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Sie würden es für immer gewesen sein, wenn er nicht etwa acht Tage später – und ebenfalls beim Nachhausekommen – auf einer der Bänke, die am Rande des kleinen Gehölzes jenseits der Straße in regelmäßigen Abständen aufgestellt waren (und zwar auf der, die seinem Hause am nächsten und ihm schräg gegenüber stand), eine Gestalt hätte sitzen sehen, in der er den jungen Mann, der ihm in der letzten Woche mehrere Male hier begegnet war, wiederzuerkennen glaubte. Es geschah selten, daß die Bänke um diese Jahreszeit schon benutzt wurden. Es war noch recht kühl, und der Frühling ließ sich in diesem Jahre besonders schlecht an. Fremde Spaziergänger kamen fast nie in diese abgelegene Gegend, und die hier Wohnenden hatten sich so daran gewöhnt, diese Anlagen als zu ihren Häusern und daher gewissermaßen ihnen allein gehörig zu betrachten, daß unbekannte Personen, die sich hierher verirrten, auffallen mußten.
Was also einen Menschen bewegen konnte, sich an einem so kühlen und feuchten Tage, wie dem heutigen, auf einer der Ränke niederzulassen, war auf den ersten Blick hin unverständlich und konnte seinen Grund nur in einem vorübergehenden Unwohlsein oder großer Übermüdung haben. Wenn keine Absicht vorlag. Aber welcher Art sollte diese wohl sein? – Einbrecher, die nach einer Gelegenheit suchten, die Gegend auszuspionieren, fingen es wohl anders und auf weniger plumpe Weise an. Nach einem solchen sah dieser junge Mensch auf der Bank dort drüben auch gar nicht aus. Daß es jedoch derselbe war, an den er wieder erinnert wurde, darüber war sich Staatsanwalt Sierlin nicht mehr im Zweifel: es war derselbe braune Anzug, derselbe weiche Hut, und es war dieselbe Haltung der in den Seitentaschen vergrabenen Hände. Er blieb, bevor er sein Haus betrat, einen Augenblick stehen, um noch einen zweiten Blick hinüberzuwerfen: ob der dort Sitzende etwa seinerseits zu ihm herübersehen oder aufstehen und weggehen würde. Aber der junge Mann, der dort, nur durch den Fahrdamm und um die halbe Breite der Nebenvilla von ihm getrennt, unter den noch kahlen Bäumen saß, schien ihn auch diesmal nicht gesehen zu haben und auch jetzt noch nicht zu sehen. Sein Gesicht war, soweit es sich auf diese Entfernung erkennen ließ, in die Höhe gewandt, und seine Blicke gingen über die Häuser hinweg und in den Himmel über ihnen. Es war die Haltung eines tief in seine Gedanken Versunkenen, eines seiner Umgebung ganz Entrückten.
Heute ist er früher frei gewesen als ich, sagte sich Staatsanwalt Sierlin, als er die Treppe hinaufstieg, scheint aber noch kein Verlangen zu haben, nach Hause zu kommen, sondern will sich lieber noch die schönste Erkältung holen. Verrückter Kauz! – Und er rief, so zugleich seine Ankunft meldend, wie gewöhnlich nach dem Essen.
Da es nicht gleich kam, während er im Eßzimmer auf die Seinen wartete, trat er noch einen Augenblick ans Fenster und sah hinüber. Der junge Mann saß noch immer dort auf der Bank und in derselben unveränderten Haltung.
Hungrig scheint er auch nicht zu sein. Aber ich bin es! – dachte der ihn Betrachtende weiter. Er trat in das Zimmer zurück, da eben die Suppe aufgetragen wurde.
Er hatte die abermalige Begegnung schon vergessen, als er bei Tisch saß und sich von seiner Frau und seinen Kindern, zwei Knaben im Alter von neun und dreizehn Jahren, die kleinen, aber für sie so wichtigen Neuigkeiten aus Ort und Schule erzählen ließ.
Als er nach der Mahlzeit nochmals an das Fenster trat, diesmal ohne jede Absicht, war die Bank drüben leer. Er bemerkte es nicht.