Detlev von Liliencron
Poggfred
Detlev von Liliencron

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Zehnter Kantus: Unsre liebe Frau ob der Sintflut.

Motto:

Denn ich weiß, du bist Astarte,
Deren wir in Ketten spotten,
du von Anbeginn, du harte
Göttin, die nicht auszurotten.
Ich jedoch war weich wie glühend Eisen,
darum sollst du mich in Wasser tauchen,
bis mein Wille läßt sein siedendes Kreisen
und der Stahl wird, den wir brauchen.

Richard Dehmel.

              Verwünscht! Nimmt denn dies Einerlei kein Ende?
Will die Ottave mich zu Grabe läuten?
Verfluchte Muse, bändige deine Hände!
Was soll der ewige Klingelklang bedeuten!
Du häufst mir Bände stapelhoch auf Bände,
Daß ich mich schämen muß vor Land und Leuten.
    Ich mag nicht mehr, ich hasse den Parnaß!
    Und richtig zieht mich schon das Tintenfaß.

Doch plötzlich steh ich wie der Marabu,
Auf einem Beine, finster, sehr nachdenklich;
Es sträubt mein Schopf sich, wie beim Kakadu,
Hahhh! ein Gedanke! göttlich! überschwenglich!
Jetzt nur den Reim! o komm, du alte Kuh!
Nanu? Mir wird so bänglich, so bedränglich.
    Den Reim, den Reim! My kingdom for a Reim!
    Ich krieg ihn nicht; da kleb ich schön im Leim.

Das ist denn doch! Bertouch! Den Wagen vor!
Vielleicht find ich, rumplum, den Reim bei Pfordte.
Da feuchtet mir der Pommery den Humor,
Für meine Leber just die beste Sorte.
Er schickt mich an den Himmelsrand empor,
Er treibt in Hamburg mich an sanfte Orte,
    Zum Beispiel ins Theater, und uijeh:
    Nachher natürlich chambre separee.

Wie schade, daß Herr Wolff in Schleswig ist;
Wär er in Altona, dem wackern Städtchen,
Dort war er früher einmal Belletrist,
Umgehend brächt ich ihn zu hübschen Mädchen,
Ich brächt ihn hin, seis mit Gewalt, mit List,
Und ließ ihn spinnen da sein artig Fädchen.
    Ich wette aber, daß er mir entwischte,
    Sein »Lied der Treue« mir dafür auftischte.

Bei Leibe nicht: das wäre zu entsetzlich!
Da bleib ich lieber doch für mich allein.
Denn seine »Werke« sind nicht sehr ergetzlich,
Die Langeweile gähnt zu viel hinein.
Auch ist mein armes Hirn nicht unverletzlich,
Drum Vorsicht! es erläge sonst der Pein.
    Die Rechnung, bitte. Auf! Ins Stadttheater!
    Sie spielen Tütenmeiers Urgroßvater.

Na schön. In Poggfred endlich sitz ich wieder.
Wie frisch der Morgen nach der lustigen Nacht.
Die schnelle Fahrt. Herrlich, wie auf und nieder
Der Nebel stieg und fiel. Und dann die Pracht
Der Sonne. Und die hellen Lerchenlieder.
Die haben mich ins alte Gleis gebracht.
    Ausleben, Mensch! Ausleben, ungemessen!
    Doch sollst du nie den Lebensernst vergessen.

Der Ernst des Lebens. Furchtbar ist sein Schweigen,
Wie starrt es dich aus allen Ecken an:
Dein läppisch Tun, dein feiges Niedersteigen
In Schlamm und Schmutz, der roh dich überrann.
Bleib aufrecht, daß sie nicht mit Fingern zeigen:
Seht den! er ist nicht mehr sein Steuermann.
    Gib Acht! Besinne dich! Trag deine Stirne
    So unbefleckbar wie die Gletscherfirne.

Doch wir sind Menschen. Und von neuem fallen
Wir von der eisigen Höhe immerfort
Zurück ins Tal in arge Pantherkrallen.
Ach, dieser Pantherkrallen sanfter Mord.
Hörst du der Bestie Wutgeschrei verhallen?
Du kämpftest, siegtest! und den Schreckensort
    Verläßt du, aufstrebend in reine Sphären.
    Wie lange wird dein Aufenthalt dort währen?

