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Was den Autor bewogen, die Geschichte seines Lebens zu schreiben. – Ursprung der Stadt Florenz. – Nachricht von des Autors Familie und Verwandtschaft. – Ursache, warum er Benvenuto genannt worden. – Er zeigt einen frühen Geschmack für Nachbilden und Zeichnen, aber sein Vater unterrichtet ihn in der Musik. Aus Gefälligkeit, obgleich mit Widerstreben, lernt der Knabe die Flöte. – Sein Vater von Leo X. begünstigt. – Benvenuto kommt zu einem Juwelier und Goldschmied in die Lehre.
Alle Menschen, von welchem Stande sie auch seien, die etwas Tugendsames oder Tugendähnliches vollbracht haben, sollten, wenn sie sich wahrhaft guter Absichten bewußt sind, eigenhändig ihr Leben aufsetzen, jedoch nicht eher zu einer so schönen Unternehmung schreiten, als bis sie das Alter von vierzig Jahren erreicht haben.
Dieser Gedanke beschäftigt mich gegenwärtig, da ich im achtundfünfzigsten stehe und mich hier in Florenz mancher vergangenen Widerwärtigkeiten wohl erinnern mag, da mich nicht, wie sonst, böse Schicksale verfolgen und ich zugleich eine bessere Gesundheit und größere Heiterkeit des Geistes als in meinem ganzen übrigen Leben genieße.
Sehr lebhaft ist die Erinnerung manches Angenehmen und Guten, aber auch manches unschätzbaren Übels, das mich erschreckt, wenn ich zurücksehe, und mich zugleich mit Verwunderung erfüllt, wie ich zu einem solchen Alter habe gelangen können, in welchem ich so bequem durch die Gnade Gottes vorwärts gehe. Unter solchen Betrachtungen beschließe ich, mein Leben zu beschreiben.
Nun sollten zwar diejenigen, die bemüht waren, einiges Gute zu leisten und sich in der Welt zu zeigen, nur ihrer eigenen Tugenden erwähnen: denn deshalb werden sie als vorzügliche Menschen von andern anerkannt; weil man sich aber doch auch nach den Gesinnungen mehrerer zu richten hat, so kommt zum Anfange meiner Erzählung manches Eigne dieses Weltwesens vor, und zwar mag man gern vor allen Dingen jeden überzeugen, daß man von trefflichen Personen abstamme.
Ich heiße Benvenuto Cellini. Meinen Vater nannte man Meister Johann, meinen Großvater Andreas, meinen Urgroßvater Christoph Cellini. Meine Mutter war Madonna Elisabetha, Stephan Granaccis Tochter. Ich stamme also väterlicher- und mütterlicherseits von florentinischen Bürgern ab.
Man findet in den Chroniken unserer alten glaubwürdigen Florentiner, daß Florenz nach dem Muster der schönen Stadt Rom gebaut gewesen. Davon zeugen die Überbleibsel eines Koliseum und öffentlicher Bäder, welche letzte sich zunächst beim heiligen Kreuz befinden. Der alte Markt war ehemals das Kapitol; die Rotonde steht noch ganz, sie ward als Tempel des Mars erbaut und ist jetzt unserm heiligen Johannes gewidmet. Man schenkt also gern jener Meinung Glauben, obgleich diese Gebäude viel kleiner als die römischen sind.
Julius Caesar und einige römische Edelleute sollen nach Eroberung von Fiesole eine Stadt in der Nähe des Arno gebaut und jeder über sich genommen haben, eines der ansehnlichen Gebäude zu errichten.
Unter den ersten und tapfersten Hauptleuten befand sich Florin von Cellino, der seinen Namen von einem Kastell herschrieb, das zwei Miglien von Monte Fiascone entfernt ist. Dieser hatte sein Lager unter Fiesole geschlagen, an dem Orte, wo gegenwärtig Florenz liegt; denn der Platz nahe an dem Flusse war dem Heere sehr bequem. Nun sagten Soldaten und andere, die mit dem Hauptmann zu tun hatten: Lasset uns nach Florenz gehen! teils weil er den Namen Florino führte, teils weil der Ort seines Lagers von Natur die größte Menge von Blumen hervorbrachte.
