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Können wir uns nun von dem sonderbaren Manne schon eine lebhaftere Vorstellung, einen deutlichem Begriff machen, wenn wir denselben in seine Werkstätte begleitet, so werden diejenigen seinen Charakter in einem weit helleren Lichte sehen, die mit der Geschichte überhaupt und besonders mit der florentinischen bekannt sind. Denn indem man einen merkwürdigen Menschen als einen Teil eines Ganzen, seiner Zeit oder seines Geburts- und Wohnorts, betrachtet, so lassen sich gar manche Sonderbarkeiten entziffern, welche sonst ewig ein Rätsel bleiben würden. Daher entsteht bei jedem Leser solcher frühern eignen Lebensbeschreibungen ein unwiderstehlicher Reiz, von den Umgebungen jener Zeiten nähere Kenntnis zu erlangen, und es ist ein großes Verdienst lebhaft geschriebener Memoiren, daß sie uns durch ihre zudringliche Einseitigkeit in das Studium der allgemeinern Geschichte hineinlocken.
Um auf diesen Weg wenigstens einigermaßen hinzudeuten, wagen wir eine flüchtige Schilderung florentinischer Zustände, die, je nachdem sie Lesern begegnet, zur Erinnerung oder zum Anlaß weiterer Nachforschung dienen mag.
Die Anfänge von Florenz wurden wahrscheinlich in frühen Zeiten von den Fiesolanern, welche die Bergseite jener Gegend bewohnten, in der Ebene zunächst am Arno zu Handelszwecken erbaut, sodann von den Römern durch Kolonien zu einer Stadt erweitert, die, wie sie auch nach und nach an Kräften mochte zugenommen haben, gar bald das Schicksal des übrigen Italiens teilte. Von Barbaren beschädigt, von fremden Gebietern eine Zeitlang unterdrückt, gelang es ihr endlich, das Joch abzuschütteln und sich in der Stille zu einer bedeutenden Größe zu erheben.
Unter dem Jahre 1010 wird uns die erste merkwürdige Tat der Florentiner gemeldet. Sie erobern ihre Mutterstadt und hartnäckige Nebenbuhlerin Fiesole und versetzen mit altrömischer Politik die Fiesolaner nach Florenz.
Von dieser Epoche an ist unserer Einbildungskraft abermals überlassen, eine sich mehrende Bürgerschaft, eine sich ausbreitende Stadt zu erschaffen. Die Geschichte überliefert uns wenig von solcher glücklichen Zeit, in welcher selbst die traurige Spaltung Italiens zwischen Kaiser und Papst sich nicht bis in die florentinischen Mauern erstreckte.
Endlich, leider! zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts trennt sich die angeschwollene Masse der Einwohner zufällig über dem Leichtsinn eines Jünglings, der eine edle Braut verstößt, in zwei Parteien und kann drei volle Jahrhunderte durch nicht wieder zur Vereinigung gelangen, bis sie, durch äußere Macht genötiget, sich einem Alleinherrscher unterwerfen muß.
Da mochten denn Bondelmontier und Amideer, Donati und Uberti wegen verletzter Familienehre streiten, gegenseitig bei Kaiser und Papst Hülfe suchen und sich nun zu den Guelfen und Ghibellinen zählen, oder schnell reich gewordne, derb-grobe Bürger mit armen und empfindlichen Edelleuten sich veruneinigen und so die Cerci und Donati und daraus die Schwarzen und Weißen entstehen, späterhin die Ricci und Albizzi einander entgegenarbeiten: durchaus erblickt man nur ein hin- und widerschwankendes, unzulängliches, parteiisches Streben.
Ritter gegen Bürger, Zünfte gegen den Adel, Volk gegen Oligarchien, Pöbel gegen Volk, Persönlichkeit gegen Menge oder Aristokratie findet man in beständigem Konflikt. Hier zeigen sich dem aufmerksamen Beobachter die seltsamen Vereinigungen, Spaltungen, Untervereinigungen und Unterspaltungen, alle Arten von Koalitionen und Neutralisationen, wodurch man die Herrschaft zu erlangen und zu erhalten sucht. Ja, sogar werden Versuche gemacht, die oberste Gewalt einem oder mehreren Fremden aufzutragen, und niemals wird Ruhe und Zufriedenheit erzielt.
