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1. Ich ging gestern mit Glaukon, dem Sohne des Ariston, in den Piräus hinab, sowohl um zu der GöttinUnter der Bezeichnung »die Göttin« ist hier nicht, wie gewöhnlich bei Bezugnahme auf attische Verhältnisse, Athene gemeint, sondern die thrakische Mondgöttin Bendis, welche i. J. 430 v. Chr. in den attischen Kultus aufgenommen wurde; das ihr geweihte Fest, die sog. Bendidien (s. am Schlusse dieses Buches), wurde im Piräus am 19. oder 20. des attischen Monates Thargelion gefeiert. Daß bei jener erstmaligen Festfeier auch Thrakier selbst sich betheiligten, welche offenbar zur Uebersiedlung des Kultus waren beigezogen worden, geht aus Plato's Worten selbst hervor. zu beten, als auch weil ich zugleich den Festzug anschauen wollte, auf welche Weise wohl sie ihn veranstalten würden, da sie ihn nemlich jetzt zum erstenmale aufführten. Schön nun schien mir zwar auch der Aufzug der Einheimischen zu sein, nicht weniger jedoch war offenbar jener sehr passend, welchen die Thrakier veranstalteten. Nachdem wir aber gebetet und zugeschaut hatten, gingen wir wieder fort gegen die Stadt zurück. Da sah uns nun, wie wir nach Hause zu aufgebrochen waren, von weitem Polemarchos, der Sohn des Kephalos, und hieß seinen Sklaven uns nacheilen und auffordern, auf ihn zu warten; und es ergriff mich der Sklave von hinten an dem Kleide und sagte: es heißt euch Polemarchos auf ihn warten. Und ich wendete mich um und fragte, wo jener selbst sei. – Hier hinter euch, sagte er, kömmt er heran; aber wartet nur auf ihn. – Gut, so wollen wir denn auf ihn warten, sagte Glaukon. – Und ein wenig später kam sowohl Polemarchos als auch Adeimantos, der Bruder des Glaukon und Nikeratos, der Sohn des Nikias, und einige Andere, eben wie von dem Festzuge her. Polemarchos nun sagte: O Sokrates, ihr scheint mir gegen die Stadt zu aufgebrochen zu sein, um wieder heimzugehen. – Nicht schlecht ja erräthst du es, sagte ich. – Siehst du also, erwiederte Jener, wie viele unser sind? – Warum sollte ich auch nicht? – Entweder demnach, sagte er, müßt ihr über uns Herr werden, oder ihr müßt hier bleiben. – Nicht wahr aber, sagte ich, Eins bleibt dabei noch übrig, der Fall nemlich, daß wir euch von der Nothwendigkeit überzeugen, uns willig fortzulassen. – Solltet ihr etwa gar, sagte er, uns hievon überzeugen können, wenn wir euch nicht anhören? – Dann sicher nicht, sagte Glaukon. – Stellt euch also, erwiederte er, die Sache nur so vor, als würden wir euch eben nicht anhören. – Und Adeimantos sagte: Wißt ihr also etwa nicht einmal, daß gegen Abend zu Ehren der Göttin ein Fackellauf zu Pferde sein wird? – Zu Pferde? sagte ich; das ist ja etwas ganz Neues; sie werden wohl Fackeln haben und dieselben der Reihe nach einander herumgeben, während sie mit den Pferden ein Kampfspiel aufführen, oder wie meinst du es sonst? – Eben so, sagte Polemarchos; und außerdem noch werden sie eine nächtliche Feier veranstalten, welche anzuschauen der Mühe werth ist; wir werden nemlich nach dem Abendessen uns wieder von demselben wegbegeben und der nächtlichen Feier zuschauen und dort selbst mit vielen jungen Männern beisammen sein und mit ihnen uns unterreden; aber bleibt ihr nur hier und thut es nicht anders. – Und Glaukon sagte: Es scheint wohl, daß wir bleiben müssen. – Wohlan also, sagte ich, wenn es so gut dünkt, müssen wir es wohl thun. –
