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Der Maler begann nun an dem Bilde zu arbeiten. Die Drei sahen zu und konnten sich nicht genug über seine Kunstfertigkeit wundern. Dabei wurde die Unterhaltung keineswegs ausgesetzt, und so kam es, daß, als er Abends Abschied nahm, sie einander so nahe gerückt waren, als ob er bereits seit Jahren in dieser Familie verkehrt habe.
Berteu behandelte ihn mit finsterer Miene.
»Ich habe Sie während des ganzen Tages nicht gesehen!« sagte er.
»Ich war nicht daheim.«
»Darf ich fragen, wo Sie gewesen sind?«
»Drüben im Schlosse.«
»Im Schlosse? Da wohnt doch nur der Beschließer.«
»Allerdings.«
»Sind Sie etwa bei dem gewesen?«
»Ja.«
»Monsieur, was fällt Ihnen ein?«
Der Dicke machte ein sehr erstauntes Gesicht und sagte:
»Was ist das für ein Ton? Wie kommen Sie mir vor?«
»Können Sie sich das nicht selbst erklären? Wissen Sie nicht, daß Sie mein Gast sind?«
»Das weiß ich sehr wohl!«
»Dann dürfen Sie auch nichts thun, was gegen meinen Willen ist.«
»Oho! Was ist denn gegen Ihren Willen?«
»Ihr Besuch bei diesen Melacs.«
»Pah! Ich bin Ihr Gast aber nicht Ihr Sclave. Uebrigens arbeite ich für Sie. Es ist eine Ehre für Sie, einen Künstler bei sich zu haben. Verstehen Sie wohl. Und auch handelt es sich gar nicht um einen Besuch bei Melacs, sondern um eine Arbeit, welche ich da vorzunehmen hatte.«
»Gearbeitet haben Sie drüben?«
»Ja.«
»Das soll doch heißen, gemalt?«
»Allerdings.«
»Haben Sie vielleicht portraitirt?«
»Ja.«
Man sah es diesem Berteu an, daß er ganz erregt war. Er vergaß alle Höflichkeit und fragte zudringlich weiter:
»Wen? Den Alten?«
»Nein.«
»Die Frau?«
»Nein.«
»Das Mädchen?«
»Auch nicht.«
»Donnerwetter! Wen denn? Es giebt da ja nur diese einzigen drei Personen!«
»Wenn ich sage, daß ich portraitirt habe, so ist das richtig, denn ich habe an einem Portrait gearbeitet, aber allerdings an einem bereits vorhandenen.«
»Es giebt da nur ein Bild, welches Sie da meinen können: ein Pastellbild.«
»Das war es allerdings.«
»Es stellt einen jungen Mann dar?«
»Ja.«
»Wer mag das sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie haben das Bild natürlich geöffnet?«
»Das versteht sich ganz von selbst.«
»Hat sich nichts dabei ereignet?«
»O doch.«
»Was denn! Was?« fragte Berteu schnell.
»Es fiel ein Nagel herunter, so daß Mademoiselle Marie gezwungen war, ihn aufzuheben.«
»Monsieur!!!«
»Was?«
»Denken Sie etwa, mich zum Narren machen zu wollen?«
»Pah! Ich antworte Ihnen. Kann denn ich dafür, daß Sie Alles, selbst bis auf solche Kleinigkeiten wissen wollen!«
»Nach dem Nagel habe ich Sie nicht gefragt. Aber, Sie sind Kenner. Ist das Bild werthvoll?«
»Ja.«
»Wie hoch schätzen Sie es?«
»Es kann sechstausend Franken gekostet haben.«
»Sechst – – Alle Teufel! Und jetzt? Hat es auch noch denselben Werth?«
»Ja.«
»Also doch! Welch ein Fehler von meinem Vater!«
»Ein Fehler? Was meinen Sie?«
»Wissen Sie denn nicht, wie das Bild in die Hände der Melacs gekommen ist?«
»Ich hörte, daß es ein Geschenk sei.«
»Nein, das ist nicht wahr. Sie haben es nur zur Aufbewahrung erhalten. Es gehört meinen Stiefschwestern. Vater hätte darauf bestehen sollen, es zurück zu erhalten. Haben Sie die Renovation vollendet?«
»Nein. Ich habe morgen noch einige Zeit daran zu arbeiten.«
»Und meine Gemälde werden dabei vernachlässigt.«
»Haben Sie keine Sorge! Ehe ich fortgehe, werde ich auch mit den Ihrigen fertig.«
Es war noch nicht spät, und so hatte der Maler noch nicht Lust, schlafen zu gehen. Er befand sich in einer ganz eigenthümlichen Stimmung. Es war ihm, als ob er das große Loos gewonnen hätte. Er hatte sehr viele Mädchen gesehen und keine war ohne Eindruck auf ihn gewesen; er hatte sie alle haben wollen; aber diese Marie – das war doch etwas ganz Anderes. Er hatte das Gefühl, als ob er sich verloren gehabt und nun wiedergefunden habe.
Es wurde ihm in der Stube zu eng. Er brannte eine Cigarre an und begab sich in das Freie. Natürlich ging er in den Park. Es verstand sich das ganz von selbst, daß er sich nach Kurzem gerade vor der Bank sah, auf welcher er mit Marie gesessen hatte. Er setzte sich nieder.
Er hatte nicht etwa erwartet, sie hier zu treffen, o nein. Aber er blieb doch eine längere Zeit, als ob er meine, daß Jemand kommen solle. Und da – da hörte er Schritte. Er horchte auf. Die Schritte näherten sich. Es waren die Schritte zweier Personen.
Er wollte nicht gesehen werden; darum stand er auf und trat zwischen die Büsche, vor denen die Bank stand. Es waren zwei Männer, welche kamen. Als sie die Bank erreichten, blieben sie stehen.
»Setzen wir uns ein Wenig?« fragte der Eine, in welchem der Maler seinen Wirth Berteu erkannte.