›Die meisten Städte‹, sagt Machiavell, ›besonders aber solche, die weniger gut eingerichtet sind und unter dem Namen von Republiken regiert werden, haben die Art ihrer Verwaltung öfters verändert, und zwar gewöhnlich nicht, weil Freiheit und Knechtschaft, wie viele meinen, sondern weil Knechtschaft und Gesetzlosigkeit miteinander im Streite liegen.‹
Bei so mannigfaltigen Veränderungen des Regiments, bei dem Schwanken der Parteigewalten entsteht ein immerwährendes Hin- und Herwogen von Verbannten, Ausgewanderten und Zurückberufenen, und niemals waren solche Veränderungen ohne Zerstreuung, Zerstörung, Mord, Brand und Plünderung.
Hierbei hat Florenz nicht allein seine eigne Verirrung zu büßen, sondern trägt die Verirrungen benachbarter Städte und Ortschaften, woselbst ähnliche politische Unruhen durch florentinische Ausgewanderte oft erregt, immer Unterhalten werden.
Siena, Pisa, Lucca, Pistoia, Prato beunruhigen auf mehrerlei Weise Florenz lange Zeit und müssen dagegen gar viel von der Hab- und Herrschsucht, von den Launen und dem Übermut ihrer Nachbarin erdulden, bis sie alle zuletzt, außer Lucca, welches sich selbstständig erhält, in die Hände der Florentiner fallen.
Daher wechselseitig ein unauslöschlicher Haß, ein unvertilgbares Mißtrauen. Wenn Benvenuto den Verdacht einer ihm verderblichen Todfeindschaft auf diesen oder jenen wälzen will, so bedarf es nur, daß dieser von Pistoia oder Prato gewesen. Ja, bis auf diesen Tag pflanzt sich eine leidenschaftliche Abneigung zwischen Florentinern und Luccesern fort.
Wie bei ihrer ersten Entstehung, so auch in den spätem Zeiten erfährt die Stadt das Schicksal des übrigen Italiens, insofern es durch in- oder ausländische große Mächte bestimmt wird.
Der Papst und die Herrscher von Neapel im Süden, der Herzog von Mailand, die Republiken Genua und Venedig im Norden machen ihr auf mancherlei Weise zu schaffen und wirken auf ihre politischen und kriegerischen Anstalten mächtig ein, und dies um so mehr und so schlimmer, als kein Verhältnis, groß oder klein, Festigkeit und Dauer gewinnen konnte. Alles, was sich in Italien geteilt hatte oder teil am Raube zu nehmen wünschte, Päpste, Könige, Fürsten, Republiken, Geistlichkeit, Barone, Kriegshelden, Usurpatoren, Bastarden, alle schwirren in fortwährendem Streite durcheinander. Hier ist an kein dauerhaftes Bündnis zu denken. Das Interesse des Augenblicks, persönliche Gewalt oder Unmacht, Verrat, Mißtrauen, Furcht, Hoffnung bestimmen das Schicksal ganzer Staaten wie vorzüglicher Menschen, und nur selten blickt bei einzelnen oder Gemeinheiten ein höherer Zweck, ein durchgreifender Plan hervor. Zieht nun gar ein deutscher Kaiser oder ein anderer Prätendent an der Spitze von schlecht besoldeten Truppen durch Italien und verwirrt durch seine Gegenwart das Verworrene aufs höchste, ohne für sich selbst etwas zu erreichen, zerreißt ein Zwiespalt die Kirche und gesellen sich zu diesen Übeln auch die Plagen der Natur, Dürre, Teurung, Hungersnot, Fieber, Pestilenz, so werden die Gebrechen eines übel regierten und schlecht polizierten Staates immer noch fühlbarer.
Liest man nun in den florentinischen Geschichten und Chroniken, die doch gewöhnlich nur solche Verwirrungen und Unheile anzeigen und vor die Augen bringen, weil sie das breite Fundament bürgerlicher Existenz, wodurch alles getragen wird, als bekannt voraussetzen, so begreift man kaum, wie eine solche Stadt entstehen, zunehmen und dauern können. Wirft man aber einen Blick auf die schöne Lage in einem reichen und gesunden Tale, an dem Fuße fruchtbarer Höhen, so überzeugt man sich, wie ein solches Lokal, von einer Gesellschaft Menschen einmal in Besitz genommen, nie wieder verlassen werden konnte.
