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Einige Meilen von der Stadt Southampton liegt ein altes Landhaus, das schon seit Jahrhunderten unter dem Namen Madeline-Hall bekannt und im Besitz der Familie de Versely ist. Es ist ein schönes Gebäude, das sich inmitten eines ziemlich großen, hübsch angelegten Parkes befindet und, was noch wichtiger, als Zugehör ungefähr zwölftausend Morgen Landes besitzt. Zur Zeit des Beginnes unserer Geschichte wohnte in genanntem Landhause eine ältliche Jungfrau von Stande, die ehrenwerthe Miß Delmar geheißen – eine Schwester des verstorbenen Lord de Versely und Tante des gegenwärtigen Grafen und eines ehrenwerthen Kapitän Delmar, welcher der zweite Sohn des hingeschiedenen Edelmanns war. Die Liegenschaften gehörten der ehrenwerthen Miß Delmar eigenthümlich an, so daß sie über dieselben für den Fall ihres Abscheidens nach Belieben verfügen konnte.
Der ehrenwerthe Kapitän Delmar befehligte in der Periode, von welcher ich spreche, eine Fregatte, die zu dem sogenannten Kanaldienst bestimmt war. Damit wollte nämlich in jenen Tagen gesagt werden, daß der Kapitän als Parlamentsmitglied im Unterhause saß und für das Ministerium gestimmt hatte; und um seines Votums versichert zu sein, sobald man dessen bedurfte, stach die Fregatte natürlich nie in die See, als etwa während der Parlamentsferien. Indeß muß man zugestehen, daß Seiner Majestät Schiff, der Paragon, doch hin und wieder unter Segel ging und zwei oder drei Tage im Angesichte des Landes hin- und herkreuzte, bis nämlich etwa der Proviantmeister berichtete, die für des Kapitäns Tafel bestimmte Milch sei sauer geworden. Auf eine solche wichtige Kunde hin mußte freilich das Steuer alsbald in Bewegung gesetzt werden, und die Fregatte pflegte in einem so außerordentlichen Nothfalle im nächsten Hafen unter ihrem Lee Anker zu werfen. Da nun der Paragon beständig zu Spithead lag, so machte Kapitän Delmar seiner Tante, die zu Madeline-Hall wohnte, sehr häufige Besuche, und böswillige Leute wollten wissen, es geschehe dieß aus keinem anderen Grunde, als weil die Dame ein so großes Vermögen besaß. Indeß ist doch so viel gewiß, daß der Kapitän oft wochenweise auf dem Landhause blieb, zur großen Freude seiner alten Tante, die ihren Neffen liebte, gewaltig viel auf Aufmerksamkeiten hielt und im Rufe stand, eine besondere Vorliebe gegen Seeleute zu hegen.
Es muß jedoch auch bemerkt werden, daß sich in dem Landhause noch eine andere Person befand, welche den Kapitän gleichfalls liebte, nicht minder große Stücke auf Aufmerksamkeiten hielt, und ebenfalls den Seeleuten nicht abgeneigt war, und diese war Miß Arabella Mason, ein sehr hübsches junges Frauenzimmer von achtzehn Jahren, das beständig in den Spiegel sah – blos um sich zu überzeugen, ob sie je ein Gesicht gesehen habe, das sie ihrem eigenen hätte vorziehen mögen – und nie eine Novelle las, ohne zu bemerken, daß zwischen der Heldin und ihrem hübschen Ich eine merkwürdige Aehnlichkeit stattfinde.
