Detlev von Liliencron
Poggfred
Detlev von Liliencron

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenter Kantus: Unheilstage und Heilige Nacht.

Motto:

Es legt das Dunkel sich in meine Hände,
als ob es Zuflucht suchte und nun fände:
zu Sternen heb ich meinen sichern Blick.

Richard Dehmel.

              Es strömt die Flut aus der Unendlichkeit;
Das Wasser wächst, es zieht zu Tal und Gründen,
Begießt das Land, so breit es kann, so weit,
Um in die Gräben trockner Marsch zu münden,
So hoch es kann, sich in Vermessenheit
Mit Bergeshaupt als Sintflut zu verbünden.
    Kein Wind, kein Wetter hält die Urkraft auf,
    Kein Wind, kein Wetter hindert ihren Lauf.

Es hat den Höhepunkt erreicht. Es sinkt
Und drängt und treibt zurück. Die Wasser ebben,
Bis die Unendlichkeit sie wieder trinkt.
Aus fernsten Bächen, vom Gebirge schleppen
Sich Stein, Geröll und Schutt, die Sandbank blinkt;
Es fallen, heben sich verschlammte Steppen.
    Kein Wind, kein Wetter hält die Urkraft auf,
    Kein Wind, kein Wetter hindert ihren Lauf.

Es schwillt und wächst, es ebbt das Menschenleben,
Ein Tag bei jedem ist die höchste Flut;
Dein ehern Schicksal hat ihn dir gegeben,
Den Tag, und unaufhaltsam muß dein Blut
Den Weg zurück. Dir hilft kein Widerstreben,
Du siehst die letzte Sonnenabendglut,
    Ob hundert Jahre dir der Himmel sandte,
    Ob eine Stunde nur dein Flämmlein brannte.

Und ja: was flutet und was ebbt nicht immer?
Dein Herz vor allem ist der Tummelplatz,
Wo auf und ab, in Angst und Hoffnungsschimmer,
Im Schwerschritt bald, und bald im Freudensatz,
Der Wechsel ewig macht den Seelenstimmer,
Der Wechsel Ruhe zeitigt oder Hatz.
    Im Hin und Her rinnt deines Herzens Blut,
    Im Hin und Her verrinnt dein Lebensmut.

Mein Herzblut rann, die Hochflut ist erreicht,
Strom ab: bis meines Lebens letzter Tag
In die Unendlichkeit zurück sich schleicht,
Bis ohne Spur im gierigen Wellenschlag
Auf dunklem Grunde langweilig verbleicht
So vieler reicher Stunden Fruchtertrag.
    Doch Ebb und Flut sind jeden Augenblick
    Noch mein! bis sich gesättigt mein Geschick.

Zwar ist die Lendenkraft nicht mehr so wild;
Des Alters Ruhe, Überlegenheit
Steht lächelnd vor dem furchtbarn Fieberbild,
Das überschoß in Trotz und Brünstigkeit.
Jetzt geh ich durch das herbstliche Gefild,
Ein Segnender, der wirren Welt so weit,
    Daß ich nichts merke mehr von ihrem Rasen;
    Ganz deutlich hör ich ein Nachhauseblasen.

Und doch, noch mächtig strömt zuweilen her
Die große Flotte, die auf meinen Adern
Durchfurcht der Leidenschaften rotes Meer;
Sie kämpft im Einzelkampf und in Geschwadern,
Und entert, trümmert, siegt, sinkt ohne Wehr,
Je nach dem Ausgang, wie sichs trifft beim Hadern.
    Denn Ebb und Flut sind jeden Augenblick
    Noch mein! bis sich gesättigt mein Geschick.

Wir nennens Übergang, wenn schon das Haar
Erbleichen will und dennoch Trieb und Wille
Sich oft gebärden wie ein Jünglingspaar.
Doch ach, rasch aufgesetzt Großvaters Brille,
Und flügellahm wird bald der falsche Aar;
Das Ganze war dann eine Faschingsgrille.
    Wie? Ebb und Flut sind jeden Augenblick
    Noch mein? bis sich gesättigt mein Geschick?

Sie sinds! Dem Satan Dank! Alt ist nur der,
Der andern, sich, sein Alter gern versteckt,
Der immer ist sein eigner Gläubiger,
Mit Angst vor Gram und Grab sich immer schreckt,
Des ewigen Gespenstes Märtyrer,
Das ihm die ekelgrünen Zähne bleckt.
    Fällt mir nicht ein! Ich bleibe frisch und jung
    Und mach durch Feld und Wald noch manchen Sprung.