Man denke sich diese Stadt zu Anfang des eilften Jahrhunderts hergestellt und ihre genügsame Bevölkerung durch den Einzug der Einwohner von Fiesole ansehnlich vermehrt! man vergegenwärtige sich, was jede wachsende bürgerliche Gesellschaft, nur um ihren eignen nächsten Bedürfnissen genugzutun, für technische Tätigkeiten ausüben müsse, wodurch neue Tätigkeiten aufgeregt, neue Menschen herbeigezogen und beschäftigt werden!
So finden wir denn schon die Zünfte, in früherer Zeit an diese oder jene Partei angeschlossen, bald selbst als Partei, nach dem Regimente strebend oder an dem Regimente teilnehmend.
Die Zunft der Wollwirker treffen wir schnell in vorzüglicher Aufnahme und besonderm Ansehen und erblicken alle Handwerker, die sich mit Bauen beschäftigen, in der größten Tätigkeit. Was der Mordbrenner zerstört, muß durch den gewerbsamen Bürger hergestellt werden, was der Kriegsmann zu Schutz und Trutz fordert, muß der friedliche Handwerker leisten. Welche Nahrung, und man kann sagen, welchen Zuwachs von Bevölkerung gewährte nicht die öftere Erneuerung der Mauern, Tore und Türme, die öftere Erweiterung der Stadt, die Notwendigkeit, ungeschickt angelegte Festungswerke zu verbessern, die Aufführung der Gemeinde- und Zunfthäuser, Hallen, Brücken, Kirchen, Klöster und Paläste! Ja, das Stadtpflaster, als eine ungeheure Anlage, verdient, mit angeführt zu werden, dessen bloße Unterhaltung gegenwärtig große Summen aufzehrt.
Wenn die Geschichte von Florenz in diesen Punkten mit den Geschichten anderer Städte zusammentrifft, so erscheint doch hier der seltnere Vorzug, daß sich aus den Handwerkern die Künste früher und allmählich entwickelten. Der Baumeister dirigierte den Maurer, der Tüncher arbeitete dem Maler vor, der Glockengießer sah mit Verwunderung sein tönendes Erz in bedeutende Gestalten verwandelt, und der Steinhauer überließ die edelsten Blöcke dem Bildhauer. Die neuentstandene Kunst, die sich an Religion festhielt, verweilte in den höhern Gegenden, in denen sie allein gedeiht. Erregte und begünstigte nun die Kunst hohe Gefühle, so mußte das Handwerk, in Gesellschaft des Handels, mit gefälligen und neuen Produktionen der Pracht- und Scheinliebe des einzelnen schmeicheln. Wir finden daher schon frühe Gesetze gegen übermäßigen Prunk, die von Florenz aus in andere Gegenden übergingen.
Auf diese Weise erscheint uns der Bürger mitten in fortdauernden Kriegsunruhen friedlich und geschäftig. Denn ob er gleich von Zeit zu Zeit nach den Waffen griff und gelegentlich bei dieser oder jener Expedition sich hervorzutun und Beute zu machen suchte, so ward der Krieg zu gewissen Epochen doch eigentlich durch eine besondere Zunft geführt, die, in ganz Italien, ja in der ganzen Welt zu Hause, um einen mäßigen Sold bald da, bald dort Hülfe leistete oder schadete. Sie suchten mit der wenigsten Gefahr zu fechten, töteten nur aus Not und Leidenschaft, waren vorzüglich aufs Plündern gestellt und schonten sowohl sich als ihre Gegner, um gelegentlich an einem andern Ort dasselbige Schauspiel wieder aufführen zu können.
Solche Hülfstruppen beriefen die Florentiner oft und bezahlten sie gut; nur wurden die Zwecke der Städter nicht immer erreicht, weil sie von den Absichten der Krieger gewöhnlich verschieden waren und die Heerführer mehrerer zusammenberufener Banden sich selten vereinigten und vertrugen.
