Benvenuto Cellini
Leben des Benvenuto Cellini
Benvenuto Cellini

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Zehntes Kapitel

Streit zwischen Cellini und Bandinello, wer die Statue des Neptuns aus einem großen vorrätigen Stück Marmor machen solle. – Die Herzogin begünstigt Bandinello; aber Cellini, durch eine kluge Vorstellung, bewegt den Herzog zur Erklärung, daß der die Arbeit haben solle, der das beste Modell mache. – Cellinis Modell wird vorgezogen, und Bandinell stirbt vor Verdruß. – Durch die Ungunst der Herzogin erhält Ammannato den Marmor. – Seltsamer Kontrakt des Autors mit einem Viehhändler, mit Namen Sbietta. – Das Weib dieses Mannes bringt dem Autor Gift bei, und er wird mit Mühe gerettet. – Cellini, während seiner Krankheit, welche sechs Monate dauert, wird bei Hof von Ammannato verdrängt.

Zu dieser Zeit hatte man den großen Marmor, woraus nachher der Neptun gemacht wurde, auf dem Arno hergebracht, man fuhr ihn sodann auf den Weg nach Poggio zu Caiano, um ihn besser auf der flachen Straße nach Florenz zu bringen. Ich ging, ihn zu besehen, und ob ich gleich gewiß wußte, daß die Herzogin aus ganz besonderer Gunst ihn dem Kavalier Bandinell zugedacht hatte, so jammerte mich doch der arme, unglückliche Marmor, und ich hatte die besten Absichten für ihn. Denke nur aber niemand, irgendeiner Sache, die unter der Herrschaft eines bösen Geschicks liegt, auf irgendeine Weise zu Hülfe zu kommen: denn wenn er sie auch aus einem offenbaren Übel errettet, so wird sie doch in ein viel schlimmeres fallen, sowie dieser Marmor in die Hände des Bartholomäus Ammannato kam, wie ich zu seiner Zeit wahrhaft erzählen werde. Als ich nun den schönen Marmor gesehen hatte, nahm ich sogleich seine Höhe und seine Stärke nach allen Seiten und kehrte nach Florenz zurück, wo ich verschiedene zweckmäßige Modelle machte; dann ging ich auf die Höhe von Caiano, wo sich der Herzog und die Herzogin mit dem Prinzen, ihrem Sohn, befanden. Sie waren sämtlich bei Tafel, jene aber speisten allein, und ich suchte diesen zu unterhalten. Da ich eine ganze Weile mit dem Prinzen gesprochen hatte, hörte mich der Herzog, der in einem benachbarten Zimmer saß, und ließ mich mit sehr günstigen Ausdrücken rufen. Als ich in ihre Gegenwart kam, fing die Herzogin mit vielen gefälligen Worten an, mit mir zu reden, und ich leitete nach und nach das Gespräch auf den schönen Marmor, den ich gesehen hatte, und sagte, wie ihre Vorfahren diese edelste Schule nur dadurch so vollkommen gemacht hätten, daß sie den Wetteifer aller Künstler untereinander zu erregen gewußt; auf diese Weise seien die wundersame Kuppel und die schönen Türen von St. Johann und so viel andere schöne Tempel und Statuen fertig und ihre Stadt durch Talente so berühmt worden, als seit den Alten keine bisher gewesen. Sogleich sagte die Herzogin mit Verdruß: sie wisse recht gut alles, was ich sagen wolle; ich solle in ihrer Gegenwart nicht mehr von dem Marmor sprechen, denn ich mache ihr Verdruß. Ich aber versetzte: Also mache ich Euch Verdruß, weil ich für Eure Exzellenzen besorgt bin und alles bedenke, damit Sie besser bedient sein mögen? Beherzigt nur, gnädige Frau, wenn Eure Exzellenzen zufrieden wären, daß jeder ein Modell des Neptuns machte (wenn Ihr auch schon entschlossen seid, daß Bandinell denselben machen soll), so würde dieser um seiner Ehre willen mit größerm Fleiße arbeiten, ein schönes Modell hervorzubringen, als wenn er weiß, daß er keine Mitwerber hat! Auf diese Weise werdet Ihr besser bedient sein, der trefflichen Schule den Mut nicht nehmen und denjenigen kennen lernen, der nach dem Guten strebt, ich meine, nach der schönen Art dieser wundersamen Kunst; Ihr werdet zeigen, daß Ihr Euch daran ergötzt und sie versteht. Darauf sagte die Herzogin in großem Zorne: meine Worte wären umsonst, sie wolle, daß Bandinell den Marmor haben solle! Frage den Herzog, setzte sie hinzu, ob dies nicht auch sein Wille sei? Darauf sagte der Herzog, der bisher immer still gewesen war: Es sind zwanzig Jahre, daß ich diesen schönen Marmor ausdrücklich für Bandinell brechen ließ, und so will ich auch, daß er ihn haben und darin arbeiten soll. Sogleich wendete ich mich zum Herzog und sagte: Ich bitte Eure Exzellenz, mir die Gnade zu erzeigen, daß ich nur wenige Worte zu Ihrem eignen Vorteil sage. Der Herzog versetzte: ich solle sagen, was ich wolle; er werde mich anhören. Darauf fuhr ich fort: Wisset, mein Herr, der Marmor, woraus Bandinell seinen Herkules und Kakus machte, ward für den trefflichen Michelagnolo Buonarroti gebrochen, der das Modell eines Simsons mit vier Figuren gemacht hatte, wornach er das schönste Werk der Welt ausgearbeitet hätte, und Bandinell brachte nur zwei einzige Figuren heraus, übel gebildet und geflickt: deswegen schreit die treffliche Schule noch über das große Unrecht, das man jenem Marmor angetan. Ich glaube, daß mehr als tausend Sonette zur Schmach dieser schlechten Arbeit angeschlagen worden, und ich weiß, daß Eure Exzellenz dieses Vorfalls sich sehr gut erinnert. Deswegen, mein trefflicher Herr, wenn die Männer, denen das Geschäft aufgetragen war, so unweise handelten, dem Michelagnolo seinen schönen Marmor zu nehmen und ihn dem Bandinell zu geben, der ihn verdarb, wie man sieht, könntet Ihr jemals ertragen, daß dieser viel schönere Marmor, ob er gleich dem Bandinell zugedacht ist, von ihm verdorben werde? Und wolltet Ihr ihn nicht lieber einem ändern geschickten Manne geben, der ihn zu Eurem Vergnügen bearbeitete? Laßt, mein Herr, einen jeden, der will, ein Modell machen, laßt sie vor der Schule sämtlich aufstellen! Eure Exzellenz wird hören, was man sagt, und mit Ihrem richtigen Urteil das Beste wählen. Auf diese Weise werft Ihr Euer Geld nicht weg und nehmt einer so trefflichen Schule nicht den Mut auf dem Wege der Kunst, einer Schule, die jetzt einzig auf der Welt ist und Eurer Exzellenz zum größten Ruhme gereicht. Als der Herzog mich gütigst angehört hatte, stand er sogleich von Tafel auf, wendete sich zu mir und sagte: Gehe, mein Benvenuto, gewinne dir den schönen Marmor! denn du sagst mir die Wahrheit, und ich erkenne sie. Die Herzogin drohte mir mit dem Kopfe und murmelte erzürnt, ich weiß nicht was. Ich beurlaubte mich und kehrte nach Florenz zurück, und es schienen mir tausend Jahre, ehe ich die Hand an das Modell legen konnte.