Miß Arabella Mason war die älteste Tochter des Hausmeisters bei dem alten Lord de Versely, dem Bruder der ehrenwerthen Miß Delmar; und besagter Bedienstete stand bei Seiner Herrlichkeit wegen seiner Treue und seinem Geschäftseifer, in dessen Ausübung er auch fiel (denn er wurde beim Holzfällen durch einen auf ihn stürzenden Baum erschlagen), gar hoch. Seine lebende Hinterlassenschaft bestand aus einer Wittwe und zwei Töchtern, und es geht die Sage, daß Mrs. Mason sich den Todesfall ihres Gatten nicht sehr zu Herzen nahm, da derselbe etwas gar zu vorsichtig mit seinen Ersparnissen umzugehen pflegte. Indeß bestätigte Mrs. Mason diese Angabe nicht, da sie im Gegentheil stets arm zu sein behauptete, und nach Lord de Versely's Tode, der bald nach dem seines Hausmeisters eintraf, schickte die ehrenwerthe Miß Delmar die beiden Töchter nach einer Landschule zweiten Ranges, wo denn natürlich auch junge Damen einen Unterricht zweiten Ranges erhielten. Mrs. Mason wurde oft von der ehrenwerthen Miß Delmar eingeladen, einen Monat nach Madeline-Hall auf Besuch zu kommen, bei welchen Gelegenheiten sie ihre älteste Tochter, die bereits von der Schule zurück war, mitzubringen pflegte. In der letzten Zeit mußte jedoch die Tochter für beständig auf dem Landhause bleiben, und die Einladungen an Mrs. Mason wurden jetzt seltener erlassen. Der Leser fragt vielleicht, in welcher Eigenschaft sich Miß Arabella in der Halle aufhielt? Sie war kein Dienstbote, da ihre Stellung im Leben sie über das Loos dienstbarer Abhängigkeit erhob, hatte aber eben so wenig Zutritt zu dem Salon, da sie denn doch zu niedrig war, um sich unter den Adel und die Gentry zu mischen. Sie stand daher mitten inne als eine Art bescheidener Gesellschafterin in dem Besuchszimmer, etwas höher als die Haushälterin in dem Ruhezimmer, eine bereitwillige Vollstreckerin der Wünsche, welche die ehrenwerthe Jungfrau äußerte, und ein Mittelglied zwischen der hochadeligen alten Dame und ihrer männlichen Dienerschaft, gegen welche dieselbe eine Art jungfräulichen Widerwillens zu hegen schien. Wie angenehm übrigens auch diese Stellung der Gebieterin sein mochte, so muß doch zugestanden werden, daß sie eine höchst unglückliche war für ein junges, gedankenloses und sehr hübsches Mädchen, das noch obendrein bei seiner natürlichen Lebhaftigkeit eine große Freundin von Widerspruch war und es ungemein gern hatte, wenn sie bewundert wurde.
Da der ehrenwerthe Kapitän Delmar sehr häufig bei seiner Tante zu Besuch war, so fügte sich's ganz natürlich, daß er auch der Gesellschafterin einige Aufmerksamkeit schenkte. Die Vertraulichkeit nahm mit der Zeit zu, und endlich ging in der Bedientenhalle das Gerede, man habe den Kapitän und Miß Bella Mason mit einander in dem Fichtenhölzchen spazieren gehen sehen. Die üble Nachrede nahm zu, je öfter der Kapitän in dem Landhause einsprach, und die Leute wurden immer lästersüchtiger. Man hatte gesehen, daß Miß Bella oft weinte, und der alte Kellner, nebst der noch älteren Haushälterin, schüttelten wie responirende Mandarinen ihre Köpfe gegen einander. Das alte gnädige Fräulein war die einzige Person, welcher das gegebene Aergerniß verborgen blieb.
Ich muß jetzt noch einen weiteren Schauspieler aufführen. Der ehrenwerthe Kapitän Delmar reiste natürlich nicht ohne seinen Kammerdiener, und diese wichtige Person war aus dem Marinecorps auf der Fregatte gewählt worden. Benjamin Keene, denn so hieß er, war allerdings mit mehreren Eigenschaften ausgestattet, die für einen Kammerdiener unerläßlich sind: er war nämlich sehr reinlich, sehr respektsvoll in seinem Benehmen, und betrachtete, nach dem König von Großbritannien, den ehrenwerthen Kapitän Delmar als den größten Mann auf der Welt. Außerdem war Benjamin Keene, obgleich nur ein gemeiner Seesoldat, ohne Frage einer der schönsten Männer, die man je gesehen hat, und da hiemit sein ganzer Körperbau und seine militärische Haltung im Einklange stand, so konnte es nicht fehlen, daß er der Gegenstand der Bewunderung für alle junge Frauenzimmer wurde. Indessen hatte es der Mutter Natur, welche sich hin und wieder in scurilen Gegensätzen gefällt, beliebt, ihn fast ohne Hirn zu lassen; auch entbehrte er aller Erziehung, denn da er zu dumm war, Etwas zu lernen, so reichten seine Fähigkeiten eben hin, sich das militärische Exercitium einbläuen zu lassen und mechanisch die Obliegenheiten eines Kammerdieners zu erfüllen.