Wahrhaftig! meine Trägheit ist bezwungen.
Du, Fraueuzimmer du, was willst du denn?
Ein Ritter, hab ich frisch mit dir gerungen.
Gehörst du, Muse, zu den Furien?
Na, meinetwegen! Also losgesungen!
Womit willst du mich heut belästigen?
    »Ein Deich, ein Abschied, Sintflut, Erdenruhe,
    Zuletzt zwei kleine Kinderfausthandschuhe.«

Lautlose Stille drückt den Meeresspiegel,
Der unabsehbar, Hochflut, vor mir gleißt,
Worin sich, wie in ungeheuerm Tiegel,
Flüssig Metall zu weißem Schilde schweißt.
Die Sonne hängt, ein großes goldnes Siegel,
Am Himmel und verwahrt den Großen Geist.
    Am Abend schmilzt sie in die See hinab,
    Dann drückt der Mond sein Petschaft auf ihr Grab.

Ich stehe auf dem Winterdeich und schaue
Auf diesen grenzenlosen toten Frieden,
Und schau hinauf ins unbegrenzt Blaue,
Wo Zeus einst runterschmiß die Titaniden;
Ich hätt es ansehn mögen, dies Gehaue,
Das war gewiß kein einfach Seifensieden.
    Mein Auge wendet sich ins Inselland
    Und wird durch einen Eilwagen gebannt.

Er fährt in grader Linie auf mich her,
Auf klinkerhartem Wege rollt sichs gut;
Ah, à la d'Aumont! Vornehm! »aber sehr«!
Die raschen Pferde sind von edelm Blut.
Das glitzert wie ein Diamantenmeer:
Geschirr und Schecken, Speichen, Hut und Glut.
    Ein Dämchen lehnt sich in den Sitz bequem,
    Ihr weißes Spitzenkleid ist ein Poem.

Noch immer steh ich auf der breiten Krone,
Der Viererzug kommt näher, näher, hält;
Hält unter mir. Ich steige wie vom Throne,
Und starre, stiere. Ist mein Blick verstellt?
Ein Märchen? Ob ich in Golkonda wohne?
Ja, Mädchen, du? Woher in aller Welt?
    Sie springt heraus, eh ich mich noch besann;
    Weit unterwegs ist schon das Viergespann.

Wir gehen beide auf den Deich nach oben,
Langsam, ich hab sie fast hinaufgetragen,
Und stehen tief in Seligkeiten droben
Und fühlen sprachlos unsre Herzen schlagen.
Da spricht sie traurig, sommerglanzumwoben:
»Ich muß für immer Lebewohl dir sagen.«
    Ich schwieg. Dies Wort entschied mein ganz Geschick.
    Noch seh ich ihren langen Schmerzensblick.

Einst schenkt ich ein Paar kleine Fausthandschuh
Aus Mitleid einem frierenden Bettlerkinde,
Und hörte lächelnd seinem Stammeln zu
Im eisigen Dezemberweihnachtswinde.
O dieses Kindes Himmelsblick! O du,
O hätt ich so von dir ein Angebinde,
    Mit solchen Augen, solchem Wimpernsaum,
    Von dir, von dir solch einen Unschuldstraum.

Sie löste sich von mir mit bangen Händen,
Ich hob die Stirn und starrte in die Weiten.
Da seh ich einen Kahn mit schwarzen Wänden,
Ein schweres Elbfahrzeug durchs Wasser gleiten.
Ganz ruhig schwamm es in den Glitzerbränden,
Delphine spielten ihm zu beiden Seiten.
    Es war so breit wie eine Kohlenschute
    In Hafenstädten auf der Speicherroute.

Plump, ungeschickt, aus düsterm Stamm gezimmert.
Zwölf ernste Rudrer schlugen gleichen Schlag
In langen Pausen. Wie das leise wimmert.
Ein hagrer Mann, der Führer, stand am Stag,
Ein wenig hat sein gelber Bart geflimmert,
Und schaute finster in den holden Tag.
    Ein Taburett prunkt hinten, ein Geviert,
    Mit blauem Band und Goldquasten verziert.

Der finstre Mann steigt aus, und an die Hand
Nimmt er mein Alles, führt sie in den Prahm,
Und gibt Befehle. Und er stößt vom Strand.
Ich will ihr nach, nach! ich bin gliederlahm,
Ich bin gebunden wie mit Hexenband,
Ich bin betäubt, zerknirscht von Scham und Gram.
    Indessen währt die Fahrt, ein Trauerzug,
    Der mir das Liebste in die Ferne trug.

