Benvenuto Cellini
Leben des Benvenuto Cellini
Benvenuto Cellini

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Zwölftes Kapitel

Allgemeines Erstaunen über des Autors Entkommen. – Geschichte einer ähnlichen Flucht Pauls III. in seiner Jugend aus dem Kastell. – Peter Ludwig tut sein möglichstes, um seinen Vater abzuhalten, daß er dem Verfasser nicht die Freiheit schenke. – Kardinal Cornaro verlangt eine Gefälligkeit vom Papst und muß dagegen den Autor ausliefern. – Er wird zum zweitenmal in die Engelsburg gebracht und von dem verrückten Schloßhauptmann mit äußerster Strenge behandelt.

Indessen war in der Stadt ein entsetzlicher Lärm entstanden: man hatte die Binden am großen Turme hängen sehen, und ganz Rom lief, um diese unschätzbare Begebenheit zu betrachten. Der Kastellan war in seine größten Tollheiten verfallen, wollte mit aller Gewalt sich von seinen Dienern losreißen und auch vom Turme herunterfliegen, denn er behauptete: es könne mich niemand erreichen als er, wenn er mir nachflöge.

Um diese Stunde war Herr Robert Pucci, Vater des Herrn Pandolfo, da er diese große Sache vernommen, selbst gegangen, um sie zu sehen; er kam darauf in den Palast, wo er dem Kardinal Cornaro begegnete, der ihm den ganzen Erfolg erzählte, und wie ich mich in einem seiner Zimmer schon verbunden befände. Diese zwei braven Männer gingen zusammen, sich zu den Füßen des Papstes zu werfen, der sie nicht zum Worte kommen ließ, sondern sogleich sagte: Ich weiß, was Ihr von mir wollt. Herr Robert Pucci versetzte: Heiligster Vater! wir bitten um Gnade für den armen Mann, der wegen seiner Geschicklichkeit einiges Mitleiden verdient und der außerdem so viel Mut und Verstand gezeigt hat, daß es gar keine menschliche Sache zu sein scheint. Wir wissen nicht, wegen welcher Vergehungen er so lange im Gefängnis war: sind sie allzu groß und schwer, so wird Eure Heiligkeit, heilig und weise wie Sie ist, nach Gefallen verfahren; aber sind es Dinge, die läßlich sind, so bitten wir um Gnade für ihn. Der Papst schämte sich und sagte: er habe mich auf Ansuchen einiger der Seinigen inne behalten, weil ich ein wenig gar zu verwegen sei. Da er aber meine guten Eigenschaften kenne, so wolle er mich bei sich behalten und mir so viel Gutes erzeigen, daß ich nicht Ursache haben sollte, wieder nach Frankreich zu gehen. Sein großes Übel tut mir leid, setzte er hinzu; er soll für seine Gesundheit sorgen, und wenn er genesen ist, gedenken wir ihn von seinen andern Übeln zu heilen. Sogleich kamen die beiden wackern Männer und brachten mir diese gute Nachricht.

Mittlerweile nun der römische Adel mich besuchte, Junge, Alte und von aller Art, ließ sich der Kastellan, noch ganz zerstört, zum Papste tragen, und als er vor ihn kam, schrie er: wenn Seine Heiligkeit den Benvenuto nicht wieder ins Gefängnis stellten, so geschähe ihm das größte Unrecht. Er ist, rief er aus, gegen sein gegebenes Wort geflohen; wehe mir! er ist davongeflogen und hat mir doch versprochen, nicht wegzufliegen! Der Papst sagte lachend: Geht nur, geht! Ihr sollt ihn auf alle Fälle wiederhaben. Dann bat noch der Kastellan und sagte: Sendet doch den Gouverneur zu ihm, daß er vernehme, wer ihm geholfen hat; denn wenn es einer von meinen Leuten ist, so soll er an der Zinne hangen, von der sich Benvenuto herunterließ.

