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Die Knaben hatten sich all' ihr Taschengeld zusammengespart um Feuerwerk zu kaufen für den berühmten fünften November – ein Tag, an welchem der Sage nach gewisse Personen, als sie es unmöglich fanden, das Ober- und Unterhaus zu reformiren, den Entschluß gefaßt hatten, sich beider mit einem Male zu entledigen. Warum sie seit jenem ersten Versuche nicht jedes Jahr in eine ähnliche Gefahr geriethen, weiß ich nicht; indeß kann so viel als gewiß angenommen werden, daß es die einzige Reformmaßregel ist, die je wirksam sein kann. Guy Fawkes und seine Verbündeten, mochten sie nun Protestanten oder Katholiken sein, erwiesen sich um ihrer Mißachtung des menschlichen Lebens willen zuverlässig als die Gründer einer noch existirenden Partei, deren Motto ist: »Nur Maßregeln, und wenn die ganze Welt darüber zu Grunde ginge.«
Doch zu unserer Geschichte! Mr. O'Gallagher hatte es nie zuvor versucht, an diesem Tage den hergebrachten Rechten der Gassenjugend Abbruch zu thun; da er aber dermalen in einer ganz besonders zornmüthigen Stimmung war, so machte er bekannt, daß wir statt eines ganzen nur einen halben Vakanztag haben sollten. Wir mußten uns daher am Vormittag mit Lernen plagen und durften nicht, wie wir beabsichtigt hatten, das Conterfei des einzig wahren Reformers, der je in diesem Lande existirt hat, umhertragen.
Dieß machte erstlich uns Alle sehr verdrießlich und unzufrieden, und zweitens war unsere Sehnsucht, aus der Schule zu kommen, so groß, daß es mit den Aufgaben nicht recht vorwärts wollte. Die Klatsche und die Ruthen wurden daher freigebig in Anwendung gebracht. Aber man denke sich unsern Schrecken, als Mr. O'Gallagher ungefähr eine Stunde vor der Essenszeit uns ankündigte, daß ihm augenblicklich alle Schwärmer und Frösche, mit denen unsere Taschen vollgestopft waren, überantwortet werden müßten, und daß wir gar keinen Vakanztag haben sollten, weil wir uns in unsern Aufgaben so schlecht gehalten hätten. Die ganze Schule war in stummer Verzweiflung.
Die Knaben wurden der Reihe nach vor Mr. O'Gallagher's mit altem grünen Boy überzogenen Thron gefordert und ihre Taschen durch Phil Mooney untersucht, welcher den ganzen pyrotechnischen Inhalt ausleerte und auf Mr. O'Gallagher's Katheder-Trippel legte, der, wie bereits oben bemerkt, aus zwei leeren, umgekehrten Weinkisten bestand, und einer dritten, worauf Mr. O'Ghallagher saß, zur Unterlage diente.
Da die ganze Schule dermaßen beraubt wurde, so gab es einen ziemlichen Haufen Feuerwerk. Um zu verhüten, daß die Knaben nicht wieder davon stipitzten, hob Mr. O'Gallagher die Weinkiste, auf welcher er saß, auf und befahl Phil Mooney, Alles unter dieselbe zu stecken. Dieß geschah. Mr. O'Gallagher nahm seinen Sitz wieder ein, und der Schulunterricht dauerte fort, bis die Essenszeit – aber leider nicht der halbe Vakanztag mit seinen Feuerwerksfreuden herankam.
Die Knaben gingen hinaus – einige traurig, andere zornig, einige verdrießlich, andere eingeschüchtert, und etliche – aber nur sehr wenige – gegen das Unrecht deklamirend.
Ich war in Wuth – mein Blut kochte. Endlich kam mir meine Erfindungsgabe zu Hülfe, und ohne die Folgen zu erwägen, beschloß ich, zu handeln.
Da die Schule erst nach anderthalb Stunden anfing, so eilte ich nach Hause, und bat meine Tante, mir etwas Geld zu geben, weil ich all das meinige verbraucht hätte. Sie schenkte mir einen Schilling, wofür ich lauter Pulver, mehr als ein Viertelpfund, kaufte.
Sodann kehrte ich nach der Schule zurück und blickte in die Stube hinein, welche ich leer fand. Sodann hob ich hastig die Weinkiste, unter welcher das Feuerwerk lag, auf, streute das Pulver hinunter, und behielt nur so viel übrig, um davon eine ganz schmale Leitlinie zu bilden, die auf dem grünen Wollenüberzug nicht bemerkt werden konnte. Sobald ich dieß besorgt, verließ ich alsbald die Schulstube und begab mich zu meinen Kameraden zurück. Ich hatte wie alle meine Mitschüler ein Stückchen Zunder bei mir, das zum Zwecke des Feuerwerks hatte dienen sollen, und dieses ließ ich, nachdem ich es angezündet, in einer Ecke liegen, bis uns die Glocke wieder nach der Schule rief.
Oh! wie schlug mir bei dem willkommenen Tone das Herz, und welches Bangen erfüllte mich, ob mein Anschlag auch glücken würde!