Aus all dem dunklen Holz, aus Bank und Bord,
Aus jenen dreizehn nächtigen Gesellen,
Erglänzt sie mir auf ihrem Sessel dort.
Der rote Schirm, das weiße Kleid erhellen
Um sie den Platz wie einen Gnadenort;
Der Zephyr schickt ihr seine Fächerwellen.
    Die dreizehn ziehen klagsingend die Bahn;
    Klar, glockenrein liegt drüber ihr Sopran.

Sie schwindet. Und wo Meer und Himmel sich
Verbinden, klingt noch immer der Gesang
Von ihr, von ihr! und klingt so feierlich,
Bis auch der letzte liebe Ton verklang.
Nun spielt ein Wellchen, hart am Uferstrich,
Das flüsternd, fein am Deichring klatscht entlang.
    Ich fiel ins Gras und barg mein Angesicht,
    Mir schwanden Sonnenlicht und Sinnenlicht.

                      Als ich erwachte, ging die Mitternacht,
Nicht Sterne waren, nicht der Mond zu sehn,
Und eine Schwüle lag mit starker Macht.

Ich sah mich um: Seltsames muß geschehn:
Es zuckten Flämmchen auf der See, wie Lichter,
Wie Irrlichter, bald kommend, bald im Gehn.

Wie Oriflammen, lebende, bald dichter,
Bald weiter von einander, sprangen, schossen
Sie in die Höh, bald umgekehrt wie Trichter.

Sind sie verwesten Seeblumen entsprossen?
Nun teilen sie sich ab in gleiche Räume,
Gestickt ins Meer, und treiben ihre Possen.

Die See gerät in leichte Wirbelschäume.
Ganz unvermittelt ist es Tag geworden,
Ein einziger Blitz zerriß die Nebelsäume.

Von Süden kam er her und fuhr nach Norden,
Und plötzlich drang die Sonne prall und grell
Heraus, als wollt sie mir die Augen morden.

Und heult es nicht von fern her wie Gebell?
Ein böser Sturm stößt wütend in die Wogen
Und schimpft und zetert wie ein Zaungesell.

Und ein Koloß von Welle kommt gezogen,
In einer Länge, turmgroß, und die Kralle
Fällt nicht, bleibt immer gleichmäßig gebogen.

Hoch über diesem ungeheuern Schwalle
Hob in der Mitte sich ein Drachentier,
Mit endlos dünnem Hals, voll Gift und Galle.

Im offnen Entenschnabel prahlt die Zier
Gräßlicher Zähne. Seine Vipernzunge
Streckt sich heraus mit mörderlicher Gier.

Am Deiche hebt die Welle sich im Schwunge,
Und stürzt und platzt, und nieder kracht der Lurch
Und bäumt sich noch einmal zum letzten Sprunge

Und reißt mein Schleswig-Holstein mittendurch.

Wo schwimm ich denn? In welchem wilden Wasser?
Ich seh ein bergig Eiland, schroff und klein:
Da muß ich hin, ich armer pudelnasser.

Da steht ein hoher Turmbau, ganz allein;
Gewaltig ragt er auf im festen Land
Und spottet der Zerstörung, Stein auf Stein.

Als triefend ich erstiegen Sand und Strand,
Erreich ich ihn, der Weg war nicht zu weit,
Und dring ins Tor, wo ich viel Menschen fand.

Die retteten sich aus der Flüssigkeit;
Juristen warens, Büttel und Minister,
Die fanden hier selbst noch zum »Schreiben« Zeit.

Erlasse wurden aufgesetzt, Register
Und Titel angelegt: »Es hat die Flut
Sich nunmehr zu sistieren!« Thank you, Mister!

Das Wasser aber dachte absolut.
Zuletzt schrieb ein Kanzleirat: »Nunmehr hat –«
Da hat beim Wickel ihn die Wogenwut.

Hinweg, hinweg! Wo ist ein Ararat!

Und wieder schwimm ich, dräng ich mich durch Leichen,
Durch Trümmer jeder Art, die mich umringen,
Um endlich sichern Boden zu erreichen.