Über alles dieses waren die Florentiner klug und tätig genug gewesen, an dem Seehandel teilzunehmen und, ob sie gleich in der Mitte des Landes eingeschlossen lagen, sich an der Küste Gelegenheiten zu verschaffen. Sie nahmen ferner durch merkantilische Kolonien, die sie in der Welt verbreiteten, teil an den Vorteilen, welche der gewandtere Geist der Italiener über andere Nationen zu jener Zeit davontrug. Genaue Haushaltungsregister, die Zaubersprache der doppelten Buchhaltung, die feenmäßigen Wirkungen des Wechselgeschäftes, alles finden wir sowohl in der Mutterstadt tätig und ausgeübt als in den europäischen Reichen durch unternehmende Männer und Gesellschaften verbreitet.
Immer aber brachte über diese rührige und unzerstörliche Welt die dem Menschen angeborne Ungeschicklichkeit, zu herrschen oder sich beherrschen zu lassen, neue Stürme und neues Unheil.
Den öfteren Regimentswechsel und die seltsamen, mitunter beinahe lächerlichen Versuche, eine Konstitution zu allgemeiner Zufriedenheit auszuklügeln, möchte sich wohl kaum ein Einheimischer, dem die Geschichte seines Vaterlandes am Herzen läge, im einzelnen gern ins Gedächtnis zurückrufen; wir eilen um so mehr nach unsern Zwecken darüber hin und kommen zu dem Punkte, wo, bei innerer lebhafter Wohlhabenheit der Volksmasse, aus dieser Masse selbst Männer entstanden, die mit großem Vater- und Bürgersinn nach innen und mit klarem Handels- und Weltsinn nach außen wirkten.
Gar manche tüchtige und treffliche Männer dieser Art hatten die Aufmerksamkeit und das Zutrauen ihrer Mitbürger erregt, aber ihr Andenken wird vor den Augen der Nachwelt durch den Glanz der Mediceer verdunkelt. Diese Familie gewährt uns die höchste Erscheinung dessen, was Bürgersinn, der vom Nutzbaren und Tüchtigen ausgeht, ins Ganze wirken kann.
Die Glieder dieser Familie, besonders in den ersten Generationen, zeigen keinen augenblicklichen gewaltsamen Trieb nach dem Regiment, welcher sonst manchen Individuen sowohl als Parteien den Untergang beschleunigt; man bemerkt nur ein Festhalten im großen Sinne am hohen Zwekke, sein Haus wie die Stadt, die Stadt wie sein Haus zu behandeln, wodurch sich von innen und außen das Regiment selbst anbietet. Erwerben, Erhalten, Erweitern, Mitteilen, Genießen gehen gleichen Schrittes, und in diesem lebendigen Ebenmaß läßt uns die bürgerliche Weisheit ihre schönsten Wirkungen sehen.
Den Johannes Medicis bewundern wir auf einer hohen Stufe bürgerlichen Wohlstandes als eine Art Heiligen: gute Gefühle, gute Handlungen sind bei ihm Natur. Niemanden zu schaden, jedem zu nutzen! bleibt sein Wahlspruch, unaufgefordert eilt er den Bedürfnissen anderer zu Hülfe, seine Milde, seine Wohltätigkeit erregen Wohlwollen und Freundschaft. Sogar aufgefordert mischt er sich nicht in die brausenden Parteihändel, nur dann tritt er standhaft auf, wenn er dem Wohl des Ganzen zu raten glaubt, und so erhält er sich, sein Leben durch, bei wachsenden Glücksgütern ein dauerhaftes Zutrauen.
Sein Sohn Cosmus steht schon auf einer höhern und gefährlichern Stelle. Seine Person wird angefochten, Gefangenschaft, Todesgefahr, Exil bedrohen und erreichen ihn, er bedarf hoher Klugheit zu seiner Rettung und Erhaltung.
Schon sehen wir des Vaters Tugenden zweckmäßig angewendet: Milde verwandelt sich in Freigebigkeit und Wohltätigkeit in allgemeine Spende, die an Bestechung grenzt. So wächst sein Anhang, seine Partei, deren leidenschaftliche Handlungen er nicht bändigen kann. Er läßt diese selbstsüchtigen Freunde gewähren und einen nach dem ändern untergehen, wobei er immer im Gleichgewicht bleibt.
