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Fünfzehnter Theil
Sechste Rede

Sechsfache Sechsheit

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Die Lehre werd' ich euch Mönchen aufweisen, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum werde ich darlegen; und zwar die sechsfache Sechsheit: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagten da aufmerksam jene Mönche zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Sechs innere Gebiete sind zu merken und sechs äußere Gebiete, sechs bewusstsame Reiche sind zu merken und sechs berührsame Reiche, sechs fühlsame Reiche sind zu merken und sechs durstsame Reiche.

»‘Sechs innere Gebiete sind zu merken’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet des Gesichts, das Gebiet des Gehörs, das Gebiet des Geruchs, das Gebiet des Geschmacks, das Gebiet des Getastes, das Gebiet des Gedenkens. ‘Sechs innere Gebiete sind zu merken’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die erste Sechsheit.

»‘Sechs äußere Gebiete sind zu merken’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet der Formen, das Gebiet der Töne, das Gebiet der Düfte, das Gebiet der Säfte, das Gebiet der Tastungen, das Gebiet der Gedanken. ‘Sechs äußere Gebiete sind zu merken’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die zweite Sechsheit.

»‘Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein. ‘Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken’; wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die dritte Sechsheit.

»‘Sechs berührsame Reiche sind zu merken’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung. ‘Sechs berührsame Reiche sind zu merken’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die vierte Sechsheit.

»‘Sechs fühlsame Reiche sind zu merken’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt. ‘Sechs fühlsame Reiche sind zu merken’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die fünfte Sechsheit.

»‘Sechs durstsame Reiche sind zu merken’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt. ‘Sechs durstsame Reiche sind zu merken’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die sechste Sechsheit. –

»‘Das Auge ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Auge wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Das Auge ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst. – ‘Die Formen sind das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei den Formen wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Die Formen sind das Selbst’ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst. – ‘Das Sehbewusstsein ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Sehbewusstsein wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Das Sehbewusstsein ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst. – ‘Die Sehberührung ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei der Sehberührung wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Die Sehberührung ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst, ist die Sehberührung nicht das Selbst – ‘Das Gefühl ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Gefühle wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Das Gefühl ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst, ist die Sehberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst. – ‘Der Durst ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Durste wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Der Durst ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst, ist die Sehberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst, ist der Durst nicht das Selbst.

»‘Das Ohr ist das Selbst’ – ‘Die Nase ist das Selbst’ Chāndogyovaniṣat I,2, 2: te ha nāsikyaṃ prāṇam udgītham upāsāṃ cakrire. Etc. – Και καλως Ἡρακλειτος ειπεν, δοτι αἱ ψυχαι οσμωνται καθ' ᾁδην, Plutarchi De facie etc. cap. 28 i. f. – Faust v. 6473/78 (Der Hauch des Paris); ib. v. 8265 f. (Das Gruneln des Homunculus), und ebenso W. Ö. Div. I, 16, VIII, 28. In diesem Sinne möchte sich wohl auch der gandharvas, gandhabbo, der Δαιμων, Genius, Keimling – vergl. die 93. Rede gegen Ende – als Duftes lebendige Fühlung, ohne Ferne geflogen und gebannt, wirkend offenbaren: colla parte keine ganz ungehörige, recht artige Probe höherer indo-ārischer Physiologie. Bei uns von Gustav Jäger umfassend erneut.
Eine solche Anschauung, die bis zu einem gewissen Grade gültig ist, wird von Eckhart mit großer Besonnenheit mehrfach beleuchtet, z. B. p. 81 »diu sêle ist in eime ieklîchen gelide alzemâle«, p. 268 »diu sèle ist ganz und ungeteilt alzemâle in dem fuoze and in den ougen«, p. 397 »ist ganz in eime ieglîchen gelide, in den vingern, in den ougen, in dem herzen und in eime ieglîchem teil aller gelide grôzer und kleiner«, p. 537 »diu sèle ist an ir nâtûre alsô gestalt, wâ si iht ist, dâ ist si alzemâle, an ieglîchem lide ist si alzemâle, ont daz ist des schult, swâ der nâtûre iht ist, dâ ist si alzemâle«. Kant: »Ich bin ebenso unmittelbar in der Fingerspitze wie in dem Kopfe. Meine Seele ist ganz im ganzen Körper und ganz in jedem seiner Theile.« ed. Rosenkr. VII, 42.
– ‘Die Zunge ist das Selbst’ – ‘Der Leib ist das Selbst’ – ‘Der Geist ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Geiste wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Der Geist ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst. – ‘Die Gedanken sind das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei den Gedanken wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Die Gedanken sind das Selbst’ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst. – ‘Das Denkbewusstsein ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Denkbewusstsein wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Das Denkbewusstsein ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst. – ‘Die Denkberührung ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei der Denkberührung wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Die Denkberührung ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst, ist die Denkberührung nicht das Selbst. – ‘Das Gefühl ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Gefühle wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Das Gefühl ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst, ist die Denkberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst. – ‘Der Durst ist das Selbst’, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Durste wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‘Mein Selbst entsteht und vergeht’ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‘Der Durst ist das Selbst’ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst, ist die Denkberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst, ist der Durst nicht das Selbst.