Als der Kastellan weg war, rief der Papst lächelnd den Gouverneur und sagte: Das ist ein braver Mann, und die Sache ist wundersam genug; doch als ich jung war, habe ich mich auch da oben heruntergelassen.

Daran sagte er nun freilich die Wahrheit, denn er hatte gefangen im Kastell gesessen, weil er, als Abbreviatur, ein Breve verfälscht hatte. Papst Alexander ließ ihn lange sitzen, und weil die Sache gar zu arg war, wollte er ihm den Kopf nach dem Fronleichnamsfeste abschlagen lassen. Farnese wußte das alles und ließ Peter Chiavelluzzi mit Pferden bestellen, bestach einige der Wache, so daß am Fronleichnamstage, indessen der Papst in Prozession zog, Farnese in einem Korb an einem Seile zur Erde gelassen wurde. Damals war das Kastell noch nicht mit Mauern umgeben, sondern der Turm stand frei, und er hatte keinesweges die großen Hindernisse bei seiner Flucht als ich, auch saß er mit Recht und ich mit Unrecht gefangen: genug, er wollte gegen den Gouverneur sich rühmen, daß er auch in seiner Jugend brav und lebhaft gewesen sei, und bemerkte nicht, daß er zu gleicher Zeit seine Niederträchtigkeit verriet. Darauf sagte er zu dem Gouverneur: Gehet und sagt ihm, er soll bekennen, wer ihm geholfen hat. Es mag sein, wer es will, genug, ihm ists verziehen; das könnt Ihr ihm frei versprechen.

Der Gouverneur, der einige Tage vorher Bischof von Jesi geworden war, kam zu mir und sagte: Mein Benvenuto! wenn schon mein Amt die Menschen erschreckt, so komme ich doch diesmal, dich zu beruhigen, und ich habe dazu den eigensten Befehl und Auftrag vom Papste. Er hat mir gesagt, daß er auch von dort entflohen sei, und es wäre ihm nicht ohne viele Helfer und Gesellen möglich gewesen. Ich schwöre dir bei dem Eid, den ich auf mir habe (denn ich bin seit zwei Tagen Bischof), daß dir der Papst vergibt und dich freispricht, ja sogar dein Übel bedauert. Sorge für deine Gesundheit und nimm alles zum besten! Selbst dieses Gefängnis, in das du ohne die mindeste Schuld gekommen bist, wird auf immer zu deinem Wohl gereichen, denn du wirst der Armut entgehen und nicht nötig haben, wieder nach Frankreich zurückzukehren und dirs da und dort sauer werden zu lassen. Daher gestehe mir frei, wie die Sache zugegangen ist, und wer dir beigestanden hat; dann sei getrost und ruhig und genese.

Da fing ich an und erzählte ihm die ganze Geschichte, wie sie sich ereignet hatte, und gab ihm die genausten Merkzeichen, sogar von dem Wassermanne, der mich getragen hatte. Darauf sagte der Gouverneur: Wahrlich, das ist zu viel für einen Mann und keines Menschen als deiner würdig! Darauf ließ er mich die Hand ausstrecken und sagte: Sei munter und getrost! Bei dieser Hand, die ich berühre, du bist frei, und solange du lebst, wirst du glücklich sein.