Als der Herzog nach Florenz zurückkehrte, kam er, ohne mich etwas wissen zu lassen, in meine Wohnung, wo ich ihm zwei Modelle zeigte, die beide voneinander unterschieden waren. Er lobte sie, doch sagte er zu mir: das eine gefalle ihm besser als das andere, und dieses, womit er zufrieden sei, solle ich nun ausarbeiten, es werde mein Vorteil sein. Seine Exzellenz hatten schon dasjenige gesehen, was Bandinell gemacht hatte, und auch die Modelle einiger andern, und doch lobte er meines vor allen, wie mir viele seiner Hofleute sagten, die es gehört hatten. Unter andern merkwürdigen Nachrichten über diese Sache ist aber folgende von großem Wert: Es kam nämlich der Kardinal Santa Fiore nach Florenz. Der Herzog führte ihn auf die Höhe nach Caiano, und als der Kardinal unterwegs gedachten Marmor erblickte, lobte er ihn sehr und fragte: wem er zur Arbeit bestimmt sei? Der Herzog antwortete sogleich: Meinem Benvenuto, der ein sehr schönes Modell dazu gemacht hat. Diese Rede ward mir von glaubwürdigen Leuten hinterbracht. Deshalb ging ich, die Herzogin aufzusuchen, und brachte ihr einige angenehme Kleinigkeiten meiner Kunst, welche sie sehr gut aufnahm; dann fragte sie: was ich arbeite? Darauf versetzte ich: Gnädige Frau! ich habe zum Vergnügen eine der schwersten Arbeiten in der Welt unternommen, ein Kruzifix von dem weißesten Marmor auf einem Kreuze von dem schwärzesten, so groß als ein lebendiger Mensch. Sogleich fragte sie mich: was ich damit machen wolle? Ich aber versetzte: Wisset, gnädige Frau, daß ich es nicht für zweitausend Goldgülden hingäbe! denn so hat wohl eine Arbeit niemals einem Menschen zu schaffen gemacht, auch hätte ich mich niemals unterstanden, sie für irgendeinen Herrn zu unternehmen, aus Furcht, damit in Schande zu geraten. Deswegen habe ich mir den Marmor für mein Geld gekauft und einen Arbeiter zwei Jahre gehalten, der mir helfen mußte, und wenn ich alles rechne, Marmor und Eisen, besonders da der Stein hart ist, dazu das Arbeitslohn, so kömmt er mich über dreihundert Scudi zu stehen, so daß ich ihn nicht für zweitausend Goldgülden geben möchte. Wenn aber Eure Exzellenz mir die erlaubteste Gnade erzeigen will, so mache ich Ihnen gern damit ein reines Geschenk. Nur bitte ich, daß Sie mir bei Gelegenheit der Modelle, die zum Neptun befohlen sind, weder Gunst noch Ungunst erzeigen. Darauf sagte sie zornig: Also schätzest du weder meine Hülfe noch meinen Widerstand? Ich antwortete: Ja, gnädige Frau! ich weiß sie zu schätzen, denn ich biete Ihnen ein Werk an, das ich zweitausend Goldgülden wert halte; aber ich verlasse mich zugleich auf meine mühsamen und kunstmäßigen Studien, womit ich die Palme zu erringen gedenke, und wenn der große Michelagnolo Buonarroti selbst gegenwärtig wäre, von welchem und von sonst niemanden ich das, was ich weiß, erlernt habe. Ja, es wäre mir lieber, daß der, der soviel versteht, ein Modell machte, als die, welche nur wenig wissen, denn durch den Wetteifer mit meinem großen Meister könnte ich gewinnen, da mit den andern nichts zu gewinnen ist. Als ich ausgesprochen hatte, stand sie halb erzürnt auf, und ich kehrte an meine Arbeit zurück, indem ich mein Modell, so gut ich nur konnte, vorwärtszubringen suchte.