2. Wir gingen also in das Haus des Polemarchos hinein und trafen dortselbst auch sowohl den Lysias als den Eythydemos, die Brüder des Polemarchos, und auch den Chalcedonier Thrasymachos und den Paianienser Charmantides und den Kleitophon, den Sohn des Aristonymos. Es war aber in dem Hause auch der Vater des Polemarchos, nemlich Kephalos, und es schien mir derselbe schon sehr alt zu sein; ich hatte ihn nemlich erst seit langer Zeit wieder einmal gesehen. Er saß aber da bekränzt auf einem mit einem Kopfkissen versehenen Stuhle; nemlich er hatte so eben vorher in dem Hofe des Hauses ein Opfer dargebracht. Wir setzten uns also neben ihn, denn es standen rings im Kreise einige Stühle dort. Sogleich nun, als Kephalos mich sah, liebkoste er mich und sagte: O Sokrates, du kömmst aber auch gar nicht häufig zu uns herab in den Piräus: und doch solltest du; wenn nemlich ich noch bei Kräften wäre, um leicht zur Stadt zu gehen, so brauchtest allerdings du nicht hieher zu kommen, sondern wir kämen dann zu dir; nun aber mußt du häufiger hieher kommen; denn wisse wohl, daß bei mir in eben dem Maße, als die leiblichen Vergnügungen schwächer werden, die Begierde nach begründenden Reden und die hierauf bezüglichen Vergnügungen zunehmen. Also thue es nicht anders, sondern pflege sowohl mit diesen Jünglingen da einen Umgang, als auch besuche uns hier als deine Freunde und dir völlig Verwandte. – Und in der That, o Kephalos, sagte ich, ich habe ja meine Freude daran, mit den sehr alten Männern mich zu unterreden; denn es scheint mir, als müßte von ihnen, welche gleichsam irgend einen Weg schon vorausgegangen sind, welchen auch wir vielleicht wandeln sollen, es erfahren, welcherlei Art derselbe sei, ob rauh und schwierig, oder ob leicht und gangbar; und so möchte ich denn auch von dir gerne erfahren, was dir, da du bereits in diesem hohen Alter stehst, denn jenes zu sein scheine, wovon die Dichter sagen, daß es »an der Schwelle des Greisenalters« sei; ob du es nemlich als einen schwierigen Theil des Lebens, oder wie sonst du es bezeichnest. –
3. Ich will, erwiederte er, bei Gott es dir sagen, o Sokrates, welcherlei es mir scheine. Es kommen nemlichDieß und das Folgende bis gegen das Ende des 5. Cap. gefiel dem Cicero so ausnehmend, daß er es theils wörtlich, theils in einem oberflächlichen Auszuge in seine Schrift de senectute einklebte, deren 3. Cap. hiemit zu den sprechenden Belegen dafür gehört, in welcher Art und Weise Cicero schriftstellerte. oft unser Einige, welche ungefähr das gleiche Alter haben, zusammen, indem wir hiemit das alte Sprüchwort bewahrenVerschiedene Wendungen des Sprüchwortes, welches bei uns lautet »Gleich und gleich gesellt sich gerne«, kommen bei den Alten vor, z. B. »der Altersgenosse erfreut den Altersgenossen«, oder »immer sitzt ein Rabe neben einem Raben« oder auch »Gleichen Gleiches«.; da jammern nun die meisten von uns, wenn wir beisammen sind, indem sie nach den in der Jugend genossenen Vergnügungen ein Verlangen haben und sich an dieselben zurückerinnern, sowohl betreffs des Liebesgenusses und der Trinkgelage und Schmausereien, als auch betreffs irgend anderer Dinge, welche an