Da er weg war, traten viele große Edelleute und Herren herein, die so lange gewartet hatten, denn jeder wollte den Mann sehen, der so viele Wunder täte. Dieser Besuch blieb lange bei mir; manche boten mir Unterstützungen an, manche brachten mir Geschenke. Indessen war der Gouverneur zum Papste gekommen und fing an, die Geschichte zu erzählen, wie er sie von mir gehört hatte, und zufälligerweise war Herr Peter Ludwig, sein Sohn, gegenwärtig. Alle verwunderten sich höchlich, und der Papst sagte: Wahrhaftig, diese Begebenheit ist allzu groß. Darauf versetzte Herr Peter Ludwig: Heiligster Vater! wenn Ihr ihn befreit, so wird er Euch noch größere sehen lassen, denn er ist ein allzu kühner Mann; ich will Euch etwas anders erzählen, was Ihr noch nicht wißt. Euer Benvenuto, ehe er noch gefangen gesetzt wurde, hatte einen Wortwechsel mit einem Edelmann des Kardinals Santa Fiore über eine Kleinigkeit. Benvenuto antwortete so heftig und kühn, beinahe als wenn er ihn herausfordern wollte; alles das hinterbrachte der Edelmann dem Kardinal, welcher sagte: wenn Benvenuto zu Tätigkeiten käme, so wollte er ihm den Narren schon aus dem Kopfe treiben. Benvenuto hatte das vernommen: gleich hielt er seine kleine Büchse parat, mit der er jedesmal einen Pfennig trifft. Seine Werkstatt ist unter den Fenstern des Kardinals, und als dieser eines Tages heraussah, ergriff jener seine Büchse, um nach dem Kardinal zu schießen, der, weil man ihn warnte, sogleich zurücktrat. Benvenuto, damit es keinen Anschein haben sollte, schoß nach einer Feldtaube, die auf der Höhe des Palastes in einer Öffnung nistete, und traf sie an den Kopf, was kaum zu glauben ist. Nun tue Eure Heiligkeit mit ihm, was Ihnen beliebt! ich habe es wenigstens sagen wollen, denn es könnte ihm einmal die Lust ankommen, nach Eurer Heiligkeit zu schießen, da er glaubt, man habe ihn unschuldig gefangen gesetzt. Es ist ein zu wildes, ein allzu sichres Gemüt. Als er den Pompeo ermordete, gab er ihm zwei Stiche in den Hals in der Mitte von zehen Männern, die ihn bewachten, und rettete sich sogleich, worüber jene, die doch brave und zuverlässige Leute waren, nicht wenig gescholten wurden. Der Edelmann des Kardinals Santa Fiore, der soeben gegenwärtig war, bekräftigte dem Papst alles, was sein Sohn gesagt hatte; der Papst schien verdrießlich und sagte nichts.

Nun will ich aber das wahre Verhältnis dieser Sache genau und treulich erzählen. Gedachter Edelmann kam eines Tages zu mir und zeigte mir einen kleinen goldnen Ring, der von Quecksilber ganz verunreinigt war, und sagte: Reinige mir den Ring und mach geschwind! Ich hatte viel wichtige Werke und Arbeiten von Gold und Edelsteinen vor mir, und da mir jemand so geradezu befahl, den ich niemals weder gesprochen noch gesehen hatte, sagte ich ihm: ich hätte das Putzzeug soeben nicht bei der Hand, er möchte zu einem andern gehen. Darauf sagte er mir, ohne irgendeinen Anlaß: ich sei ein Esel! Darauf antwortete ich: er rede nicht die Wahrheit, ich sei in jedem Betracht mehr als er; wenn er mich aber anstieße, so wollte ich ihm Tritte geben ärger als ein Esel! Das hinterbrachte er dem Kardinal und malte ihm eine Hölle vor. Zwei Tage darauf schoß ich nach einer wilden Taube in ein hohes Loch an dem Palast; sie hatte dort genistet, und ich hatte einen Goldschmied, Johann Franziskus della Tacca, einen Mailänder, schon oft darnach schießen sehen, der sie nie getroffen hatte. Diesmal sah die Taube nur mit dem Kopf heraus, da ihr verdächtig vorkam, daß man schon einigemal nach ihr geschossen hatte. Franziskus und ich waren auf der Jagd mit der Büchse Nebenbuhler, und einige Edelleute, meine Freunde, die an meiner Werkstatt lehnten, sagten zu mir: Siehe, da droben ist die Taube, nach der Francesco so lange geschossen und sie niemals getroffen hat! siehe nur, wie das arme Tier in Furcht ist: kaum läßt es den Kopf sehen. Da hob ich die Augen in die Höhe und sagte: der Kopf allein wäre mir genug, um das Tier zu erlegen; wenn es nur warten wollte, bis ich meine Büchse angelegt hätte, gewiß, ich wollte nicht fehlen. Darauf sagten meine Freunde: dem Erfinder der Büchse selbst würde ein solcher Schuß nicht gelingen. Ich aber versetzte: Wetten wir einen Becher griechischen Weins von dem guten des Wirtes Palombo! wartet sie auf mich, bis ich meinen wundersamen Broccardo nur anlege (denn so nannte ich meine Büchse), so will ich sie auf das bißchen Kopf treffen, das sie mir zeigt. Sogleich zielte ich aus freier Hand, ohne irgendwo anzulehnen, und hielt mein Wort. Ich dachte dabei weder an den Kardinal noch an irgendeinen Menschen, vielmehr hielt ich den Kardinal Santa Fiore für meinen großen Gönner. Daraus kann man nun sehen, was das Glück für mancherlei Wege nimmt, wenn es einen einmal beschädigen und zugrunde richten will.

