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108

Elfter Theil
Achte Rede

Meier Moggallāno

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der ehrwürdige Ānando bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen, nicht lange nachdem der Erhabene erloschen war.

Um diese Zeit nun ließ der König von Magadhā, Ajātasattu, der Sohn der Videherin, Rājagaham befestigen, aus Besorgniss vor König Pajjoto.

Und der ehrwürdige Ānando, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, machte sich auf den Almosengang nach Rājagaham. Und es gedachte der ehrwürdige Ānando: ›Allzu früh ist's noch, in der Stadt um Almosen zu stehn; wie, wenn ich nun die Wirthschaft Meier Moggallāno des Priesters aufsuchte, mich zu Meier Moggallāno dem Priester hinbegäbe?‹ Und der ehrwürdige Ānando suchte die Wirthschaft Meier Moggallāno des Priesters auf, begab sich zu Meier Moggallāno dem Priester hin. Da sah Meier Moggallāno der Priester den ehrwürdigen Ānando von ferne herankommen, und als er den ehrwürdigen Ānando gesehn sprach er also zu ihm:

»Es komme Herr Ānando, gegrüßt sei Herr Ānando! Lange schon hat Herr Ānando hoffen lassen, mich einmal hier zu besuchen. Möge sich Herr Ānando setzen: dieser Sitz ist bereit.«

Es setzte sich der ehrwürdige Ānando auf den angebotenen Sitz. Meier Moggallāno aber, der Priester, nahm einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich zur Seite. Zur Seite sitzend wandte sich nun Meier Moggallāno der Priester an den ehrwürdigen Ānando also:

»Giebt es wohl, Herr Ānando, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Herr Gotamo begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte?«

»Nicht giebt es, Priester, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Erhabene begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte. Denn Er, Priester, der Erhabene, ist des unentdeckten Weges Entdecker, des unerschaffenen Weges Erschaffer, des unerklärten Weges Erklärer, der Wegeswisser, der Wegeskenner, der Wegeskundige: auf dem Weg aber folgen sie jetzt nach, die Jünger, später nachgekommen.«

Kaum jedoch hatte diese Unterredung des ehrwürdigen ānando mit Meier Moggallāno dem Priester begonnen, da kam Vassakāro der Priester, ein Māgadher Marschall, der zu Rājagaham Rüstungen ausgerichtet, zu Meier Moggallāno des Priesters Wirthschaft heran, dorthin wo der ehrwürdige ānando weilte. Dort angelangt wechselte er höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem ehrwürdigen ānando und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend wandte sich nun Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, an den ehrwürdigen ānando also:

»Zu welchem Gespräche, Herr ānando, seid ihr jetzt hier zusammengekommen, und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?«

»Da hat mich, Priester, Meier Moggallāno der Priester gefragt: ›Giebt es wohl, Herr ānando, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen Herr Gotamo begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte?‹ Auf diese Frage, Priester, hab' ich Meier Moggallāno dem Priester geantwortet: ›Nicht giebt es, Priester, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Erhabene begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte. Denn Er, Priester, der Erhabene, ist des unentdeckten Weges Entdecker, des unerschaffenen Weges Erschaffer, des unerklärten Weges Erklärer, der Wegeswisser, der Wegeskenner, der Wegeskundige: auf dem Weg aber folgen sie jetzt nach, die Jünger, später nachgekommen.‹ Das war, Priester, das Gespräch zwischen mir und Meier Moggallāno dem Priester, das wir unterbrachen als du ankamst.«

»Ist nun wohl, Herr ānando, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Herrn Gotamo, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt?«

»Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen.«

»Doch ist wohl, Herr ānando, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt?«

»Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen.«

»So aber ohne Zuflucht, Herr Ānando, wie kann da einträchtige Lehre bestehn?« Lies mit dem siam. Texte dhammasāmaggiyā.

»Nicht sind wir, Priester, ohne Zuflucht, wir haben sie, Priester, die Zuflucht, die Lehre ist unsere Zuflucht.«

»Einer solchen Rede Sinn, Herr Ānando, wie soll der wohl ausgelegt werden?« Im Text ist hier eine Wiederholung von Frage und Antwort interpoliert.