Derartiges sich knüpfen, und sie fühlen sich gedrückt, als wären sie irgend großer Dinge beraubt, und als wäre es wohl damals ein gutes Leben gewesen, jetzt aber nicht einmal mehr ein Leben; Einige aber beklagen auch die Beschimpfungen des Greisenalters von Seite ihrer Angehörigen, und singen darauf hin stets das Lied über das Greisenalter, an wie vielen Uebeln es für sie Schuld sei. Mir aber, o Sokrates, scheinen diese nicht dasjenige als Ursache anzugeben, was die Ursache ist; denn wenn dieses die Ursache wäre, so würde auch mir eben dieß Nemliche von wegen des Greisenalters widerfahren, und auch sämmtlichen Uebrigen, welche in diesem hohen Alter stehen; nun aber traf ich wenigstens bereits sowohl Andere, welche nicht so sich verhielten, als auch war ich einmal bei dem Dichter Sophokles, wie er eben von Jemandem folgendermaßen gefragt wurde: Wie steht es bei dir, o Sophokles, in Bezug auf den Liebesgenuß? Bist du noch im Stande, einem Weibe beizuwohnen? Und Jener antwortete: Sprich, o Mensch, nichts Frevelhaftes; höchst gerne ja bin ich doch solchem entflohen, gleichsam wie irgend einem wüthenden und wilden Gebieter. Sehr richtig also schien mir sowohl damals Jener dieses gesagt zu haben, als auch jetzt scheint es mir nicht weniger richtig zu sein; denn ganz und gar ja entsteht in dem Greisenalter bezüglich derartiger Dinge viel Friede und Freiheit; nemlich wann die Begierden uns zu spannen aufgehört und überhaupt nachgelassen haben, entsteht ganz und gar jenes, was Sophokles sagte: es ist nemlich möglich, von sehr vielen rasenden Gebietern los zu sein. Aber sowohl betreffs dieser Dinge als auch betreffs des Verhältnisses zu den Angehörigen gibt es irgendeine Ursache, und zwar ist diese nicht das Greisenalter, o Sokrates, sondern der Charakter der Menschen; wann sie nemlich ordentlich und zufrieden sind, ist auch das Greisenalter nur in mäßigem Grade lästig; wann aber nicht, dann, o Sokrates, ergibt sich für einen Derartigen sowohl das Greisenalter als auch die Jugend als etwas Schwieriges. –
4. Und ich nun freute mich über ihn, wie er dieses sagte, und indem ich den Wunsch hatte, daß er noch ferner spreche, suchte ich ihn hiezu zu veranlassen und sagte: Ich glaube, o Kephalos, daß die Meisten, wann du solches sagst, es nicht willig von dir annehmen, sondern der Ansicht sind, daß wohl du das Greisenalter leicht ertragest, nicht wegen deines Charakters, sondern weil du großes Vermögen besitzest, denn von den Reichen sagt man, daß sie gar viele Beschwichtigungsmittel haben. – Du sprichst wahr, erwiderte er; sie werden es wenigstens nicht willig annehmen, und sie bringen allerdings ihrerseits etwas vor, aber nicht so Bedeutendes, als sie glauben, sondern das Wort des Themistokles ist ganz richtig, welcher jenem SeriphierDie Bewohner von Seriphus, einer der cycladischen Inseln, scheinen überhaupt schon zur Zeit des Aristophanes (s. dessen Acharn. V. 516) wegen der Unbedeutendheit ihres Ländchens zur Zielscheibe des Spottes geworden zu sein; warum eigentlich, wissen wir nicht; denn die Insel war wohl unfruchtbar, aber besaß sehr bedeutende Bergwerke; auch hielten sich die Seriphier in den Perserkriegen höchst wacker. auf die Schmähung, daß er nicht wegen seiner selbst, sondern nur wegen seiner Vaterstadt