»Meinetwegen!«
»Du bist heute sehr kurz angebunden.«
»Habe auch Veranlassung dazu!«
»Wegen den Mädels?«
»Weswegen sonst.«
»Pah! Es war ein Scherz, der uns leider mißlungen ist!«
»Der mich aber um allen Credit gebracht hat.«
»Unsinn, Ribeau. Kein Mensch weiß genau, was geschehen ist, kein Mensch!«
»Aber man hat uns doch in der Pulvermühle gefunden, gebunden und geknebelt und zwar der Mädels wegen!«
»Mich kränkt das nicht im Mindesten! Das heißt dem Volke gegenüber. Daß mir aber die Nanon entgangen ist, darüber könnte ich verrückt werden vor Wuth. Könnte man nur eine Ahnung haben, wer der Kerl gewesen ist.«
»Lang und stark war er, baumstark.«
»Blond. Bist Du in Etain gewesen?«
»Ja.«
»Hast nichts erfahren?«
»Na, ich will Dich nicht auf die Folter stellen. Meine Erkundigungen sind von Erfolg gewesen.«
»Das wäre prächtig! Also, heraus damit!«
»Am Abende vor dem Begräbnisse sind sie angekommen.«
»Wer?«
»Nun, Mademoiselle Nanon Charbonnier aus Ortry und Mademoiselle Madelon Charbonnier aus Berlin. Sie sind im Gasthofe Napoleon abgestiegen. Sie haben eine Kutsche gehabt, welche sie in Metz gemiethet hatten.«
»Das Alles ist mir verteufelt gleichgiltig. Der Kerl, der Kerl! Wer war der?«
»Als sie angekommen sind, hat ein langer starker Kerl auf dem Bocke neben dem Kutscher gesessen.«
»Ah! Der war es also!«
»Auch er hat seinen Namen in das Fremdenbuch eingetragen.«
»Wie heißt er?«
»Fritz Schneeberg aus Thionville.«
»Fritz Schneeberg? Ein deutscher Name! Hole ihn der Teufel. Was ist er denn?«
»Pflanzensammler.«
»Sapperment! Das ist ja etwas verdammt Vornehmes! Das stand mit im Fremdenbuche?«
»Ja.«
»Das ist nun Alles, was Du erfahren hast?«
»O nein. Ich weiß sogar, daß dieser Mensch der Geliebte Deiner hübschen Nanon ist.«
»Unsinn! Die, und einen Pflanzensammler.«
»Und doch!«
»Wieso? Sprich!«
»Nun, der Kellner hat ein kleines Verhältniß mit dem Zimmermädchen. Diese Beiden haben im dunklen Corridore gestanden, um sich ein Wenig beim Kopfe zu nehmen, da ist Nanon gekommen und hat diesen Schneeberg in seinem Zimmer aufgesucht.«
»Alle Wetter! Den Kerl vergifte ich! War es denn auch wirklich Nanon und nicht die Andere?«
»Es handelt sich um ein Liebesverhältniß. Da versteht es sich ja ganz von selbst, daß Nanon seine Geliebte sein muß, nicht aber Madelon, die er gar nicht kennen kann.«
»Gut, gut! Ich komme übermorgen nach Thionville. Ich werde mich einmal nach diesem Herrn erkundigen. Was weißt Du weiter?«
»Die beiden Mädchen sind am anderen Morgen mit dem Lohnkutscher nach Malineau gefahren; der Kerl ist ihnen zu Fuße gefolgt. Er hat die ganze Gegend auskundschaftet.«
»Woher weißt Du das?«
»Man hat ihn überall gesehen. Auch in der Dorfschänke ist er gewesen und hat mit dem Kutscher gesprochen.«
»So geht mir ein Licht auf. Er hat mich auf irgend eine Weise belauscht«
»Jedenfalls. Des Abends spät ist er mit den Mädchen nach Etain zurückgekehrt und sofort aufgebrochen.«
»Wohin?«
»Nach Metz zurück.«
»Woher weiß man das?«
»Sie haben ja das Metzer Geschirr benutzt. Der Urian ist natürlich auch mit. Vorher aber hat es noch ein komisches Intermezzo gegeben. Nämlich, es hat da ein kleiner, dicker Kerl da logirt, ein Maler – –«
»Ah! Weißt Du den Namen?«
»Schneffka, Maler aus Polen, hat im Buche gestanden.«
»Donnerwetter! Das ist ja mein Maler!«
»Der Deinige? Was soll das heißen?«
»Er wohnt bei mir und bessert meine Gemälde aus.«
»So wird Dich das Ding doppelt interessiren. Nämlich, eben, als die beiden Schwestern in den Wagen steigen wollen, kommt dieser Mensch zur Treppe herab, barfuß und im Hemde, nur eine rothe Tischdecke um sich geschlungen und einen riesigen Künstlerhut auf dem Kopfe.«
»Verrückt! Was hat er gewollt?«
»Er hat mit den beiden Schwestern gesprochen und ist dann wieder in sein Zimmer gegangen.«
»Was hat er mit ihnen zu sprechen gehabt?«
»Das konnte ich nicht erfahren, denn Niemand hat so nahe gestanden, daß es zu hören gewesen wäre. Verdächtig ist aber doch, daß dieser Kerl die Mädchens kennt und nun bei Dir wohnt.«
»Das ist wahr! Sollte er mit ihnen unter einer Decke stecken? Sollte er, der Dicke, Kleine, der Verbündete dieses langen, starken Flegels sein, dem wir es zu verdanken haben, daß uns die beiden Mädchen entgangen sind?«
»Ich denke es. Ja, ich bin sogar überzeugt davon.«
»Dann soll den Kerl der Teufel holen.«
»Pah, der Teufel! Wir selbst werden es sein, die ihn holen!«
»Allerdings. Denn in diesem Falle ist er ein gefährlicher Kerl, der noch ganz andere Absichten hat, als wir jetzt denken.«
»Welche Absichten sollten das sein?«
»Nun, wo wohnt der Kräutermann?«
»In Thionville.«
»Also in der Nähe von Ortry. Und wo wohnt diese Nanon?«
»In Ortry.«
»Gut! Und in Ortry haben wir nicht nur unsere Niederlagen, sondern dort laufen auch alle Fäden unserer geheimen Verbindungen zusammen. Hast Du denn noch nichts von der Vermuthung gehört, daß geheime Emissäre diese Gegend durchstreifen?«
»Man spricht allerdings davon.«
»Nun, dann möchte man fast denken, daß dieser Kräutersammler ein solcher deutscher Spion ist.«
»Donnerwetter! Wenn das wäre.«
»Dann läg auch die Vermuthung nahe, daß der kleine Maler zu ihm gehört.«
»Höre, Du kannst Recht haben! Man muß diesem Kerl sehr scharf auf die Finger sehen.«
»Das werde ich bereits morgen thun. Ist er ein Spion, so gehört er nicht zur gewöhnlichen Volksklasse.«
»Nein, sondern er ist entweder ein Officier oder ein Diplomat.«
»Dieser Schluß ist sehr richtig. Nur scheint er mir das Zeug zu einem Diplomaten nicht zu haben.«
»Zu einem Officier freilich noch weniger. Wer nackt und nur mit einem Tischtuche umwickelt mit Damen spricht, der handelt ganz und gar nicht als Kavalier.«
»Allerdings. Kurz und gut, der Kerl ist mir ein Räthsel und dieses Räthsel werde ich lösen. Er wird mir gleich morgen Rede stehen müssen.«
»Das mußt Du aber schlau anfangen.«
»Keine Angst! Ich werde mich natürlich hüten, mit der Thür in das Haus zu fallen.«
»Und morgen müssen wir Gewißheit haben.«
