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34. Fortsetzung

»Sie werden also eine Auswechslung der Gefangenen beantragen?«

»Jawohl, Sennor! Fällt es mir ein, Sie gegen den Yerbatero und dessen Neffen freizugeben, so werde ich es tun. Beliebt es mir, diese beiden zu befreien und Ihnen dann eine Kugel durch den Kopf zu jagen, so werde ich auch das tun, und meine Gefährten werden vollständig mit mir einverstanden sein.«

»Streiten wir jetzt nicht darüber! Auf alle Fälle aber unterlassen Sie, sich an meinem Gelde zu vergreifen!«

»Ist es das Ihrige?«

»Ja.«

»Das erklären Sie hiermit vor allen diesen Zeugen?«

»Natürlich!«

»So bin ich befriedigt. Das Eigentum eines andern hätte ich nicht angegriffen, um den Schaden zu ersetzen, welchen Sie hervorgebracht haben. Da Sie aber fest erklären, daß das Geld Ihnen gehöre, so bestimme ich eben zwölftausend Papiertaler als Entschädigung für das niedergebrannte Haus und Inventar des Alquerio.«

»Oho! Sie haben mich um Erlaubnis zu fragen, und diese verweigere ich!«

»Haben auch Sie etwa um die Erlaubnis gefragt, die Alqueria niederzubrennen? Sie wäre Ihnen natürlich auch verweigert worden, und doch haben Sie es getan.«

»Sennor, Sie bestehlen mich!«

»Nun gut, so bin ich ein ehrlicher Dieb, Sie aber ein ehrloser Brandstifter und Pferderäuber. Es bleiben Ihnen sechstausend Papiertaler übrig, welche ich Ihnen hiermit in die Tasche zurückstecke, ebenso wie Sie die Uhr zurückerhalten haben. Das ist ehrlich. Sie aber kaufen und schlachten Rinder und bezahlen sie nicht. Sie nehmen brave Menschen, die Ihnen nie etwas zu leid taten, gefangen, um von den Angehörigen derselben ein Lösegeld zu erpressen!«

»Ein Lösegeld? Davon weiß ich kein Wort. Ich habe mich des Yerbatero bemächtigt, weil er mit Ihnen eines schweren Verbrechens bezichtigt ist. Ich würde mich auch Ihrer bemächtigen, wenn ich in der Lage dazu wäre. Von einem Lösegelde aber hat kein Mensch ein Wort gesprochen.«

»So! Sie führen Ihre Verteidigung so sprachselig, weil Sie glauben, wir seien eher zu Ihrer Verfolgung aufgebrochen, als Ihre Boten die Estanzia del Yerbatero erreichten.«

»Meine – Boten?« fragte er stockend.

»Ja, Ihr Lieutenant mit seinen beiden Begleitern.«

»Die sind auf der Estanzia gewesen?«

»Pah! Tun Sie doch nicht, als ob Sie nichts davon wüßten! Wie konnten Sie nur so dumm sein, einen solchen Schulbubenstreich zu begehen! Wir haben diese Kerle natürlich eingesperrt, so klug sie es auch angefangen zu haben vermeinten; sie sind geständig und sehen ihrer Bestrafung entgegen. Ihr Name wird dabei eine bedeutende Rolle spielen, und Ihre Person wahrscheinlich auch, denn ich habe große Lust, Sie einzuladen, mit uns nach der Estanzia del Yerbatero zu kommen. Dann schaffen wir Sie nach Montevideo, wo Sie Ihren famosen Comisario criminal ersuchen können, Ihre Verteidigung zu übernehmen.«

Er schwieg. Er sah sogar ruhig zu, als ich den beiden Yerbateros, welche das Los getroffen hatte, das Geld gab, mit welchem sie sogleich aufbrechen sollten.

Zwölftausend Papiertaler waren noch lange nicht zweitausend Mark. Mochte ich unrecht handeln oder nicht, mochte daraus werden, was da wollte, der alte Alquerio mußte und sollte das Geld bekommen. Die beiden Yerbateros entfernten sich mit ihren Pferden, und der Indianer übernahm es, sie so weit zu führen, bis das Sumpfland hinter ihnen lag und sie dann offenen Weg vor sich hatten. Der Mond leuchtete ihnen hell zu ihrem Ritte.

