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Indem wir zu bewundern Ursache haben, daß eine allgemeinere Ausbildung, als gewöhnlich dem Künstler zuteil zu werden pflegt, aus einer so gewaltsamen Natur durch Übung eines mannigfaltigen Talents hervorgegangen, so bleibt uns nicht unbemerkt, daß Cellini seinen Nachruhm fast mehr seinen Schriften als seinen Werken zu verdanken habe. Seine Lebensbeschreibung, ob sie gleich beinahe zweihundert Jahre im Manuskript verweilte, ward von seinen Landsleuten höchlich geschätzt und im Original, wovon er den Anfang selbst geschrieben, das Ende aber diktiert hatte, sowie in vielfältigen Abschriften aufbewahrt. Und gewiß ist dieses Werk, das der deutsche Herausgeber genugsam kennt, um es völlig zu schätzen, das er aber nicht nach seiner Überzeugung preisen darf, weil man ihm Parteilichkeit vorwerfen könnte, ein sehr schätzbares Dokument, worin sich ein bedeutendes und gleichsam unbegrenztes Individuum und in demselben der gleichzeitige sonderbare Zustand vor Augen legt.
Unter den fremden Nationen, die sich um dieses Werk bekümmerten, ging die englische voran. Ihrer Liebe zu biographischen Nachrichten, ihrer Neigung, seltsame Schicksale merkwürdiger, talentreicher Menschen zu kennen, verdankt man, wie es scheint, die erste und, soviel ich weiß, einzige Ausgabe der Cellinischen Lebensbeschreibung. Sie ist unter dem Schild eines geheuchelten Druckorts: Köln, ohne Jahrzahl, wahrscheinlich in Florenz um 1730 herausgekommen. Sie ward einem angesehenen und reichen Engländer, Richard Boyle, zugeschrieben und dadurch seinen Landsleuten, mehr aber noch durch eine Übersetzung des Thomas Nugent, welche in London 1771 herauskam, bekannt.
Dieser Übersetzer bediente sich einer bequemen und gefälligen Schreibart, doch besitzt er nicht Ort- und Sachkenntnis genug, um schwierige Stellen zu entziffern. Er gleitet vielmehr gewöhnlich darüber hin. Wie er denn auch zu Schonung mancher Leser das Derbe, Charakteristische meistens verschwächt und abrundet.
Von einer altern deutschen Übersetzung hat man mir erzählt, ohne sie vorweisen zu können.
Lessing soll sich auch mit dem Gedanken einer solchen Unternehmung beschäftigt haben, doch ist mir von einem ernstern Vorsatz nichts Näheres bekannt geworden. Dumouriez sagt in seiner Lebensbeschreibung, daß er das Leben Cellinis im Jahr 1777 übersetzt, aber niemals Zeit gehabt habe, seine Arbeit herauszugeben. Leider scheint es nach seinen Ausdrücken, daß das Manuskript verloren gegangen, wodurch wir des Vorteils entbehren zu sehen, wie ein geistreicher Franzos in seiner Sprache die Originalität des Cellini behandelt habe.
Die Traktate von der Goldschmiede- und Bildhauerkunst, von denen wir oben einen Auszug gegeben, wurden von ihm 1565 geschrieben und 1568, also noch bei seinen Lebzeiten, gedruckt. Als nun im vergangenen Jahrhundert sein Leben zum ersten Male herauskam, gedachte man auch jener Traktate wieder und veranstaltete, da die erste Ausgabe längst vergriffen war, eine neue, Florenz 1731, wobei sich eine lehrreiche Vorrede befindet, welche wir bei unsern Arbeiten zu nutzen gesucht haben.