Ben begleitete seinen Gebieter jedesmal nach der Halle, wo er der ganzen Dienerschaft zu gleicher Zeit einen Gegenstand der Bewunderung und des Gelächters abgab. Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß die lebhafte Miß Arabella Mason, Ben als weit unter sich stehend betrachtete – das heißt, sie hielt es so bei dessen erster Ankunft zu Madeline-Hall. – Sonderbarer Weise war aber zwei Jahre später – nämlich um dieselbige Zeit, als man sich mit dem Gerüchte trug, daß sie häufig in Thränen entdeckt worden – eine gewaltige Umwandlung in ihrem Benehmen gegen den Kammerdiener vorgefallen. In der That wollten auch einige Leute wissen, daß sie es auf den schönen Seesoldaten abgesehen habe, und obschon dieser Gedanke von der Mehrzahl verlacht wurde, so machte doch die Vertraulichkeit der Beiden rasche Fortschritte. Leute, welche Alles auffinden, wenn es einmal stattgefunden hat, behaupteten nachher, Ben würde es nie gewagt haben, nach einer so ungleichen Mariage zu streben, wenn er nicht durch seinen Gebieter dazu gespornt worden wäre, welcher ihm den Vorschlag machte, das Mädchen zu heirathen. Dieses war allerdings der Fall gewesen, obgleich Niemand davon wissen konnte, und Ben, der die Wünsche seines Kapitäns als Befehle betrachtete, richtete sich und langte zum Zeichen seines Gehorsams mit der Hand an die Mütze, sobald er begriffen hatte, was sein Kapitän eigentlich von ihm verlangte. Bald nachher kam Kapitän Delmar wieder nach Madeline-Hall, wie gewöhnlich von Ben begleitet, und am zweiten Tage nach ihrer Ankunft erfuhren Alle, die sich darum kümmerten, daß Miß Arabella Mason ein heimliches Ehebündniß mit dem schönen Benjamin Keene eingegangen habe.
Natürlich war die ehrenwerthe Miß Delmar die letzte Person, welcher diese interessante Nachricht mitgetheilt wurde, und ihr Neffe nahm es auf sich, sie davon in Kenntniß zu setzen. Anfangs wallte natürlich das gnädige Fräulein in hoher Entrüstung auf und wunderte sich über die Unzartheit des Mädchens, noch mehr aber darüber, daß sie sich so weit erniedrigt habe, einen gemeinen Seesoldaten zu heirathen. Kapitän Delmar versetzte, es sei allerdings wahr, daß Ben nur ein Gemeiner sei, aber Jeder, der den Namen eines Soldaten trage, sei schon um seines Standes willen ein Gentleman. Bella Mason hätte vielleicht eine bessere Wahl treffen können; sie sei indeß die Dienerin seiner Tante und Keene sein Kammerdiener, weßhalb denn eben die Ungleichheit nicht so gar groß genannt werden könne. Er bemerkte dann, daß er lange die zunehmende Neigung beobachtet hatte, sprach über die Gefahr, wenn junge Leute so viel allein mit einander seien, ließ einen Wink von »Gelegenheiten« fallen, und hielt schließlich eine Rede über Moral und Anstand. Die ehrenwerthe Miß Delmar ließ sich durch das gewandte Raisonnement ihres Neffen beschwichtigen, war ganz entzückt, so viel Tugend an einem Seemann zu finden, und ließ dann, nachdem man sich eine Stunde besprochen, das junge Ehepaar rufen, welchem sie gnädigen Pardon ertheilte und Mrs. Keene, nachdem sie ihr eine sehr langweilige Vorlesung gehalten, ein sehr hübsches Hochzeitgeschenk machte. Wenn sich übrigens auch Mrs. Keene's Gebieterin zufrieden gab, so war doch dieß nicht bei deren Mutter der Fall. Sobald die alte Mrs. Mason Kunde von dem Vorgange erhalten hatte, machte sie sich nach Madeline-Hall auf den Weg. Zuerst nahm sie ihre Tochter bei verschlossenen Thüren vor und hielt dann eine ähnliche Zwiesprache mit Kapitän Delmar, nach welcher sie alsbald wieder abreiste, ohne der Dame des Hauses ihre Ehrfurcht zu bezeugen oder mit dem Dienstpersonale eine Sylbe zu wechseln. Dieses Benehmen gab Anlaß zu unterschiedlichen Vermuthungen. – Die Einen schrieben es dem Aerger über die unkluge Mariage ihrer Tochter zu, während Andere bedeutungsvolle Winke wechselten.