Der Major kochte vor Wut. Sein Blick schweifte von einem auf den andern. Wären diese Blicke Dolche gewesen, so hätten sie uns sicherlich getötet. Um ihn nicht so vor Augen haben zu müssen, wurde er vom Baume gelöst. Wir banden ihm die Füße auch zusammen und legten ihn dahin, wo er nicht gesehen werden, aber auch nichts von unserm Gespräch hören konnte. Doch waren wir so vorsichtig, ihn noch extra mit einem Riemen lose an einen Stamm zu binden. Er hätte sonst, indem er sich fortrollte, uns entkommen können. Nun wurden die Speisevorräte ausgepackt, und wir aßen. Daya, welche herbeikam, mußte sich auch zu uns setzen und mitessen, obgleich der breitkrempige Sir ein Gesicht dazu machte, als ob er ein Apollo sei, welcher mit der Pastrana von einem Teller essen müsse.

Ihm war der Seemann beim ersten Blicke anzusehen. Sein wetterbraunes Gesicht zeigte eine große Portion gutmütigen Sinnes, wie man jetzt, wo er den Hut in den Nacken geschoben hatte, recht gut sehen konnte. Seine Augen waren scharf und ehrlich. Man sah, daß er keiner Falschheit fähig sei, und solche Leute kann man schnell lieb gewinnen. Er hatte seinen Gefährten »Steuermann« genannt. Nun, dieser lange, starke, breitschulterige Kerl war ein Seemann vom echtesten Schrot und Korn. Blond und blauäugig, wie er war, hatte ich große Lust, ihn für einen Friesen zu halten. Darum sagte ich in deutscher Sprache zu ihm:

»Wie haben denn eigentlich Sie bei Ihren Fäusten sich gefangen nehmen lassen können?«

»Ich?« antwortete er deutsch. »Was? Wie? Sie reden deutsch?«

»Ich bin ein Deutscher.«

»So will ich mich kielholen lassen, wenn ich das geahnt hätte! Ich bin ein Friese von der Nordsee her und heiße Hans Larsen.«

»Hätte nicht vermutet, hier in diesem Sumpfe einen Landsmann zu treffen!«

»Und herauszuangeln, nicht wahr, Herr! Und meine Fäuste – –«

Er hob sie empor und blickte sie wehmütig an. Ja, das waren Fäuste! Für diese Größe und Stärke hätte er keine passenden Glacéhandschuhe bekommen, denn Handschuhe Nummer sechsunddreißig werden meines Wissens in keiner Fabrik der Welt gefertigt. Er schüttelte den Kopf, sah mich betrübt an und fuhr dann fort:

»Herr, ja meine Fäuste, auf die halte ich große Stücke, denn ich brauche sie gar notwendig. Glauben Sie es mir oder nicht, mit diesen Fäusten schleppe ich einen Buganker zweimal längs der Reiling um das ganze Deck, und wo ich sie nur hinlege, ohne groß zuzuschlagen, da wächst weder Reseda noch Ranunkel wieder. Darum ist es jammerschade, daß ich sie heute nicht in Gebrauch nehmen konnte; ich kam nicht recht dazu, denn es ging alles zu schnell. Einige Beulen werde ich wohl gequetscht haben, doch sind sie jedenfalls von keiner Bedeutung. Wenn man sich nicht sehr in acht nimmt, so greift man diese zarten La Plataleute gleich durch und durch. Und geradezu zerdrücken wollte ich doch keinen.«

Er schob ein Stück Fleisch in den Mund, welches wenigstens ein Viertel Pfund wog, schüttelte abermals den Kopf und kaute ruhig weiter. Die Bekanntschaft war gemacht; was sollte da sonst noch viel gesprochen werden?

Der Breitkrempige hatte uns zugehört und fragte mich jetzt im schönsten Yankee-Englisch:

»Gefällt er Euch, Sir?«

»Sehr!« nickte ich.