Als es fertig war, kam der Herzog, es zu besehen, und mit ihm zwei Gesandten, der eine von dem Herzog von Ferrara, der andere von der Stadt Lucca. Das Modell gefiel sehr wohl, und der Herzog sagte zu den Herren: Wirklich, Benvenuto verdients! Da begünstigten mich beide gar sehr, am meisten der Gesandte von Lucca, der ein Gelehrter und Doktor war. Ich hatte mich ein wenig entfernt, damit sie alles sagen möchten, was ihnen gefiele. Als ich aber vernahm, daß ich begünstigt wurde, trat ich sogleich näher, wendete mich zum Herzog und sagte: Eure Exzellenz sollte noch eine andere wundersame Vorsicht brauchen und befehlen, daß jeder ein Modell von Erde und gerade so groß, als es der Marmor fordert, verfertigen solle. Dadurch würden Sie sich am besten überzeugen können, wer ihn verdient. Denn sollte der Marmor unrecht zugesprochen werden, so werden Sie nicht dem verdienten Manne, sondern sich selbst großen Schaden tun, und es wird Ihnen zur Scham und großen Schande gereichen; im Gegenteil, wenn die Arbeit an den Rechten kömmt, werden Sie zuerst den größten Ruhm erlangen. Sie werden Ihr Geld nützlich verwenden, und einsichtsvolle Personen werden sich überzeugen, daß Sie an der Kunst Freude haben und sich darauf verstehen. Auf diese Worte zog der Herzog die Achseln, und indem er wegging, sagte der luccesische Abgesandte zu ihm: Herr! Euer Benvenuto ist ein schrecklicher Mensch. Der Herzog sagte darauf: Er ist viel schrecklicher, als Ihr glaubt, und es wäre gut für ihn, wenn er es nicht gewesen wäre, denn er würde Sachen erhalten haben, die ihm entgangen sind. Diese ausdrücklichen Worte sagte mir derselbe Gesandte und schien mich über meine Handelsweise zu tadeln. Worauf ich versetzte: Ich will meinem Herrn wohl als ein treuer und liebevoller Diener, aber es ist mir nicht möglich zu schmeicheln.

