denn besitzen
Will er sie noch im Tode: Cave, cave,
Zerschmettert sei der Dieb von tausend Blitzen!
    Die Rechte streckt sich wie ein Flintenlauf,
    Zur Faust geballt, drohend zum Himmel auf.

Die Sonne geht, gleichgültig allem Morden,
Sie siehts auf anderen Planeten auch.
Die Biwakfeuer flackern; still geworden
Ist rings der Hexensabbath. Dampf und Rauch
Der Brände qualmen; und Hyänenhorden,
Die Plündrer, brechen auf aus Rohr und Strauch.
    Es kommt die Nacht und küßt auf ihrer Runde
    Den letzten Erdenschmerz von mancher Wunde.

Und aus den Wunden sinkt der sanfte Saft
Und sickert durch und feuchtet warm die Erde;
In Wurzelwerk und Fasern wächst die Kraft
Und dehnt sich stark beim nächsten Frühlingswerde,
Und reckt den Weizenhalm zu hohem Schaft,
Und gierig frißt im üppigen Gras die Herde.
    So wirkt des Menschenblutes teurer Dung
    Und macht den alten Boden frisch und jung.

Der Frühling kommt; er muß, er muß sich zeigen!
Mit seinen Freuden springt er durch die Lande,
Und um den Maibaum flattert froh der Reigen.
Des Erntekindes Stirn im Silberbande
Taucht nächtens hoffnungsheimlich aus dem Schweigen
Der dichtgedrängten Frucht zu sicherm Pfande.
    Ja, Frühling kommt, der Sommer bräunt die Nuß,
    Der Herbst macht reichen Segens den Beschluß.

Dann ziehn vom Feld zur Scheuer volle Wagen.
Der Mäher nimmt, schweißtriefend, seinen Krug
Und gönnt sich einen Schluck; aus offnem Kragen
Trotzt seine freie Brust dem Windesflug.
Und wieder läßt er scharf die Sense schlagen,
Die schwerste Arbeit ist ihm kaum genug.
    Die Ähre fällt, die Garbe steht gebunden,
    Und Kriegsgeheul und Greuel sind verwunden.

O Friede du, mit deinen Seidenschwingen,
Wann spannst du sie von Pol zu Pole aus,
Daß klar ein einzig liebes Engelsingen,
Schalmeibegleitet, tönt durchs Weltenhaus,
Daß schreiend, nach verzweifelt letztem Ringen,
Sich in den Abgrund stürzen Gram und Graus?
    Nun, Götter, frag ich, was ist euer Plan?
    Ihr schweigt? Und alles wäre, ach, nur Wahn?

Ich schlief mit meinem General, durchfroren
Vom Tau, auf offnem Feld, der Mond schien hell.
Einmal erwacht ich, meine Augen bohren
Sich in die Schatten ein, da seh ich grell,
Vom Lagerflackerlicht à jour erkoren,
Den Zuaven auf dem Leichenhochgestell:
    Die Rechte droht, steil wie ein Flintenlauf,
    Zur Faust geballt, grausig zum Himmel auf.


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