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31. Fortsetzung

»Weiter! Was wollten Sie vorhin sagen?« fragte nun der Estanziero.

»Werfen Sie sich schnell auf die Erde, schnell, schnell!«

Ich selbst legte mich augenblicklich nieder, und die andern folgten meinem Beispiele.

»Warum denn?« fragte der Bruder.

»Man schießt auf uns.«

»Ich höre doch nichts!«

»Pfeile hört man nicht.«

»Dios! Man schießt mit Pfeilen? Woher, wissen Sie das?«

»Daher – sehen Sie?«

Ich zog den Pfeil aus meinem Jagdrocke und reichte ihm denselben hin.

»Cielo mio!« sagte er erschrocken. »Waren Sie getroffen?«

»Nur der Jagdrock.«

»Wissen Sie das genau?«

»Ja. Unter demselben befindet sich noch das lederne Jagdhemde. Der Pfeil hat nicht durch den ersteren, noch viel weniger durch alle beide zu dringen vermocht. Sie sehen, wozu so eine lederne Kleidung gut ist.«

»Sennor, wenn Sie dieselbe nicht trügen, wären Sie in weniger als zwei Minuten eine Leiche! Der Pfeil ist vergiftet. Ich werde diesem Mann sogleich das Schießen verbieten!«

»Er wird sich nicht befehlen lassen.«

»O doch. Hier hat nur einer solche Pfeile, und dieser eine ist Petro Aynas. Der Mann ist gefährlicher, als ich dachte. Schießt auf Leute, die ihm nichts getan haben. Hätte er einen andern getroffen, so wäre derselbe verloren gewesen!«

Er nahm einen Finger in den Mund und ließ einen eigenartigen, halblauten Pfiff hören, fast wie die Stimme eines Regenpfeifers.

»Ist das ein Signal für den Indianer?« fragte ich.

»Ja. Er weiß nun, daß er auf einen guten Freund geschossen hat. Alle seine Bekannten, welche zuweilen zu ihm kommen, kennen diesen Pfiff. Wenn sie ihn nicht daheim antreffen, rufen sie ihn durch denselben.«

»So meinen Sie, daß er kommen wird?«

»Ganz gewiß. Er wird nicht wenig darüber erschrocken sein, daß er einem Freund den fast sichern Tod entgegen geschickt hat.«

»Wo mag er stecken?« fragte der Estanziero.

»Natürlich da drüben, nach welcher Seite unser Versteck offen ist. Von dorther scheint der Mond herein, und er hat uns sehen können. Horch!«

Es ertönte von jenseits des Sumpfes genau derselbe Pfiff, aber leise, hörbar absichtlich leise, als ob er nicht weit gehört werden solle.

»Ist das der Indianer?« fragte ich den Bruder.

»Ja.«

»Antworten Sie ihm, aber ebenso leise! Die Bolaleute sind in der Nähe.«

»Woher wissen Sie das?«

»Eben daher, daß er leise pfeift. Er hat Sie an dem Pfiff als einen Freund erkannt, dessen Anwesenheit er bei ihnen nicht bemerken lassen will.«

»Möglich, daß Sie recht haben.«

»Stehen Sie beim Pfeifen auf, daß Sie von drüben gesehen werden können!«

Er erhob sich vom Boden und ließ das Signal gedämpft hören. Sofort sahen wir drüben auch eine Gestalt unter den Bäumen hervortreten. Sie winkte mit dem Arme und verschwand dann. Die Entfernung betrug ungefähr fünfzig Schritte. Also so weit hatte der Mann mit seinem Pfeile getroffen!

»Er kommt,« sagte der Bruder. »Für einen Mörder habe ich ihn bisher nicht gehalten. Ob er im eigenen oder im fremden Interesse gehandelt hat? Die Schuld ist in beiden Fällen gleich groß. Er mag nur kommen!«

Da der Sumpf zwischen dem Indianer und uns lag, so mußte der Mann einen Umweg machen, wenn er zu uns kommen wollte. Doch sahen wir ihn schon nach kurzer Zeit herbeikommen, von der andern Seite und in gedrückter Haltung, wie derjenigen eines Schuldbewußten.

»Was fällt dir ein, auf uns zu schießen, Petro!« begrüßte ihn der Bruder, als er zu uns unter die Bäume trat.