»Warum bereits morgen?«
»Narr, weil wir übermorgen nicht mehr hier sind.«
»Ah richtig! Wegen des Pulvertransportes!«
»Es würde da gut sein, wenn wir dem alten Capitän gleich etwas Positives melden könnten. Irre ich mich nicht, so, haben wir das Pulver dieses Mal im Steinbruche abzuliefern?«
»Ja. Es ist das der sicherste Ort.«
»Können wir mit dem Wagen hin?«
»Ja. Es geht von der Stadt ein Fahrweg hin. Dieser ist zwar alt und seit langer Zeit nicht mehr benutzt, bietet aber Dem, der ihn kennt, keine allzu großen Schwierigkeiten. Es ist der einzige Steinbruch der ganzen Umgegend.«
»Wann müssen wir dort eintreffen?«
»Punkt zwölf Uhr.«
»Wie aber die Fässer in die Niederlage bringen?«
»Dummkopf! Das ist die Sache des Capitäns. Ich vermuthe, daß es auch dort einen geheimen Gang giebt, welcher mit den unterirdischen Gewölben zusammenhängt.«
»Warst Du bereits einmal drin?«
»Nein. Aber nach dem, was man davon im Stillen sagt und erzählt, müssen bereits fürchterliche Vorräthe von Waffen und Munition vorhanden sein. Sollten die Deutschen wirklich mit uns anfangen, so sind sie verloren.«
»Sie werden anfangen!«
»Dann sind sie dumm genug!«
»Sie werden dazu gezwungen. Der Kaiser ist der größte Diplomat der Gegenwart. Er will den Krieg und da er die Schuld desselben nicht auf sich laden wollen wird, so findet er ganz sicher eine Gelegenheit, die Deutschen zu veranlassen, den Krieg zu erklären.«
»Das wäre ein famoser Kniff! Wir sind vorbereitet, sie aber jedenfalls nicht.«
»Nun, wir werden einen Spaziergang nach Berlin machen und unterwegs viel, sehr viel finden, was mitzunehmen ist.«
»Das ist die Hauptsache! Ich freue mich auf den Augenblick, an welchem uns der Alte die Ordre schickt. Denke Dir, Officier der Franctireurs!«
»Ich ja auch! Und das Beste dabei ist, daß wir nicht mit in die Schlachtlinie gezogen werden. Wir bleiben hinter den Activen, um – um – um – –«
»Nun, um?«
»Um die Verbindung mit Frankreich zu unterhalten.«
»Ja, und um auf Ordnung zu sehen.«
»Hahahaha! Ordnung! Man schweift rechts und links ab und sucht, was zu finden ist! Also nimm zunächst gleich morgen den Maler gehörig vor und sorge, wenn er Dir wirklich verdächtig vorkommt, dafür, daß er uns nicht entwischen kann.«
»Habe keine Sorge! Wen ich einmal anfasse, der entgeht mir nicht. Verdächtig hat er sich bereits dadurch gemacht, daß er mit dem Beschließer verkehrt.«
»Hältst Du den wirklich für einen Deutschenfreund?«
»Das ist er auf alle Fälle. Weil er ein Nachkomme Melacs ist, hält er es für seine Pflicht, das zu bereuen, was sein Ahne großes gethan hat. Aber komm; wir müssen ausruhen, da wir morgen bereits mit der Dämmerung aufzuladen haben, um dann übermorgen zur angegebenen Zeit in dem Steinbruche bei Ortry einzutreffen.«
Sie gingen.
Erst als ihre Schritte verklungen waren, trat der Dicke hinter seinem Versteck hervor.
»Donnerwetter!« brummte er. »Das war eine wichtige Unterredung! Da hätte mein Freund Tannert, der Telegraphist und Husarenwachtmeister mit dabei sein sollen! Ich und ein deutscher Spion! Hahaha!«
Er setzte sich auf die Bank und dachte über das Gehörte nach.
»Na,« fuhr er fort, »eine Art von Spion bin ich allerdings, da ich ja gekommen bin, diesen Berteu auszuhorchen; aber ein wirklicher – so was man Eclaireur nennt, das bin ich nun freilich nicht. Ich stehe mich leider mit unserem Moltke nicht so familiär, daß er wissen könnte, was für ein gescheidter Kerl ich bin! Also aushorchen will er mich, ob ich Officier und Diplomat bin! Schön! Horche nur zu, Bursche! Nach einer Weile lachte er leise vor sich hin und sagte für sich:
»Vielleicht drehen wir den Spieß um, und ich horche Euch aus, anstatt Ihr mich! Pulver und Waffen in unterirdischen Gewölben in oder bei Ortry! Sapperment! Das ist ja so gefährlich wie Pudding, wenn er mit Dynamit gefüllt ist. Franctireurs, also Freischaaren sollen gebildet werden? Von dem alten Capitain? Wart, Ihr Kerls, Euch werde ich belauschen! Und was ich erfahre, das sage ich meinem Freunde Martin Tannert, der – – ah, sagte er denn nicht, daß auch in Ortry bereits Einer ist, nämlich der Rittmeister von Königsau? Und dann der Wachtmeister Fritz Schneeberg? Sollte das der Kräutermann sein, von dem diese Beiden gesprochen haben? Sehr wahrscheinlich! An ihn oder Königsau kann ich mich doch auch wenden, wenn Gefahr im Verzuge ist! Wart, Ihr Burschen, der Hieronymus Aurelius Schneffke wird Euch einen dicken Strich durch Eure Rechnung machen! Uebermorgen bin ich in Thionville und Ortry und suche den Steinbruch auf! Pulverlieferung! Unterirdische Gewölbe! Geheime Gänge! Vorrath an Waffen und Munition! Hinter diese Schliche und Geheimnisse muß ich kommen! Man wird dafür sorgen, daß Euch Euer Spaziergang nach Berlin nicht allzu gut bekommen soll! Er wanderte langsam seiner Wohnung, dem Verwaltershause zu. Die Thür war bereits verschlossen, und er sah sich also gezwungen, zu klopfen. Charles Berteu öffnete ihm. Er machte ein sehr erstauntes Gesicht, als er ihn erblickte.
»Sie?« fragte er.
»Ja, ich,« antwortete der Maler.
»So spät!«
»Ich finde es nicht sehr spät.«
»Nicht? Nun, dann haben wir wohl auch noch Zeit, ein Glas Wein zu trinken?«
Schneffke sah ein, daß der Wein nur als Vorwand diente. Die eigentliche Absicht des Franzosen war natürlich, ihn bereits jetzt in das Verhör zu nehmen.
»Ein Glas Wein?« sagte er gleichmüthig. »Den verschmähe ich zu keiner Zeit. Da können Sie mich sogar mitten in der Nacht vom Schlafe aufwecken!«
»So kommen Sie!«
»Aber gut muß er sein! Fusel trinkt kein Künstler so kurz vor dem Schlafengehen!«
»Haben Sie bei mir bereits etwas Schlechtes getrunken?«
»Nein.«
»Also! Folgen Sie mir!«
Er führte ihn in sein Zimmer und ging dann, Wein zu holen. Er kam nach kurzer Zeit zurück und schenkte ein.
»So, nehmen Sie, Monsieur!« sagte er. »Auf das Wohl unseres schönen Frankreich!«
Dabei bohrte er seinen Blick in das Gesicht des Deutschen.
»Frankreich soll leben!« antwortete derselbe, indem er mit ihm anstieß.
