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Gespräche über Liebe
Der Mensch, recht eigentlich das sprechende Tier, ist das einzige, das auch zur Fortpflanzung der Gespräche bedarf. Und nicht nur, weil er ohnehin spricht, tut er es auch dabei; sondern anscheinend ist seine Liebseligkeit mit der Redseligkeit im Wesen verbunden, und das so tief geheimnisvoll, daß es fast an die Alten gemahnt, nach deren Philosophie Gott, Menschen und Dinge aus dem »Logos« entstanden sind, worunter sie abwechselnd den Heiligen Geist, die Vernunft und das Reden verstanden haben. Nun, nicht einmal die Psychoanalyse und die Soziologie haben Wesentliches darüber gelehrt, obwohl diese beiden jüngsten Wissenschaften schon mit dem Katholizismus wetteifern dürfen, sich in alles Menschliche eingemischt zu haben. Man muß sich also selbst den Reim darauf bilden, daß Gespräche in der Liebe fast eine größere Rolle spielen als alles andere. Sie ist das gesprächigste aller Gefühle und besteht zum großen Teil ganz aus Gesprächigkeit. Ist der Mensch jung, so gehören diese sich auf alles erstreckenden Gespräche zu den Erscheinungen des Wachstums; ist er in der Reife, so bilden sie sein Pfauenrad, das sich, auch wenn es nur noch aus Federkielen besteht, umso lebhafter entfaltet, je später es das tut. Der Grund könnte in der Erweckung des kontemplativen Denkens durch die Gefühle der Liebe und in seiner dauernden Verbindung mit ihnen liegen; aber damit wäre freilich die Frage vorderhand nur verschoben, denn wenn auch das Wort Kontemplation fast ebenso oft gebraucht wird wie das Wort Liebe, ist es doch nicht deutlicher.
Ob übrigens, was Agathe und Ulrich verband, als Liebe zu verklagen sei oder nicht, soll damit nicht entschieden sein, obgleich sie unersättlich mit einander sprachen. Auch was sie sprachen, drehte sich um Liebe, immer und irgendwie, das ist richtig. Aber es gilt von der Liebe wie von allen Gefühlen, daß sich ihre Glut umso größer in Worten ausbreitet, je weiter ihnen noch das Handeln ist; und was nach den zuerst vorangegangenen heftigen und unklaren Gemütserlebnissen die Geschwister bewog, sich Gesprächen zu überlassen, und ihnen zuweilen wie eine Verzauberung erschien, war in erster Linie die Unwissenheit, wie sie handeln könnten. Die damit zusammenhängende Scheu vor dem eigenen Gefühl, und das neugierige Eindringen in dieses von den Umrissen aus, ließen die Gespräche zuweilen aber auch oberflächlicher zu Wort kommen, als sie in der Tiefe beschaffen waren.