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»Wir sind fertig, Sennor,« sagte Jordan. »Sie können sich über den Entschluß, welchen wir gefaßt haben, gratulieren!«
»Das tue ich nicht eher, als bis ich ihn kennen gelernt habe. Jedenfalls ist er für Sie wenigstens ebenso vorteilhaft, wie für uns. Vorteile, Gnade verlangen wir ja überhaupt gar nicht, sondern nur Gerechtigkeit. Was haben Sie zunächst in Beziehung auf meine Person beschlossen?«
»Sie werden nicht erschossen.«
»Schön! So kann ich auch meine Revolver wieder zu mir nehmen.«
Ich ergriff sie schnell, steckte sie in den Gürtel und trat um einige Schritte zurück.
»Halt!« fuhr Jordan auf. »So ist es nicht gemeint. Wir können Ihnen nicht erlauben, Waffen zu tragen.«
»Dagegen protestiere ich natürlich, Sennor. Sie werden mir schon erlauben, daß ich sie behalte!«
»Nein. Sie haben versprochen, sich in mein Urteil zu fügen!«
»Ich versprach, mich erschießen zu lassen, falls Sie mich dazu verurteilen. Sie haben das nicht getan, folglich – –«
»Sie zwingen mich, Gewalt zu brauchen!«
»Ich zwinge keinen Menschen. Die Revolver sind mein Eigentum; ich behalte sie also.«
»Ganz wie Sie wollen! Wer nicht hören will, der muß fühlen. Major Cadera, nehmen Sie ihm die Waffen ab!«
Dieser Befehl kam dem Major jedenfalls sehr ungelegen. Er schickte sich an, gehorsam zu sein, aber nur sehr widerstrebend. Er trat langsam auf mich zu, blieb zwei Schritte vor mir stehen und gebot:
»Her damit!«
»Nehmen Sie, was Sie wünschen, Sennor!«lachte ich. »Aber hüten Sie sich, meiner Faust allzu nahe zu kommen. Sie haben sie schon einmal gefühlt.«
Ich machte eine Faust und hielt sie ihm entgegen. Er wendete sich zu Jordan um und sagte:
»Sie hören, Sennor. Er will nicht!«
»Aber ich will!« antwortete dieser. »Ich befehle sogar. Gehorchen Sie augenblicklich!«
Der Major kam dadurch in die größte Verlegenheit; ich zog ihn aus derselben heraus, indem ich Jordan bat:
»Zwingen Sie ihn nicht, sich an mir zu vergreifen, Sennor! Ich schlage ihn nieder, sobald er es wagt, mich anzurühren.«
»Vergessen Sie nicht, daß er im Widersetzungsfall von seiner Waffe Gebrauch machen wird. Er hat eine Pistole.«
»Bis jetzt, ja – – nun aber nicht mehr!«
Zwischen diesen beiden Sätzen war ich blitzschnell auf den Major zugetreten und hatte ihm die Pistole aus der Hand gerissen. Er stieß einen Fluch aus und machte Miene, nach mir zu fassen.
»Zurück!« drohte ich. »Sonst jage ich Ihnen Ihre eigene Kugel durch den Kopf!«
»Diabolo!« rief Jordan. »Das ist stark! Bemerken Sie, daß wir andern auch bewaffnet sind? Was wollen Sie gegen uns ausrichten! Geben Sie die Waffen ab, und zwar augenblicklich, sonst rufe ich meine Soldaten herein!«
»Die Waffen werde ich abgeben, Sennor, ja, aber nicht an Sie, sondern an diese da. Sehen Sie!«
Ich gab dem Yerbatero die Pistole und dem Kapitän einen meiner Revolver, da dieser als Amerikaner im Gebrauche dieser Waffe vielleicht erfahrener war als die andern. Dann schwenkte ich rasch nach der Türe, schob den Riegel vor, hielt Jordan den zweiten Revolver entgegen und fuhr fort:
»Ihre Leute können nicht herein. Übrigens, wenn Sie rufen, so schießen wir!«
Das war alles so schnell geschehen, daß der Major noch unbeweglich und wie angenagelt stand. Die Offiziere hatten zwar auch nach ihren Pistolen gegriffen, hüteten sich aber, zu schießen. Der Steuermann war hinter Jordan getreten und blinzelte listig zu mir herüber. Ich verstand, was er sagen wollte, winkte ihm aber noch nicht zu, da er sonst vielleicht voreilig gehandelt hätte.