Ich kämpfe, kämpfe. Zu! Es muß gelingen!
Und meine Rechte greift nach Weidenzweigen,
Ich kann den Fuß auf eine Insel schwingen.

Ein dichter Nadelwald mit vielen Steigen
Empfängt mich. Mühsam kletter ich hinan
Die Höhen, die sich bucklig vor mir zeigen.

Rings, überall ein einziger großer Tann.
Darin stieß ich auf eine Pyramide;
Die hat gebaut der älteste Tyrann.

Würfel auf Würfel! Fest, wie Glied zu Gliede,
Nach oben sich verjüngend, treppengleich,
Und auf der höchsten Stufe wohnt der Friede.

Ich überblickte bald mein Marmorreich,
Ich konnte auf die Wipfel niederschauen,
Ein ausgedehntes Föhrenwälderreich.

Fern drüberweg sah ich die Wasser grauen,
Die langsam steigen, enger mich umschweifen;
Neptun hält mich in seinen feuchten Klauen.

Die Abenddämmrung kam. Hellgelbe Streifen
Säumten den Horizont. Ein Adler flog
Und setzte sich zu mir, ganz nah, zum greifen.

Wie sich der Königsvogel an mich bog!
Ich sollte meinen Mut nicht sinken lassen!
Die Nacht brach an, ein stummer Nekrolog.

Jetzt will ein einziger Brand die Welt umfassen.
Wild lohte eine Feuersbrunst empor,
Beleckte fast schon meine Steinterrassen.

Wer steht denn neben mir? zischt mir ins Ohr:
»Hat diese Plattform nicht für dreie Platz?«
Es ist Freund Hein; er grüßt und neigt sich vor

Und nennt die Sintflut eine Hasenhatz,
Sein Knochenfinger zeigt nach einer Stelle,
Und höhnisch klingt das Wort des Nimmersatts:

»Siehst du Atlantis tauchen in die Welle?«
Und Tod und Adler schwanden in die Glut.
Da kam, wie letzter Trost, die Morgenhelle.

Ich stand allein in dieser Höllenwut,
Nur sang ihr Lied auf einer Tannenspitze
Froh eine Drossel, wie in treuster Hut.

Um mich: Qualm, Strudel, Blasen, Gischt und Blitze.

Wohin, wohin mich wenden? Ich bin matt.
Da steur ich einem Felsen zu im Schaume.
Find ich hier endlich eine Ruhestatt?

Scheu halt ich Umschau vor dem engen Raume:
Auf einer Seite kämpften zwei Athleten,
Zwei Löwen würgten sich am andern Saume.

Auf eine Schlange wär ich fast getreten;
Die bog sich über eine Zacke nieder
Und schlang die Löwen erst, dann die Athleten.

Und wieder stürzt ich mich ins Meer, schwamm wieder,
Und landete auf einem öden Fleck,
Und reckte, streckte meine müden Glieder.

Zwei Menschen standen da in Tang und Dreck,
Die balgten sich um einen Affenknochen,
Mir wollte der Verstand stillstehn vor Schreck.

Es war um mich geschehn, wenn sie mich rochen.
Ein König war es, und ein Bettelmann,
Dem faul die Läuse durch den Schafspelz krochen.

Nun hielt der Hunger beide gleich im Bann;
Sie packten, schlugen sich auf Tod und Leben,
Daß mir der Frost durch alle Rippen rann.

Ich konnte mich vor Angst nicht mehr erheben,
Und fiel zurück und wurde lakenbleich,
Und wollte in mein Schicksal mich ergeben.

Vor meine Sinne schoß ein Farbenreich.
War ich auf tiefsten Meeresgrund gesunken?
Lieg ich in Algen eingebettet, weich?

Rochen beschnüffeln mich, Polyp und Unken,
Ein Haifisch schnappt nach mir, ich bin verloren.
Wo bin ich? Bin ich tot? Ich bin ertrunken.

Da schimmert was! Es saust mir in den Ohren!
Wie eine Blase wirbl ich hoch im Teich,
Und fühle lebend mich, wie neugeboren.

Es zieht die Kraft mich in ihr Eisenreich;
Die Höhen blinken, wo die Tiefe lag.
Ich wache auf, und lieg im Gras am Deich

An einem göttlich schönen Maientag,
Wo keiner denkt an Tod und Friedhofsruhe:
O Blütenschmelz, o Sonne, Finkenschlag!