Wars in Paris, wo ich zuerst sie sah?
Das schöne Mädchen mit den Dulderaugen?
Wild riefen meine Sinne gleich Hurra,
Die soll zu schnellem Liebesspiel mir taugen.
Allein ich war ihr nur soso lala,
Sie mochte nicht aus meinem Becher saugen,
    Den ich mit Weinlaub ihr entgegen hielt;
    Sie hat mich halb verächtlich angeschielt.

Ein Zufall wars, ein kleiner Scherz, nichts weiter,
Daß meine Freunde ihr nachher verrieten,
Ich sei, wirklich, Salto-mortale-Reiter,
Der seinem Namen Rücksicht müsse bieten,
Mit meiner Sippe deshalb ein Entzweiter,
Sonst aber reich versehn mit Geldkrediten;
    Sie wüßten das aus ganz bestimmter Quelle,
    Nur augenblicklich hätt ich keine »Stelle«.

Ich lachte, als ich das von jenen hörte;
Nicht grad genehm wars mir, doch ließ ichs gelten,
Als ich bemerkte, daß sies nicht empörte.
Im Gegenteil, ich schien aus andern Welten
Ihr nun zu sein, an dem sie nichts mehr störte;
So kams, daß wir uns ziemlich rasch gesellten.
    Den Weibern ist ein »Künstleehr« immer echt,
    Und kommt er aus dem Zirkus, dann erst recht.

Ists wunderbar? Je leerer solch ein Fant,
Je länger er die Locken trägt, die Nägel,
Tenort er »himmlisch« nur, schwatzt Zuckerkand,
Und ist er auch dabei der größte Flegel,
Sie sind dann bis zur Wut in ihn verrannt;
Wo bleiben Schopenhauer, Kant und Hegel!
    Verrückt macht sie der dümmste Pianist,
    Hat er nur Haar und Hände wie Franz Liszt.

Ich wußte meine Rolle gut zu fassen,
Ich lehrte reiten sie auf meinen Pferden,
Und brauchte bald nicht ängstlich aufzupassen,
Sie konnt allein schon mit sich fertig werden;
Als käm sie aus dem Lande der Zirkassen,
Saß sie im Sattel wie auf Mutter Erden.
    Sie überritt des Teufels Knickebein;
    Talent zum Reiten muß geboren sein.

Mein »Honorar« war holder Liebeslohn.
Nachts, durch ein Pförtchen, fand ich einen Garten,
Stets säuselt dort ein Äolsharfenton,
Und niemals ließ sie lange auf sich warten;
Dann saß ich bei ihr unterm Gnadenthron,
Um den sich tausend Amoretten scharten.
    Die Pforte und den Garten werd ich nie
    Vergessen. Manon? Hm, comme ça comme çi.

Nur eines machte Sorge mir zuweilen:
Sie ritt zu toll, ihr gabs kein Hindernis,
Sie schien den eingeholten Sturm zu speilen,
Der Blitz war gegen sie ein Schattenriß,
So blendend, o entzückend, war ihr Pfeilen.
So sehr ich krauser Stirn mich auch befliß,
    Was konnt ich machen? doch als Feigling nicht
    Vor ihr erscheinen? als ein Leichenlicht?

Es war ein Wintertag, der Märzschnee schmolz,
Und an den nackten, schwarzen Stämmen rann
Die Feuchtigkeit und malte grün das Holz.
Schon wäscht und koppelt Freya ihr Gespann,
Die ersten Frühlingsfahnen flattern stolz,
An Baum und Pflänzchen putzt der Wurzelmann.
    Erstaunt erwachen Fledermaus und Kröten,
    Die Knaben schnitzen erste Weidenflöten.

An solchem Tage ritten wir zu zweit,
Die Whiteheartstute sie, ich meinen Senner,
Den Sennerhengst Lippspringe. Weit und breit
Gab unsern Pferden ersten Preis der Kenner.
Wir trabten. Zwischen beiden schien ein Streit,
Wer wohl von ihnen sei der beste Renner.
    Flach ausgefächert lag vor uns das Land,
    Ein linder Wind fängt Manons Nackenband.