»Es ist, Priester, von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, den Mönchen ein Regelmaaß angegeben, die reine Zucht dargestellt worden. Nun kommen wir alle halben Monat, soviel unser, bis auf drei herab, im Umkreise je eines Dorfes wohnen, ebenda zusammen; und sind wir zusammengekommen, so fordern wir den, an dem die Reihe ist, auf. Der hält den Vortrag: und hat ein Mönch gefehlt, hat er sich vergangen, so wird er von uns der Lehre gemäß, der Weisung gemäß behandelt. Nicht aber, heißt es, behandeln uns die Brüder: die Lehre behandelt uns.«

»Doch ist wohl, Herr Ānando, irgend ein Mönch da, den ihr jetzt werthhaltet, hochschätzt, achtet und ehrt, und dem ihr also zugethan seid?«

»Es ist wohl, Priester, irgend ein Mönch da, den wir jetzt werthhalten, hochschätzen, achten und ehren, und dem wir also zugethan sind.«

»Auf meine Frage ‘Ist nun wohl, Herr Ānando, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Herrn Gotamo, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt’, hast du geantwortet ‘Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen’; auf meine Frage ‘Doch ist wohl, Herr Ānando, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt’, hast du geantwortet ‘Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen’; auf meine Frage ‘Doch ist wohl, Herr Ānando, irgend ein Mönch da, den ihr jetzt werthhaltet, hochschätzt, achtet und ehrt, und dem ihr also zugethan seid’, hast du geantwortet ‘Es ist wohl, Priester, irgend ein Mönch da, den wir jetzt werthhalten, hochschätzen, achten und ehren, und dem wir also zugethan sind’: einer solchen Rede Sinn, Herr Ānando, wie soll der nun ausgelegt werden?«

»Es sind, Priester, von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, zehn huldreiche Eigenschaften angegeben worden; bei wem von uns diese sich finden, den halten wir jetzt werth, schätzen ihn hoch, achten und ehren ihn, sind ihm also zugethan: was für zehn Eigenschaften? Da ist, Priester, ein Mönch tugendhaft, in reiner Zucht richtig gezügelt bleibt er lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt. Viel hat er gehört, ist Behälter des Wortes, Hort des Wortes der Lehre; Ebenso Eckhart ‘hören und behalten’; fünfmal auf einer Seite, 290. und was da am Anfang begütigt, in der Mitte begütigt, am Ende begütigt und sinn- und wortgetreu das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum überliefert: das kennt er, behält er, beherrscht er mit der Rede, bewahrt es im Gedächtniss, hat es von Grund aus verstanden. Zufrieden ist er mit Mantel und Schaale, Obdach und Arzenei für den Fall einer Krankheit. Die vier Schauungen, die das Herz erquicken, schon im Leben besäligen, die kann er nach Wunsch gewinnen, in ihrer Fülle und Weite. Er mag auf manigfaltige Weise Machtentfaltung an sich erfahren: als nur einer etwa vielfach zu werden, und vielfach geworden wieder einer zu sein, und so weiter, sogar bis zu den Brahmawelten den Körper in seiner Gewalt zu haben. Mit dem himmlischen Gehör, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, kann er beide Arten der Töne hören, die himmlischen und die irdischen, die fernen und die nahen. Ein Gleiches berichtet der Doctor seraphicus vom Professor paupertatis, Vita, cap. V. vorletzter Absatz. Der anderen Wesen, der anderen Personen Herz kann er im Herzen schauen und erkennen, das begehrliche Herz als begehrlich und das begehrlose Herz als begehrlos, das gehässige Herz als gehässig und das hasslose Herz als hasslos, das irrende Herz als irrend und das irrlose Herz als irrlos, das gesammelte Herz als gesammelt und das zerstreute Herz als zerstreut, das hochstrebende Herz als hochstrebend und das niedrig gesinnte Herz als niedrig gesinnt, das edle Herz als edel und das gemeine Herz als gemein, das beruhigte Herz als beruhigt und das ruhelose Herz als ruhelos, das erlöste Herz als erlöst und das gefesselte Herz als gefesselt. Και γαρ και τουτο ην μεγα της ασκησεως του Αντωνιου, ὁτι χαρισμα διακρισεως πνευματων εχων, επεγινωσκεν αυτων τα κινηματα· και προς ὁ τις αυτων ειχε την σπουδην και την ὁρμην, τουτο ουκ ηγνοει: Athanasios p. 113. An manche verschiedene frühere Daseinsform erinnert er sich: als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an vierzig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen-Weltenvergehungen; ›Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein‹: so erinnert er sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, sieht er die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er erkennt wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren: ›Diese lieben Wesen sind freilich in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in untere Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf gute Fährte, in sälige Welt‹: so sieht er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, erkennt wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. Vergl. Makarios, Homil. XXXIII fin. & XIV § 6 i.f.: ουτε... ὁραται τοις σαρκικοις οφθαλμοις, τοις δε πνευματικοις φαινεται, τῳ οφθαλμῳ τες καρδιας, και ἡ σατανικη του σκοτους και ἡ φωτεινη της θεοτετος. Er hat den Wahn versiegt und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen. – Das sind, Priester, zehn huldreiche Eigenschaften, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte angegeben hat; bei wem von uns diese sich finden, den halten wir jetzt werth, schätzen ihn hoch, achten und ehren ihn, sind ihm also zugethan.«

