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Neunundzwanzigstes Kapitel

Es war noch zu bald, um mich dem Admiral vorzustellen. Indeß kleidete ich mich für das Land an und hißte die Nummer auf, die mir von dem Admiral zu Jamaika für die Diligente gegeben worden war. Wie sich erwarten ließ, war sie dem Wachschiff nicht bekannt, weßhalb sich die Frühaufsteher mit allen möglichen Vermuthungen trugen, was es wohl mit dem großen Schiffe, dem Schooner und der Kriegsbrigg für eine Bewandtniß haben möchte.

Wir hatten eben das Waschen der Decken beendigt, und ich stand bei Croß, der die Morgenwache hielt, als dieser gegen mich bemerkte:

»Kapitän Keene, wir ankern nun so nah' als möglich an derselbigen Stelle, wo die Kalliope lag, als Sie mit der armen Peggy triftig wurden. 's ist freilich jetzt ein Unterschied zwischen Ihrer damaligen und nunmehrigen Stellung.«

»Ja, Bob,« versetzte ich: »ich dachte auch daran, als ich mich diesen Morgen ankleidete. Vermuthlich möchten Sie aber auch gerne so früh als möglich an's Land kommen – Sie können daher ein Boot nehmen, sobald es Ihnen beliebt. Ich will Befehl ertheilen, daß Ihnen sein Hinderniß in den Weg gelegt wird.«

»Danke, Sir; es verlangt mich freilich ein Bischen, das arme Mädchen zu sehen, und ich denke, die Sachen werden sich jetzt hübsch machen.«

»Das hoffe ich von ganzem Herzen. Lassen Sie die Schiffsnachen säubern und herausstaffiren, und das Boot Glock sechs bemannen. Auch können Sie das Signal zum Frühstück geben.«

Ich meinte, es sei besser, daß ich warte, bis der Admiral aufstehe, als daß er auf mich warte, weßhalb ich um halb acht Uhr an's Land ging und mich in dessen Kanzlei begab; er war bereits in seinem Ankleidezimmer. Ich traf den Sekretär, dem ich meine Aufträge und Depeschen aushändigte. Dieser brachte die Papiere dem Admiral, kam nach einer Viertelstunde wieder zurück und ersuchte mich im Namen des Hafenadmirals, mit demselben das Frühstück einzunehmen. In der Zwischenzeit leistete mir der Sekretär Gesellschaft und befragte mich über alle Neuigkeiten aus Westindien, über die ich Auskunft zu ertheilen wußte.

Sobald der Admiral erschien, drückte er mir mit Wärme die Hand.

»Kapitän Keene,« begann er, »ich wünsche Ihnen Glück. Ich sehe wohl, daß Sie die in Westindien begonnene Laufbahn hübsch verfolgen. Sie sind uns aus den Depeschen wohl bekannt, und ich freue mich, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen. Ihr letzter Fang wird Ihnen ohne Zweifel um eine Stufe weiter helfen, wenn Sie Ihre Brigg noch ein Bischen länger kommandirt haben. Mr. Charles, geben Sie doch der Diligente und dem Schooner Signal, daß sie in den Hafen einlaufen sollen. Der Indienfahrer kann natürlich thun, was ihm beliebt. Nun, wenn's gefällig ist, zum Frühstück.«

Der Admiral nahm mich natürlich ebenso gut, als der Sekretär, in's Verhör, und als ich aufstand, um mich zu verabschieden, erbat er sich für sein heutiges Diner das Vergnügen meiner Gesellschaft.

Der Leser kann sich denken, daß ich allen Grund hatte, mit meiner Aufnahme zufrieden zu sein.

Sobald ich das Büreau des Admirals verlassen hatte, verfügte ich mich nach der Post, um eigenhändig einen Brief an meine Mutter und einen zweiten an Lord de Versely abzugeben. Letzterem theilte ich mein gutes Glück mit, indem ich eine Abschrift meiner Depeschen an die Admiralität beifügte. Diese Depesche war nun allerdings in sehr bescheidenen Ausdrücken abgefaßt, indessen sahen doch die Umstände an sich – die Bergung eines Indienfahrers und die Wegnahme eines feindlichen Schiffes von gleicher Stärke mit dem meinigen, das noch obendrein an Mannschaft überlegen war – so gar gut aus, daß ich davon weit größere Ehren erholte, als ich wirklich verdiente. Es war durchaus nicht nöthig, von meinem Aufziehen der französischen Farben zu sprechen, das mir Gelegenheit verschafft hatte, den Schooner unversehens zu nehmen, während sich der größere Theil seiner Mannschaft auf dem Indienfahrer befand. Die große Kunst in dieser Welt besteht darin, zu wissen, wo man aufhören muß, und dieß gilt nirgends mehr, als wenn man die Feder in die Hand nimmt.