»Ist mein liebster Mate, der Larsen. Ein Kerl aus Eisen und Buttermilch, so fest und doch so zart von Gemüt. Kennt Ihr mich?«

»Habe nicht das Vergnügen.«

»Was? Nicht? Alle Welt kennt mich! Heiße Turnerstick, Frick Turnerstick, bin Kapitän der Prachtbarke The wind [1) Siehe Hausschatz Jahrgang VI, pag. 250 und Jahrgang VII, pag. 60], welche unten in der Hafenpfütze von Buenos Ayres vor Anker liegt. Kennt Ihr mich nun, Sir?«

»Ja, danke!«

»Und Ihr?«

Ich nannte mich ihm. Er meinte sehr aufrichtig:

»Habe noch niemals eine Ahnung gehabt, daß ein Mannskind dieses Namens existiert. Kann aber wirklich ebenso wenig dafür, wie Ihr!«

»Gewiß. Ich mache Euch auch keinen Vorwurf aus der Unbekanntschaft mit meinen Personalien.«

»Freut mich! Werden uns schon noch kennen lernen. Wo kommt Ihr her und was wollt Ihr hier?«

»Davon später, wenn's Euch beliebt, Kapt'n. Für jetzt ist's von größerem Vorteil, zu wissen, wie Ihr dazu gekommen seid, der Gefangene dieser Leute zu werden.«

Er kratzte sich hinter dem Ohre, zog ein höchst unrömisches Gesicht und antwortete.

»Grad so, wie mein ›The wind‹ in das Loch gekommen ist, was sie da unten in Buenos Ayres einen Hafen nennen – ohne eigentliche Absicht. War nach Bahia in Ballast gekommen und erhielt Ladung nach Buenos Ayres – schlechter Hafen, dieser Froschteich! Wollte neue Ladung nehmen, wußte aber nicht, was. Hörte da von den Produkten von Rio Grande do Sul, welche auf dem Uruguay verschifft werden, kostbare Holzarten, Paraguaytee, Kupfer, Zink, Bergkristalle, Achate, Jaspis und anderes. Wollte das selber sehen und machte mich per Dampfer nach da oben. Bin bis zum Salto Grande gekommen und habe Fracht bestellt. Ich fahre nämlich auf eigene Rechnung, Sir, bin Herr meines Kieles und meiner Zeit. Wollte wieder hinab nach Buenos, hatte aber Lust, mir die Gegend etwas genauer zu betrachten, und setzte mich also mit meinem Mate auf das Floß, welches heute hier anlegte. Sind wohl fünf Tage lang auf demselben geschwommen, wie die Fliege auf dem Gurkenblatt.«

»Und hier wurdet Ihr überfallen?«

»Well! Sogar sehr. Wir lagen in der Koje, was diese Leute hierzulande eine Caba¤a, eine Bretterhütte nennen, als das Floß anlegte. Was ging uns das an? Wir rauchten ruhig weiter und blieben liegen, denn morgen schwammen wir wieder fort. Da erhob sich auf dem Vorderdeck, wollte sagen auf dem Vorderteile des Floßes ein Heidenspektakel, und eben als ich den Kopf aus dieser Caba¤a stecken wollte, bekam ich einen Klaps auf denselben, daß ich ihn schleunigst zurückzog. War gar nicht überhöflich von diesen Leuten. Well! Dann krochen einige Kerle zu uns herein, welche sagten, wir dürften nicht weiter, wir müßten morgen und übermorgen hier vor Anker bleiben. Darauf gingen wir nicht ein, denn wir hatten das Passagegeld bezahlt, nicht aber sie. Sie wurden grob, und darum multiplizierten wir sie hinaus und krochen ihnen nach, um ihnen für den Klaps, den ich bekommen hatte, noch einen Extragrog zu geben. Aber alle Wetter, wir hatten geglaubt, es seien so zehn, fünfzehn oder zwanzig; aber Prosit die Mahlzeit, es waren über die fünfzig! Sie ließen uns gar nicht Zeit, ihre Gesichter einzeln auszuluven, sondern sie fielen gleich über uns her, bevor wir noch recht aus der Hütte waren. Wir bekamen keinen rechten Platz zum Zuschlagen und wurden von und mit ihnen nur so hin und her gewickelt, bis sie uns in ihren verteufelten Riemen hatten, was sie hier zu Lande Lasso oder Bola nennen. Aber einige Knüllen, Schrammen, Risse und sonstige Kleinigkeiten haben wir ihnen doch verehrt. Wir selbst sind mit heiler Haut davongekommen. Dann strickte man uns förmlich in Riemen ein und schaffte uns auf die Landzunge, die man hier vielleicht das Vorgebirge der Prügeleien nennt. Dort wurden wir wenigstens von der Übermasse der Riemen befreit und nur so an die Bäume gebunden, daß es Euch gelang, uns mit zwei Schnitten wieder flott zu machen. Werde Euch das nicht vergessen, Sir! War zwar keine gefährliche Situation, aber verteufelt unangenehm.«