Der Indianer antwortete erschrocken: »Sie sind es, Bruder, Sie selbst! Hat der Pfeil getroffen?«

»Ja.«

»Dios! So ist der Mann verloren!«

»Glücklicher Weise nicht. Der Pfeil kam diesem Sennor auf die Brust, drang aber nicht durch das Leder seines Gewandes.«

»Leder? Ah! O! Also ist – –«

Er hielt inne.

»Weiter! Was wolltest du sagen?« fragte der Frater.

»Nichts, gar nichts; ich bin nur so sehr erschrocken.«

Aber ich wußte wohl, was er hatte sagen wollen. Daß ich ein ledernes Gewand hatte, war die Veranlassung seines unterbrochenen Ausrufes gewesen. Er mußte also von meiner hier zu Lande auffälligen Kleidung wissen. Er konnte von ihr nur durch die Bolamänner erfahren haben. Folglich befanden sie sich hier, und zwar gar nicht etwa weit entfernt. Der Bruder ließ sich täuschen und sagte:

»Erschrocken bist du? Das könnte aber diesen Sennor nicht retten, wenn der Pfeil ihn getroffen hätte. Petro, Petro, das hätte ich von dir nicht gedacht, daß du ein Mörder bist!«

»Ich, ein Mörder? Oh, Bruder, wie kränken Sie mich!«

»Kannst du leugnen, auf uns geschossen zu haben?«

»Nein. Aber ich habe nicht gewußt, daß es Menschen sind!«

»Was denn? Für was hast du uns gehalten?«

»Nur für Affen.«

Anderswo hätte diese Ausrede auch anders geklungen, als hier. Es gibt am Uruguay in Wirklichkeit Affen; ja dieselben sind dort zahlreich anzutreffen.

»Für Affen!« meinte der Bruder. »Menschen für Affen zu halten! So eine Dummheit traue ich dir gar nicht zu.«

»Der Mondschein trügt. Ich glaubte, eine Affenherde zu sehen. Sie saßen so beisammen, wie Affen zu tun pflegen.«

»So hat sich die Schärfe deiner Augen gegen früher sehr verschlechtert. Nimm dich in Zukunft in acht, abermals Menschen für Affen zu halten!«

Der Bruder hatte diese Mahnung in erhobenem Ton gesprochen. Darum sagte der Indianer rasch:

»Pst, Bruder, nicht so laut, nicht so laut!«

»Warum?«

»Weil es gefährlich ist, des Nachts am Flusse laut zu reden.«

»Sind Menschen da?«

»Nein. Aber seit einigen Tagen schleicht sich ein Jaguar mit seinem Weibchen hier herum. Ich weiß schon, er geht auf Menschenfleisch; aber wir fürchten uns nicht. Petro und Daya sind klüger als der Jaguar.«

»Auch ich fürchte ihn nicht!«

»Ich weiß es. Kein Jaguar tut Ihnen ein Leid; aber auf Ihre Begleiter hat er nicht Rücksicht zu nehmen. Darum wollen wir leise sprechen, um ihn nicht herbeizurufen.«

Der Indianer war ein schlauer Patron. Er hielt es mit den Bolamännern und hegte doch auch Freundschaft für den Bruder. Er wollte die eine Partei der andern nicht verraten und erfand also das Märchen vom Jaguar.

»Er mag kommen mitsamt seinem Weibe!« sagte der Bruder. »Wir fürchten beide nicht. Dennoch hast du recht. Es ist nicht nötig, daß wir allzu laut reden. Setze dich! Ich habe dich zu fragen.«

Der Indianer gehorchte nur widerstrebend. Er sagte:

»Wollen wir uns nicht anderswo setzen, Bruder. Hierher könnte leicht der Jaguar kommen.«

Er wollte uns fortlocken, um uns vor den Bolamännern zu retten, ohne uns von ihnen sagen zu müssen.

»Nein, wir bleiben hier,« erklärte der Bruder.

»Aber ich weiß einen andern und viel bessern Platz!«

»Dieser hier gefällt uns ausgezeichnet. Woher kommst du?«

»Von der Jagd.«

»Das kann ich nicht glauben. Du hast ja keine Beute. Das wäre zum ersten Male in deinem Leben, daß du kein Fleisch nach Hause brächtest.«