Verschiedene Wochen hernach starb Bandinello, und man glaubte, daß außer seiner unordentlichen Lebensart der Verdruß, den Marmor verloren zu haben, wohl die Ursache seines Todes gewesen sei. Denn als er vernommen hatte, daß ich obengedachtes Kruzifix in der Arbeit habe, so legte er auch eilig Hand an ein wenig Marmor und machte jenes Bild der Mutter Gottes, den toten Sohn auf dem Schöße, wie man es in der Kirche der Verkündigung sieht. Nun hatte ich mein Kruzifix nach Santa Maria Novella bestimmt und schon die Haken befestigt, um es anzuhängen; nur verlangte ich zu Füßen meines Bildes eine kleine Gruft, um nach meinem Tode darein gebracht zu werden. Darauf sagten mir die Geistlichen: sie könnten mir das nicht zugestehen, ohne von ihren Bauherren die Erlaubnis zu haben. Darauf sagte ich: Warum verlangtet Ihr nicht erst die Erlaubnis Eurer Bauherren, um das Kruzifix aufstellen zu lassen, und seht zu, wie ich die Haken und andere Vorbereitungen anbringe? Deshalb wollte ich auch dieser Kirche die Frucht meiner äußersten Bemühung nicht mehr überlassen, wenngleich nachher die Werkmeister zu mir kamen und mich darum baten. Ich warf sogleich meine Gedanken auf die Kirche der Verkündigung, und als ich angezeigt, auf welche Bedingung ich mein Kruzifix dahin zu verehren gedächte, so waren die trefflichen Geistlichen auf der Stelle willig und einig, daß ich es in ihre Kirche bringen und mein Grab auf alle Weise, wie es mir gefalle, darinne zurichten sollte. Bandinello hatte dieses gemerkt und eilte, sein Bild mit großem Fleiß zu vollenden. Auch verlangte er von der Herzogin, sie solle ihm die Kapelle, welche den Pazzi gehört hatte, verschaffen, die ihm auch, nicht ohne große Schwierigkeit, zuteil wurde. Alsobald stellte er sein Werk hinein, das noch keineswegs fertig war, als er starb.

Da sagte die Herzogin: sie habe ihm im Leben geholfen, sie wolle ihm im Tode auch noch beistehen, und ob er gleich weg sei, sollte ich mir doch niemals Hoffnung machen, den Marmor zu bearbeiten. Darauf erzählte mir Bernardone, der Mäkler, eines Tages, als ich ihm begegnete: die Herzogin habe den Marmor weggegeben! Ich aber rief aus: Unglücklicher Marmor! wahrlich, in den Händen des Bandinells wärest du übel gefahren, aber in den Händen des Ammannato wird dirs noch übler ergehen.

Ich hatte, wie oben gesagt, Befehl vom Herzog, ein Modell von Erde zum Neptun zu machen, so groß, als er aus dem Marmor kommen könnte. Er hatte mich mit Holz und Ton versehen lassen und ließ mir ein wenig Schirm in der Loge, wo mein Perseus stand, aufrichten. Auch bezahlte er mir einen Arbeiter. Ich legte mit allem möglichen Fleiße Hand ans Werk, machte das Gerippe von Holz nach meiner guten Ordnung und arbeitete glücklich vorwärts, ohne daran zu denken, daß ich ihn von Marmor machen wollte, denn ich wußte wohl, daß die Herzogin sich vorgesetzt hatte, mir ihn nicht zu überlassen. Und doch hatte ich Freude an der Arbeit, denn ich versprach mir, wenn die Herzogin mein Modell geendigt sehen würde, daß sie als eine Person von Einsicht es selbst bedauern müßte, dem Marmor und sich selbst einen so ungeheuren Schaden zugefügt zu haben.