»Wie steht es mit Eurem Eigentum? Hat man Euch in dieser Beziehung geschädigt?«

»Nein, obgleich man große Lust dazu zu haben schien. Aber Frick Turnerstick ist nicht dasjenige Mannskind, welches sich so leicht den Kopf barbieren läßt. Habe ihnen gar keine Haare gezeigt. Hatte im Beutel nur einige Papiere, welche sie in dieser gesegneten Gegend ›Taler‹ schimpfen. Das andere ist versteckt, ausgezeichnet versteckt, so daß ich selbst es nicht zu finden vermöchte, wenn ich nicht wüßte, wo es steckt. Die Taler haben sie mir freilich abgenommen. Mögen sie immerhin behalten. Will sie ihnen gern als Almosen lassen. Aber, Sir, was hat nun zu geschehen? Bin zwar nicht sehr pressiert, möchte aber doch gern so bald wie möglich nach Buenos Ayres und mich nicht in diesen Sumpf setzen, um das Fieber zu bekommen.«

»Hoffentlich könnt Ihr bereits morgen fort von hier.«

»Wird die Bande das Floß frei geben?«

»Ich denke es. Wenn sie es nicht gutwillig tut, werden wir sie dazu zwingen.«

»Wohl dadurch, daß Ihr nur unter dieser Bedingung den Major frei gebt?«

»Ja.«

»Hm! Die Sache hat aber doch einen Haken. Gesetzt den Fall, Ihr gebt den Offizier frei und erhaltet dafür die Gefangenen heraus und die Erlaubnis für uns, mit dem Flosse in See zu stechen, so seid Ihr doch nicht eher sicher, als bis die Kerle fort sind, hinüber an das andere Ufer. Ist das richtig?«

»Ja.«

»Ihr müßt also dafür sorgen, sie so bald wie möglich los zu werden. Das kann aber eben nur mit Hilfe unseres Flosses geschehen. Ferner kalkuliere ich, daß auch dem Major daran liegen wird, schnell von hier zu verschwinden. Er wird dazu eben auch unser Floß benutzen wollen. Ich kann also die Sache betrachten, wie ich will, so kommt nur das heraus, daß die Bolamänner mit Hilfe unseres Flosses über den Fluß setzen. Dagegen aber muß ich Einsprache erheben.«

»Warum?«

»Weil diese Entscheidung mir großen Schaden machen würde. Es würde da einer von zwei Fällen eintreten. Entweder die Kerle fahren ohne mich über; dann ist das Floß für mich fort, denn es kann nicht wieder zurück. Oder ich fahre mit Larsen gleich mit; dann falle ich den Kerlen in die Hände, und sie nehmen Rache an mir. Ich kann also auf keinen Fall zugeben, daß sie unser Floß benutzen. Das wird Euch freilich nicht sehr lieb sein.«

»Es wird sich wohl ein Ausweg finden lassen. Vielleicht kommt am Morgen ein anderes Floß vorüber, welches diese Leute benutzen können.«

»Das ginge wohl an. Oder – hm, ich glaube, es wird am besten sein, wenn ich es ihnen dennoch lasse und lieber hier warte, bis ein Dampfer talwärts kommt. Es ist ja in diesem guten Lande Sitte, daß man nur vom Ufer aus zu winken braucht, um aufgenommen zu werden.«

»Das rate ich Euch an, Kapt'n, denn durch diesen Entschluß vermeiden wir alle Unbequemlichkeiten für uns und jede Gefahr für Euch.«

»Richtig! Also mögen sie mit dem Flosse abdampfen; ich warte auf den nächsten Dampfer oder das nächste Schiff, welches mich aufnehmen wird. Wo aber wollt Ihr von hier hin, Sir?«

»Das kommt auf den Ausgang an, welchen das gegenwärtige Abenteuer nimmt. Ich kann nicht eher einen Entschluß fassen, als bis ich mit dem Yerbatero gesprochen habe, welcher jetzt noch gefangen ist.«

»Wollt Ihr nicht mit nach Buenos Ayres? Zwar ist der Hafen miserabel; aber wir könnten ein wenig beisammen sein.«