Ein Mann, der mit so entschiedenem Hange zur Reflexion von sich selbst in einer Lebensbeschreibung, von seinem Handwerk in einigen Traktaten Rechenschaft gegeben, mußte sich zuletzt gedrungen fühlen, auch die Regeln seiner Kunst, insofern er sie einsehen gelernt, den Nachkommen zu überliefern. Hierin hatte er Leonardo da Vinci zum Vorgänger, dessen fragmentarischer Traktat im Manuskript zirkulierte und hoch verehrt ward.
Je unzufriedner man mit der Methode ist, durch die man gebildet worden, desto lebhafter entsteht in uns der Wunsch, einer Folgewelt den nach unserer Einsicht bessern Weg zu zeigen. Cellini unternahm auch wirklich ein solches Werk, das aber bald ins Stocken geriet und als Fragment zu uns gekommen ist.
Es enthält eine Anleitung, wie man sich das Skelett bekannt machen soll, mit so vieler Liebe zum Gegenstand geschrieben, daß der Leser den Knochenbau von unten herauf entstehen und wachsen sieht, bis endlich das Haupt als der Gipfel des Ganzen sich hervortut.
Wir haben diese wenigen Blätter unsern Lesern in der Übersetzung vorlegen wollen, damit diejenigen, die dem Verfasser günstig sind, ihn auch in dem sonderbaren Zustand erblicken, wo er sich gern als Theoretiker zeigen möchte.
Wie wenig seine leidenschaftliche, nur aufs Gegenwärtige gerichtete Natur ein dogmatisches Talent zuläßt, erscheint so auffallend als begreiflich, und wie er sich aus dem didaktischen Schritt durch diesen und jenen Nebengedanken, durch freundschaftliche oder feindselige Gesinnungen ablenken läßt, gibt zu heiteren Betrachtungen Anlaß.
Ein Gleiches gilt von dem Aufsatz über den Rangstreit der Malerei und Skulptur. Wie denn beide kleine Schriften manches Merkwürdige und Belehrende enthalten.
Die beschränkte Form der Sonette, Terzinen und Stanzen, durch die Natur der italienischen Sprache höchlich begünstigt, war allen Köpfen der damaligen Zeit durch fleißiges Lesen früherer Meisterwerke und fortdauernden Gebrauch des Verseprunks bei jeder Gelegenheit dergestalt eingeprägt, daß jeder, auch ohne Dichter zu sein, ein Gedicht hervorzubringen und sich an die lange Reihe, die sich von den Gipfeln der Poesie bis in die prosaischen Ebenen erstreckte, mit einigem Zutrauen anzuschließen wagen durfte.
Verschiedene Sonette und andere kleine poetische Versuche sind seiner Lebensbeschreibung teils vorgesetzt, teils eingewebt, und man erkennt darin durchaus den ernsten, tiefen, nachsinnenden, weder mit sich noch der Welt völlig zufriedenen Mann.
Wenige findet der Leser durch Gefälligkeit eines Kunstfreundes übersetzt, andere sind weggeblieben, sowie ein langes sogenanntes Capitolo in Terzinen zum Lobe des Kerkers. Es verdient, im Original gelesen zu werden, ob es gleich die auf eine Übersetzung zu verwendende Mühe nicht zu lohnen schien. Es enthält die Umstände seiner Gefangenschaft, welche dem Leser schon bekannt geworden, auf eine bizarre Weise dargestellt, ohne daß dadurch eine neue Ansicht der Begebenheiten oder des Charakters entstehen kann.
Verschiedne seiner Landsleute bewahrten sorgfältig andere Manuskripte, davon sich in Florenz noch manches, besonders in der Bibliothek Riccardi, finden soll. Vorzüglich werden einige Haushaltungs- und Rechnungsbücher geschätzt, welche über die Lebensweise jener Zeiten besondere Aufschlüsse geben. Vielleicht bemüht sich darum einmal ein deutscher Reisender, aufgefordert durch das Interesse, das denn auch wohl endlich unsere Nation an einem so bedeutenden Menschen und durch ihn aufs neue an seinem Jahrhundert nehmen möchte.