»Himmel!« rief Jordan. »Ist so etwas denn nur möglich?«
»Nicht nur möglich, Sennor! Sie sehen es ja.«
»Aber, wenn Sie sich wirklich an uns vergreifen, so werden Sie von meinen Leuten buchstäblich in Stücke gerissen!«
»Sie mögen kommen! Jedenfalls haben wir die Genugtuung, daß wir Sie vorher dahin geschickt haben, wo Sie keinen Gefangenen mehr machen können.«
»Nur Sie sollen gefangen sein. Ihre Leute können frei umhergehen!«
»Sie werden sich keinen Augenblick von mir trennen.«
»Aber, meinen Sie wirklich, daß es Ihnen so leicht sein wird, uns niederzuschießen. Ich greife zum Beispiel hier nach – – oh weh!«
Er hatte nach der vor ihm liegenden Pistole greifen wollen, stieß aber diesen Schmerzensschrei aus, da der Steuermann ihm die Riesenhände an die beiden Arme legte und ihm dieselben an den Leib preßte.
»Liegen lassen, Mann, sonst zerdrücke ich dich wie eine Zitrone!« drohte der riesige Seemann. »Nur los, Sennor!« fuhr er dann fort, zu mir gerichtet. »Das ist endlich einmal die gewünschte Gelegenheit, ein Mannskind so richtig in die Schrauben zu nehmen, daß ihm der Most aus den Stiefeln läuft!«
»Laß mich los!« rief Jordan. »Kerl, du erdrückst mich ja!«
Niemand wagte es, ihm zu Hilfe zu kommen. Seine Offiziere sahen zwei Revolver und eine Pistole gerade auf sich gerichtet, und zum Überflusse erklärte ich ihnen:
»Wenn Sie Ihre Pistolen nicht augenblicklich auf den Tisch legen, befehle ich diesem Manne, daß er dem Generalissimo den Brustkasten eindrückt. Ich sage Ihnen, daß Sie sofort die Knochen krachen hören werden! Also weg mit den Waffen! Eins – zwei – –«
Ich hatte die Zwei kaum ausgesprochen, so lagen die Pistolen auf dem Tische. Übrigens hatten die Herren keine Angst vor uns. Sie wußten, daß ihnen nichts geschehen werde, falls sie sich nicht feindselig gegen uns verhielten. Auf dem Gesicht des Generals war sogar der leise Ausdruck der Genugtuung zu bemerken. Ihm war ganz gewiß eine außerordentlich lange Nase erteilt worden dafür, daß er sich vorhin von mir ins Bockshorn hatte jagen lassen. Und nun geschah seinem Vorgesetzten ganz dasselbe. Das mußte ihn mit stiller Freude erfüllen.
»Nehmt die Waffen weg!« gebot ich den Yerbateros. Sie säumten keinen Augenblick, diesen Befehl auszuführen, so daß unsere Gegner nun nur noch ihre Säbels hatten, welche wir nicht zu fürchten brauchten, da sich nun fast jeder von uns im Besitze einer Schußwaffe befand.
»Gehen Sie von der Türe fort, hinten in den Winkel, Sennor!« herrschte ich den Major an.
Er gehorchte auch, zwar langsam, aber doch. Dann gab ich dem Steuermann einen Wink. Er nahm die Hände von Jordan weg, blieb aber hinter demselben stehen. Jordan sank ganz ermattet in seinen Stuhl und rief seufzend »Cascaras! Was für Menschen sind das! Das muß man sich mitten in seinem Hauptquartiere gefallen lassen. Und Sie, Sennores, stehen mir nicht bei!«
Dieser Vorwurf war gegen seine Offiziere gerichtet. Sie konnten ihm natürlich nicht antworten, wie sie wollten; darum tat ich es an ihrer Stelle:
»Warum haben Sie sich dann selbst nicht helfen können? Ein Generalissimo sollte stets selbst wissen, was zu tun ist. Sie haben nun erfahren, daß es nicht so sehr leicht ist, über Leben und Eigentum anderer zu verfügen, wenn diese andern nicht zugelaufene Landstreicher, sondern erfahrene, ehrliche und mutige Männer sind.«
»Vergessen Sie nicht, daß Sie von einigen Tausenden meiner Truppen umgeben werden!«
»Pah! Vor diesen Kerlen fürchten wir uns nun nicht mehr.«
Er warf einen Blick auf mich, in welchem sich ein ganz unbeschreibliches Erstaunen aussprach.