Nach dieser Rede wandte sich Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, an Upanando den Feldherrn und sagte:

»Was meinst du wohl, Feldherr: ob da nun diese Würdigen den werthhalten, der werthzuhalten ist, den hochschätzen, der hochzuschätzen ist, den achten, der zu achten ist, den ehren, der zu ehren ist?«

»Will's meinen, dass diese Würdigen den werthhalten, der werthzuhalten ist, den hochschätzen, der hochzuschätzen ist, den achten, der zu achten ist, den ehren, der zu ehren ist: denn so diese Würdigen einen solchen nicht werthhielten, hochschätzten, achteten und ehrten, wen doch sollten sie dann werthhalten, hochschätzen, achten und ehren und ihm also zugethan sein?«

Und nun wandte sich Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, also an den ehrwürdigen Ānando:

»Wo hat wohl Herr Ānando gegenwärtig seinen Aufenthalt?«

»Im Bambusparke, Priester, hab' ich gegenwärtig meinen Aufenthalt.«

»Und kann einem auch, Herr Ānando, der Bambuspark schon gefallen, der lärmentrückt, lärmverloren, von den Leuten gemieden ist, wo man einsam bleiben und nachdenken mag?«

»Will's meinen, Priester, dass einem der Bambuspark schon gefallen kann, der lärmentrückt, lärmverloren, von den Leuten gemieden ist, wo man einsam bleiben und nachdenken mag, wie das eueren Feldhütern und Hirten eignet.«

»Will's meinen, Herr Ānando, dass einem der Bambuspark schon gefallen kann, der lärmentrückt, lärmverloren, von den Leuten gemieden ist, wo man einsam bleiben und nachdenken mag, wie das euch Schauung liebenden und Schauung übenden eignet: denn Schauung ja liebt ihr und Schauung übt ihr. – Eines Tages, Herr Ānando, weilte Er, der Herr Gotamo, dort bei Vesālī, im Großen Walde, in der Halle der Einsiedelei. Und ich begab mich, Herr Ānando, nach dem Großen Walde, zur Halle der Einsiedelei, dorthin wo ich den Herrn Gotamo antraf. Da führte nun Er, der Herr Gotamo, auf mancherlei Weise Gespräche über die Schauung: denn Schauung ja liebte Er, der Herr Gotamo, und Schauung übte Er, und eben alle Schauung pflegte Er, der Herr Gotamo, zu preisen.«