Noch verschiedene Künstler machten solche Modelle: Johann Fiammingo im Kloster Santa Croce, Vincenzio Danti von Perugia im Hause des Herrn Octaviano Medicis; der Sohn des Moschino zu Pisa fing auch eins an, und ein anderes machte Bartolommeo Ammannato in der Loge, die für uns geteilt wurde.

Da ich das Ganze gut bronziert hatte und im Begriff war, den Kopf zu vollenden, und man ihm schon ein wenig die letzte Hand ansah, kam der Herzog vom Palaste herunter, mit Giorgetto, dem Maler, der ihn in den Raum des Ammannato geführt hatte, um ihm den Neptun zu zeigen, an welchem gedachter Giorgetto mehrere Tage nebst Ammannato und allen seinen Gesellen gearbeitet hatte. Indessen der Herzog das Modell ansah, war er damit, wie man mir erzählte, wenig zufrieden, und ob ihn gleich gedachter Georg mit vielem Geschwätz einnehmen wollte, schüttelte doch der Herzog den Kopf und wandte sich zu seinem Herrn Stephan und sagte: Geh und frage den Benvenuto, ob sein Koloß so weit vorwärts ist, daß ich einen Blick darauf werfen könne? Herr Stephan richtete sehr gefällig und gütig den Auftrag des Herzogs aus und sagte mir dazu: wenn ich glaubte, daß ich mein Werk noch nicht könne sehen lassen, so solle ich es frei sagen, denn der Herzog wisse wohl, daß ich wenig Hülfe bei einem so großen Unternehmen gehabt habe. Ich versetzte, daß er nach Belieben kommen möge, und obgleich mein Werk noch wenig vorwärts sei, so würde doch der Geist Seiner Exzellenz hinlänglich beurteilen, wie das Werk fertig aussehen könne. Das hinterbrachte gemeldeter Edelmann dem Herzog, welcher gerne kam, und sobald Seine Exzellenz in den Verschlag trat und die Augen auf mein Werk geworfen hatte, zeigte er sich sehr zufrieden damit. Dann ging er ringsherum, blieb an allen vier Ansichten stehen, nicht anders als der erfahrenste Künstler getan hätte, dann ließ er viele Zeichen und Gebärden des Beifalls sehen, wobei er die wenigen Worte sagte: Benvenuto! du mußt ihm nun die letzte Oberhaut geben. Dann wendete er sich zu denen, die bei ihm waren, und rühmte viel Gutes von meinem Werke. Unter anderm sprach er: Das kleine Modell, das ich in seinem Hause gesehen hatte, gefiel mir wohl, aber dieses Werk übertrifft jenes weit.

Wie nun nach Gottes Willen alle Dinge denjenigen, die ihn lieben und ehren, zum Besten gereichen, so begegnete mir auch ein sonderbarer Vorfall. Um diese Zeit besuchte mich ein gewisser Schelm von Vicchio, der Peter Maria von Anterigoli hieß und den Zunamen Sbietta hatte. Er war eigentlich ein Viehhändler, und weil er mit Herrn Guido Guidi, dem Arzt, der jetzt Aufseher von Pescia ist, verwandt war, gab ich ihm Gehör, als er mir sein Landgut auf Leibrenten verkaufen wollte. Zwar konnte ich es nicht besehen, weil ich eifrig das Modell meines Neptuns zu endigen gedachte, und eigentlich war auch die Besichtigung des Guts bei diesem Handel nicht nötig. Denn er verkaufte mir die Einkünfte, deren Verzeichnis er mir gegeben hatte, als so viel Scheffel Korn, so viel Wein, Öl, andere Feldfrüchte, Kastanien, und was sonst noch für Vorteile waren, die nach der Zeit, in der wir lebten, mir sehr zustatten kamen; denn diese Dinge waren wohl hundert Goldgülden wert, und ich gab ihm hundertundsechzig Scudi, die Zölle mitgerechnet. So ließ er mir seine Handschrift, daß er mir, solange ich lebte, die gedachten Einkünfte ausliefern wolle, und es schien mir, wie ich schon sagte, nicht nötig, das Gut zu besehen, sondern ich erkundigte mich nur aufs beste, ob gedachter Sbietta und Herr Philipp, sein leiblicher Bruder, dergestalt wohlhabend wären, daß ich mich für sicher halten könnte? und mehrere Personen, welche die beiden Bruder kannten, sagten mir: ich könne ganz ohne Sorge sein.