ein berühmter Mann sei, antwortete, daß weder er selbst, wenn er ein Seriphier wäre, einen Namen bekommen hätte, noch Jener, wenn er ein Athener wäre. Auch für diejenigen denn nun, welche nicht reich sind, ihr Greisenalter aber schwer ertragen, ist eben der nemliche Ausspruch ganz richtig, daß weder der Süchtige gar leicht das Greisenalter verbunden mit Armuth ertragen dürfte, noch der Untüchtige, wenn er reich geworden, je in sich selbst zufrieden sein wird. – Hast du aber, o Kephalos, sagte ich, von demjenigen, was du besitzest, den größeren Theil schon überkommen oder ihn erst selbst erworben? – Was ich selbst erworben habe, sagte er, frägst du, o Sokrates? So ziemlich in der Mitte stehe ich bezüglich der Geldgeschäfte zwischen meinem Großvater und meinem Vater; mein Großvater nemlich, welcher ebenso hieß wie ich, hat ungefähr das gleiche Vermögen, welches ich jetzt besitze, überkommen, es aber dann vielmal so groß gemacht, als es war; hingegen Lysanias mein Vater machte es noch kleiner als das jetzige ist; ich aber bin es zufrieden, wenn ich es diesen da nicht kleiner hinterlasse, sondern um irgend ein Weniges größer, als ich es überkommen. – Weshalb aber ich dich fragte, sagte ich, liegt darin, weil es mir schien, als schätzest du das Geld nicht sehr außerordentlich; so machen es aber meistens jene, welche es nicht selbst erworben haben, hingegen diejenigen, welche es erwarben, lieben es doppelt so sehr als die Uebrigen; sowie nemlich die Dichter ihre Dichtwerke und die Väter ihre Kinder schätzen, so wenden diejenigen, welche sich Geld gemacht haben, sowohl in dieser Beziehung ihren Eifer auf das Geld als ihr eigenes Werk, als auch gemäß dem Bedürfnisse in der nemlichen Beziehung wie auch die Uebrigen. Schwierig ist daher mit ihnen umzugehen, weil sie nichts Anderes, als nur den Reichthum preisen wollen. – Da sprichst du wahr, sagte er. –
5. Allerdings wohl, erwiederte ich. Aber sage mir auch noch Folgendes: Welches ist das größte Gut, das du von dem Besitze eines großen Vermögens genossen zu haben glaubst? – Etwas, antwortete er, wovon ich vielleicht nicht Viele überzeugen könnte, wenn ich es ausspreche. Du weißt nemlich wohl, o Sokrates, daß wenn Jemand nahe daran ist, den bevorstehenden Tod zu erwarten, ihn Furcht und Bedenken über Dinge beschleichen, über welche sie ihn vorher nie beschlichen; denn sowohl die über die Verhältnisse im Hades allgemein verbreiteten Sagen, daß, wer hier Unrecht gethan, dort bestraft werde, über welche er bis dahin gelacht hatte, bringen dann nun in seiner Seele eine Wendung hervor, ob sie nicht vielleicht doch wahr seien, als auch er selbst sieht, entweder in Folge der Schwäche des Greisenalters, oder weil er gleichsam dem dortigen schon näher ist, diese Dinge irgend in höherem GradeAm Schlusse des ganzen Werkes (nemlich B. X, Cap. 13) kehrt Plato auf diesen Punkt wieder zurück. Es hatte das Gespräch mit dem greisen Kephalos jetzt zur Erwähnung jener Belohnung oder Bestrafung geführt, welche dem gerechten oder ungerechten Leben im Jenseits nachfolgt; und nachdem diese Wendung des Gespräches in dem Munde eines Mannes, welcher selbst schon an der Grenze des Lebens steht, nahe genug gelegen war, ist es nun der eigenthümlichen Gesprächsweise des Sokrates völlig