Fern zieht der Fluß, er treibt mit großen Schollen;
Grad auf ihn zu geht unser starker Trab,
Wir wollen wenden, aber was heißt wollen!
Die Tiere schrammen ab: Lebwohl, schab ab!
Hengst, Stute legen sich ins Zeug und tollen,
Es breitet sich vor uns das nasse Grab.
    Mit letzter Kraft versuchen wir zu hemmen,
    Mit aller Macht die Gäule abzuklemmen.

Vergebens! Ehe die Sekunde sich
Erneut, ein Sprung, klatsch, sind wir drin im Fluß.
Uns, unsern Rossen reißt sich fürchterlich
Das Eis ins Fleisch; der greulich kalte Guß
Sticht, schneidet uns wie Dolch und Messerstich,
Der niederträchtigste Willkommenskuß.
    Die Vorderhufe schlagen immer wieder
    Sich Bahn. Umsonst. Es zieht Neptun sie nieder.

Noch immer weiter arbeitet der Huf,
Auf morscher Decke festen Halt zu fassen
Wo knirschend sich das Treibeis Türme schuf
Und sich zu Mauern schob und festen Gassen;
Von neuem brichts! Weithin schallt unser Ruf,
Der Trost des Echos selbst hat uns verlassen.
    Die Krähen nur, die äsend mit uns trieben,
    Sind mürrisch, flügelplump, uns treu geblieben.

Wir konnten zu einander nicht gelangen,
Es dehnt sich mehr und mehr der Zwischenraum.
Ich sehe Manon mit schneeweißen Wangen,
Sie hält sich noch im Sattel und am Zaum,
Da sinkt sie, von den Wogen aufgefangen;
Aus Schlamm und Schilfgrund steigt ein schwarzer Schaum.
    Mein Hengst drängt sich ans Ufer, klettert, trieft,
    Und steht, und meine Rettung ist verbrieft.

Zwölf Ellen weit von mir ringt noch die Stute,
Erkämpft die Küste, rückenleer, und zittert,
Und schüttelt sich, als stünde sie im Blute,
Und jagt kopfhoch, die offne Nüster wittert,
Und jagt landein mit wagerechter Rute.
Es blitzt, ein erster Frühlingsdonner knittert,
    Zerreißt den Wolkenflor. Ein Märzgebet,
    Steht rings die Welt mit Veilchen übersät.

Ja, ja, »das sind so Sachen, sind so Sachen«.
Abscheulich, daß der nimmersatte Tod
Dazwischen kommt mit seinem Haifischrachen.
Und doch, er macht den Schluß von aller Not;
Er schleift, gutmütig ist dabei sein Lachen,
Uns in sein Endreich aus dem Erdenkot.
    Da fällt vom Tod mir noch ein Liedchen ein;
    Poetisch ist er stets, Hans Klapperbein.

Ein Kaufmann, der sich dreißig Jahr gequält,
Muß immer wieder in den Schlamm zurück,
Ein Selbstmann ists, der Sturm hat ihn gestählt;
Er klettert immer wieder Stück um Stück,
Bis er sich endlich zu den Reichsten zählt,
Bis seiner Klugheit sich gesellt das Glück.
    Da denkt an Frieden er und häuslich Leben,
    Sieht sich verwundert um in Hatz und Streben.

Behaglich richtet er ein Haus sich ein,
Er nimmt ein Weib, vortrefflich war die Wahl.
Wie mundet nun der selbstbezahlte Wein;
Gastfreundschaft schmückt ihm seinen hohen Saal.
Er kann, aufatmend, darf sein eigen sein,
Den Gästen schwingt er fröhlich den Pokal:
    Seht, endlich will ich meine Glieder strecken,
    Durch eigne Kraft mit Seide mich bedecken.

An ferner Küste hat er noch zu tun,
Zum letztenmal muß er die Koffer packen;
Dann will er endlich von der Arbeit ruhn,
Sich nicht mehr mit Geschäftsabschlüssen placken,
Dann schüttelt er den Staub sich von den Schuhn
Und lüftet sich das Hemd am straffen Nacken.
    In froher Hoffnung auf den ersten Erben
    Verläßt er Weib und Haus, Geschirr und Scherben.

Leicht ist getan, weshalb er ferne weilt:
Gold fließt zu Gold, er rafft den Schatz zusammen.
Ein Drahtbericht hat plötzlich ihn ereilt,
Sein Herz schlägt laut, die Stirn steht ihm in Flammen.
Hurra, ein Sohn! Den hat mir Gott erteilt!
Ein weit Geschlecht wird von mir niederstammen.
    Er mietet sich den neusten Hochseedampfer,
    Frech durch den Ozean furcht der Wogenstampfer.