»Da hinab komme ich wohl nicht. Ich will nach einer ganz andern Richtung.«

»Wohin denn, wenn ich fragen darf?«

»Nach dem Gran Chaco und dann durch die Pampa hinüber nach Tucuman.«

»Hm!« brummte er dann nachdenklich. »Eigentlich beneide ich Euch, Sir. Habe mir oft gewünscht, auch einmal so eine Reise zu machen. Habe alle möglichen Seen und Meere befahren, aber übers Land bin ich noch nicht gegondelt. Zeit hätte ich jetzt, einen Ritt durch diese Pampa zu machen, doch fehlt mir die Gelegenheit. Bevor die Ladung für meinen ›Wind‹ beisammen ist, kann eine lange Zeit vergehen, die ich dazu benutzen könnte, einmal einen wilden Gaucho aus mir zu machen. Wenn ich nicht erst nach Buenos Ayres müßte, würde ich sagen, daß ich Euch begleite.«

»Versteht Ihr die Sprache des Landes?«

»Ausgezeichnet! Ich spreche überhaupt alle Sprachen.«

»Oho! Wißt Ihr, was dazu gehört, auch nur einer einzigen fremden Sprache wirklich mächtig zu sein?«

»Das weiß ich ganz genau. Es gehört gar nicht viel dazu. Man macht eben das Maulwerk auf und redet. Weiter braucht man gar nichts zu tun.«

Ich mußte laut auflachen. War dieser Mann verrückt? Er schien mir aber meine Lustigkeit übel zu nehmen, denn er sagte:

»Was gibt's da zu lachen, Sir? So bedeutende Sprachkenntnisse sind sehr ernsthaft zu nehmen. Nicht jeder hat den Verstand, sie sich anzueignen, obgleich man nur einen einzigen Vorteil zu beachten hat, um alle Sprachen schnell zu lernen.«

»Welcher Vorteil wäre das?«

»Der richtige Gebrauch der Endungen. Ja, Sir, nur auf die Endungen kommt es an, nur allein auf sie. Wenn Ihr länger in meiner Gesellschaft sein könntet, würde ich Euch den Kunstgriff beibringen. Man hat nur nötig, an die Muttersprache die betreffenden fremden Endungen zu hängen, um in allen möglichen Zungen reden zu können. Merkt Euch das, Sir! Ich vertraue Euch dieses Geheimnis aus Dankbarkeit dafür an, daß Ihr mich vom Baume losgeschnitten habt. Macht es Euch zu nutze!«

Es war ihm mit dem, was er sagte, völliger Ernst. Ich sah ihm an, daß er wirklich glaubte, mir durch diese Mitteilung einen ganz bedeutenden Dienst zu erweisen. Entweder war dieser Frick Turnerstick ein Original, oder er hatte, wie man sich wohl auszudrücken pflegt, so eine kleine »Neunundneunzig« im Kopfe, welche sich auf die Kenntnis fremder Sprachen bezog. Ich ahnte nicht, daß Umstände eintreten würden, welche uns Gelegenheit und Veranlassung gaben, längere Zeit beisammen zu bleiben und manche spaßhafte Situation zu erleben, in welche seine vermeintlichen Sprachkenntnisse uns brachten. Er fuhr fort:

»Also, was die spanische Sprache betrifft, so bin ich vollständig au fait und könnte mit Leichtigkeit eine Reise durch die Pampas unternehmen. Gehört noch mehr dazu?«

»Allerdings, noch weit mehr. Vor allen Dingen eine robuste Gesundheit.«

»Die habe ich, denn kein Walfisch und kein Nilpferd kann gesünder sein als ich.«

»Versteht Ihr, mit Waffen umzugehen?«

»Vernehmt, daß ich auch Meister im Gebrauche jeder anderen Waffe bin. Ich fechte mit dem Säbel wie ein Wütender; ich schieße jeden Vogel aus der Luft, und ich steche einem etwaigen Feinde mit dem Messer viele Löcher in den Leib.«

»Da seid Ihr freilich ein ganz außerordentlicher Held, dessen Tapferkeit den armen Gauchos höchst gefährlich werden kann. Für diese Leute ist es da besser, wenn Ihr eine solche Reise gar nicht unternehmt.«

»Na, so schlimm ist es nicht, Sir! Was verlangt Ihr außerdem noch von einem Pampasreisenden?«

»Daß er ein tüchtiger Reiter sei.«

»Der bin ich, ja, der bin ich, Sir.«


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