angepaßt, wenn derselbe einen einzelnen sich ergebenden Punkt aufgreift, um ihn der umfassenden begrifflichen Erörterung zu unterwerfen (vgl. m. Anm. 37 z. Gastmahl und Anm. 59 z. Phädrus). Somit dreht sich nun alsbald die Unterredung um den Begriff der Gerechtigkeit, und im Munde des Sokrates entfaltet sich diese Erörterung zur Lehre vom Staate; jene Wirkung aber des Gerechten und Ungerechten, welche sich über dieses Leben hinaus erstreckt, bildet wieder den Abschluß der gesammten Untersuchung.; von Besorgniß aber und Furcht wird er hiemit erfüllt, und er rechnet bereits zurück und erwägt, ob er Jemandem irgend Unrecht gethan habe. Derjenige also, welcher in seinem eigenen Leben vieles Unrecht findet, ist, indem er auch aus dem Schlafe, wie die Kinder, häufig erwacht, stets in Furcht und führt sein Leben mit schlimmer Erwartung; jenem hingegen, welcher sich nichts Ungerechtes bewußt ist, steht immer eine freudige und gute Erwartung zur Seite als Pflegerin seines Alters, wie auch PindarDie hier folgenden Worte Pindar's sind ein uns weiter nicht bekanntes Fragment (s. in Böckh's Ausg. IV, S. 672); auf metrische Uebersetzung derselben verzichtete ich gerne, da es sich hier mehr um den wörtlichen Sinn, als um die Versform handeln dürfte. sich ausdrückt; nemlich gar zierlich ja, o Sokrates, hat jener es ausgesprochen, daß, wer gerecht und heilig sein Leben geführt hat,
»diesem eine süße Erwartung, sein Herz aufnährend, als Pflegerin des Greisenalters das Geleit gibt, welche auch zumeist den vielbewegten Sinn der Sterblichen lenkt;« –
trefflich also sagt er dieß, wirklich in staunenswertem Grade. Im Hinblicke auf dieses demnach stelle ich die Behauptung auf, daß der Geldbesitz sehr viel werth sei, nicht jedoch für jedweden Mann, sondern nur für den tüchtigen; nemlich um auch nicht unfreiwillig Jemanden zu täuschen oder zu belügen, und um auch hinwiederum nicht in Furcht wegen einer Schuld, sei es an irgend Opfern gegen einen Gott oder sei es an Geld gegen einen Menschen, dorthin dann abzugehen, trägt der Geldbesitz gewiß einen großen Theil bei; derselbe hat aber auch andere vielfache Anwendungen; hingegen ja Eins gegen Eins gerechnet wäre eben jenes wenigstens nicht das unbedeutendste, bezüglich dessen ich für einen verständigen Mann, o Sokrates, den Reichthum als das nützlichste aufstellen möchte. – Sehr richtig, sagte ich, sprichst du, o Kephalos. Aber was eben dieses, nemlich die Gerechtigkeit, betrifft, sollen wir etwa in Wahrheit sagen, daß sie schlechthin gerade darin bestehe, Etwas wieder zu erstatten, wenn man es von Jemandem bekommen hat, oder kann man wohl auch selbst dieses bald in gerechter bald in ungerechter Weise thun? wie z. B. ich meine Folgendes: ein Jeder würde doch wohl sagen, daß, wenn Jemand von einem befreundeten, völlig bei Sinnen seienden Manne Waffen bekommen hat, er dieselben, falls jener im Zustande des Wahnsinnes sie zurückfordern würde, weder zurückerstatten solle, noch auch es gerecht wäre, sie zurückzuerstatten oder hinwiederum gegen den in einem solchen Zustande befindlichen die ganze Wahrheit sagen zu wollen. – Du hast Recht, sagte er. – Nicht also ist dieses die Begriffsbestimmung der Gerechtigkeit, daß man sowohl die Wahrheit sage, als auch zurückerstatte, was man bekommen hat.