»Ich bin überzeugt,« fuhr ich fort, »daß keiner Ihrer Leute sich an einem von uns vergreifen wird!«
»Oho! Man wird Sie zerreißen, wie ich Ihnen schon gesagt habe.«
»Fällt niemandem ein! Kein Mensch wird etwas tun, wodurch er Ihren augenblicklichen Tod herbeiführen würde.«
»Meinen Tod?«
»Ja. Wir sind zehn Männer; Sie zählen nur sechs. Jedenfalls sind Sie überzeugt, daß es uns leicht ist, Sie zu binden?«
»Was kann Ihnen das nützen?«
»Sehr viel. Wir binden Sie und fesseln Sie an einander, einen an den andern, wie eine Tropa Pferde. Wir führen Sie fort, aus dem Hause hinaus, mitten durch Ihre Soldaten. Man wird es nicht wagen, Hand an uns zu legen, denn sobald man nur einen von uns berührte, würden wir Sie alle augenblicklich niederschießen. Nennen Sie das immerhin ein wahnsinniges Unternehmen! Ich bin fest entschlossen, es auszuführen, falls Sie mich zwingen, Ihnen den Beweis zu liefern, daß zuweilen auch etwas geradezu Verrücktes ganz vortrefflich gelingen kann. Ich habe noch mit ganz anderen Leuten, als Sie sind, zu tun gehabt. Ich habe mich durch Hunderte von Comantschos und Apatschos geschlagen, von denen einer so viel wiegt, wie zwanzig Ihrer Leute. Nicht die Masse fürchte ich. Der Scharfsinn und die Verwegenheit des einzelnen führt oft schneller zum Ziele, als das ordnungslose Zusammenwirken vieler. So wie wir hier stehen, und so wie Sie sich hier befinden, schaffen wir Sie hinaus und nach dem Flusse. Wollen sehen, ob wir uns auf diese Weise nicht unser Leben, unsere Freiheit und unser Eigentum retten! Ich komme als Freund zu Ihnen, werde mit meinen Gefährten wie ein Lump und Vagabund behandelt und soll selbst jetzt, wo ich Sie überzeugt habe, welche ungeheueren Vorteile ich Ihnen bringe, mir alle mögliche Tücke und Hinterlist gefallen lassen! Dazu bin ich nicht der Mann. Mag es biegen oder brechen! Für mich sind Sie jetzt nichts als ein Mann, dem ich kein Vertrauen schenken kann, und so dürfen Sie sich nicht wundern, wenn ich in der dadurch gebotenen Weise mit Ihnen verfahre.«
Diese Worte machten den beabsichtigten Eindruck.
»Aber, was verlangen Sie denn von mir?«
»Ehrlichkeit, weiter nichts. Ich will von jetzt an frei sein!«
»Ich hatte die Absicht, Sie morgen früh abreisen zu lassen, nach Buenos Ayres, und Ihnen meinen Bevollmächtigten mitzugeben.«
»Das ist ja recht gut, aber gar kein Grund, mich heute noch einzusperren. Wer soll denn dieser Bevollmächtigte sein?«
»Major Cadera.«
»Warum gerade er? Sie befürchten Feindseligkeiten zwischen ihm und mir und sperren mich deshalb ein; morgen aber soll ich eine Reise mit ihm antreten. Das ist lächerlich!«
»Ich habe ihn gewählt, weil ich mich auf ihn verlassen kann und weil ihn niemand in Buenos Ayres kennt. Ein Beauftragter von mir muß dort natürlich höchst vorsichtig sein.«
»Ich habe gar nichts dagegen, daß er es ist, der mich begleiten soll; aber ich verlange die Behandlung, auf welche ich Anspruch erheben kann.«
»Nun wohl, ich will meinen Entschluß zurücknehmen, Sie werden also bis morgen mein Gast sein. Fühlen Sie sich dadurch zufriedengestellt?«
»Ja, wenn sich Ihre Worte auch auf alle meine Gefährten beziehen.«
»Das ist der Fall. Morgen reisen Sie mit Cadera ab. Natürlich gebe ich ihm eine Begleitung mit, welche gerade aus so vielen Köpfen besteht, wie auch Sie bei sich haben.«
»Warum das?«
»Ich kann ihn doch nicht ohne Schutz gehen lassen!«
»Meinetwegen, obgleich ich der Ansicht bin, daß er durch diese Begleitung nur die Aufmerksamkeit Ihrer Gegner auf sich ziehen muß. Übrigens werden nicht alle mit mir gehen. Der Estanziero reitet mit seinem Sohne direkt heim. Nur die Yerbateros begleiten mich, da ich sie für unser Geschäft engagiert habe. Der Kapitän und der Steuermann sind natürlich auch dabei, und Bruder Hilario wird uns nicht verlassen wollen. Mit welcher Gelegenheit sollen wir fahren?«