»Und auf das Wohl und den Ruhm unseres großen Kaisers!«
»Hoch Napoleon!«
»Trinken Sie doch aus!«
»Hab schon! Sehen Sie her! Wenn es sich um den Ruhm Frankreichs und seines Kaisers handelt, da lasse ich keinen Tropfen im Glase.«
Der Franzose goß die Gläser wieder voll und sagte:
»Wie ich sehe, sympathisiren Sie mit Frankreich?«
»O, sehr!«
»Warum?«
»Na, weil mir das Land gefällt, das Land, das Volk und auch der Kaiser!«
»In Wirklichkeit?«
»Natürlich!«
»Aber Sie müssen doch Gründe dieses Wohlgefallens haben!«
»Pah! Warum gefällt Ihnen ein Hund?«
»Welcher Vergleich, Monsieur!«
»Oder eine Blume?«
»Hm!«
»Oder ein Mädchen?«
»Das ist Geschmackssache!«
»Nun gut, Ihr Kaiser ist auch nach meinem Geschmacke!«
»Warum?«
»Donnerwetter! Warum ist das Mädchen nach Ihrem Geschmacke?«
»Wir drehen uns im Kreise herum!«
»Und das ist eine Dummheit! Bleiben Sie also ruhig sitzen! Uebrigens wissen Sie wohl, daß Polen stets mit Frankreich sympathisirt. Wäre es nach dem Willen des großen Napoleon gegangen, so wäre Polen frei!«
»Allerdings! Also, Sie sind ein Pole?«
»Natürlich!«
»Wohl ein Deutschpole?«
»Welche Frage! Giebt es wohl französische Kirgisen, oder giebt es Deutschkalmucken? Pole ist Pole! Verstanden?«
»Sie sprechen sehr kräftig!«
»Ja, wenn man mir Polen anrührt, so kann ich sehr leicht in Affect gerathen.«
»Und doch sehen Sie gar nicht aus wie ein Pole!«
»Warum?«
»Ihr Bäuchlein, Monsieur – – –!«
»Mein Gott! Welch eine Vorstellung haben Sie denn eigentlich von uns. Glauben Sie, wir Polen seien Hungerleider?«
»Das gerade nicht.«
»Zaunslatten oder Hopfenstangen?«
»Auch das nicht. Aber ich stelle mir jeden Polen schlank und wohl proportionirt vor.«
»Da sollte doch der Teufel drein schlagen, Monsieur!« sagte Schneffke zornig. »Bin ich etwa nicht wohl proportionirt?«
»Nun, eigentlich doch nicht so ganz!«
»Also schlecht proportionirt?«
»Das nun freilich nicht gerade!«
»Aber, was meinen Sie denn eigentlich mit Ihrem proportionirt?«
Die Verhältnisse des Körpers.«
Da stand Schneffke vom Stuhle auf, stellte sich breitspurig vor den Franzosen hin und sagte:
»Die Körperverhältnisse! Also gut! Sehen Sie mich doch gefälligst einmal an! Na, sehen Sie mich überhaupt?«
»Ja.«
»Gut! Einen Körper habe ich also, da Sie mich sehen. Nun kommt es darauf an, welche Verhältnisse dieser Körper hat!«
»Verhältnisse hat er auf alle Fälle.«
»Ob aber gute oder schlechte! Fangen wir beim Bauche an, da der am meisten in die Augen springt. Können etwa Sie so etwas Ausgebildetes, ich möchte beinahe sagen Vollendetes, aufzeigen?«
»Nein!« lachte der Franzose. »Sie sind mehr als wohlbeleibt; Sie sind dick!«
»Schön! Die Beine. Sind diese etwa dünn?«
»Nein.«
»Die Arme?«
»Auch dick.«
»Der Hals?«
»Dick.«
»Die Wangen?«
»Dick.«
»Und nun gar die Taille?«
»Außerordentlich dick.«
»Also wie ist Alles an mir, Monsieur?«
»Dick, dick und abermals dick.«
»Und das nennen Sie nicht wohl proportionirt?«
»Ah! Meinen Sie es so?«
»Natürlich! Habe ich etwa einen aufgequollenen Leib und dazu fadenschwache Beine?«
»Nein.«
»Oder einen krummen Rücken und gerade Lenden?«
»Nein.«
»Oder kleine Augen und eine große Nase?«
»Auch nicht.«
»Nun wohl! Sie sehen also, daß kein Mensch besser proportionirt sein kann als ich. Ich will mich zwar nicht geradezu einen Adonis nennen, denn unter die Götter gehöre ich nicht, aber das Menschenmögliche in Beziehung auf Schönheit und Wohlgestalt, das leiste ich. Verstanden? Glauben Sie nun endlich, daß ich ein Pole bin?«
»Ja. Aber Ihre Sprache – –!
»Sprache? Was denn? Natürlich habe ich mit Ihnen französisch gesprochen. Wollte ich polnisch anfangen, so glaube ich, würde es Ihnen hinter der Stirn mehr oder weniger polnisch werden.«
»Das ist's nicht, was ich meine. Ich wollte nur sagen, daß Sie kein polnisches Französisch sprechen.«
»Davor soll mich auch der liebe Gott behüten.«
»Polen pflegen eine andere Aussprache zu haben!«
»So? Haben Sie bereits einmal Polen französisch sprechen hören?«
»Ja.«
»Wo denn?«
»In Paris!«
»Das ist auch eine schöne Sorte von Polen gewesen, Monsieur! Sie sind ja gar nicht im Stande, einen Polen zu verstehen, wenn er französisch spricht. Das weiß ich besser, als Sie!«
Diese drastische Zurechtweisung verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Wahrheit war, daß Berteu noch gar keinen Polen gesehen, viel weniger aber gesprochen hatte. Er antwortete:
»Sie mögen Recht haben! Aber, Monsieur, da fällt mir ein, Sie sind Maler?«
»Welche Frage! Natürlich bin ich Maler!
»Blos Maler?«
»Freilich!«
»Weiter nichts?«
»Ist das etwa nicht genug? Wollen Sie mich beleidigen?«
»So meine ich es nicht. Ich wollte nur fragen ob Sie nicht noch einen anderen Beruf haben.«
»Natürlich habe ich den.«
»Ah! Jetzt kommt es! Welchen Beruf haben Sie noch?«
»Nicht einen, sondern vier.«
»Gar vier! Welche?«
»Ich bin erstens Mensch, zweitens Christ, drittens Bürger und viertens steht zu erwarten, daß ich auch einmal noch Familienvater sein werde.«
Der Franzose fühlte sich sehr enttäuscht. Er hatte erwartet, das zu hören, was er hören wollte. Er bemerkte gar nicht, daß der Maler mit ihm spielte.