»Habe es da drüben niedergelegt, wo ich glaubte, auf Affen zu schießen.«

»So! Aber dann bist du sehr spät ausgegangen, denn Daya – –«

Der gute Bruder mochte ein ganz vorzüglicher Klostermann sein; als einen Juristen, einen Untersuchungsrichter erwies er sich aber nicht, wenigstens jetzt nicht. Er schenkte dem Indianer zuviel Glauben. Petro Aynas meinte es zwar nicht böse mit uns, davon war ich überzeugt; aber er wollte unsere Gegner nicht verraten und suchte in Folge dessen uns zu täuschen. Mit dem Bruder und den andern wäre ihm dies wohl gelungen, denn der fromme Herr legte ihm die Antworten geradezu in den Mund, oder vielmehr er gab ihm Fragen, aus denen Petro ersehen konnte, wie die Sache stand. Dem schlauen Menschen mußte man anders kommen. Darum ergriff ich den Bruder, noch bevor er ausgesprochen hatte, beim Arme und sagte:

»Mit Erlaubnis! Nicht solche Fragen. Lassen Sie lieber mich mit ihm reden!«

»Ganz gern! Ich höre zu.«

»Nein. Der Bruder mag mit mir reden, kein Fremder!« sagte der Indianer indem er mich mit einem ängstlichen Blicke streifte.

Er saß so, daß ihm der Mond in das Gesicht schien. Dasselbe war nicht so schmutzig wie dasjenige seines Weibes, auch nicht so abstoßend. Er war überhaupt in seinem Äußern nicht mit Daya zu vergleichen. Seine Figur war nicht hoch, aber stark und breitschulterig. Er war ein Gegner, den man im Kampfe nicht gering schätzen durfte. Seine starken Glieder steckten in Callico. An den Füßen trug er nichts, trotz der schlangenreichen Gegend, in welcher er wohnte. Auch sein Kopf war unbedeckt. Das Haar trug er kurz geschoren. Seine Bewaffnung bestand aus einem Messer, dem Blasrohre und einem kleinen ausgehöhlten Kürbis, welcher ihm an einer Schnur von der Achsel hing. In diesem Kürbisse steckten die vergifteten Pfeile. Er wollte sich nicht von mir ausfragen lassen, weil er mich mehr fürchtete, als den Bruder. Das war mir ein Beweis, daß er mit den Bolamännern von uns gesprochen hatte, und daß dabei auch von mir, vielleicht ganz besonders von mir die Rede gewesen war. Man hatte mich wohl als denjenigen bezeichnet, vor welchem man sich am meisten in acht nehmen müsse.

»Petro Aynas, haben Sie denn ein böses Gewissen, daß Sie sich vor uns anderen fürchten?« fragte ich ihn.

»Nein,« antwortete er. »Hätte ich ein böses Gewissen, so müßte ich doch gerade den Bruder am meisten fürchten.«

Der Mann war nicht nur schlau, sondern auch spitzfindig.

»Nun, wenn Sie ein so gutes Gewissen haben, so können Sie auch mit uns reden. Weigern Sie sich dessen, so müssen Sie unser Mißtrauen erwecken.«

»Sie brauchen mir nicht mißtrauen, denn ich bin ein ehrlicher Mann!«

»Das glaube ich Ihnen gern. Wo befindet sich denn eigentlich Ihre Wohnung?«

»Gar nicht weit von hier.«

»So! Könnten wir nicht vielleicht dort übernachten?«

»Nein, nein, Sennor!« antwortete er schnell und ängstlich.

Daraus war zu schließen, daß die Bolamänner dort zu tun hatten.

»Warum nicht?« fragte ich. »Der Bruder hat uns von Ihnen erzählt. Nach seiner Schilderung von Ihnen hätte ich Sie für einen gastfreundlicheren Mann gehalten, als Sie zu sein scheinen.«

»Meine Hütte paßt nicht für Sie, denn das Fieber schleicht um sie.«

»Das fürchte ich nicht.«

»Es würde Sie ergreifen, ganz gewiß, weil Sie neu im Lande sind.«

Jetzt vergaloppierte er sich trotz seiner Schlauheit abermals.

»Woher wissen Sie denn, daß ich ein Neuling bin?«

Er sah ein, daß er eine Dummheit begangen hatte, antwortete aber ohne alle Verlegenheit:

»Ich sehe es Ihnen an.«

»So haben Sie ein sehr scharfes Auge für Fremde, Petro. Da wir nicht in Ihrer Hütte bleiben können, so weisen Sie uns wohl einen bessern Platz zum Lagern an. Sie kennen ja die Gegend.«

»Oh, sehr genau! Ich weiß einen herrlichen Platz für Sie, am Flusse aufwärts.«

»Wie weit?«

»Nur eine ganz kleine halbe Stunde.«

Er ahnte nicht, daß er mit diesen Angaben mir sehr wichtige Fragen beantwortete, welche ich nicht direkt an ihn richten wollte. Da er uns stromaufwärts bringen wollte, so lagerten unsere Gegner stromabwärts. Aus der ganz kleinen halben Stunde wären vielleicht drei große Viertelstunden geworden. Wollte er uns des Abends eine so bedeutende Strecke weit nach der einen Seite fortbringen, so war mit Sicherheit zu schließen, daß wir nach der andern Seite gar nicht weit zu gehen hätten, wenn wir auf unsere Feinde stoßen wollten. Diese letztere Annahme wurde auch durch den Umstand bestätigt, daß er uns gebeten hatte, nicht so laut zu sprechen.