Drei Wochen nach vorgenannter Heirath wurde das Parlament vertagt, weßhalb der Admiral des Hafens Anlaß nehmen zu dürfen glaubte, die Fregatte auf einen Kreuzzug auszuschicken. Ben Keene begleitete natürlich seinen Gebieter, und es stand drei Monate an, bis die Fregatte wieder in den Hafen zurückkehrte. Wie gewöhnlich machte der ehrenwerthe Kapitän Delmar, sobald er sich dem Admiral vorgestellt, in Begleitung seines glücklichen Kammerdieners, einen Besuch bei seiner Tante. Bei seiner Ankunft fand er jedoch, daß Alles in große Verwirrung gerathen zu sein schien, und in der That mußte auch Etwas vorgefallen sein, was das ganze Hauswesen in große Aufregung gebracht hatte. Der Kellermeister machte eine tiefe Verbeugung vor dem Kapitän und die Lakaien vergaßen bei seinem Aussteigen ihr gewöhnliches Schmunzeln. Kapitän Delmar wurde unter feierlichem Schweigen nach dem Besuchzimmer geführt, und seine Tante, der seine Ankunft gemeldet worden, empfing ihn mit der steifen, gezierten Miene einer ungewohnten Kälte, indem sie ihre Arme vor der weißen Mousselinschürze kreuzte.
»Was ist vorgefallen, meine theure Tante?« fragte Kapitän Delmar, als sie kalt die dargebotene Hand entgegen nahm.
»Weiter nichts, Neffe«, versetzte die edle Dame, »als daß die Hochzeit deines Seesoldaten und der Bella Mason um sechs Monate früher hätte stattfinden sollen. Es ist eine gottlose Welt, Neffe, und ich fürchte, die Seeleute sind –«
»Seesoldaten, wollen Sie in dem gegenwärtigen Falle sagen, meine theure Tante,« entgegnete Kapitän Delmar mit Nachdruck. »Ich muß zwar gestehen, daß weder Matrosen noch Schiffssoldaten ganz so sind, wie sie sein sollten; indeß hat Ben sie geheirathet. Na, liebe Tante, erlauben Sie mir, das Wort für das Pärchen zu nehmen, obgleich es mich ungemein betrübt, daß etwas der Art in Ihrem Hause stattgefunden hat. Ich glaube,« fügte er nach einer Pause bei, »ich will dem Keene, sobald ich an Bord zurückkehre, für seine Anmaßung sieben Dutzend am Gange aufzählen lassen.«
»Das wird nichts an der Sache ändern, Neffe,« erwiederte Miß Delmar. »Die Person muß mir aus dem Hause, sobald sie fortgeschafft werden kann.«
»Und ich will den Kerl peitschen lassen, sobald ich ihn an Bord habe,« versetzte der Kapitän. »Meine Schuld ist's nicht, daß Ihre Gefühle in dieser Weise verletzt und gekränkt wurden durch eine Ungebührlichkeit von Seite meiner Dienerschaft – schmählich – schändlich – abscheulich – unverzeihlich!« rief der Kapitän, indem er, wie auf seinem Halbdecke, im Zimmer aus und ab schritt.
Die ehrenwerthe Miß Delmar fuhr wohl eine Stunde zu sprechen fort, während der ehrenwerthe Kapitän zu Allem, was sie sagte, seine Zustimmung gab. Läßt man Leute ihrer Entrüstung Luft machen, ohne daß man ihnen auch nur im Mindesten widerspricht, so schwatzen sie dieselbe bald weg, und ein Gleiches war auch bei der ehrenwerthen Miß Delmar der Fall. Als die Jungfrau die erste Kunde erhielt, daß Bella Keene glücklich von einem hübschen Knaben entbunden worden sei, wandte sie sich, ganz entsetzt über diese Kränkung, ab, und als ihr Mädchen zu bemerken wagte, daß es ein liebenswürdiges Bübchen sei, befahl sie demselben, das Maul zu halten. Sie wollte die Wöchnerin nicht sehen, und dem schrecklichen Seesoldaten wurde befohlen, in der Küche zu bleiben, damit sie nicht durch seinen Anblick, wenn er ihr etwa auf der Treppe begegnete, befleckt werde. Ihr Unwille milderte sich jedoch mit jedem Tage mehr und mehr, und ehe zwei Wochen vorüber waren, hatte die ehrenwerthe Miß Delmar den Säugling nicht nur gesehen, sondern sogar bewundert. Endlich entschloß sie sich auch, die Mutter zu besuchen, welche sich jetzt hinreichend erholt hatte, um eine ungefähr zwei Stunden lange Vorlesung mit anzuhören, worin sich das gnädige Fräulein ein Langes und Breites über ihre Unzartheit, Unklugheit, Unüberlegtheit, Unsittlichkeit, Unenthaltsamkeit und Unanständigkeit ausließ, und dabei bemerkte, daß ihr Betragen ganz unentschuldigbar, unverschämt und wahrhaft ungeheuer sei.