»Wieder mit einem Flosse. Einen Dampfer dürfen Sie nicht betreten, weil Sie da Verdacht erwecken würden.«
»Ich bin einverstanden. Der Major hat also Vollmacht, ganz wie Sie zu handeln, und Sie werden seine Unterschrift so respektieren wie Ihre eigene?«
»Ja.«
»Das genügt mir; Sennor Tupido aber wird eine schriftliche Vollmacht verlangen.«
»Die werde ich dem Major mitgeben.«
»Schön! Und wie steht es mit Ihrem Entschlusse bezüglich unsers Eigentumes?«
Er hatte jedenfalls vieles behalten wollen, war aber jetzt der Ansicht geworden, daß ich nicht darauf eingehen würde. Darum sah er den General fragend an, und dieser nickte ihm zu, nachgebend zu sein. Da antwortete Jordan:
»Sie sollen alles zurückerhalten, außer der Summe, welche Sie dem Major abgenommen haben.«
»Die lasse ich nicht abziehen. Der Major hat sie als Entschädigung zahlen müssen.«
»Was geht Sie der Brand eines fremden Hauses an?«
»Ein braver Mensch ist mein Nächster und mir niemals fremd!«
»Der Abzug soll nicht Ihnen gemacht werden. Wir nehmen das Geld von der Summe, die dem Estanziero Monteso gehörte.«
»Ob mir oder ihm, das ist ganz gleich. Ich willige nicht ein.«
»So soll an diesem nebensächlichen Punkte unser ganzes friedliches Übereinkommen scheitern?«
»Ja, wenn Sie die Forderung nicht fallen lassen.«
»Aber Cadera verlangt sein Geld zurück!«
»Und wir das unserige! Er mag keine Ranchos nieder brennen.«
»Bedenken Sie, daß Sie ihm bereits die Pferde abgenommen haben!«
»Mit vollem Rechte. Sie gehörten nicht ihm. Er mag nicht stehlen!«
»Sennor, Sie haben einen ganz entsetzlich harten Kopf!«
»Leider! Und unglücklicher Weise besitzt er die Eigentümlichkeit, immer härter zu werden, falls etwas nicht nach seinem Willen geht. Beharren Sie bei Ihrer Weigerung, so ist es sehr leicht möglich, daß ich das zurücknehme, was ich bisher bewilligt habe.«
»Cadera wird Ersatz von mir verlangen!«
»Das ist Ihre Sache, aber nicht die meinige. Übrigens bin ich überzeugt, daß das Geld nicht sein persönliches Eigentum war. Er hat in Ihrem Auftrage gehandelt und ist also von Ihnen mit Kasse versehen worden. Sie nennen mich zwar einen Verrückten, zuweilen aber habe ich doch ausnahmsweise ein klares Auge.«
»Basta! Mit Ihnen ist nichts anzufangen! Nehmen Sie also auch dieses Geld. Ich habe nichts dagegen! Nun aber sind Sie doch vollständig befriedigt?«
»Nein. Sie haben die Güte, Ihre Zugeständnisse schriftlich zu bestätigen, wozu die anderen Herren die Güte haben werden, ebenso schriftlich ihr Ehrenwort zu geben.«
»Das ist beleidigend!«
»Nur eine Folge Ihrer eigenen Bemerkung, daß ein Bruch Ihres Wortes möglich ist. Ich muß das zu unserer Sicherheit unbedingt fordern.«
»Aber es wäre doch auch die Möglichkeit vorhanden, daß ich dieses schriftliche Zugeständnis ebenso wenig halte, wie ein mündliches!«
»Deshalb verlange ich die Unterschrift der Sennores Offiziere. Von ihnen bin ich überzeugt, daß sie ihr Ehrenwort respektieren und also auf die Erfüllung unserer Abmachungen dringen werden.«
Der Kapitän, der Yerbatero und ich, wir hatten noch immer unsere Waffen drohend in den Händen. Jordan war mürbe geworden. Er stieß einen Seufzer aus und sagte:
»Sie sind wirklich ein entsetzlicher Mensch! Ein solcher Starrkopf ist mir noch niemals vorgekommen! Wie soll ich schreiben?«
»Ich werde diktieren.«
»Gut! Der Rittmeister mag schreiben, und dann unterzeichnen wir. Aber nun tun Sie die Waffen weg.!«
»Nach vollzogener Unterschrift. Nicht eher.«
Derjenige, welchem er den Titel Rittmeister gab, nahm Papier und Feder zur Hand und schrieb mein Diktat nieder. Ich gab demselben die vorsichtigste Fassung. Der »Generalissimo« hätte sich nicht an dasselbe gekehrt. Von den andern aber nahm ich an, daß ihre Unterschrift wenigstens einigen Wert für sie haben werde. Jordan unterzeichnete; dann fügten auch die andern ihre Namen bei.