Daher gefiel auch dieser schöne Name Julius Caesarn, als er die Stadt gründete. Eine Benennung von Blumen abzuleiten, schien eine gute Vorbedeutung, und auf diese Weise wurde sie Florenz genannt. Wobei der Feldherr zugleich seinen tapfern Hauptmann begünstigte, dem er um so mehr geneigt war, als er ihn von geringem Stande heraufgehoben und selbst einen so trefflichen Mann aus ihm gebildet hatte.
Wenn aber die gelehrten Untersucher und Entdecker solcher Namensverwandtschaften behaupten wollen: die Stadt habe zuerst Fluenz geheißen, weil sie am Flusse Arno liege, so kann man einer solchen Meinung nicht beitreten; denn bei Rom fließt die Tiber, bei Ferrara der Po, bei Lyon die Rhone, bei Paris die Seine vorbei, und alle diese Städte sind aus verschiedenen Ursachen verschieden benannt. Daher finden wir eine größere Wahrscheinlichkeit, daß unsere Stadt ihren Namen von jenem tugendsamen Manne herschreibe.
Weiter finden wir unsere Cellinis auch in Ravenna, einer Stadt, die viel älter als Florenz ist, und zwar sind es dort vornehme Edelleute. Gleichfalls gibt es ihrer in Pisa, und ich habe denselben Namen in vielen Städten der Christenheit gefunden; auch in unserm Lande sind noch einige Häuser übrig geblieben.
Meistens waren diese Männer den Waffen ergeben, und noch ist es nicht lange, daß ein unbärtiger Jüngling namens Lukas Cellini einen geübten und tapfern Soldaten bekämpfte, der schon mehrmals in den Schranken gefochten hatte und Franziskus von Vicorati hieß. Diesen überwand Lukas durch eigne Tapferkeit und brachte ihn um. Sein Mut setzte die ganze Welt in Erstaunen, da man gerade das Gegenteil erwartete. Und so darf ich mich wohl rühmen, daß ich von braven Männern abstamme.
Auf welche Weise nun auch ich meinem Hause durch meine Kunst einige Ehre verschafft habe, das freilich nach unserer heutigen Denkart und aus mancherlei Ursachen nicht gar zu viel bedeuten will, werde ich an seinem Ort erzählen. Ja, ich glaube, daß es rühmlicher ist, in geringem Zustande geboren zu sein und eine Familie ehrenvoll zu gründen, als einem hohen Stamm durch schlechte Aufführung Schande zu machen. Zuerst also will ich erzählen, wie es Gott gefallen, mich auf die Welt kommen zu lassen.
Meine Vorfahren wohnten in Val d'Ambra und lebten daselbst bei vielen Besitzungen wie kleine Herren. Sie waren alle den Waffen ergeben und die tapfersten Leute.
Es geschah aber, daß einer ihrer Söhne, namens Christoph, einen großen Streit mit einigen Nachbarn und Freunden anfing, so daß von einer sowohl als der andern Seite die Häupter der Familien sich der Sache annehmen mußten; denn sie sahen wohl, das Feuer sei von solcher Gewalt, daß beide Häuser dadurch hätten können völlig aufgezehrt werden. Dieses betrachteten die Ältesten und wurden einig, sowohl gedachten Christoph als den andern Urheber des Streites wegzuschaffen. Jene schickten den Ihrigen nach Siena, die Unsrigen versetzten Christoph nach Florenz und kauften ihm ein kleines Haus in der Straße Chiara, des Klosters Sankt Ursula, und verschiedene gute Besitzungen an der Brücke Rifredi. Er heiratete in Florenz und hatte Söhne und Töchter; diese stattete er aus, und jene teilten sich in das übrige.