Ists auf dem Mississippi eine Wette?
Gilts Tod und Leben, wer der Sieger ist?
Zur Höllenglut heizt er die Kesselstätte,
Daß sie die Haut vom Leib den Trimmern frißt.
Vorsicht? Ah was! bald klirrt die Ankerkette,
Dann streut er Trinkgeld, er ist Weltgrossist.
    Der Blitzer schießt durch Zephyr und Teifun,
    Er übertrumpft das schnellste Wasserhuhn.

Im Buge steht der Großkaufmann und starrt
Den Wellenwirrwarr an, der ab und auf
Und auf und ab das Schiff umlärmend narrt
Und zischend spritzt bis an den Mastenknauf.
Die Planke kracht in ihren Fugen, knarrt,
Und nimmt doch immer ihren sichern Lauf.
    Die Sonne über ihm und Mond und Sterne
    Verändern sich und tauchen in die Ferne.

Ein erster blasser Ufersaum, ein Strand
Wird sichtbar, immer sanfter weht der Wind.
Wenige Stunden, und er ist an Land
Und wird, ans Herz gepreßt sein erstes Kind,
Der Mutter dankbar küssen Mund und Hand,
Glückselig, wie die lieben Seligen sind.
    Kaum hälts ihn ab, den Sprung in See zu wagen,
    Um Heim und Herd noch rascher zu erjagen.

Endlich! Ein Wagen reißt ihn fort nach Haus,
An einem Blumenladen läßt er halten:
Zwei Rosen, vorwärts! zerrt er sich heraus,
Ein Zwanzigmarkstück für den Gärtner-Alten.
Zu, Kutscher! Vorwärts! Mit dem schönen Strauß
Vorwärts, daß links und rechts die Menschen prallten.
    Vor seiner Villa hält der Wagen an,
    So kurz: es bäumt sich knirschend das Gespann.

Ein Diener zeigt sich, neigt sich, steht verstört.
Sein Herr drängt ihn beiseite, stürmt die Türen,
Ruft, sieht sich um: hat keiner mich gehört?
Ruft noch einmal, kein Leben ist zu spüren.
Herrgott, was hat sich gegen ihn empört,
Was will ihm heimtückisch die Kehle schnüren?
    Das Haus wie ausgestorben, wie verlassen:
    Mein Weib! Mein Kind! Er fühlt sein Blut erblassen.

Er stößt den Saal auf! Da: im Sarge liegen,
Im offnen, seine Lieben, weiß gekleidet,
Starr, still in Blumen; an einander schmiegen
Sich Kind und Mutter – wie er sie beneidet.
Er nähert sich. Er kniet. Hsch. Hsch. Verschwiegen
Küßt er sie zärtlich, seufzt tief auf, und scheidet,
    Und hat die beiden Rosen noch geschenkt;
    Dann hat er schluchzend sie ins Grab gesenkt.

Ja, ja, »das sind so Sachen, sind so Sachen.«
Doch nun genug von Sorge, Qual und Pein;
Wir wollen wieder lustig sein und lachen.
Zerrissen ist der Schuldentilgungsschein,
Bezahlt ist alles; weg die Rechnungsdrachen!
Wir hatten heute grenzenloses Schwein:
    Denn neunmalhundertneunzigtausend Pfund
    Vermachte mir ein Freund aus Trapezunt.

In Poggfred bin ich, Schnee liegt rings umher,
Der Weihnachtsabend ist herangekommen;
Ein voller Wagen hält geschenkeschwer,
Für viele Kinder ist er angekommen.
Zu unsrer Freude und des Christkinds Ehr
Ist über Bethlehem der Stern entglommen.
    Fern aus den Wäldern klingt ein leiser Sang,
    Der klingt so süß, der klingt so liebebang:

            »Es ist ein Reis entsprungen
            Aus einer Wurzel zart;
            Wie uns die Alten sungen,
            Von Jesse kam die Art.
            Und hat ein Blümlein bracht
            Mitten im kalten Winter
            Wohl zu der halben Nacht.«

Aus meinen Forsten einen Tannenbaum
So mächtiggroß wie möglich ließ ich bringen;
Dann schufen Bertouch, ich, den Wintertraum
Und ließen alles prächtig wohlgelingen.
Ein Honigkuchenruch durchzieht den Raum,
Die Tische sind bedeckt mit bunten Dingen.
    Die Kerzen leuchten, und die Glocke tönt;
    Herein, herein! hier ist die Welt versöhnt.