Ein großer Handelsmann ist an und für sich ein Staatsmann, und so wie der Finanzminister doch eigentlich die erste Stelle des Reichs einnimmt, wenn ihm auch andere an Rang vorgehen, so verhält sich der Wechsler zur bürgerlichen Gesellschaft, da er das Zaubermittel zu allen Zwekken in Händen trägt.
An Cosmus wird die Lebensklugheit besonders gepriesen, man schreibt ihm eine größere Übersicht der politischen Lagen zu als allen Regierungen seiner Zeit, deren leidenschaftliche, planlose Ungeschicklichkeit ihm freilich manches Unternehmen mag erleichtert haben.
Cosmus war ohne frühere literarische Bildung; sein großer, derber Haus- und Weltsinn, bei einer ausgebreiteten Übung in Geschäften, diente ihm statt aller andern Beihülfe. Selbst vieles, was er für Literatur und Kunst getan, scheint in dem großen Sinne des Handelsmanns geschehen zu sein, der köstliche Waren in Umlauf zu bringen und das Beste davon selbst zu besitzen sich zur Ehre rechnet.
Bediente er sich nun der entstehenden bessern Architektur, um öffentlichen und Privatbedürfnissen auf eine vollständige und herrliche Weise genugzutun, so hoffte seine tiefe Natur in der auflebenden Platonischen Philosophie den Aufschluß manches Rätsels, über welches er im Laufe seines mehr tätigen als nachdenklichen Lebens mit sich selbst nicht hatte einig werden können, und im ganzen war ihm das Glück, als Genösse einer nach der höchsten Bildung strebenden Zeit das Würdige zu kennen und zu nutzen; anstatt daß wohl andere in ähnlichen Lagen das nur für würdig halten, was sie zu nutzen verstehen.
In Peter, seinem Sohn, der geistig und körperlich ein Bild der Unfähigkeit bei gutem Willen darstellt, sinkt das Glück und das Ansehen der Familie. Er ist ungeschickt genug, sich einbilden zu lassen, daß er allein bestehen könne, ohne die Welt um sich her auf eine oder die andere Weise zu bestechen. Er fordert auf Antrieb eines falschen Freundes die Darlehne, welche der Vater freiwillig selbst Wohlhabenden aufdrang und wofür man sich kaum als Schuldner erkennen will, zurück und entfernt alle Gemüter.
Die Partei seines Stammes, welche der bejahrte Cosmus selbst nicht mehr beherrschen konnte, wird noch weniger von ihm gebändigt; er muß sie gewähren lassen, und Florenz ist ihrer unerträglichen Raubsucht ausgesetzt. Lorenz wird nun schon als Prinz erzogen. Er bereist die Höfe und wird mit allem Weltwesen früh bekannt. Nach seines Vaters Tode erscheint er mit allen Vorteilen der Jugend an der Spitze einer Partei. Die Ermordung seines Bruders durch die Pazzi und seine eigne Lebensgefahr erhöhen das Interesse an ihm, und er gelangt stufenweise zu hohen Ehren und Einfluß. Seine Vaterstadt erduldet viel um seinetwillen von äußeren Mächten, deren Haß auf seine Person gerichtet ist; dagegen wendet er große Gefahren durch Persönlichkeit von seinen Mitbürgern ab. Man möchte ihn einen bürgerlichen Helden nennen. Ja, man erwartet einigemal, daß er sich als Heerführer zeigen werde, doch enthält er sich des Soldatenhandwerks mit sehr richtigem Sinne.
Durch die Vorsteher seiner auswärtigen Handelsverhältnisse bevorteilt und beschädigt, zieht er nach und nach seine Gelder zurück und legt durch Ankauf größerer Landbesitzungen den Grund des fürstlichen Daseins. Schon steht er mit den Großen seiner Zeit auf einer Stufe des Ansehns und der Bedeutung. Er sieht seinen zweiten Sohn im dreizehnten Jahr als Kardinal auf dem Wege zum päpstlichen Thron und hat dadurch seinem Hause für alle Stürme künftiger Zeit Schutz und Wiederherstellung von Unglücksfällen zugesichert.