Nach dem Tode des Vaters fiel die Wohnung in der Straße Chiara mit einigen andern wenigen Dingen an einen der Söhne, der Andreas hieß; auch dieser verheiratete sich und zeugte vier Söhne. Den ersten nannte man Hieronymus, den zweiten Bartholomäus, den dritten Johannes, der mein Vater ward, und den vierten Franziskus.
Andreas Cellini, mein Großvater, verstand sich genugsam auf die Weise der Baukunst, die in jenen Zeiten üblich war, und lebte von dieser Beschäftigung. Johannes, mein Vater, legte sich besonders darauf, und weil Vitruv unter anderm behauptet, daß man, um diese Kunst recht auszuüben, nicht allein gut zeichnen, sondern auch etwas Musik verstehen müsse, so fing Johannes, nachdem er sich zum guten Zeichner gebildet hatte, auch die Musik zu studieren an, und lernte, nächst den Grundsätzen, sehr gut Viole und Flöte spielen. Dabei ging er, weil er sehr fleißig war, wenig aus dem Hause.
Sein Wandnachbar, Stephan Granacci, hatte mehrere Töchter, alle von großer Schönheit, worunter nach Gottes Willen Johannes eine besonders bemerkte, die Elisabeth hieß und ihm so wohl gefiel, daß er sie zur Frau verlangte.
Diese Verbindung war leicht zu schließen, denn beide Väter kannten sich wegen der nahen Nachbarschaft sehr gut, und beiden schien die Sache vorteilhaft. Zuerst also beschlossen die guten Alten die Heirat, dann fingen sie an, vom Heiratsgute zu sprechen, wobei zwischen ihnen einiger Streit entstand. Endlich sagte Andreas zu Stephan: Johann, mein Sohn, ist der trefflichste Jüngling von Florenz und Italien, und wenn ich ihn hätte längst verheiraten wollen, so könnte ich wohl eine größere Mitgift erlangt haben, als unseresgleichen in Florenz finden mögen. Stephan versetzte: Auf deine tausend Gründe antworte ich nur, daß ich an fünf Töchter und fast ebensoviel Söhne zu denken habe. Meine Rechnung ist gemacht, und mehr kann ich nicht geben.
Johann hatte indes eine Zeitlang heimlich zugehört; er trat unvermutet hervor und sagte: Ich verlange, ich liebe das Mädchen und nicht ihr Geld. Wehe dem Manne, der sich an der Mitgift seiner Frau erholen will! Habt Ihr nicht gerühmt, daß ich so geschickt sei? sollte ich nun diese Frau nicht erhalten und ihr verschaffen können, was sie bedarf, wodurch zugleich Euer Wunsch befriedigt würde? Aber wißt nur, das Mädchen soll mein sein, und die Aussteuer mag Euer bleiben.
Darüber ward Andreas Cellini, ein etwas wunderlicher Mann, einigermaßen böse; doch in wenigen Tagen führte Johann seine Geliebte nach Hause und verlangte keine weitere Mitgift.
So erfreuten sie sich ihrer heiligen Liebe achtzehn Jahre, mit dem größten Verlangen, Kinder zu besitzen. Nach Verlauf dieser Zeit gebar sie zwei tote Knaben, woran die Ungeschicklichkeit der Ärzte schuld war. Als sie zunächst wieder guter Hoffnung ward, brachte sie eine Tochter zur Welt, welche man Cosa nannte, nach der Mutter meines Vaters.
Zwei Jahre darauf befand sie sich wieder in gesegneten Umständen, und als die Gelüste, denen sie, wie andere Frauen in solchen Fällen, ausgesetzt war, völlig mit jenen übereinstimmten, die sie in der vorigen Schwangerschaft empfunden, so glaubten alle, es würde wieder ein Mädchen werden, und waren schon übereingekommen, sie Reparata zu nennen, um das Andenken ihrer Großmutter zu erneuern.