»Wollen wir gleich aufbrechen, Sennor?« fügte er hinzu.

»Nicht sofort. Ich möchte vorher noch einiges wissen. Waren Sie heute lange Zeit auf der Jagd?«

»Sehr lange.«

»Wann gingen Sie von Ihrer Hütte fort?«

»Schon früh.«

»Aber bis dahin waren Sie einige Male wieder dort?«

»Kein einziges Mal!«

Der gute Mann wollte ein Alibi stellen für den Fall, daß es eines solchen bedürfe. Er beachtete nicht, daß wir uns so nahe bei seiner Hütte befanden. Da der Bruder dieselbe kannte, so stand doch zu erwarten, daß wir sie aufgesucht hatten. Auch hatten wir unsere Pferde nicht bei uns. Sie mußten irgendwo untergestellt sein.

»So wissen Sie also auch nicht, wer heute bei Ihnen gewesen ist?« fuhr ich fort »Nein. Ich werde es erfahren, wenn ich heimkehre.«

»Ich hätte nämlich sehr gern erfahren, ob einige Personen bei Ihnen eingekehrt sind, welche wir hier treffen wollten.«

»Ich werde Daya fragen und es Ihnen dann sagen, Sennor. Was für Personen meinen Sie?«

»Soldaten.«

»Da sind keine bei mir gewesen.«

»Woher wissen Sie das, da Sie so lange Zeit von der Hütte fort waren?«

»Sie würden meine Hütte nur durch großen Zufall finden. Indessen werde ich Daya fragen.«

»Ja, tun Sie das, Petro! Haben Sie einmal die Namen Monteso und Cadera gehört?«

»Nein. Welche Fragen sind das, die Sie mir vorlegen, Sennor! Sie erscheinen mir ganz sonderbar.«

»Nun, ich will Ihnen nur noch die eine vorlegen: Wer hat Ihnen den Auftrag erteilt, auf einen Mann zu schießen, welcher lederne Kleidung trägt?«

»Kein Mensch! Niemand! Es ist ja nur aus Versehen geschehen. Sie können das glauben.«

»Gut, ich will es glauben und Ihnen verzeihen, daß Sie mich in Todesgefahr gebracht haben.«

»Sind Sie nun mit Ihren Fragen zu Ende?«

»Ja.«

»So darf ich Sie nach dem Lagerplatz führen, von welchem ich Ihnen vorhin sagte?«

»Wir bitten darum, Petro. Vorher aber können Sie uns einen großen Gefallen tun. Wollen Sie uns die Jagdbeute verkaufen, welche Sie da drüben niedergelegt haben? Ich bezahle sie Ihnen gut.«

»Das geht nicht, Sennor!« antwortete er erschrocken.

»Warum nicht?«

»Weil Sie das Fleisch nicht essen können.«

»Ich esse jedes Fleisch.«

»Auch das des Meerschweines, das den Europäern so sehr nach Tran schmeckt?«

»Wer sagt Ihnen, daß ich ein Europäer bin?«

»Ich sehe es Ihnen an.«

»Lieber Freund, Ihr Scharfblick beginnt mir beinahe unbehaglich zu werden. Vor Ihrem Auge scheint kein Geheimnis sicher zu sein. Wollen Sie uns das Fleisch verkaufen?«

Nach einigem Nachdenken antwortete er:

»Ich brauche es selbst sehr nötig.«

»Ein ganzes Wasserschwein, welches wohl einen Zentner wiegt, für zwei Personen? Wir wollen nur einige Stücke davon. Sie werden doch den guten Bruder Hilario nicht hungern lassen wollen!«

»Nein, nein! Aber Wasserschwein braucht er nicht zu essen. Ich habe gute, frische Fische daheim. Mein Weib hat sie gefangen«