Allerdings doch wohl, o Sokrates, sagte Polemarchos in die Rede fallend, woferne man wenigstens irgend dem SimonidesEinzelne sittliche Kernsprüche, welche in den lyrischen und elegischen Werken des bekannten Dichters Simonides von Keos (geb. 559 v. Chr., gest. 469) enthalten waren, werden öfters von Plato als Anfangspunkt begrifflicher Erörterungen benützt. glauben soll. – Und in der That ja auch, sagte Kephalos, überlasse ich euch hiemit die Fortsetzung der Unterredung, denn bereits ist es Zeit, daß ich meine Opfer besorge. – Nicht wahr also, sagte ich, Polemarchos ist der Erbe des deinigen? – Ja wohl, sagte jener lachend, und zugleich ging er fort zu seinen OpfernSehr einfältig ist es, wenn Cicero (ad Att. IV, 16, 3) als Grund des Zurücktretens des Kephalos aus dem Gespräche angibt, daß Plato es für unpassend gehalten habe, einen so bejahrten Mann in einem so langdauernden Gespräche als mitredend beizubehalten. Wer aber von der Einrichtung eines sokratischen Gespräches schlechterdings Nichts versteht, und nicht einmal bemerkt, daß der greise Kephalos von Plato nur dazu benützt ist, um an ein erfahrungsreiches und langdauerndes Leben die Erwähnung des Begriffes eines gerechten Lebens zu knüpfen (s. oben Anm. 7), würde jedenfalls besser thun, über solche Dinge ganz zu schweigen.. –
6. So sprich denn nun, sagte ich, du Erbe der Unterredung, von welchem Ausspruche des Simonides betreffs der Gerechtigkeit behauptest du, daß er richtig sei? –»Daß«, erwiederte jener, »das Zurückerstatten des einem Jeden geschuldeten gerecht ist«, – mit diesem Ausspruche scheint er mir wenigstens Recht zu haben. – Aber allerdings ja, sagte ich, ist es nicht leicht, gegen einen Simonides ungläubig zu sein; denn weise und göttlich ist dieser Mann. Jedoch eben jenes, was er hiemit sagen wolle, erkennst vielleicht du, o Polemarchos, ich hingegen verstehe es nicht; denn klar ist, daß er nicht dasjenige meint, wovon wir so eben sprachen, daß man, wenn Jemand Etwas zur Aufbewahrung übergeben hat, man es Jedwedem, welcher auch nicht bei voller Besinnung es zurückfordert, zurückerstatten solle; und doch ist ja wohl, was er zur Aufbewahrung übergab, ein Geschuldetes; oder wie? – Ja gewiß. – Zurückzuerstatten aber ist es ja auch in keinerlei Weise, wenn Jemand nicht bei voller Besinnung es zurückfordert? – Dieß ist wahr, sagte er. – Irgend etwas Anderes demnach als das derartige meint, wie es scheint, Simonides unter dem Ausspruche, daß gerecht sei, das Geschuldete zurückzuerstatten. – Ja wahrlich bei Gott etwas Anderes, erwiederte er; er meint nemlich, die Freunde seien den Freunden schuldig, ihnen etwas Gutes zu thun, aber nichts Schlimmes. – Ich verstehe es nun, sagte ich, daß hiebei nicht derjenige das Geschuldete zurückerstattet, welcher Jemandem das zur Aufbewahrung übergebene Gold zurückerstattet, wann nemlich die Zurückerstattung und das Zurückerhalten schädlich ist und beide, nemlich der Zurückerhaltende und der Zurückerstattende, einander befreundet sind. Sagst du nicht, daß so es Simonides meine? – Ja wohl, allerdings. – Was aber nun? Müssen wir den Feinden zurückerstatten, was ihnen eben geschuldet wird? – Ja wohl durchaus, erwiederte er, nemlich eben, was man ihnen schuldet; geschuldet aber wird ja, glaube ich, dem Feinde von dem Feinde, was denselben auch gebührt, nemlich irgend Schlimmes. –