» Mille tonnerres!« fluchte er. »Das nenne ich doch keine eigentliche Berufsarten!«
»Und doch sind sie es.«
»Nun, sagen wir also Erwerbsarten.«
»Das ist etwas Anderes!«
»Also, haben Sie außer Ihrer Kunst noch einen anderen, zweiten Erwerb?«
»Nein.«
»Und doch dachte ich – –«
»Warum?«
»Es kommt oft vor, daß man nur zum Vergnügen malt.«
»Das ist bei mir nicht der Fall.«
»Sie malen also zum Erwerb und nehmen doch von mir kein Honorar!«
»Weil ich die Franzosen liebe, und Sie sind ein Franzose.«
»Sehr verbunden, Monsieur! Aber gerade weil Sie sich nicht bezahlen ließen, glaubte ich, daß Sie wohl eigentlich auf eine andere Erwerbsthätigkeit angewiesen seien.«
»Ich male, um zu leben und ich lebe, um zu malen! Welchen Beruf sollte ich denn außerdem noch haben?«
»Hm! Vielleicht Jurist.«
»Pah! Die Gesetze sind mir zu trocken. Meine Oelfarben kleben viel besser.«
»Oder Geistlicher!«
»Dazu bin ich zu sündhaft.«
»Oder Arzt.«
»Ich bin gesund.«
»Oder – oder Diplomat!«
»Unsinn! Wäre ich Diplomat, so setzte ich mich nicht zu Ihnen, um mich wie ein Schulknabe ausfragen zu lassen.«
»Oder Officier!«
»Off – Off – – hahahaha – Officier! Sind Sie verrückt! Wäre ich Officier, so hätte ich Sie bereits zehnmal auf Pistolen gefordert, da Ihre Fragen eine ganze Reihe von Beleidigungen enthalten. Das sehen Sie doch ein.«
»Ich beleidige Sie doch nicht!«
»Nicht? Ist es etwa keine Beleidigung, wenn Sie nicht glauben, daß ich das bin, wofür ich mich ausgebe?«
»Sie nehmen es zu scharf. Ich bitte Sie um Verzeihung! Eigentlich hatte ich freilich einen Grund, Sie mit einem Anfluge von Mißtrauen zu betrachten.«
»Warum?«
»Ist Ihnen der Name Nanon bekannt?«
»Ja.«
»Und Madelon?«
»Ja.«
»Auch Charbonnier?«
»Ja.«
»Nun sehen Sie. Sie kennen diese beiden Damen?«
»Damen? Zwei Damen? Habe keine Ahnung.«
»Und doch sagten Sie es soeben!«
»Ich? Ist mir ganz und gar nicht eingefallen.«
»Mein Herr! Sie sagten, daß Ihnen diese drei Namen bekannt seien.«
»Das sind sie allerdings. Es sind drei französische Namen, die ich kenne, weil ich sie oft gehört habe. Es giebt Personen, welche Nanon, Madelon und Charbonnier heißen.«
Monsieur, es scheint beinahe, als ob Sie sich über mich lustig machen wollten.«
»Pah! Ich bin ein sehr ernsthafter Mensch! Sie haben mich gefragt, ob ich die Nanon, nicht aber ob ich die Personen kenne.«
»Also zwei Damen dieses Namens sind Ihnen nicht bekannt?«
»Nein.«
»Und dennoch haben Sie mit ihnen gesprochen.«
»Das ist sehr leicht möglich. Man kann mit Personen sprechen, ohne sie zu kennen oder zu wissen, wie sie heißen.«
»Aber Ihre Unterhaltung hat in einer Weise stattgefunden, welche eine nähere Bekanntschaft vermuthen läßt.«
»Wieso?«
»Spricht man mit unbekannten Damen nackt?«
»Nein, nicht einmal mit bekannten.«
»Und doch haben Sie das gethan!«
»Ich? Donnerwetter! Nackt? Daß ich nicht wüßte.«
»Wenigstens barfuß!«
»Kaum möglich!«
»Mit einer rothen Tischdecke um den Leib gewunden.«
»Ah, mir geht ein Licht auf!«
»Und Ihren Kalabreserhut auf dem Kopfe.«
»Ja, ja, ich besinne mich!«
»Nun, was hatten Sie mit diesen Damen?«
»Fragen Sie doch lieber, was diese Damen mit mir hatten!«
»Was denn?«
»Monsieur!«
Der Dicke sagte dieses Wort sehr laut und in strengem Tone.
»Was wollen Sie?« fragte Berteu.
»Ich möchte wissen, was Sie wollen. Seit einer halben Stunde fragen Sie mich aus, als ob ich Ihnen über jede Kleinigkeit Rechenschaft schuldig sei.«
»Ich habe Veranlassung dazu!«
»Wieso?«
»Diese Damen sind meine Schwestern.«
»Ach so! Ich finde aber keine Familienähnlichkeit.«
»Das thut nichts zur Sache. Die beiden Mädchen haben sich unter sehr eigenthümlichen, ja geradezu gravirenden Umständen von hier entfernt.«
»Haben sie gestohlen?«
»Nein. Sie sind ohne meine Erlaubniß gegangen.«
»Das geht mich nichts an.«
»Aber Sie haben mit ihnen gesprochen!«
»Auch das geht mich nichts an!«
»Es ist ein Herr bei ihnen gewesen, der sie entführt hat, eine lange, starke, breitschulterige Persönlichkeit. Auch mit diesem Menschen haben Sie gesprochen.«
»Geht mich wieder nichts an!«
»Monsieur, es scheint, daß Alles, was mich interessirt, Sie nichts angeht.«
»Allerdings! Und ich wünsche, daß Sie es umgekehrt ebenso auch mit Allem halten, wofür ich mich interessire.«
»Soll das eine Grobheit sein?«
»Nein. Sie sind grob!«
»Ich wünsche nur zu wissen, was ich wissen muß. Sie haben mit meinen entflohenen Schwestern gesprochen und sind dann zu mir gekommen. Das ist auffällig.«
»Noch auffälliger würde es sein, wenn ich erst zu Ihnen gekommen und dann mit ihren Schwestern entflohen wäre. Ich habe gar nicht die Absicht gehabt, bei Ihnen zu wohnen. Sie selbst haben mich zu sich eingeladen.«
»Dann haben Sie als mein Gast jedenfalls die Verpflichtung, aufrichtig gegen mich zu sein.«
»Das will ich auch; aber examiniren lasse ich mich nicht wie einen Verbrecher, welcher vor seinem Richter steht.«
»Gut! Ich mag zu hastig verfahren sein. Verzeihen Sie. Also, Sie kennen meine Schwestern nicht?«
»Nein.«
»Wie aber kommt es dann, daß Sie sich mit ihnen in dieser auffälligen Weise unterhalten haben?«
»Ich hatte sie verkannt.«
»Ah!«
»Ich erwarte in Etain meine Braut, welche mir nachkommen wollte. Ich lag bereits im Bette; ich hörte einen Wagen, ich blickte durch das Fenster. Beim unbestimmten Scheine der Laterne verwechselte ich die eine Dame mit meiner Braut, welche einige Aehnlichkeit mit ihr haben mag. Ich raffte in Eile um mich, was ich fand, und eilte hinab. Da bemerkte ich nun allerdings, daß ich mich getäuscht hatte.«
»Ach so! Wer ist Ihre Braut?«
»Auch eine Polin, welche aus Paris kommen will.«
»Hm! Er glaubte dem Sprecher doch noch nicht; er fixirte ihn scharf vom Kopfe bis zu den Füßen und fragte dann:
»Und den Menschen, welcher bei meinen Schwestern war, haben Sie auch nicht gekannt?«
»Ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Gut, ich bin gezwungen, es zu glauben!«
»Glauben Sie es oder nicht; das ist mir egal! Uebrigens hätte ich wohl mehr Veranlassung, Ihnen zu mißtrauen als Sie mir!«
»Wieso?«
»Sie heißen Berteu.«
»Ja.«
»Sie nannten die Damen Nanon und Madelon Charbonnier?«
»Ja.«
»So verschiedene Namen! Und dennoch wollen Sie der Bruder der Beiden sein?«
»Wir sind Pflegegeschwister.«
»Müßte das der Fall sein! Geht mich aber auch nichts an. Sie sehen aber wohl ein, daß ich mich durch Ihre ebenso auffälligen wie zudringlichen Fragen keineswegs erbaut fühlen kann. Ich bin Künstler, aber kein Vagabond; ich werde also morgen früh Ihr Haus verlassen, da es heute doch zu spät dazu ist! Das lag nun allerdings nicht in Berteu's Absicht. Er wollte seine Gemälde vollendet haben und den Maler auch noch weiter bewachen. Darum sagte er:
»Ich habe Sie ja bereits um Verzeihung gebeten. Sie sehen ein, daß der Bruder erregt sein muß, wenn seine Schwestern, ohne sich seiner Zustimmung zu versichern, mit einem fremden Menschen das väterliche Haus verlassen.«
»Hm, ja! Mich könnte das sehr in die Wolle bringen. Ich würde es nicht dulden.«
»Was würden Sie thun?«
»Ich würde diesem fremden Menschen nachreisen, um ihm die Schwestern abzujagen.«
»Das beabsichtige ich allerdings, hatte aber bisher keine Zeit dazu. Morgen aber werde ich die Verfolgung antreten. Darf ich hoffen, Sie bei meiner Rückkehr hier noch anwesend zu finden?«
»Eigentlich nicht!«
»Also Sie wollen wirklich nicht verzeihen? Hier, Monsieur, stoßen wir an! Schließen wir Frieden!«
Er hielt dem Maler das Glas entgegen. Dieser that, als werde es ihm nicht leicht, so schnell sein Bedenken zu überwinden, stieß aber doch mit ihm an.