Ach, Friede, Friede, Freude, Erdenruhe.

              Ich bin ein Spökenkieker, das muß wahr sein;
An meiner Küste trifft sich das zuweilen.
Ich schau ins offne Meer, die Luft muß klar sein,
Da seh ich wunderbare Segel eilen.
Und wer nicht mit mir fühlt, muß ein Barbar sein;
Ich kann ihn nicht von seiner Prosa heilen.
    Halloh! Schon wieder Stanzenwäscherei?
    Hol doch der Teufel diese Drescherei.

An einem solchen schönen Frühlingsmorgen
Stand ich schon einmal hier an dieser Stelle.
Ich war noch jung, ich hatte keine Sorgen,
Für meine Schulden gab es eine Quelle:
Mein alter Levy mochte gern mir borgen.
Wie war ich oft in seiner Wechslerzelle.
    Er liegt in Mainz, in Gott ruhend, begraben;
    Ich hatte wirklich gern den alten Knaben.

Es war der herrlichste der Frühlingstage,
Der wunderlieblich die Schalmeien blies.
Es bleibt mir, ich beschwör es, keine Frage:
So denk ich mir das erste Paradies:
Noch fehlen Wunsch und Schmerz und Pein und Klage,
Noch fehlen Flinte, Tomahawk und Spieß,
    Noch lieben Hund und Katze sich herzinnig,
    Beim Lämmchen wohnt der Löwe biedersinnig.

Ich stützte mich auf meinen Stock und schaute
Auf diese schrankenlose Ozeanstille:
Kein Vögelchen, das sich zu fliegen traute,
Kaum wagt im Grase ihr Gezirp die Grille.
Da: hör ich recht? Ganz fern, wie Geisterlaute:
Kommen Najaden? Eine Meeridylle?
    Ich sperre Mund auf, Augen auf und Ohr,
    Und biege atemlos zur See mich vor.

(Chorgesang:)
    Es klingt ein Knabenchor weither, weither,
    Wohl über tiefe, tiefe Stromesbreiten;
    Die Wikingharfe rauscht weither, weither
    Erinnerung aus alten, alten Zeiten.
    Doch Dein Gesang, hoch her, weither, weither,
    Schwebt über Harfenton und Chor und Saiten.
    Das Alles zieht, schwellend, weither, weither,
    Wohl über stille, stille Wasserweiten.
Und näher schwillts. Und aus der Ferne graut:
Ein Schiff? Taucht eine Muschel auf? Ein Floß?
Ein Thron aus Laub und Rosen aufgebaut,
Voran fliegt königlich ein Albatros.
Inmitten, nackend, steht die schönste Braut,
Umringt von Amors Troß und Tulpensproß.
    So naht sich, immer singend, mir der Zug,
    Der zierlich meine heiße Sehnsucht trug.

Sie steigt, allein, ans Land und überreicht
Zwei Winter-Kinderfausthandschuhe mir,
Und lächelnd spricht sie und verneigt sich leicht:
»Dies letzte Angebinde schenk ich dir.«
Und wendet sich und geht, ich bin erbleicht,
Und tritt an Bord in ihre Blumenzier.
    Die Fausthandschuhchen kosten grad drei Groschen;
    Ob sie das sagte, ist in mir erloschen.

(Chorgesang:)
    Es klingt ein Knabenchor fernhin, fernhin,
    Wohl über tiefe, tiefe Stromesbreiten;
    Die Wikingharfe rauscht fernhin, fernhin
    Erinnerung aus alten, alten Zeiten.
    Doch Dein Gesang, hoch her, hoch hin, fernhin,
    Schwebt über Harfenton und Chor und Saiten.
    Das Alles schwindet, zieht fernhin, fernhin,
    Wohl über stille, stille Wasserweiten . . .
Ich bitt dich, Muse, olles Frauenzimmer,
Bist du zufrieden? He? Dann laß mich los!
Das ist ja Alles fades Versgewimmer,
Mir steckt im Hals ein großer Strophenkloß.
Entläßt du jetzt nicht deinen Stanzenschwimmer,
Dann werd ich endlich wirklich fuchsfurios.
    Hurrje, mir tropft der Schweiß von Stirn und Haaren.
    Den Wagen vor! Ich will nach Hamburg fahren.

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