So war der Papst innerlich voll Ärger und Verdruß und bedachte, was ihm sein Sohn gesagt hatte. Nun begehrte zwei Tage hernach der Kardinal Cornaro ein Bistum für einen seiner Edelleute, welcher Andrea Centano hieß. Der Papst erinnerte sich wohl, daß er gedachtem Manne das erste zu erledigende Bistum versprochen hatte, und war auch bereit, es ihm zu geben; nur verlangte er eine Gegengefälligkeit, und zwar wollte er mich wieder in seine Hände haben. Darauf sagte der Kardinal: Da Eure Heiligkeit ihm schon verziehen haben, was wird die Welt sagen? und da Sie ihn frei in meine Hände gaben, was werden die Römer von Eurer Heiligkeit und von mir sagen? Darauf antwortete der Papst: Ich verlange den Benvenuto, wenn Ihr das Bistum verlangt, und jeder denke, was er will! Der gute Kardinal versetzte: Seine Heiligkeit möchte ihm das Bistum geben, dabei aber die Sache doch bedenken und übrigens nach Belieben verfahren. Darauf antwortete der Papst, der sich doch einigermaßen seines schändlich gebrochenen Wortes schämte: Ich werde den Benvenuto holen lassen, und zu meiner kleinen Satisfaktion soll man ihn unten in die Zimmer des geheimen Gartens bringen, wo er völlig genesen mag. Ich will nicht verbieten, daß ihn alle seine Freunde besuchen können, und für seinen Unterhalt sorgen, bis ihm alle Grillen wieder aus dem Kopfe sind.

Der Kardinal kam nach Hause und ließ mir durch den, der das Bistum erwartete, sogleich sagen: der Papst wolle mich wieder in seine Hände haben, ich sollte aber in einem untern Zimmer des geheimen Gartens bleiben, wo mich jedermann besuchen könnte, so wie bisher in seinem Zimmer. Darauf bat ich Herrn Andreas, er möge dem Kardinal sagen, daß er mich dem Papst doch ja nicht ausliefern sollte. Wenn er mich gewähren ließe, so wollte ich mich, in eine Matratze gewickelt, außerhalb Rom an einen sichern Ort bringen lassen; denn wenn ich wieder in die Hände des Papstes geriete, würde ich gewiß umkommen.

Wären meine Worte dem Kardinal hinterbracht worden, so glaube ich, er hätte es wohl getan; aber der Herr Andreas, der das Bistum erwartete, entdeckte die Sache: der Papst schickte geschwind nach mir und ließ mich, wie er gesagt hatte, in eines der untern Zimmer seines geheimen Gartens bringen. Der Kardinal ließ mir sagen: ich sollte nichts von den Speisen essen, die mir der Papst schicke; er wolle mir Essen senden. Was er getan habe, sei aus Notwendigkeit geschehen; ich sollte gutes Muts sein, er wolle mir schon beistehen und mich befreien helfen.