»Nicht hat, Priester, Er, der Erhabene, alle Schauung gepriesen, und nicht hat Er, der Erhabene, alle Schauung verwiesen. Was für Schauung hat aber, Priester, Er, der Erhabene, nicht gepriesen? Da hat einer, Priester, sein Gemüth von Wunschbegier umspinnen, von Wunschbegier umziehen lassen; und wie man der aufgestiegenen Wunschbegier entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr die Wunschbegier zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von Gehässigkeit umspinnen, von Gehässigkeit umziehen lassen; und wie man der aufgestiegenen Gehässigkeit entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr die Gehässigkeit zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von matter Müde umspinnen, von matter Müde umziehen lassen; und wie man der aufgestiegenen matten Müde entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr die matte Müde zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von stolzem Unmuth umspinnen, von stolzem Unmuth umziehen lassen; und wie man dem aufgestiegenen stolzen Unmuth entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr den stolzen Unmuth zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von sorgendem Zweifel umspinnen, von sorgendem Zweifel umziehen lassen; und wie man dem aufgestiegenen sorgenden Zweifel entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr den sorgenden Zweifel zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Solche Schauung hat, Priester, Er, der Erhabene, nicht gepriesen. Was für Schauung hat aber, Priester, Er, der Erhabene, gepriesen? Da weilt, Priester, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe weilt er gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Solche Schauung hat, Priester, Er, der Erhabene, gepriesen.«

»Verweisliche Schauung hat also, Herr Ānando, Er, der Herr Gotamo, verwiesen, preisliche gepriesen. – Wohlan denn, Herr Ānando, jetzt wollen wir aufbrechen: Νυν δ’εμοι μεν ὡρα ποι ιεναι: von Platon ebenso gern wie bei uns, am Ende gewisser Dialoge idiomatisch gebraucht, bei Menon, Theaitetos, Protagoras, Laches etc. manche Pflicht wartet unser, manche Obliegenheit.«

»Wie es dir nun, Priester, belieben mag.«

Und Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, durch des ehrwürdigen Ānando Rede erfreut und befriedigt, stand von seinem Sitze auf und entfernte sich. Da wandte sich denn Meier Moggallāno der Priester, bald nachdem Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, gegangen, also an den ehrwürdigen Ānando:

»Was wir aber Herrn Ānando gefragt hatten, das hat uns Herr Ānando nicht zu Ende erklärt.«

»Haben wir denn, Priester, dir nicht gesagt: ›Nicht giebt es, Priester, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Erhabene begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte. Denn Er, Priester, der Erhabene, ist des unentdeckten Weges Entdecker, des unerschaffenen Weges Erschaffer, des unerklärten Weges Erklärer, der Wegeswisser, der Wegeskenner, der Wegeskundige: auf dem Weg aber folgen sie jetzt nach, die Jünger, später nachgekommen‹.« Der Topus vom himmlischen Gehör, S. 110, ist auf Chāndogyopaniṣat V, 1, 4 gegründet: Yo ha vai sampadaṃ veda, saṃ hāsmai kāmāḥ padyante daivāśca mānuṣāśca: śrotraṃ vā va sampat. Ja, er reicht in eine weit fernere Vergangenheit hinauf, da wir schon im Sāmavidhānabrāhmaṇam (I, 8) beide Arten der Töne, die himmlischen und die irdischen, die der Götter und die der Menschen, zugleich mit den fünf übrigen der diatonischen Skala, der Reihe nach absteigend bis zu den Geistern, Thieren, Dämonen, Bäumen und Kräutern, als Substrat der ganzen Welt – wie später den praṇavas (om) oder den pythagorischen αριθμος – genannt hören.
Dem einsam nachdenkenden Hüter und Hirten, S. 114, steht der thätig erfahrene Hüter und Hirt der 33. und 34. Rede gegenüber: ὁ ποιμην ὁ καλος des Ev. Joh. X, 12-18 (Luk. XV, 4-6), der ebenso beliebte als problematische »gute Hirt«, schon auf einem Fresko der Lucina-Krypte zu Rom aus dem Anfange des 2. Jahrh. pompejanisch anmuthig nachgebildet; während auf den etwa 300-350 Jahre älteren asokischen Skulpturen zu Sāñci, Barāhat etc. anstelle der Heerdenbehütung das strengere Motiv der Einsamkeit im Wildparke prototypisch behandelt ist.


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