»Na, da mag es also sein. Bleiben wir einig!« sagte er.
»Und Sie warten meine Rückkehr ab?«
»Ja, wenn auch nicht hier, so doch in Etain, wo ich, wie ich bereits sagte, mit meiner Braut zusammentreffe.«
Sie saßen noch einige Zeit beisammen, sich von gleichgiltigen Dingen unterhaltend; dann trennten sie sich.
Als der Maler gegangen war, sagte Berteu zu sich:
»Er thut so unschuldig. Soll ich ihm trauen? Er sieht ganz und gar nicht pfiffig aus, aber dennoch kommt er mir vor wie Einer, der es faustdick hinter den Ohren sitzen hat. Ich werde doch scharfe Augen auf ihn haben müssen! Und als Schneffke in seinem Zimmer angekommen war, brummte er vor sich hin:
»Ein wunderbar schlechter Kerl, und dabei zehnmal dümmer, als er aussieht! Der, und mich ausfragen! Da müssen doch ganz Andere kommen! Uebermorgen um Mitternacht bin ich in dem Steinbruche bei Ortry!«
Als er am anderen Morgen aufgestanden war und sein Frühstück erhielt, hörte er, daß Berteu bereits ausgegangen sei. Er machte sich zunächst mit den alten Bildern des Verwalters zu schaffen und begab sich sodann hinüber in das Schloß zur Familie Melac.
Er wunderte sich, als er bemerkte, daß man sämmtliche Fenster geöffnet und die Gardinen zurückgeschlagen habe. Als er eintrat, empfing ihn der alte Schließer mit dem freudigen Ausrufe:
»Monsieur, wenn Sie wüßten, was für eine gute Botschaft wir gestern Abend spät noch erhalten haben!«
»Ich errathe es,« antwortete er.
»Nun?«
»Sie bekommen Besuch.«
»Richtig! Aber wer kommt?«
»Sie lüften das ganze Schloß, folglich kommt der Besitzer.«
»Errathen, errathen. Fast gegen Mitternacht erhielten wir noch diese Depesche.«
Er zeigte dem Maler die Depesche. Sie lautete:
»Morgen kommen wir. Graf Latreau.«
»Was sagen Sie dazu?« fragte er dann.
»Daß Sie Ihre Herrschaft sehr lieb haben müssen. Das sehe ich an Ihrer Freude, welche Sie über die Ankunft derselben empfinden. Und ferner sage ich dazu, daß ich nun nur gleich wieder gehen kann.«
»Gehen? Warum?«
»Sie werden keine Zeit haben, sich mit einem so fremden Manne zu beschäftigen.«
»O, wir haben die ganze Nacht gearbeitet. Mutter und Marie sind droben bei den Gardinen. Wollen Sie einmal mit?«
»Gern, sehr gern.«
Der Beschließer führte den Maler hinauf in die gräflichen Gemächer, wo Mutter und Tochter beschäftigt waren. Er wurde von Beiden herzlich willkommen geheißen. Er wußte gar nicht, wie es kam, aber bald stand er selbst auf der Gardinenleiter, und die alte, brave Beschließerin schlug immer die Hände zusammen und rief:
»Vater, siehst Du es denn auch?«
»Was denn? »Dieser Unterschied.«
»Zwischen den alten Gardinen und neuwaschenen?«
»O weh! So ein Mann! Ich meine, in welcher Art und Weise Monsieur seine Arrangements trifft. Das hat Chic und Schmiß. Man merkt es, daß er ein Künstler ist.«
Der kleine, dicke Hieronymus bewegte sich in wahrhaft halsbrecherischer Weise auf seiner Leiter; heute kam es ihm kein einzig Mal in den Sinn, zu stolpern oder gar herab zu fallen.
Gegen Mittag war die Arbeit gethan. Die Wohnung stand zum Empfange der Herrschaft bereit. Schneffke wurde zum Essen eingeladen und machte sich dann an das Pastellbild, an welchem er noch einige vollendende Striche vorzunehmen hatte.
Vater und Mutter befanden sich in den herrschaftlichen Zimmern; nur Marie saß bei ihm, mit einer Häkelarbeit beschäftigt, wobei sie von Zeit zu Zeit einen bewundernden Blick auf das Portrait warf und auf den Maler, welcher keine Secunde und kein Wort für sie übrig zu haben schien.
Endlich legte er den Pastellstift weg, trat vom Bilde zurück und betrachtete es.
»Fertig?« fragte sie.
»Ja,« nickte er.
Da kam sie zu ihm, stellte sich an seine Seite und ließ ihre guten Augen auch auf dem Gemälde ruhen.
»Es ist doch wunderbar, so Etwas fertig zu bringen,« sagte sie. »Wie macht man so ein Lächeln, so einen Blick, der sich doch eigentlich gar nicht beschreiben läßt?«
Er sah ihr in die Augen und antwortete:
»Wie bringen Sie das Lächeln fertig, welches jetzt, so eben um Ihre Lippen spielt?«
Sie erröthete.
»Und wie bringen Sie diesen tiefen, feuchten und doch so reinen Blick fertig, welcher jetzt aus Ihrem Auge fällt?« fuhr er fort. »Wissen Sie, daß Sie ein Auge haben, ein Auge, hm, ich finde den rechten Ausdruck nicht; aber wenn man Ihnen in dieses Auge blickt, so – so – so –«
Er stockte. Sie sah ihn fragend an und darum fügte er hinzu, aber im vorsichtigsten Tone:
»So möchte man – – hm! Darf ich es sagen?«
Sie nickte nur.
»Aber Sie werden mir bös werden.«
»Nein; nie!«
»Ah! Wirklich nie, Mademoiselle?«
»Ich kann mir nicht denken, daß es etwas giebt, weshalb ich Ihnen zürnen könnte,« antwortete sie freundlich.
»Aber das, was ich Ihnen sagen wollte, das ist doch etwas, worüber Sie zornig werden könnten.«
»Versuchen Sie es einmal!«
»Nun, ich wollte sagen: Wenn man Ihnen in diese guten, lieben Augen blickt, da möchte man Sie – – – küssen!«
Er mußte das letztere Wort fast mit Gewalt herausstoßen. Ueber ihr Gesicht flog eine dunkle Gluth und es war, als ob sie sich von ihm abwenden wolle.