Nachdem die ehrenwerthe Miß Delmar ihre lange Liste von Un's abgehandelt hatte, hörte sie endlich auf, weil sie außer Athem war. Bella, welche ein sehr gescheidtes Weibchen war und das gnädige Fräulein geduldig ausreden ließ, ehe sie antwortete, erklärte sodann unter vielen Thränen, sie wisse wohl, daß ihr Benehmen unentschuldigbar sei, indeß sei ihr Fehler unbeabsichtigt gewesen, und ihr Schmerz sei unaussprechlich; sie könne sich mit Nichts als mit ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit entschuldigen; das Unglück, das Mißfallen ihrer Gebieterin auf sich gezogen zu haben, müsse und werde unvermeidlich ihren Schmerz noch vermehren; sie gebe aber die Versicherung, daß sie nicht unverbesserlich sei, und wenn nur ihre Gebieterin nicht unbeweglich bleibe, sondern ihr Verzeihung schenke, so hoffe sie, daß der Himmel unausbleiblich ihr Lohn sein werde; sie selbst aber wolle nie wieder durch eine solche Ungebühr den Zorn ihrer Gebieterin auf sich laden.
Durch diese Versicherung befriedigt, wurde die ehrenwerthe Miß Delmar weicher und verzieh nicht nur, sondern nahm auch das Kind auf ihren Schooß, damit Bella in der Bibel lesen konnte, welche sie ihr mitgebracht hatte. Leser, das Kind, welchem diese große Ehre zu Theil wurde, und das wirklich in dem makellosen Schooße, auf der makellosen und schneeweißen Schürze der makellosen, ehrenwerthen Miß Delmar ruhte, war keine andere Person, als der Erzähler – oder wenn du lieber willst, der Held dieser Geschichte.
Daß meine Mutter in so weit die Sachen recht hübsch beigelegt hatte, muß zugestanden werden; indeß ist vorauszusetzen, daß ihr Gatte von einem so ungewöhnlichen Ereigniß nicht sonderlich erbaut war, wie es denn überhaupt in der Bedientenhalle nicht an Winken und Stichelreden fehlte. Es hat jedoch den Anschein, daß kurz nach meinem ersten Auftreten eine Unterredung zwischen Ben und dem Kapitän Delmar stattfand, von welcher allerdings nichts ruchbar wurde, obgleich so viel gewiß ist, daß der Seesoldat, als er nach Abhaltung derselben in die Küche zurückkehrte, einen der Reitknechte, welcher sich unterfing, ihn zu necken, so tüchtig abdrosch, daß damit allen weiteren Scherzen ein Ziel gesteckt wurde. Da Ben die Sache so ernstlich genommen hatte, so kam man auf die Vermuthung, daß, wenn von einer Anticipation des Ehestandes die Rede sein könne, wohl er selbst der voreilige Theil gewesen, und daß er jetzt entschlossen sei, jede ungebührliche Bemerkung über sein Benehmen zu ahnden. Jedenfalls fand man die Frage jetzt weniger interessant, da der Anstoß von geringerer Bedeutsamkeit erschien, und sobald man einmal wußte, Ben sei bereit, jede Stichelei mit seinen Fäusten heimzusuchen, wurde wenigstens in seiner Gegenwart nicht mehr von der Sache gesprochen.
Als ich im Laufe der Zeit getauft wurde, stand meine Mutter wieder so hoch in Gnaden bei ihrer Gebieterin, daß die ehrenwerthe Miß Delmar (Kapitän Delmar hatte sich freiwillig erboten, mein Pathe zu werden) gleichfalls sich herabließ, die nöthige weibliche Bürgschaft zu leisten. Auf die besondere Bitte meiner Mutter hatte der Kapitän nichts dagegen, daß ich seinen eigenen Taufnamen tragen sollte, weßhalb ich gebührendermaßen als Percival Keene in die Kirchenbücher eingetragen wurde.
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