Während dieses Aufenthalts hatte ich täglich Besuch, und große Dinge wurden mir von den Edelleuten angeboten. Vom Papst kam das Essen, das ich aber nicht anrührte, vielmehr nur das genoß, was der Kardinal mir schickte, und so ging es eine Weile. Unter andern Freunden hatte ich einen griechischen Jüngling von fünfundzwanzig Jahren: derselbe war sehr munter, focht besser als irgendein anderer in Rom, dabei war er kleinmütig, äußerst treu, redlich und leichtgläubig. Nachdem ich vernommen hatte, wie der Papst von Anfang, und wie er nachher das Gegenteil gesprochen, vertraute ich mich dem jungen Griechen und sagte zu ihm: Lieber Bruder! sie wollen mich umbringen, und es wird Zeit, daß ich mich rette; sie denken, ich merke es nicht, und erzeigen mir deswegen solche besondere Gunst, das alles nur lauter Verräterei ist. Der gute Jüngling sagte zu mir: Mein Benvenuto! in Rom erzählt man, der Papst habe dir eine Stelle von fünfhundert Scudi gegeben; ich bitte dich, bringe dich nicht durch deinen Verdacht um ein solches Glück! Ich aber bat ihn mit den Armen auf der Brust, er möchte mir forthelfen; ich wisse wohl, daß ein Papst mir viel Gutes tun könne, es sei aber leider nur zu gewiß, daß mir dieser, insofern er es nur mit Ehren tun dürfe, heimlich alles mögliche Böse zufügen werde. So beschwur ich meinen Freund, er solle mir das Leben retten, und wenn er mich wegbrächte, wie ich ihm die Mittel dazu angeben wollte, so würde ich anerkennen, daß ich ihm mein Leben schuldig sei, und es im Notfall auch wieder für ihn verwenden.

Der arme Jüngling sagte weinend zu mir: Lieber Bruder! du willst dein eignes Verderben, und doch kann ich dir das, was du befiehlst, nicht versagen; zeige mir die Art und Weise, und ich will alles verrichten, obschon wider meinen Willen.

So waren wir entschlossen. Ich hatte ihm die Art gesagt und alles bestellt, so daß es leicht hätte gehen müssen. Er kam, und ich glaubte, er werde nun ins Werk richten, was ich angeordnet hatte. Da sagte er: um meines eignen Heilswillen wolle er ungehorsam sein; er wisse wohl, was er von Leuten gehört habe, die immer um den Papst seien und denen mein wahres Verhältnis bekannt sei. Da ich mir nun nicht anders zu helfen wußte, war ich höchst verdrießlich und voller Verzweiflung.

Unter diesem Zwist war der ganze Tag vergangen (es war Fronleichnam 1539), und man brachte mir aus der Küche des Papstes reichliches Essen, nicht weniger gute Speisen aus der Küche des Kardinals. Es kamen verschiedene Freunde, und ich bat sie zu Tische, hielt meinen verbundenen Fuß auf dem Bette und aß fröhlich mit ihnen. Sie gingen nach ein Uhr hinweg, zwei meiner Diener brachten mich zu Bette und legten sich darauf ins Vorzimmer.