»Sehen Sie, Mademoiselle,« sagte er, »daß Sie mir zürnen! Sie gehen fort!«
Da wendete sie sich schnell wieder um. Ihr Gesicht war unbefangen und ein helles Lachen tönte von ihren Lippen.
»Sind denn meine Augen gar so lieb und gut?« fragte sie.
»Ganz und gar!«
»Und so ein Kuß ist wohl etwas sehr Werthvolles?«
»Ungeheuer,« nickte er.
»Hm! Das habe ich bisher noch gar nicht gewußt.«
»Herr von Mannheim! Wenn ich es Ihnen doch einmal beweisen könnte!«
»Wozu? Ich müßte es bereits längst schon wissen.«
Er fuhr doch ein Wenig zurück.
»Bereits wissen? Wieso? Haben Sie einen Schatz?«
»Nein.«
»Aber gehabt?«
»Auch nicht, wie ich Ihnen bereits gesagt habe.«
»Aber wie können Sie da sagen, daß Sie es längst wissen müßten, daß ein Kuß so kostbar ist?«
»Weil ich schon geküßt habe.«
»Alle Wetter! Keinen Geliebten und doch geküßt?«
»Ja.«
»Aber wen denn, in aller Welt?«
»Na, den Vater und die Mutter!«
Er holte tief Athem, schlug die Hände zusammen und sagte:
»Ich Esel! Das konnte ich mir doch gleich denken. Aber, Mademoiselle, das ist nichts; das ist ganz und gar nichts. Was man dem Vater oder der Mutter, dem Bruder oder der Schwester giebt, das ist niemals ein Kuß zu nennen.«
»Nicht? Wie soll man es denn nennen?«
»Hm! Es heißt auch ein Kuß; aber es ist keiner.«
»Das begreife ich nicht.«
»Wenn ich es Ihnen nur begreiflich machen könnte. Aber mit Worten geht das nicht.«
»Auch nicht mit dem Pastellstifte?«
»Nein.«
»Oder dem Pinsel?«
»Vollends gar nicht.«
»So werde ich wohl darauf verzichten müssen.«
»Das ist schade, jammerschade.«
Er warf dabei einen so sehnsüchtigen Blick auf ihre vollen, rothen Lippen, daß sie sich dieses Mal wirklich von ihm abwendete. Sie setzte sich; er zog sich einen Stuhl in ihre Nähe und betrachtete sie, wie ihre kleinen, dicken Fingerchen so gewandt mit Häkelnadel umgingen. Es kamen ihm da allerlei Gedanken, welche aber alle auf nur Eins hinausliefen. Und da entfuhr es ihm ganz unwillkürlich:
»Es müßte herrlich sein!«
Sie hatte es doch gehört. Sie erhob das Köpfchen und fragte:
»Was müßte herrlich sein?«
Er erröthete wie ein Knabe, den man auf einer unrechten That ertappt hat. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er antwortete:
»Hm! Es entfuhr mir nur so.«
»Aber an Etwas haben Sie doch dabei gedacht.«
»Gewiß.«
»Nun, was war denn das Herrliche?«
»Na, Mademoiselle, ich dachte mir eine Stube –«
»So, so,« lachte sie.
»Ja, das wäre nun ganz und gar weiter nichts. Aber in dieser Stube stand ich – –«
»Standen Sie,« wiederholte sie, als er abermals zögernd innehielt.
»An der Staffelei. Ich malte.«
»Was denn?«
»Hm! So einen allerliebsten, quatschigen, kleinen Buben, der in der Wiege lag.«
»Mit dem Zulp im Munde?« fragte sie lachend.
»Nein,« antwortete er. »Einen Zulp würde ich als Vater niemals erlauben.«
»Ach so! Sie waren der Vater des kleinen, quatschigen Buben?«
»Ja.«
»Malten Sie weiter nichts?«
»O doch, nämlich die Mutter.«
»Auch ohne Zulp?«
Er machte eine Bewegung der Ungeduld und sagte:
»Machen Sie mich nicht irre, Mademoiselle. Das Bild war so schön und wenn Sie mir einen Witz darüber werfen, dann male ich es gar nicht zu Ende.«
»Gut. Malen Sie weiter.«
»Also die Mutter. Sie saß auf dem Stuhle und – – und – – rathen Sie, was sie machte?«
»Sie strickte?«
»Nein, sie häkelte, gerade so wie Sie.«
»Das ist interessant.«
»Soll ich sie Ihnen beschreiben?«
»Ja. Ich möchte die Dame doch zu gern kennen lernen, welche die Mutter eines Wesens ist, der Ihr kleiner, quatschiger Bube genannt wird.«
»Sie ist blond.«
»Ah! Blond?«
»Gerade wie Sie. Nicht hoch und nicht schlank.«
»Also kurz und beleibt?«
»Ja, gerade wie Sie. Sie hat ein paar Wangen, gerade wie die Aepfel.«
»Borsdorfer oder Reinetten?«
»Ein paar Augen wie Himmel und Karfunkel.«
»Ah, sie muß sehr schön sein.«
»Nein. Eine Schönheit ist sie nicht, aber häßlich sieht sie auch nicht aus und gut ist sie, seelensgut. Und Lippen hat sie, Sapperment, Lippen. Die möchte man –«
»Nun, was denn?«
»Küssen natürlich.«
»Sie haben heute, wie es scheint, eine wirkliche Passion gerade für das Küssen.«
»Allerdings. Es ist das um so eigenthümlicher, als ich sonst gar nicht dafür eingenommen bin.«
»Wirklich?«
»Gewiß!«
Sie erhob den Finger drohend und sagte:
»Monsieur, Monsieur! Wer so eine Frau und so einen quatschigen Buben hat, der hat gewiß schon sehr viel geküßt!«
»Ich habe sie Beide noch nicht.«
»Nicht? Ich denke, Sie malen sie bereits?«
»Ja, aus der Vogelschau oder vielmehr aus der Gedankenperspective. Ich muß sie Beide erst finden, die Frau und den Jungen. Und eigenthümlich. Dieser kleine dicke Bube sieht nicht nur mir allein ähnlich.«
»Wem noch?«
»Ihnen.«
»Ah! Wunderbar! Wie käme das?«
»Weil auch die Mutter Ihnen ähnlich sieht, und zwar ganz und gar wie aus den Augen geschnitten.«
»Vielleicht ist sie verwandt mit mir.«
»Nein, nein. Ich glaube vielmehr, Sie sind es selbst. Ja, an dieses Bild dachte ich und da entfuhr es mir: Es müßte herrlich sein. Denken Sie, daß ich da Unrecht habe?«
»Ich gebe niemals Jemand Unrecht, bevor ich nicht überzeugt bin, daß er sich wirklich irrt.«
»Nun, ich irre mich sicherlich nicht. Schade nur, daß es ein Bild bleiben muß und keine Wirklichkeit werden kann.«
Ihre Züge hatten jetzt einen ungewöhnlich ernsten Ausdruck angenommen. Sie richtete das Auge träumerisch durch das Fenster. Er wartete, ohne weiter zu sprechen. Da wendete sie sich wieder ihm zu und fragte:
»Ist es nicht zuweilen ein Glück, wenn uns ein Traum nicht in Erfüllung geht?«
»Gewiß haben Sie Recht; aber die Erfüllung dieses Traumes könnte nie ein Unglück sein!«
»Der Mensch darf nicht so bestimmt urtheilen.«
»Pah! Wenn das Herz urtheilt, so glaube ich, was es sagt. Das gerade macht ja unser Glück aus, daß wir unserem Herzen Glauben schenken dürfen. Um so weher thut es, wenn man von einer Ueberzeugung lassen muß, nur deshalb, weil – weil – – weil – – –«
»Weil?« fragte sie lächelnd.
