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Dreiundfünfzigstes Kapitel

Dann kam die Jahreszeit für den Äquator schließlich immer näher. Wenn Ahab aus der Kabine kam und den Blick nach oben warf, pflegte der wachsame Steuermann mit auffälligem Griff seine Speichen zu bedienen, und die eifrigen Matrosen liefen schnell an die Brassen und standen da und hielten die Augen starr auf die angenagelte Dublone gerichtet. Mit Ungeduld wartete man auf den Befehl, daß das Schiff den Kurs auf den Äquator nehme. Als die entsprechende Zeit verflossen war, kam der Befehl.

Es war kurz vor Mittag. Ahab saß in dem Bug seines hochgezogenen Bootes und nahm seine tägliche Sonnenmessung vor, um die geographische Breite zu bestimmen.

Im Japanischen Meer gleichen die Sommertage Bächen von Glanz. Die strahlende Sonne Japans scheint der flammende Brennpunkt des unermeßlichen Brennglases zu sein, das der glasartige Ozean darstellt. Der Himmel sieht aus, als ob er mit hellem Lack überzogen wäre. Es sind keine Wolken zu sehen. Der Horizont fließt förmlich. Dieser nackte, durch nichts unterbrochene Glanz kommt einem wie die leuchtenden Strahlen von Gottes Thron vor, die man nicht aushalten kann.

Es war gut, daß Ahabs Quadrant mit farbigen Gläsern versehen war, durch die er die Sonne in ihrem Feuer betrachten konnte. Er wurde mit dem schaukelnden Schiff hin- und hergeworfen in seinem Sitz; er hatte das wie zu astrologischen Zwecken dienende Gerät an das Auge gebracht und blieb einige Momente in dieser Stellung, um den genauen Augenblick zu erfassen, wenn die Sonne ihren Meridian erreicht.

Während seine ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, hatte der Parse unter ihm an Deck des Schiffes, ebenso wie Ahab, das Gesicht nach oben gerichtet und betrachtete die Sonne genau so wie er. Nur bedeckten seine Augenlider die Augen zur Hälfte, und sein wildes Gesicht drückte eine irdische Gefühllosigkeit aus.

Schließlich hatte man die gewünschte Beobachtung gemacht. Ahab hatte den Bleistift auf dem künstlichen Bein liegen und betrachtete bald die geographische Breite des gegenwärtigen Augenblickes. Dann verfiel er einen Augenblick seiner Träumerei, sah wieder auf zur Sonne und murmelte vor sich hin:

»Du Zeichen des Meeres! Du mächtiger Lotse in der Höhe! Du kannst mir genau sagen, wo ich jetzt bin. Aber kannst du mir im entferntesten andeuten, wo ich einst sein werde? Oder kannst du mir sagen, wo ein anderes Ding außer mir im gegenwärtigen Augenblick lebt? Wo ist Moby-Dick? In diesem Augenblick mußt du ihn doch sehen. Meine Augen sehen in dasselbe Auge, das ihn nun gerade sieht. Ja, und sie sehen in das Auge, das nun gleichfalls die Dinge auf der unbekannten Seite von dir erkennen kann!«

Als er dann seinen Quadranten anstarrte und die zahllosen kabbalistischen Eintragungen darauf studiert hatte, sann er wieder nach, worauf er brummte:

»Du Narrenspielzeug! Du Kinderspiel von eingebildeten Admirälen, Kommodoren und Kapitänen! Alle Welt schwatzt von dir, von deiner Klugheit und Macht. Aber kannst du mehr als den armseligen, kümmerlichen Punkt angeben, wo du selbst zufällig auf diesem weiten Planeten bist und die Stelle der Hand, die dich hält? Du kannst nicht angeben, wo ein Wassertropfen oder ein Sandkorn morgen um die Mittagszeit sein wird, und du beleidigst mit deiner Ohnmacht die Sonne! Was ist Wissenschaft! Ich verfluche dich, du eingebildetes Ding! Und verflucht seien alle die Dinge, die das Menschenauge oben an den Himmel wirft, der es durch seinen lebendigen Glanz versengt, sowie meine alten Augen nun von deinem Licht versengt werden, Sonne! Die Strahlen des menschlichen Auges liegen mit dem Horizont der Erde in einer Linie. Sie gehen nicht von der Krone seines Kopfes aus, als ob er nach dem Willen Gottes, nicht nach dem Sternenhimmel schauen sollte. So verfluche ich dich denn, Quadrant!«

Damit schleuderte er ihn auf das Deck. »Ich will mich nicht länger von dir führen lassen auf meinem Wege hier. Der Schiffskompaß und die Berechnung des Wasserspiegels mit Log und Leine sollen mein einziger Führer sein und sollen mir angeben, wo ich auf der See bin. Ja,« und er erhob sich von dem Boot aus auf das Deck, »so trete ich denn mit den Füßen auf dich, du erbärmliches Ding, das so kläglich die Höhe angegeben hat. Ich zersplittere dich in tausend Stücke!«

Als der tolle Alte so sprach und mit dem gesunden und kranken Fuß darauf herumtrat, ging ein für Ahab bestimmter triumphierender Ausdruck des Spottes und ein schicksalsergebener Verzweiflungsausdruck, der für den Parsen selbst bestimmt zu sein schien, über das stumpfe und starre Gesicht des letzteren. Er stand unauffällig auf und schlich davon. Während, entsetzt über den Anblick ihres Befehlshabers, die Matrosen in einem Klumpen auf der Vorderkajüte zusammenhockten, bis Ahab voller Unruhe auf dem Deck herumging und ausrief: »An die Brassen! Das Steuer hoch! Vierkant brassen!«

In einem Nu flogen die Rahen herum, und als das Schiff wie auf seinem Absatz halb herumgedreht wurde, hielten die drei festen Mäste den langen Rumpf mit den Schiffsrippen aufrecht im Gleichgewicht und glichen den drei Horaziern, die auf einem passenden Schlachtroß ihre Reiterkunststücke vorführten.

Starbuck stand zwischen den Ohrhölzern und beobachtete die mit soviel Lärm vor sich gehende Handlungsweise des »Pequod« und ebenso die von Ahab, als er am Deck entlang sah.

»Ich habe vor dem dichten Kohlenfeuer gesessen und sein qualvolles flammendes Leben mit seiner ganzen Glut beobachtet. Ich habe gesehen, wie es schließlich niederbrannte und zu reinem Staub dahinschwand. Der du so viele Ozeane befahren hast, du alter Mann, was wird schließlich von dem Feuer deines Lebens übrigbleiben, als ein kleiner Haufen Asche!«

»Ja,« rief Stubb, »aber es war die Asche von Seekohle. Beachten Sie das wohl, Mister Starbuck, es war Seekohle, nicht die gemeine Holzkohle, schon gut. Ich hörte, wie Ahab brummte: ›Man hat mir diese Karten in meine alten Hände gesteckt, und so muß ich denn mit ihnen spielen und kein anderer! Und verdammig, Ahab, du machst es richtig! Fasse das Leben als ein Spiel auf und stirb!‹«


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