»Dennoch ziehen wir das Wasserschwein vor. Holen Sie es!«

»Nun, wenn Sie durchaus wollen, so muß ich freilich gehorchen. Ich bin gleich wieder da!«

Er entfernte sich. Als seine Schritte nicht mehr zu hören waren, sagte der Bruder leise:

»Wer hätte das gedacht! Er will uns betrügen!«

»Nicht betrügen, sondern nur täuschen,« antwortete ich. »Er sagt die Unwahrheit, um uns nützlich zu sein. Gar nicht weit von hier, da, zur linken Hand, befinden sich unsere Feinde.«

»Woher wissen Sie das?«

»Er hat es gesagt.«

»Ich hörte kein Wort!«

»Und ich habe meine Fragen so gesetzt, daß er mir es sagen mußte. Er hat kein Wasserschwein erlegt.«

»Sollte er auch da gelogen haben?«

»Ich bin überzeugt davon. Er wird es nicht bringen.«

»So straft er sich ja selbst Lügen!«

»Nein. Er wird eine Ausrede machen, vielleicht, daß der Jaguar gekommen ist.«

»So meinen Sie, daß er es mit unsern Feinden hält?«

»Ja, aber auch mit uns. Nun fragt es sich, was bei ihm schwerer wiegt, die Zuneigung für Sie oder der Vorteil, welcher ihm von den andern versprochen worden ist.«

»Ich hoffe das erstere.«

»Ich auch. Sollte das nicht sein, so werde ich noch eine kleine Drohung für uns in die Waagschale legen. Pst, er kommt!«

Es war ganz so, wie ich erwartet hatte: Er kam mit leeren Händen.

»Nun, wo haben Sie das Wasserschwein?« fragte ich im Tone der Enttäuschung.

»Oh, Sennor, habe ich nicht recht gehabt, als ich Sie zur Vorsicht mahnte? Der Jaguar war in der Nähe!«

»Was geht uns der Jaguar an?«

»Sehr viel. Er hat mein schönes Wasserschwein geholt. Ich beklage das sehr, da ich Ihnen nun nicht davon geben kann; aber es ist ein großes Glück dabei. Hätte er das Wasserschwein nicht gefunden, so wäre er hier über uns hergefallen. Wir wollen diesen Ort sofort verlassen!«

»Das hat keine Eile. Hat der Jaguar das Schwein gefressen, so ist er so satt, daß er nach uns kein Verlangen trägt.«

»Aber sein Weibchen ist auch dal«

»Setzen Sie sich getrost noch einen Augenblick nieder! Ich hege die Überzeugung, daß der Jaguar so höflich und liebevoll gewesen ist, seine Sennora an der Mahlzeit teilnehmen zu lassen.«

»Herr, Sie sind sehr verwegen!«

»Nein, sondern ich lasse mir nur nicht leicht da bange machen, wo gar keine Gefahr vorhanden ist.«

Er setzte sich zögernd wieder nieder und meinte in mürrischem Tone:

»Ganz wie Sie wollen! Aber auf mich kommt keine Schuld, wenn ein Unglück geschieht. Wir sollten lieber sogleich aufbrechen.«

»Dazu bin ich unter der Bedingung bereit, daß Sie uns nicht flußauf, sondern flubabwärts führen, weil wir überzeugt sind, daß wir dort ein gutes Essen finden werden.«

»Bei wem denn?«

»Beim Major Cadera und seinen Leuten.«

»Sennor, ich verstehe Sie nicht!«

»Mag sein. Um so besser aber habe ich Sie verstanden. Petro Aynas, Sie sind wirklich ein ganz schlechter Kerl!«

»Ich? Wie kommen Sie dazu, mich so zu beschimpfen?«

»Durch die Lügen, welche Sie uns vorgemacht haben.«

»Sennor, es ist kein unwahres Wort aus meinem Munde gekommen!«

»Schön! Sie behaupten, seit heute früh nicht daheim gewesen zu sein. Und doch waren Sie dort.«

»Keinen Augenblick!«

»Auch nicht, als der Major den Boten schickte, der Sie holen sollte?«

Er ließ aus Überraschung eine kurze Zeit verstreichen, bevor er antwortete:

»Davon weiß ich nichts.«

»Besinnen Sie sich! Es war ein Mann mit einer Lanze. Sie gingen mit ihm zur Hütte hinaus, damit Ihr Weib nicht hören sollte, was Sie mit ihm sprachen.«

»Sennor, ich – ich – ich weiß eben kein Wort davon. Ich war ja gar nicht daheim!«


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