Nun ersuchten wir beide Herrn Peter Franziskus Bertoldi, Notar bei der Kaufmannschaft, dem ich vor allen Dingen das Verzeichnis der Sachen gab, die Sbietta mir überliefern wollte, und nicht anders dachte, als daß diese Schrift im Kontrakt angeführt werden müßte; aber der Notarius hörte nur auf zweiundzwanzig Punkte, die ihm gedachter Sbietta vorsagte, und rückte mein Verzeichnis nicht in den Kontrakt. Indessen als der Notarius schrieb, fuhr ich fort zu arbeiten, und weil er einige Stunden damit zubrachte, so machte ich ein großes Stück an dem Kopfe meines Neptuns. Da nun also der Kontrakt geschlossen war, erzeigte mir Sbietta die größten Liebkosungen, und ich tat ihm ein Gleiches; dann brachte er mir Ziegenkäse, Kapaunen, weichen Käse und viele Früchte, so daß ich anfing, mich zu schämen, und ihn, sooft er nach Florenz kam, aus dem Gasthause in meine Wohnung holte, sowie auch seine Verwandten, die er oft bei sich hatte. Da fing er denn auf gefällige Weise mir zu sagen an: es sei nicht erlaubt, daß ich vor so viel Wochen ein Gut gekauft habe und mich noch nicht entschließen könnte, meine Arbeiten nur auf drei Tage ruhen zu lassen; ich solle doch ja kommen und es besehen. Endlich vermochte er so viel über mich, daß ich zu meinem Unglück hinausreiste. Mein Neptun war durch vielen Fleiß schon ziemlich weit gekommen, er war nach guten Grundsätzen entworfen, die niemand vor mir weder genutzt noch gewußt hatte, und ob ich gleich nach allen oben angeführten Vorfällen gewiß war, den Marmor nicht zu erhalten, so dachte ich doch, das Modell bald zu endigen und es auf dem Platz zu meiner Genugtuung sehen zu lassen. Nun aber verließ ich die Arbeit, und Sbietta empfing mich in seinem Hause so freundlich und ehrenvoll, daß er einem Herzog nicht mehr hätte tun können, und die Frau erzeigte mir noch mehr Liebkosungen als er. So blieb es eine Weile, bis sie das ausführen konnten, was er und sein Bruder Philipp sich vorgenommen hatten. Das Wetter war warm und angenehm, so daß ich mich eines Mittwochs, da zwei Feiertage einfielen, von meinem Landgut zu Trespiano, nachdem ich ein gutes Frühstück zu mir genommen hatte, nach Vicchio auf den Weg machte. Als ich daselbst ankam, fand ich Herrn Philipp am Tor, der von meiner Ankunft unterrichtet schien, denn er begegnete mir aufs freundlichste und führte mich in das Haus des Sbietta, der aber nicht gegenwärtig war; da fand ich sein schamloses Weib, die mich mit unmäßiger Freundlichkeit empfing. Ich schenkte ihr einen sehr feinen Strohhut, weil sie versicherte, keinen schönern gesehen zu haben. Als der Abend herbeikam, speisten wir sehr vergnügt zusammen, dann gab er mir ein anständiges Zimmer, und ich legte mich in das reinlichste Bett. Meinen beiden Dienern gab man ein ähnliches nach ihrer Art. Des Morgens, als ich aufstand, wieder dieselbe Freundlichkeit!