»Das aber ist, ihr Mönche, der Pfad, der zur Entstehung der Persönlichkeit hinführt: ›Das Auge‹, sagt man sich, ›das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst.‹ ›Die Formen‹, sagt man sich, ›das Sehbewusstsein, die Sehberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst.‹ ›Das Ohr‹, sagt man sich, ›die Nase, die Zunge, der Leib, der Geist, die Gedanken, das Denkbewusstsein, die Denkberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst.‹

»Das aber ist, ihr Mönche, der Pfad, der zur Auflösung der Persönlichkeit hinführt: ›Das Auge‹, sagt man sich, ›das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ ›Die Formen‹, sagt man sich, ›das Sehbewusstsein, die Sehberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ ›Das Ohr‹, sagt man sich, ›die Nase, die Zunge, der Leib, der Geist, die Gedanken, das Denkbewusstsein, die Denkberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹

»Durch das Gesicht, ihr Mönche, und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man Freude, Befriedigung, Ergetzen daran, und begehrliche Anwandlung kommt einen an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man bekümmert, beklommen, man jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, geräth in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Überwindung nicht der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung nicht verleugnet, beim wehen Gefühle widerwillige Anwandlung nicht von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung nicht ausgetilgt, Unwissen nicht verloren, Wissen nicht erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist unmöglich.

»Durch das Gehör, ihr Mönche, und die Töne entsteht das Hörbewusstsein; durch den Geruch, ihr Mönche, und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein; durch den Geschmack, ihr Mönche, und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein; durch das Getast, ihr Mönche, und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein; durch das Gedenken, ihr Mönche, und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man Freude, Befriedigung, Ergetzen daran, und begehrliche Anwandlung kommt einen an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man bekümmert, beklommen, man jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, geräth in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Überwindung nicht der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung nicht verleugnet, beim wehen Gefühle widerwillige Anwandlung nicht von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung nicht ausgetilgt, Unwissen nicht verloren, Wissen nicht erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist unmöglich.

»Durch das Gesicht, ihr Mönche, und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man da keine Freude, keine Befriedigung, kein Ergetzen, und begehrliche Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man da nicht bekümmert, nicht beklommen, man jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, geräth nicht in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Überwindung der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen nicht an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung verleugnet, beim wehen Gefühle widerwillige Anwandlung von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung ausgetilgt, Unwissen verloren, Wissen erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist möglich.

»Durch das Gehör, ihr Mönche, und die Töne entsteht das Hörbewusstsein; durch den Geruch, ihr Mönche, und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein; durch den Geschmack, ihr Mönche, und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein; durch das Getast, ihr Mönche, und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein; durch das Gedenken, ihr Mönche, und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man da keine Freude, keine Befriedigung, kein Ergetzen, und begehrliche Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man da nicht bekümmert, nicht beklommen, man jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, geräth nicht in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Uberwindung der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen nicht an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung verleugnet, beim wehen Gefühle unwillige Anwandlung von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung ausgetilgt, Unwissen verloren, Wissen erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist möglich.

»Bei solcher Betrachtung, ihr Mönche, wird der erfahrene heilige Jünger des Auges überdrüssig, der Formen überdrüssig, des Sehbewusstseins überdrüssig, der Sehberührung überdrüssig, des Gefühles überdrüssig, des Durstes überdrüssig; er wird des Ohres, der Nase, der Zunge, des Leibes, des Geistes überdrüssig, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Tastungen, der Gedanken überdrüssig, des Hörbewusstseins, des Riechbewusstseins, des Schmeckbewusstseins, des Tastbewusstseins, des Denkbewusstseins überdrüssig, der Hörberührung, der Riechberührung, der Schmeckberührung, der Tastberührung, der Denkberührung überdrüssig, des Gefühles überdrüssig, des Durstes überdrüssig. Überdrüssig wendet er sich ab. Abgewandt löst er sich los. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.

Während aber diese Darlegung stattgefunden, hatte sich bei etwa sechzig Mönchen das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst. Wenn bei der 120. Rede in anderem Zusammenhange eine kantische Einführung empfohlen sein durfte, so wird hier als Vorschule das 1. – 2. Hauptstück des 2. Buches der transscendentalen Dialektik das Verständniss z. Th. erleichtern. Da kommt unser Ergebniss vom »Entstehn und Vergehn des Selbstes« bei der Kritik des 1. Paralogismus zustande: »Denn das Ich ist zwar in allen Gedanken; es ist aber mit dieser Vorstellung nicht die mindeste Anschauung verbunden, die es von anderen Gegenständen der Anschauung unterschiede. Man kan also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung bey allem Denken immer wiederum vorkömt, nicht aber, daß es eine stehende und bleibende Anschauung sey, worin die Gedanken (als wandelbar) wechselten. Hieraus folgt: daß der erste Vernunftschluß der transscendentalen Psychologie uns nur eine vermeintliche neue Einsicht aufhefte, indem er das beständige logische Subiect des Denkens vor die Erkentniß des realen Subiects der Inhärenz ausgiebt, von welchem wir nicht die mindeste Kentniß haben, noch haben können, weil das Bewustseyn das einzige ist, was alle Vorstellungen zu Gedanken macht, und worin mithin alle unsere Wahrnehmungen, als dem transscendentalen Subiecte, müssen angetroffen werden, und wir, außer dieser logischen Bedeutung des Ich, keine Kentniß von dem Subiecte an sich selbst haben, was diesem, so wie allen Gedanken, als Substratum zum Grunde liegt.« K. R. V., 1S. 350.


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