Nun begab sichs, daß sie in der Nacht nach Allerheiligen niederkam, um vier und ein halb Uhr im Jahr fünfzehnhundert. Die Hebamme, welcher bekannt war, daß man im Hause ein Mädchen erwartete, reinigte die Kreatur und wickelte sie in das schönste weiße Zeug; dann ging sie, stille, stille, zu Johann, meinem Vater, und sagte: Ich bringe Euch ein schönes Geschenk, das Ihr nicht erwartet.
Mein Vater, der ein Philosoph war, ging auf und nieder und sagte: Was mir Gott gibt, ist mir lieb! und als er die Tücher auseinanderlegte, sähe er den unerwarteten Sohn. Er schlug die alten Hände zusammen, hub sie und die Augen gen Himmel und sagte: Herr, ich danke dir von ganzem Herzen! dieser ist mir sehr lieb, er sei willkommen! Alle gegenwärtigen Personen fragten ihn freudig, wie ich heißen solle? Johannes aber antwortete ihnen nur: Er sei willkommen (ben venuto)! Daher entschlossen sie sich, mir diesen Namen in der heiligen Taufe zu geben, und ich lebte mit Gottes Gnade weiter fort.
Noch war Andreas Cellini, mein Großvater, am Leben, als ich etwa drei Jahr alt sein mochte, er aber stand im hundertsten. Man hatte eines Tages die Röhre einer Wasserleitung verändert, und es war ein großer Skorpion, ohne daß ihn jemand bemerkte, heraus und unter ein Brett gekrochen. Als ich ihn erblickte, lief ich drauf los und haschte ihn. Der Skorpion war so groß, daß, wie ich ihn in meiner kleinen Hand hielt, auf der einen Seite der Schwanz, auf der andern die beiden Zangen zu sehen waren. Sie sagen, ich sei eilig zu dem Alten gelaufen und habe gerufen: Seht, lieber Großvater, mein schönes Krebschen! Der gute Alte, der sogleich das Tier für einen Skorpion erkannte, wäre fast für Schrecken und Besorgnis des Todes gewesen; er verlangte das Tier mit den äußersten Liebkosungen. Aber ich drückte es nur desto fester, weinte und wollte es nicht hergeben. Mein Vater lief auf das Geschrei herzu und wußte sich vor Angst nicht zu helfen, denn er fürchtete, das giftige Tier werde mich töten. Indessen erblickte er eine Schere, begütigte mich und schnitt dem Tiere den Schwanz und die Zangen ab, und nach überstandener Gefahr hielt er diese Begebenheit für ein gutes Zeichen.
Ungefähr in meinem fünften Jahr befand sich mein Vater in einem kleinen Gewölbe unsers Hauses, wo man gewaschen hatte und wo ein gutes Feuer von eichnen Kohlen übrig geblieben war; er hatte eine Geige in der Hand und sang und spielte um das Feuer, denn es war sehr kalt. Zufälligerweise erblickte er mitten in der stärksten Glut ein Tierchen wie eine Eidechse, das sich in diesen lebhaften Flammen ergötzte. Er merkte gleich, was es war, ließ mich und meine Schwester rufen, zeigte uns Kindern das Tier und gab mir eine tüchtige Ohrfeige. Als ich darüber heftig zu weinen anfing, suchte er mich aufs freundlichste zu besänftigen und sagte: Lieber Sohn! ich schlage dich nicht, weil du etwas Übles begangen hast, vielmehr daß du dich dieser Eidechse erinnerst, die du im Feuer siehst. Das ist ein Salamander, wie man, soviel ich weiß, noch keinen gesehen hat. Er küßte mich darauf und gab mir einige Pfennige.
Mein Vater fing an, mich die Flöte zu lehren, und unterwies mich im Singen; aber ungeachtet meines zarten Alters, in welchem die kleinen Kinder sich an einem Pfeifchen und anderm solchen Spielzeuge ergötzen, mißfiel mirs unsäglich, und ich sang und blies nur aus Gehorsam. Mein Vater machte zu selbiger Zeit wundersame Orgeln mit hölzernen Pfeifen, Klaviere, so schön und gut, als man sie damals nur sehen konnte, Violen, Lauten und Harfen auf das beste.