Sobald ich meine Korrespondenz beendigt hatte – denn ich schrieb ein paar Zeilen an Tante Milly zu Chatham und einen weiteren Brief an meine Mutter – begab ich mich zu der Salutationsbatterie hinunter, wo ich fand, daß meine beiden Schiffe eben in den Hafen einliefen. Dieß veranlaßte mich, nach dem Büreau des Admirals zurückzukehren und Meldung davon zu machen. Der Admiral begleitete mich an Bord der beiden Fahrzeuge, um sie persönlich zu untersuchen, und erließ sodann Befehl, daß sie dem Augenschein der Arsenalkommission unterworfen würden. Man erklärte beide als tüchtig für Seiner Majestät Dienst, wenn zuvor einige nöthige Veränderungen vorgenommen wären, und nun wurde die Mannschaft der Diligente, um die Brigg als Vorbereitung für die Docke abtakeln und räumen zu können, nach einem Holk kommandirt. Sobald ich die Wohnung des Admirals verlassen hatte, setzte ich mich im George-Hotel, wo ich Quartier genommen hatte, nieder und schrieb einen langen Brief an Minnie Vanderwelt.

Croß besuchte mich am nächsten Morgen, und sein Gesicht sagte mir schon vornweg, daß er mir gute Kunde mitzutheilen habe. Er hatte sein Feinliebchen so beständig gefunden, als er nur wünschen konnte, und dem blinden alten Schmuggler die Eröffnung gemacht, daß er die ihm angebotene Stelle eines Hochbootsmanns in Seiner Majestät Dienst für die Zelt seines Aufenthalts in Westindien angenommen habe. Der Alte billigte sein Verfahren und versprach ihm den herzlichsten Willkomm in seinem Hause, so oft er Erlaubniß erhielte, an's Land zu kommen.

»Die Hauptfrage habe ich dem alten Kunden noch nicht vorgelegt, Kapitän Keene,« sagte er, »aber ich denke doch, bald daran zu gehen.«

»Uebereilen Sie sich nicht, Bob,« versetzte ich, »sondern machen Sie dem alten Knaben noch wehr Tabak zum Präsent und erbitten Sie sich seinen Rath, was Sie mit Ihren Prisengeldern anfangen sollen. Auch müssen Sie ein Bischen ihren Halbsold und die Pension Ihrer Wittwe mit einlaufen lassen.«

»Das ist ein sehr guter Rath, Kapitän Keene,« entgegnete Croß. »Du mein Himmel, wie sich die Dinge verändert haben! Ist's mir doch, als hätt' ich Sie erst gestern in dieses Hotel geführt, um Sie in den Dienst einzuschiffen. Damals fragten Sie mich um Rath, und ich half Ihnen damit aus; aber jetzt bitte ich um den Ihrigen und nehme ihn an. Das muß wahr sein, Sir, Sie sind seitdem in jeder Hinsicht über mich hinausgeschossen; damals sahen Sie an mir herauf, und jetzt ist's der umgekehrte Fall.«

Ich lachte über Bob's Bemerkung, welche allerdings ihre Richtigkeit hatte, und dann begaben wir uns nach der Schiffsdocke, wo wir für den Rest des Tages alle Hände voll zu thun hatten.

Am folgenden Morgen erhielt ich eine Antwort von Lord de Versely, die in den freundlichsten Ausdrücken abgefaßt war. Er wünschte mir Glück zu meinen Fortschritten und der Ehre, die ich mir während einer so kurzen Laufbahn erworben, worauf er mit der Versicherung schloß, er werde sich sehr freuen, mich zu sehen, wenn ich nach London kommen könne, in welchem Falle er mich dem ersten Lord der Admiralität vorstellen wolle. Zugleich rieth er mir, um Urlaub einzukommen, den man mir nicht verweigern werde, und unterzeichnete sein Schreiben: »Ihr wohlmeinender und aufrichtiger Freund de Versely.«

Sobald ich diesen Brief gelesen hatte, sagte ich zu mir selbst: ich hatte doch recht – der wahre Weg, einem Manne, wie Lord de Versely, Interesse einzuflößen, besteht darin, daß ich ihn stolz auf mich mache. Bis jetzt ist dieß gut gegangen, und ich werde auch fürderhin nicht laß sein; aber wie lange wird's so fortgehen? Muß ich nicht auch auf ein Umschlagen gefaßt sein? Kann nicht eine Reaktion eintreten – und habe ich es nicht einigermaßen verdient? Ja, ich habe ihn getäuscht, indem ich ihn glauben machte, daß meine Mutter gestorben sei. – Ich fing nun an, darüber nachzudenken, daß dieser falsche Schritt, wenn er einmal entdeckt würde, auf mich selbst zurückfallen müßte, was mich für eine geraume Weile zu ernstlichen Betrachtungen veranlaßte. Zwar versuchte ich, mir mein Benehmen in einem milderen Lichte darzustellen, aber dieß wollte nicht gehen. Um mich meiner melancholischen Gefühle, die ich nicht zu überwältigen vermochte, zu entschlagen, setzte ich eine Bittschrift auf, in welcher ich einen vierzehntägigen Urlaub nachsuchte, und trug sie selbst nach dem Büreau des Admirals. Die Verstimmung meines Geistes dauerte während der ganzen Zeit meines Aufenthalts zu Portsmouth fort. Nachdem ich meinen Urlaub erhalten, brach ich nach London auf, und daselbst angelangt, bezog ich ein fashionables Gasthaus in Albemarle-Street.

*

 


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