Ich hatte einen Hund, wie ein Mohr so schwarz, von der zottigen Art, der mir auf der Jagd trefflich diente und der keinen Schritt von mir wich. Er lag unter dem Bette, und ich rief meinen Diener wohl dreimal, er solle ihn hervorholen, denn das Tier heulte erschrecklich. Sobald meine Diener kamen, warf er sich auf sie und biß um sich; meine Leute fürchteten sich, sie glaubten, der Hund sei toll, weil er beständig heulte. So brachten wir zu bis vier Uhr in der Nacht: wie die Stunde schlug, trat der Bargell mit vielen Gehülfen in mein Zimmer; da fuhr der Hund hervor und fiel grimmig über sie her, zerriß ihnen Jacken und Strümpfe und jagte ihnen solche Furcht ein, daß sie ihn auch für wütend hielten. Deswegen sagte der Bargell als ein erfahrner Mann: Das ist die Art der guten Hunde, daß sie das Übel, das ihrem Herrn bevorsteht, raten und voraussagen. Wehrt euch mit ein paar Stöcken gegen das Tier, bindet mir Benvenuto auf diesen Tragsessel und bringt ihn an den bewußten Ort! Das war nun, wie ich schon sagte, am Fronleichnamstage, ungefähr um Mitternacht. So trugen sie mich bedeckt und verstopft, und viere gingen voraus, die wenigen Menschen, die noch auf der Straße waren, beiseite zu weisen. Sie trugen mich nach Torre di Nona und brachten mich in das Gefängnis auf Leben und Tod, legten mich auf eine schlechte Matratze und ließen mir einen Wächter da, welcher die ganze Nacht mein übles Schicksal beklagte und immer ausrief: Armer Benvenuto! was hast du diesen Leuten getan? Da begriff ich wohl, was mir begegnen konnte, teils weil man mich an einen solchen Ort gebracht hatte, teils weil der Mensch solche Worte wiederholte.

Einen Teil dieser Nacht quälte mich der Gedanke, aus was für Ursache Gott mir eine solche Buße auflege? und da ich sie nicht finden konnte, war ich äußerst unruhig. Indessen bemühte sich die Wache, mich, so gut sie wußte, zu trösten und zu stärken; ich aber beschwor sie um Gottes willen, sie sollte schweigen und nichts zu mir sprechen, denn ich würde selbst am besten einen Entschluß zu fassen wissen, und sie versprach mir auch, meinen Willen zu tun. Dann wendete ich mein ganzes Herz zu Gott und bat ihn inbrünstig, er möge mir beistehn, denn ich habe mich allerdings über mein Schicksal zu beklagen. Meine Flucht sei eine unschuldige Handlung nach den Gesetzen, wie die Menschen solche erkennten. Habe ich auch Totschläge begangen, so habe mich doch sein Statthalter aus meinem Vaterlande zurückgerufen und mir kraft der göttlichen Gesetze verziehn, und was ich auch getan habe, sei zur Verteidigung des Leibes geschehen, den mir Seine göttliche Majestät geliehen habe, so daß ich nicht einsehe, wie ich nach den Einrichtungen, die wir auf der Welt befolgen, einen solchen Tod verdiene; vielmehr schien es, daß es mir wie unglücklichen Personen begegne, die auf der Straße von einem Ziegel totgeschlagen werden. Daran sehe man eben die Macht der Gestirne, nicht daß sie sich etwa verbänden, um uns Gutes oder Böses zu erzeigen, sondern weil sie durch ihr Zusammentreffen solches Übel bewirkten. Ich erkenne zwar recht gut an, daß ich einen freien Willen habe und daß, wenn mein Glaube recht geübt wäre, die Engel des Himmels mich aus diesem Gefängnisse heraustragen und mich von jedem Unglück retten könnten; allein weil ich einer solchen göttlichen Gnade nicht wert sei, so würden jene astralischen Einflüsse wohl ihre Bösartigkeit an mir beweisen. Nachdem ich das so ein wenig durchgedacht hatte, faßte ich mich und schlief sogleich ein.