»Sapperment! Weil ich heute schon abreisen muß.«
»Heute schon?«
Ihre rothen Wangen waren Etwas bleicher geworden.
»Ja, heute schon, Mademoiselle.«
»Muß das denn sein?«
»Leider. Es ist unaufschiebbar.«
»Aber gestern sprachen Sie doch nicht in so bestimmter Weise von Ihrer Abreise!«
»Es hat sich Etwas ereignet, was mich zur beschleunigten Abreise veranlaßt.«
»O weh! Sollten vielleicht wir Ihnen – – –«
»O nein, nein,« fiel er schnell ein. »Der Grund ist ein ganz anderer, Ihnen fremder.«
»Und kommen Sie wohl wieder in diese Gegend?«
»Wer weiß das. Bin ich einmal fort, so giebt es wohl keinen Grund, nach hier zurückzukehren.«
»Ich glaubte, einen zu wissen.«
»Welchen?«
»Unsere Angelegenheit in Beziehung auf Nanon und Madelon von Bas-Montagne.«
»Wer weiß, welche Wendung diese Angelegenheit nimmt. Meine Person gehört da auf alle Fälle in den Hintergrund. Möglich ist es zwar, daß ich sehr bald nach Frankreich zurückkehre, aber – als Ihr Feind.«
»Niemals. Mein und unser Feind werden Sie nicht sein.«
»Selbst im Falle eines Krieges nicht?«
»Nein. Sie kennen ja unsere Gesinnung. Aber, glauben Sie denn an diesen Fall?«
»Ja. Frankreich drängt und treibt zum Kriege.«
»Wie thöricht. Mein Gott! Wenn ich an dieses Unglück denke. Die Kanonen brüllen; die Kugeln saußen; die Schwerdter klirren. Und mitten darin sind – –«
Sie hielt erröthend inne.
»Weiter! Weiter,« bat er schnell.
»Und mitten darinnen Sie – – der doch nicht die mindeste Schuld daran trägt.«
Sein Gesicht glänzte vor Glück und Freude.
»An mich denken Sie dabei? An mich?« fragte er.
»Ja. Ich habe sonst keinen Menschen, der durch den Krieg so direct bedroht würde.«
»Wenn ich nun fiele? Wenn Sie eines Tages die Nachricht erhielten, daß man mich in ein Massengrab gelegt und – – –«
»Bitte, schweigen Sie,« wehrte sie ab. »Das wäre doch gar, gar zu traurig.«
Sie legte die Hand über die Augen, als ob sie etwas Schreckliches vor sich sähe. Er trat zu ihr, zog ihr die Hand weg und sagte:
»Mademoiselle! Marie! Werden Sie mich vergessen, wenn ich heute abgereist bin?«
»Nein,« antwortete sie leise.
»Werden Sie vielmehr an mich denken?«
»Ja.«
»Und zwar oft, sehr oft?«
Da glitt ein schnelles, schalkhaftes Lächeln über ihr Gesicht und sie fragte:
»Soll ich denn?«
»Ja, ja. Es ist mein höchster Wunsch, daß Sie recht viel an mich denken.«
»Dann muß ich mich an diesen Ihren Wunsch recht oft erinnern.«
»Thun Sie das, Mademoiselle.«
Er legte leise und wie versuchend den Arm um ihre Taille. Sie wiederstrebte nicht, sondern erkundigte sich neckisch:
»Aber was habe ich davon, Monsieur?«
»Daß Sie an mich denken?«
»Ja.«
»Nun, ich erinnere mich dann ebenso oft und ebenso gern an Sie. Oder soll ich nicht?«
»O doch! Wir wollen denken, daß unsere Gedanken zu einander fliegen und sich unterwegs treffen.«
»Unsere Gedanken blos?«
»Was noch?«
»Nicht auch unsere Liebe?«
Da legte sie die Hände zusammen und flüsterte:
»Liebe! Liebe! Soll das wahr sein?«
»Ja, ja, und tausendmal ja! Marie, willst Du mir glauben, daß ich Dich lieb habe?«
»Sie, mich? Der Maler, der Künstler, das arme, einfache Mädchen?«
»Ja, Marie! Ich habe Dich lieb, recht herzlich, herzlich lieb. Und Du? Willst Du mir eine Antwort geben?«
Da blickte sie ihm ernsthaft in die Augen und antwortete:
»Nein.«
»Wie? Nicht? Du willst mir keine Antwort geben?«
»Geben nicht; aber nimm sie Dir.«
Sie hielt ihm die Lippen entgegen, nach denen er sich vorhin vergebens gesehnt hatte.
»Donnerwetter!« rief er. »Das lasse ich mir gefallen! Das ist freilich die aller-, allerbeste Antwort, die es nur geben kann. Komm her!«
Er zog sie an sich und küßte sie wohl volle fünf Minuten lang ohne Aufhören. Dann stieß er einen Jauchzer aus und rief:
»Das sollte er wissen! Sapperment!«
»Wer?«
»Der Haller.«
»Wer ist das?«
»Ein College von mir, ein Maler. Er hat die berühmte Rutschparthie mitgemacht von wegen der Gouver –«
Er hielt erschrocken inne. Er stand ja im Begriff, sein Liebesabenteuer zu verrathen.
»Gouver – – – weiter!« bat sie.
»Gouvernante wollte ich sagen.«
»Eine Rutschparthie wegen einer Gouvernante? Wie war denn das?«
»Hm! Das war eigentlich sehr einfach.«
»Bitte, erzähle es doch.«
»Nun, es war einmal eine Gouvernante – – –«
»Ach so fängt die Geschichte an! Das ist ja recht ungewöhnlich.«
»Sie endet aber desto gewöhnlicher.«
»Das wäre Schade! Also weiter.«
»Es war also einmal eine Gouvernante, und es war auch einmal ein Maler. Diesen Maler traf ich im Tharandter Wald.«
»Wo ist das?«
»Bei Dresden. Man geht dorthin wegen der Pilze und der Brunnenkresse, die man dort massenhaft findet.«
»Die Maler gingen wegen der Brunnenkresse?«
»Ja.«
»Die Gouvernante natürlich auch?«
»Errathen.«
»Ah, jetzt kommt der Roman.«
»Ja, jetzt kommt er. Der Maler nämlich wollte die Gouvernante küssen; sie aber litt es nicht.«
»Der, welcher sie küssen wollte, das warst natürlich Du!«
»Ist mir bei Gott nicht eingefallen!« betheuerte er.
»Also doch der Andere?«
»Ja, Haller wollte sie partout küssen.«
»Sie litt es nicht?«
»Nein. Sie wehrte sich vielmehr aus allen Kräften.«
»Und Du sahst ruhig zu?«
*