Ich ging, mein Gut zu besehen, das mir sehr wohl gefiel. Man bestimmte mir so viel Weizen und andere Feldfrüchte, und als ich wieder nach Vicchio kam, sagte der Priester Herr Philipp zu mir: Benvenuto! habt keinen Zweifel, und wenn Ihr auch das Gut nicht ganz so gefunden hättet, wie man es Euch beschrieben hat, seid versichert, man wird Euch über das Versprochene befriedigen, denn Ihr habt es mit rechtschaffnen Leuten zu tun. Auch haben wir eben unsern Feldarbeiter abgedankt, weil er ein trauriger (gefährlicher) Mensch ist. Dieser Arbeiter nannte sich Mariano Roselli und sagte mir mehr als einmal: Sehet nur zu Euren Sachen! es wird sich zeigen, wer von uns der Traurigste sein wird. Als er diese Worte aussprach, lächelte der Bauer auf eine gewisse unangenehme Weise, die mir nicht ganz gefallen wollte, aber dennoch dachte ich auf keine Weise an das, was mir begegnen sollte. Als ich nun vom Gut zurückkehrte, das zwei Meilen von Vicchio gegen das Gebirge lag, fand ich gedachten Geistlichen, der mich mit seinen gewöhnlichen Liebkosungen erwartete, und wir nahmen ein tüchtiges Frühstück zu uns. Dann ging ich durch den Ort, wo ein Jahrmarkt schon angegangen war, und alle Einwohner sahen mich mit Verwunderung wie einen seltenen Gegenstand an, besonders aber ein wackrer Mann, der sich schon lange Zeit an dem Ort befindet, dessen Frau Brot auf den Verkauf bäckt; was er an Gütern besitzt, liegt ungefähr eine Meile weit entfernt, er aber mag sich gern im Ort aufhalten. Dieser gute Mann nun wohnte zur Miete in einem Hause, dessen Einkünfte mir auch mit jenem Gütchen angewiesen waren, und sagte zu mir: Ich bin in Eurem Hause, und Ihr sollt zur rechten Zeit Euren Zins erhalten, oder wollt Ihr ihn voraus? denn ich wünschte, daß Ihr auf jede Weise mit mir zufrieden sein möget. Indes wir so sprachen, bemerkte ich, daß dieser Mann mich ganz besonders betrachtete, so daß es mir auffiel und ich zu ihm sagte: Sagt mir, lieber Johann, warum Ihr mich so starr anseht? Darauf sagte der wackre Mann: Ich will es Euch gern eröffnen, wenn Ihr mir, zuverlässig wie Ihr seid, versprecht, mein Vertrauen nicht zu mißbrauchen. Ich versprachs ihm, und er fuhr fort: So wisset denn, daß der Pfaffe, der Herr Philipp, vor einigen Tagen sich gerühmt hat, was sein Bruder Sbietta für ein gescheiter Mann sei! Er habe sein Gut einem Alten auf Lebzeit verkauft, der aber kein Jahr mehr dauern würde. Ihr habt Euch mit Schelmen eingelassen; drum lebt nur, solange es gehen will! tut die Augen auf, denn Ihr habts Ursache! Ich sage nichts weiter.