So wie er sich in körperlich-ritterlichen Übungen hervortat und an der Falkenjagd ergötzte, so war er früh zu literarischen Neigungen und poetischen Versuchen gebildet. Seine zärtlichen enthusiastischen Gedichte haben weniger Auffallendes, weil sie nur an höhere Arbeiten dieser Art erinnern, aber unter seinen Scherzen gibt es Stücke, in denen man eine geistreiche Darstellung geselliger Laune und eine heitere Lebensleichtigkeit bewundert. Wie er denn überhaupt im Verhältnis gegen Kinder und Freunde sich einem ausgelassenen lustigen Wesen hingeben konnte. Von Gelehrten, Philosophen, Dichtern häuslich umgeben, sieht man ihn sehr hoch über den dunkeln Zustand mancher seiner Zeitgenossen erhaben. Ja, man könnte eine der katholischen Kirche, dem Papsttume drohende Veränderung mitten in Florenz vorahnen.
Diesem großen, schönen, heitern Leben setzt sich ein fratzenhaftes, phantastisches Ungeheuer, der Mönch Savonarola, undankbar, störrisch, fürchterlich entgegen und trübt pfäffisch die in dem mediceischen Hause erbliche Heiterkeit der Todesstunde.
Ebendieser unreine Enthusiast erschüttert nach Lorenzens Tode die Stadt, die dessen Sohn, der so unfähige als unglückliche Peter, verlassen und die großen mediceischen Besitztümer mit dem Rücken ansehen muß.
Hätte Lorenz länger leben und eine fortschreitende stufenhafte Ausbildung des gegründeten Zustandes statthaben können, so würde die Geschichte von Florenz eins der schönsten Phänomene darstellen; allein wir sollen wohl im Lauf der irdischen Dinge die Erfüllung des schönen Möglichen nur selten erleben.
Oder wäre Lorenzens zweiter Sohn Johann, nachmals Leo X., im Regimente seinem Vater gefolgt, so hätte wahrscheinlich alles ein andres Ansehn gewonnen. Denn nur ein vorzüglicher Geist konnte die verworrenen Verhältnisse auffassen und die gefährlichen beherrschen; allein leider ward zum zweiten Male der mediceischen Familie der Name Peter verderblich, als dieser Erstgeborne bald nach des Vaters Tod von der schwärmerisch aufgeregten Menge sich überwältigt und mit so manchen schönen ahnherrlichen Besitzungen das aufgespeicherte Kapital der Künste und Wissenschaften zerstreut sah.
Eine neueingerichtete, republikanische Regierung dauerte etwa sechzehen Jahre. Peter kehrte nie in seine Vaterstadt zurück, und die nach seinem Tode überbliebenen Glieder des Hauses Medicis hatten nach wiedererlangter Herrschaft mehr an ihre Sicherheit als an die Verherrlichung der Vaterstadt zu denken.
Entfernt nun die Erhöhung Leos X. zur päpstlichen Würde manchen bedeutenden Mann von Florenz und schwächt auf mehr als eine Weise die dort eingeleitete Tätigkeit aller Art, so wird doch durch ihn und seinen Nachfolger Clemens VII. die Herrschaft der Mediceer nach einigem abermaligen Glückswechsel entschieden.
Schließen sie sich ferner durch Heirat an das österreichische, an das französische Haus, so bleibt Cosmus, dem ersten Großherzog, wenig für die Sicherheit seines Regiments zu sorgen übrig, obgleich auch noch zu seiner Zeit manche Ausgewanderte von der Volkspartei in mehrern Städten Italiens einen unmächtigen Haß verkochen.
Und so wären wir denn zu den Zeiten gelangt, in denen wir unsern Cellini finden, dessen Charakter und Handelsweise uns durchaus den Florentiner, im fertigen technischen Künstler sowohl als im schwer zu regierenden Parteigänger, darstellt.
Kann sich der Leser nunmehr einen solchen Charakter eher vergegenwärtigen und erklären, so wird er diese flüchtig entworfene Schilderung florentinischer Begebenheiten und Zustände mit Nachsicht aufnehmen.