Wieder waren wir Alle versammelt. Mr. O'Gallagher, der mit einem dämonischen Lächeln die unfreundlichen und trostlosen Gesichter der Knaben musterte, saß auf seinem Throne, die Ruthe auf der einen, die Klatsche auf der andern Seite, und das Lineal, diesen gefürchteten Kommandostab, von seiner breiten Faust umfaßt.
Ich hatte den angebrannten Zunder in meiner Hand verborgen, bewegte mich geduckt vorwärts, bis ich endlich unbemerkt hinter dem Schulmeister und dicht bei meiner Pulverlinie war. Nur einen Blick sandte ich nach ihm hin, um mich zu überzeugen, ob er mich bemerkte. Sein Auge streifte über die ganze Schule hin nach einem Delinquenten, nach dem er das Lineal werfen konnte, und da ich fürchtete, er möchte sich nach mir umwenden, zögerte ich nicht länger. Der Zunder lag auf meinem Brander.
Da ich die Kräfte des Pulvers nicht in ihrer Ausdehnung kannte, so sah ich mit Staunen und Entsetzen eine Sekunde nachher, wie die Weinkiste aufflog, als ob sie Schwingen hätte, und Mr. O'Gallagher, in eine Rauchwolke gehüllt, nach der Decke geschleudert wurde, während die Schwärmer und Frösche umherzischten und knallten. Die Knaben stießen, von der Explosion zurückgeworfen, einen Schrei der Furcht und Bestürzung aus, und flüchteten sich dann, über einander hinstolpernd, aus der Schulstube.
Die Fenster waren alle von dem entsetzlichen Krachen geborsten und die ganze Schulstube mit Rauch angefüllt. Da stand ich in stummem Entsetzen über das Unheil, das ich angerichtet hatte. Die Schwärmer und Frösche hatten jedoch noch nicht ausgezischt, als ich Mr. O'Gallagher's Geheul vernahm, der aus den mittleren Tisch niedergefallen war.
Ich stand noch halb erstickt in der Schulstube und rührte mich nicht von der Stelle, als die Nachbarn, durch die Explosion und das Geschrei der Knaben erschreckt, hereineilten; und da sie nur mich und Mr. O'Gallagher, der noch immer heulte, entdeckten, so ergriffen sie uns beide und trugen uns auf ihren Armen hinaus. Es war hohe Zeit, denn die Schulstube stand jetzt in Brand und wenige Augenblicke nachher schlugen die Flammen aus den Fenstern, während dicke Rauchwolken durch die Thüre und bald nachher auch durch das Dach brachen.
Man brachte Feuerspritzen herbei, aber noch ehe sie anlangten oder Wasser herbeigeschafft werden konnte, stand das ganze Haus in so heller Lohe, daß es nicht mehr gerettet werden konnte. In einer Stunde war der Schauplatz unseres Elends ein Aschenhaufen. Sobald man mich aus der Schulstube gebracht hatte, wurde ich auf die Beine gestellt, und da sich's auswies, ich habe keinen Schaden genommen, ließ man mich laufen.
Nie werde ich der Gefühle vergessen, die mich bestürmten, als ich die Flammen und den aufsteigenden Rauch, das Getümmel und die Verwirrung außen, das Schaffen der Feuerspritzen, das von der Kaserne anziehende Militär, die versammelte Volksmenge und das unablässige Geschrei von allen Seiten bemerkte; und all dieß durch meine Veranlassung, dachte ich – durch meine – ganz durch die meinige.
Ich war hoch erfreut, keinen Gehülfen oder Mitverschworenen gehabt zu haben, denn so konnte ich jedenfalls das Geheimniß für mich behalten. Indeß fühlte ich doch einige Besorgniß wegen Mr. O'Gallagher's, denn so sehr ich ihn verabscheute, hatte ich doch durchaus nicht die Absicht, ihn zu tödten. Ich stellte daher nach einiger Zeit Nachforschungen an und fand, daß er noch am Leben und außer Gefahr, obgleich sehr gequetscht und etwas verbrannt war.
Niemand wußte sich zu erklären, wie die Sache zugegangen war. Mr. O'Gallagher hatte eben den Knaben ihre Schwärmer und Frösche abgenommen, die sich in einer oder der anderen Weise entzündet haben mußten, und die meisten Leute meinten, es sei ihm recht geschehen. Meine Großmutter schüttelte ihren Kopf und sagte:
»Ja, ja, das Schießpulver fliegt freilich auf, aber –« und sie sah mich an – »dazu ist ein zündender Funke nöthig.«
Ich machte ein ganz unschuldiges Gesicht, gab aber keine Antwort.
Mr. O'Gallagher's Lieblingsausdruck, daß es nämlich »zu einem Platzen« kommen werde, erwies sich, was seine Schule betraf, als buchstäblich wahr. Er konnte sich keine andere passende Wohnung in Chatham verschaffen, und sobald er von den erlittenen Beschädigungen wieder hergestellt war, verließ er die Stadt.
Erst nach seiner Entfernung wagte ich es, Kapitän Bridgeman und meine Tante Milly von der kleinen Rolle in Kenntniß zu setzen, die ich bei der ganzen Geschichte gespielt hatte. Sie erklärten es für klug, daß ich mein Geheimniß bewahrt hatte, und schärften mir ein, ja um keinen Preis Jemand Anders davon wissen zu lassen.
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