Alsdann ging ich auf den Markt spazieren und fand Johann Baptista Santino, und gedachter Priester führte uns beide zu Tische. Es war ungefähr zwanzig Uhr, und man speiste meinetwegen so früh, weil ich gesagt hatte, ich wolle noch abends nach Trespiano zurückkehren. So machte man alles geschwind zurecht. Die Frau des Sbietta war äußerst geschäftig, und unter andern auch ein gewisser Cecchino Buti, ihr Aufwärter. Als die Gerichte fertig waren und man sich eben zu Tische setzen wollte, sagte der leidige Pfaffe mit so einer gewissen vertrackten Miene: Ihr werdet verzeihen, daß ich mit Euch nicht speisen kann, denn es ist mir ein Geschäft von Wichtigkeit, das meinen Bruder betrifft, vorgefallen, und weil er nicht da ist, muß ich statt seiner eintreten. Durch unsere Bitten, doch bei uns zu bleiben, ließ er sich auf keine Weise bewegen, und wir fingen an zu speisen. Als wir die Salate, die in gewissen Schüsselchen aufgetragen wurden, gegessen hatten und man anfing, das gesottne Fleisch zu geben, kam ein Schüsselchen für einen Mann. Santino, der mir gegenübersaß, sagte darauf: Habt Ihr jemals so gute Kost gesehen? und Euch geben sie noch dazu immer was Apartes. Ich habe das nicht bemerkt, versetzte ich darauf. Dann sagte er zu mir: ich möchte doch die Frau des Sbietta zu Tische rufen, welche mit gedachtem Buti hin und wider lief, beide ganz außerordentlich beschäftigt. Endlich bat ich das Weib so sehr, daß sie zu uns kam, aber sie beklagte sich und sagte: Meine Speisen schmecken Euch nicht, denn Ihr eßt so wenig. Ich lobte aber ihr Gastmahl über die Maßen und sagte, daß ich hinreichend gegessen habe. Nun hätte ich mir wahrlich nicht eingebildet, aus was Ursache dieses Weib mich so außerordentlich nötigte. Als wir aufstanden, waren schon die einundzwanzig vorbei, und ich wünschte, noch den Abend nach Trespiano zu kommen und den andern Tag wieder an meine Arbeit zu gehen. So empfahl ich mich allen, dankte der Frau und reiste fort. Ich war nicht drei Miglien entfernt, als mich deuchte, der Magen brenne mir. Ich litt entsetzlich, und mir schienen es tausend Jahre, bis ich auf mein Gut nach Trespiano kam. Mit großer Not langte ich daselbst an und begab mich zu Bette, aber ich konnte die ganze Nacht nicht ruhen: es trieb mich öfters zu Stuhle, und weil es mit großen Schmerzen geschah, ging ich, als es Tag ward, nachzusehen und fand den Abgang alles blutig. Da dachte ich gleich, ich müsse etwas Giftiges gegessen haben, und als ich weiter darüber nachdachte, fielen mir die Speisen und Tellerchen ein, die mir das Weib besonders vorgesetzt hatte; auch fand ich bedenklich, daß der leidige Pfaffe, nachdem er mir so viel Ehre erzeigt hatte, nicht einmal bei Tische bleiben wollte, ja daß er sollte gesagt haben, sein Bruder habe einem Alten das Gut auf Leibrenten gegeben, der aber das Jahr schwerlich überleben würde, wie mir der gute Sardella erzählt hatte. Hierdurch überzeugte ich mich, daß sie mir in einem Schüsselchen Brühe, die sehr gut gemacht und angenehm zu essen war, eine Dosis Sublimat gegeben hatten, ein Gift, das alle gedachten Übel hervorbringt; weil ich aber das Fleisch nicht mit Brühe und andern Zubereitungen, sondern mit bloßem Salze genieße, so aß ich auch nur ein paar Bissen hiervon, so sehr mich auch, wie ich mich noch wohl erinnerte, die Frau zum Essen aufgefordert hatte. Und vielleicht haben sie mir noch auf andere Weise Sublimat beigebracht.

Ob ich mich nun schon auf solche Weise angegriffen fühlte, fuhr ich doch immer fort, in der Loge an meinem Koloß zu arbeiten, bis mich nach wenigen Tagen das Übel dergestalt überwältigte, daß ich im Bette bleiben mußte. Sobald als die Herzogin hörte, daß ich krank war, ließ sie den unglücklichen Marmor dem Bartholomäus Ammannato frei zur Arbeit übergeben, der mir darauf sagen ließ: ich möchte nun, was ich wollte, mit meinem angefangenen Modell machen, er habe den Marmor gewonnen, und es sollte viel davon zu reden geben. Nun wollte ich mich aber nicht bei dieser Gelegenheit wie Bandinell betragen, der in Reden ausbrach, die einem Künstler nicht ziemen, genug, ich ließ ihm antworten: ich habe es immer vermutet; er solle nur dankbar gegen das Glück sein, da es ihm nach Würden eine solche Gunst erzeigt habe. So blieb ich wieder mißvergnügt im Bette und ließ mich von dem trefflichen Mann, Meister Franziskus da Monte Varchi, kurieren; daneben vertraute ich mich dem Chirurgus, Meister Raphael de' Pilli. Der Sublimat hatte dergestalt meinen Eingeweiden die Empfindung genommen, daß ich nichts bei mir behalten konnte, aber der geschickte Meister Franziskus sah wohl ein, daß das Gift alle Wirkung getan hatte und, da die Portion nicht groß war, meine starke Natur nicht hatte überwältigen können. Daher sagte er eines Tages: Benvenuto! danke Gott, du hast gewonnen. Zweifle nicht, ich werde dich zum Verdrusse der Schelmen, welche dir zu schaden gedachten, durchbringen! Darauf versetzte Meister Raphael: Das wird eine von den besten und schwersten Kuren sein, denn du mußt wissen, Benvenuto, daß du eine Portion Sublimat verschluckt hast. Sogleich unterbrach ihn Meister Franziskus und sagte: Es war vielleicht ein giftiges Insekt. Da versetzte ich: Ich weiß recht wohl, daß es Gift ist, und wer mir ihn gegeben hat! Sie kurierten an mir sechs Monate, und es währte über ein Jahr, bis ich meines Lebens wieder froh werden konnte.


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