Er war auch in der Kriegsbaukunst erfahren und verfertigte mancherlei Werkzeuge, als: Modelle zu Brücken, Mühlen und andre Maschinen; er arbeitete wundersam in Elfenbein und war der erste, der in dieser Kunst etwas leistete. Aber da er sich in meine nachherige Mutter verliebt hatte, mochte er sich mehr als billig mit der Flöte beschäftigen und ward von den Ratspfeifern ersucht, mit ihnen zu blasen. So trieb er es eine Weile zu seinem Vergnügen, bis sie ihn endlich festhielten, anstellten und unter ihre Gesellschaft aufnahmen.
Lorenz Medicis und Peter, sein Sohn, die ihm sehr günstig waren, sahen nicht gern, daß er, indem er sich ganz der Musik ergab, seine übrigen Fähigkeiten und seine Kunst vernachlässigte, und entfernten ihn von gedachter Stelle. Mein Vater nahm es sehr übel, er glaubte, man tue ihm das größte Unrecht.
Nun begab er sich wieder zur Kunst und machte einen Spiegel, ungefähr eine Elle im Durchmesser, von Knochen und Elfenbein; Figuren und Laubwerk waren sehr zierlich und wohlgezeichnet. Das Ganze hatte er wie ein Rad gebildet; in der Mitte befand sich der Spiegel, ringsherum waren sieben Rundungen angebracht und in solchen die sieben Tugenden, aus Elfenbein und schwarzen Knochen geschnitten. Sowohl der Spiegel als die Tugenden hingen im Gleichgewicht, so daß, wenn man das Rad drehte, sich die Figuren bewegten: denn sie hatten ein Gegengewicht, das sie grad hielte; und da mein Vater einige Kenntnis der lateinischen Sprache besaß, setzte er einen Vers umher, welcher sagte, daß bei allen Umwälzungen des Glücksrads die Tugend immer aufrecht bleibe:
Rota sum: semper, quoquo me verto, stat virtus.
Nachher ward ihm bald sein Platz unter den Ratspfeifern wiedergegeben. Damals, vor der Zeit meiner Geburt, wurden zu diesen Leuten lauter geehrte Handwerker genommen; einige davon arbeiteten Wolle und Seide im großen, daher verschmähte mein Vater auch nicht, sich zu ihnen zu gesellen, und der größte Wunsch, den er in der Welt für mich hegte, war, daß ich ein großer Musikus werden möchte. Dagegen war mirs äußerst unangenehm, wenn er mir davon erzählte und mir versicherte: wenn ich nur wollte, könnte ich der erste Mensch in der Welt werden.
Wie gesagt, war mein Vater ein treuer und verbundener Diener des Hauses Medicis, und da Peter vertrieben wurde (1494), vertraute er meinem Vater viele Dinge von großer Bedeutung. Als nun darauf Peter Soderini Gonfaloniere ward (1498) und mein Vater unter den Ratspfeifern sein Amt forttat, erfuhr diese Magistratsperson, wie geschickt der Mann überhaupt sei, und bediente sich seiner zum Kriegsbaumeister in bedeutenden Fällen. Um diese Zeit ließ mein Vater mich schon vor dem Rate mit den andern Musikern den Diskant blasen, und da ich noch so jung und zart war, trug mich ein Ratsdiener auf dem Arme. Soderini fand Vergnügen, sich mit mir abzugeben und mich schwätzen zu lassen; er gab mir Zuckerwerk und sagte zu meinem Vater: Meister Johann, lehre ihn neben der Musik auch die beiden andern schönen Künste. Mein Vater antwortete: Er soll keine andere Kunst treiben als Blasen und Komponieren, und auf diesem Wege, wenn ihm Gott das Leben läßt, hoffe ich, ihn zum ersten Mann in der Welt zu machen. Darauf sagte einer von den alten Herren: Tue nur ja, was der Gonfaloniere sagt; denn warum sollte er nichts anders als ein guter Musikus werden?