Als es Tag ward, weckte mich die Wache auf und sagte: Unglücklicher guter Mann! es ist nicht mehr Zeit zu schlafen, denn es ist einer gekommen, der dir eine böse Neuigkeit zu bringen hat. Darauf antwortete ich: Je geschwinder ich aus diesem irdischen Gefängnis befreiet werde, desto angenehmer ist es mir, besonders da ich sicher bin, daß meine Seele gerettet ist und daß ich widerrechtlich sterbe. Christus, unser herrlicher und göttlicher Erlöser, gesellt mich zu seinen Schülern und Freunden, die auch unschuldig den Tod erduldeten, und ich habe deswegen Gott zu loben. Warum tritt der nicht hervor, der mir das Urteil anzukündigen hat? Darauf sagte die Wache: Er bedauert dich gar zu sehr und weint. Darauf nannte ich ihn beim Namen (er hieß Herr Benedetto da Cagli) und sagte zu ihm: Kommt näher, mein Herr Benedetto! denn ich bin gegenwärtig sehr gut gefaßt und entschlossen. Es ist mir rühmlicher, daß ich unschuldig sterbe, als wenn ich schuldig umkäme. Tretet herbei, ich bitte Euch! und gebt mir einen Priester, mit dem ich wenige Worte reden kann. Denn meine fromme Beichte habe ich schon meinem Herrn und Gott abgelegt, allein ich möchte doch auch die Befehle unsrer heiligen Mutter, der Kirche, erfüllen, der ich von Herzen das abscheuliche Unrecht, das sie mir antut, verzeihe. So kommt nur, mein Herr Benedetto, und vollzieht Euer Amt, ehe ich etwa wieder kleinmütig werde!

Als ich diese Worte gesprochen, entfernte sich der gute Mann und sagte zur Wache: sie sollte die Türe verschließen, denn ohne ihn könne nichts vorgehn. Er eilte darauf zur Gemahlin des Herrn Peter Ludwig, die bei obgedachter Herzogin war, und sagte, indem er vor die Damen trat: Erlauchte Frau! erzeigt mir um Gottes willen die Gnade, den Papst bitten zu lassen, daß er einen andern schicke, das Urteil an Benvenuto zu vollstrecken und mein Amt zu verrichten, dem ich auf immer entsage. Und so ging er mit großen Schmerzen hinweg. Die Herzogin, welche gegenwärtig war, verzog das Gesicht und sagte: Das ist eine schöne Gerechtigkeit, die der Statthalter Gottes in Rom ausübt! Der Herzog, mein Gemahl, wollte diesem Manne sehr wohl wegen seiner Kunst und seiner Tugenden und sah nicht gern, daß er nach Rom zurückkehrte; er hätte ihn viel lieber bei sich behalten. Und so ging sie mit vielen verdrießlichen Worten hinweg. Die Gemahlin des Herrn Peter Ludwig, welche Frau Hieronyma hieß, ging sogleich zum Papste, warf sich in Gegenwart vieler Kardinale ihm zu Füßen und sagte so große Dinge, daß der Papst sich schämen mußte. Er versetzte darauf: Euch zuliebe mag es ihm hingehen! Auch sind wir niemals übel gegen ihn gesinnt gewesen. So äußerte sich der Papst, weil so viel Kardinäle die Worte dieser kühnen, bewundernswerten Frau gehört hatten.

Ich aber befand mich in den schlimmsten Umständen. Das Herz schlug mir in einem fort, und auch diejenigen, die den bösen Auftrag verrichten sollten, waren mißbehaglich. Es ward immer später und endlich Tischzeit: da ging jeder seiner Wege, und mir brachte man auch zu essen. Darüber verwunderte ich mich und sagte: Hier hat die Wahrheit mehr vermocht als der schlimme Einfluß der himmlischen Gestirne, und ich bitte Gott, daß er, nach seinem Gefallen, mich von diesem Unheil errette. Nun fing ich an zu essen, und wie ich mich vorher in mein großes Übel ergeben hatte, schöpfte ich gleich wieder gute Hoffnung. Ich speiste mit viel Appetit und sah und hörte nichts weiter, bis in der ersten Stunde der Nacht: da kam der Bargell mit mehrern seiner Leute, setzte mich wieder in den Sessel, worauf sie mich abends vorher an diesen Ort getragen hatten, und sagte mir mit vielen freundlichen Worten, ich solle ruhig sein; und den Häschern befahl er, sie sollten mich wohl in acht nehmen und nicht an meinen zerbrochenen Fuß stoßen. So trugen sie mich ins Kastell wieder zurück, und da wir auf der Höhe des Turms waren, wo ein kleiner Hof ist, hielten sie still.


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