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Zweiunddreißigstes Kapitel

Wir haben schon gesagt, daß der Speck in langen Stücken, den sogenannten »Decken«, heruntergezogen wird. Der Wal ist in seinen Speck wie in eine Decke, mit der man sich zudeckt, eingewickelt, oder, um noch einen besseren Vergleich zu gebrauchen, in einen Indianerponcho, der ihm über den Kopf gezogen ist und bis an das äußerste Ende reicht. Dank dieser gemütlichen Einkleidung ist der Wal imstande, sich bei jeder Witterung, in allen Meeren, zu allen Zeiten und in allen Fluten wohl zu fühlen. Was sollte denn aus einem Grönlandwal in dem schaurigen Eismeer des Nordens werden, wenn er nicht mit seinem gemütlichen Mantel bedeckt wäre? Natürlich findet man auch Fische, die sich ungewöhnlich frisch in diesen Gewässern des Nordens erhalten. Aber diese kaltblütigen, lungenlosen Fische, deren Leiber wie Eismaschinen sind, können sich schon an der Leeseite eines Eisberges wärmen, wie es bei einem Reisenden im Winter an dem Feuer des Gasthauses der Fall ist. Dagegen hat der Wal wie der Mensch Lungen und warmes Blut. Fängt sein Blut an zu frieren, so stirbt er.

Wenn es schon ein Wunder ist, daß dieses große Ungeheuer Körperwärme so notwendig braucht wie der Mensch, so wird es uns erst recht wundern, daß er in den arktischen Meeren zu Hause ist und tief mit den Lippen in das kalte Wasser eintaucht und sich dort recht wohl fühlt. In Meeren, wo über Bord gefallene Matrosen, wenn man sie Monate später auffindet, mitten in den Eisstücken eingefroren sind, wie Fliegen, die in ein Bernsteinstück eingeklebt sind. Aber es wird noch mehr überraschen, wenn man erfährt, daß das Blut eines Polarwals, wie durch Versuche festgestellt ist, noch wärmer ist, als das eines Negers von Borneo im Hochsommer. –

»Die Ketten einziehen! Laßt den toten Wal achteraus!« Die großen Flaschenzüge haben nun ihre Arbeit getan. Der abgeschälte weiße Körper des geköpften Walfisches leuchtet nun wie ein marmornes Grabmal; obwohl er nun anders aussieht als vorher, so ist er doch noch ebenso kolossal. Langsam treibt er immer mehr ab. Das Wasser wird von den unersättlichen Haifischen aufgepeitscht. Die Luft wird oben von Scharen raubgieriger, schreiender Vögel unsicher gemacht, deren Schnäbel wie Dolche in den Wal hineinhacken. Das ungeheure, weiße, kopflose Phantom treibt immer mehr vom Schiff ab. Und bei jedem Zoll vermehrt sich der mörderische Lärm der Haie im Quadrat und das Geschrei der Vögel in der dritten Potenz. Noch stundenlang ist dieser häßliche Anblick von dem fast an derselben Stelle stehenbleibenden Schiff aus zu sehen. Unter dem unbewölkten und milden, azurblauen Himmel treibt die große, tote Masse auf dem hellen Spiegel des lieblichen Meeres, auf den lustige Brisen Dünungen hervorrufen, langsam weiter und weiter, bis sie schließlich in der unendlichen Ferne verschwindet.

Es ist ein furchtbar trauriges und noch dazu spöttisches Begräbnis. Die Seegeier erscheinen in stummer Trauer und die Lufthaie sind alle schwarz oder mit Punkten gesprenkelt. Zu Lebzeiten würden nur wenige dem Wal Hilfe gebracht haben, wenn er zufällig ihrer bedurft hätte. Aber bei seinem Leichenschmaus fallen sie in frommer Trauer darüber her. Wie entsetzlich ist doch die Raubgier der Erde, vor der nicht mal der mächtigste Wal sicher ist!


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