Ich hatte weit das Völkchen holen lassen,
Aus Tagelöhnerkaten, Haidehütten,
Die scheuen Kleinen aus den dürftigen Klassen,
Der Waschfrau kränklich Kind von dunstigen Bütten:
Sie alle soll die Liebe heut umfassen,
Sie alle soll die Fülle heut umschütten.
    Ich selber nahm aus dem befangnen Schwarm
    Ein lütt Zigeunermädel auf den Arm.

Halbjährig ist das Wurm, sie trappelt, trampelt;
Die braunen Händchen zittern, langen, greifen.
Sie macht ein Karpfenmäulchen, strappelt, strampelt;
Und wie erstaunt die schwarzen Augen schweifen,
Heb ich sie lichterhoch! Und wie sie ampelt!
Ho, jemine, kann schon ihr Finger kneifen!
    Sie kreischt vor Lust, das war ihr erstes Juchzen;
    Du, Dirnlein, käm dir später nie das Schluchzen.

Ach, schenken, schenken, könnt ich immer schenken!
Und lindern, wo die Not, die Armut haust.
Und braucht ich nie mein Geld erst zu bedenken,
Wo ein Verzweifelter den Bart sich zaust.
Und könnt ich alle Krämerhälse henken:
Pfeffer in euern Schlund! und meine Faust!
    Könnt Allen ich ein Tannenreis entzünden:
    Seid froh, vergeßt für immer eure Sünden!

Ist das ein Durcheinander: wie sie spielen
Und schleppen, ziehn, trompeten, trommeln, geigen.
Beschwert sind Stühle, Sofa, Teppich, Dielen;
Ein jedes schirmt und schützt für sich sein Eigen.
Mariechen, oh, seh ich nach Ännchen schielen,
Ei, ei! Doch wer kommt da? Und tiefes Schweigen:
    Ein Engel mit gesenkten weißen Flügeln,
    Der flog wohl eben her von Gottes Hügeln.

            Seht! der jetzt hier vor euch steht,
Ist ein Engel aus dem Himmel,
Von den Sternen hergeweht,
Ach, ins irdische Gewimmel.

Mit Knecht Ruprecht ging ich viel
Vor den schönen Christkindtagen;
Immer neu war unser Ziel,
Seinen Rucksack half ich tragen.

Unsrer Gaben Fülle lag
Fest verschlossen in Verstecken,
Daß nicht vor dem Jesustag
Naseweischen sie entdecken.

Ein Klein-Lottchen konnt ich sehn,
Mit dem Brüderchen, dem Fritzen:
Suchten emsig auf den Zehn
Schlüsselloch und Türenritzen.

Kinder, ward der alte Mann
Böse, zeigte schon die Rute!
Doch ich sprach ihn freundlich an,
Bis ihm wieder lieb zumute.

Und nun trägt vom hellen Baum
Jeder seinen Schatz in Händen,
Und er läßt sich selbst im Traum
Die Geschenke nicht entwenden.

Ganz besonders diesmal fand
Märchenbuch ich und Geschichten;
Denn ich kam in jenes Land,
Wo die Menschen alle dichten.

Bleibt ihr artig, kleine Schar,
Wird Knecht Ruprecht an euch denken,
Bringt euch auch im nächsten Jahr
Einen Sack voll von Geschenken.

Und dann steht ihr wie im Traum,
Und von neuem seht ihr wieder
Kerzenglanz und Tannenbaum
Und hört alte Weihnachtslieder.

Die Fenster auf! Der Engel hebt die Hacken,
Langsam erhebt er zu den Sternen sich.
Wir biegen unsre Köpfe in den Nacken,
Hoch, höher schwebt er, silberweiß; ein Strich
Verschimmert an des Mondes Sichelzacken,
Die ganze Erde ruht nun feierlich.
    Aus Poggfreds Wäldern, rings, wie Friedensklang
    Klingt wunderbar ein Knabenzwiegesang:
Sanctu Dominus Deus Sabaoth,
Pleni sunt coeli et terra gloria tua,
Hosianna in excelsis!

 << zurück weiter >>