So ging eine Zeit vorbei, bis die Medicis zurückkamen (1512). Der Kardinal, der nachher Papst Leo wurde, begegnete meinem Vater sehr freundlich. Aus dem Wappen am mediceischen Palast hatte man die Kugeln genommen, sobald die Familie vertrieben war, und das Wappen der Gemeine, ein rotes Kreuz, dagegen in das Feld malen lassen. Als die Medicis zurückkehrten, ward das Kreuz wieder ausgekratzt, die roten Kugeln kamen wieder hinein, und das goldne Feld ward vortrefflich ausstaffiert.
Wenige Tage nachher starb Papst Julius II. (1513), der Kardinal Medicis ging nach Rom und ward, gegen alles Vermuten, zum Papst erwählt. Er ließ meinen Vater zu sich rufen, und wohl hätte dieser getan, wenn er mitgegangen wäre; denn er verlor seine Stelle im Palast, sobald Jakob Salviati Gonfaloniere geworden war.
Nun bestimmte ich mich, ein Goldschmied zu werden, und lernte zum Teil diese Kunst, zum Teil mußte ich viel, gegen meinen Willen, blasen. Ich bat meinen Vater, er möchte mich nur gewisse Stunden des Tages zeichnen lassen, die übrige Zeit wollte ich Musik machen, wenn er es beföhle. Darauf sagte er zu mir: So hast du denn kein Vergnügen am Blasen? Ich sagte: Nein! Denn diese Kunst schien mir zu niedrig gegen jene, die ich im Sinne hatte.
Mein guter Vater geriet darüber in Verzweiflung und tat mich in die Werkstatt des Vaters des Kavalier Bandinello, der Michelagnolo hieß, trefflich in seiner Kunst war, aber von geringer Geburt, denn er war der Sohn eines Kohlenhändlers. Ich sage das nicht, um den Bandinello zu schelten, der sein Haus zuerst gegründet hat. Wäre er nur auf dem rechten Wege dazu gelangt! Doch wie es zugegangen ist, davon hab ich nichts zu reden. Nur einige Tage blieb ich daselbst, als mein Vater mich wieder wegnahm; denn er konnte nicht leben, ohne mich immer um sich zu haben, und so mußte ich wider Willen blasen, bis ich funfzehn Jahr alt war. Wollte ich die sonderbaren Begebenheiten erzählen, die ich bis zu diesem Alter erlebt, und die Lebensgefahren, in welchen ich mich befunden, so würde sich der Leser gewiß verwundern.
Als ich funfzehn Jahr alt war, begab ich mich, wider den Willen meines Vaters, in die Werkstatt eines Goldschmiedes, der Antonio Sandro hieß. Er war ein trefflicher Arbeiter, stolz und frei in seinen Handlungen. Mein Vater wollte nicht, daß er mir Geld gäbe, wie es andere Unternehmer tun, damit ich, bei meiner freiwilligen Neigung zur Kunst, auch zeichnen könnte, wann es mir gefiele. Das war mir sehr angenehm, und mein redlicher Meister hatte große Freude daran. Er erzog einen einzigen, natürlichen Sohn bei sich, dem er manches auftrug, um mich zu schonen. Meine Neigung war so groß, daß ich in wenig Monaten die besten Gesellen einholte und auch einigen Vorteil von meinen Arbeiten zog. Dessenungeachtet verfehlte ich nicht, meinem Vater zuliebe bald auf der Flöte, bald auf dem Hörnchen zu blasen, und sooft er mich hörte, fielen ihm unter vielen Seufzern die Tränen aus den Augen. Ich tat mein möglichstes zu seiner Zufriedenheit und stellte mich, als wenn ich auch großes Vergnügen dabei empfände.