7. In einem Räthsel also, sagte ich, hat, wie es scheint, Simonides in dichterischer Weise angedeutet, was das Gerechte sei; nemlich er hatte dabei, wie sich nun zeigt, in Gedanken, daß das Zurückerstatten des einem Jeden Gebührenden gerecht sei, dieß letztere aber nannte er das Geschuldete. – Aber was meinst du hiemit? sagte er. – Bei Gott, erwiederte ich, wenn ihn also Jemand folgendermaßen fragen würde: Höre Simonides, wem und welches Geschuldete oder Gebührende muß denn nun eine Kunst erstatten, um Arzneikunst genannt zu werden? was glaubst du, daß er uns da wohl antworten würde? – Klärlich, sagte er, ist es jene Kunst, welche den Körpern sowohl Arzneien als auch Speisen und Getränke erstattet. – Wem aber und welches Geschuldete oder Gebührende muß eine Kunst erstatten, um Kochkunst genannt zu werden? – Es ist jene, welche den Speisen die Gewürze erstattet. – Weiter; wem und was muß eine Kunst erstatten, um etwa Gerechtigkeit genannt zu werden? – Wenn ich irgend, o Sokrates, sagte er, dem vorher Gesagten folgen soll, so ist dieß jene, welche den Freunden und den Feinden Nutzen und Schaden erstattet. – Den Freunden also Gutes zu thun und den Feinden Schlimmes, nennt er hiemit Gerechtigkeit? – So scheint es mir. – Wer nun hat die meiste Fähigkeit, den darniederliegenden Freunden Gutes und den Feinden Schlimmes zu thun in Bezug auf Krankheit und Gesundheit? – Der Arzt. – Wer aber den zur See fahrenden in Bezug auf die Gefahren des Meeres? – Der Steuermann. – Was aber nun? Bei welchem Thun und in Bezug auf welches Ding hat der Gerechte die meiste Fähigkeit, den Freunden zu nützen und den Feinden zu schaden? – In der gegenseitigen Kriegführung und Bundesgenossenschaft, scheint mir wenigstens. – Weiter; aber nun ja, wenn sie nicht krank sind, dann, o lieber Polemarchos, ist ihnen der Arzt unnütz. – Ja wahrlich. – Und wenn sie nicht zur See fahren, dann wohl der Steuermann? – Ja. – Also ist wohl auch denjenigen, welche nicht Krieg führen, der Gerechte unnütz? – Dieß scheint mir nicht völlig so. – Also nützlich ist auch im Frieden die Gerechtigkeit? – Ja, nützlich. – Denn es ist dieß ja auch die Landbaukunde, oder nicht? – Ja. – Neulich ja zum Besitze der Feldfrucht? – Ja. – Und doch wohl nun auch die Kunst des Schusters? – Ja. – Nemlich ja zum Besitze der Schuhe, würdest du doch wohl, glaube ich, sagen? – Ja, allerdings. – Was aber nun weiter? zu wessen Gebrauch oder Besitz würdest du die Gerechtigkeit als etwas im Frieden Nützliches bezeichnen? – In Bezug auf den Geschäftsverkehr, o Sokrates – Unter Geschäftsverkehr aber verstehst du irgend eine Theilnehmerschaft oder sonst Etwas? – Nun gut, eine Theilnehmerschaft. – Wird also nun der Gerechte ein guter und nützlicher Theilnehmer beim Brettspiele in Bezug auf Anordnung der Spielsteine sein, oder derjenige, welcher das Brettspiel versteht? – Jener, welcher das Brettspiel versteht. – Aber in Bezug auf Anordnung der Backsteine und Bruchsteine, wird da der Gerechte ein nützlicherer und besserer Theilnehmer sein als der Baumeister? – Keinenfalls. – Aber zu welcher Theilnahme denn nun ist der Gerechte ein besserer Theilnehmer, als etwa der Citherspieler, sowie nemlich der Citherspieler zum Anschlagen der Saiten ein besserer ist als der Gerechte? – Zur Theilnahme am Gelde, scheint mir wenigstens. – Ja, nur vielleicht eben, o Polemarchos, nicht zur Verwendung des Geldes, wann man um Geld gemeinschaftlich ein Pferd kaufen oder verkaufen soll; denn dann ist, wie ich wenigstens glaube, der Pferdekundige der bessere; oder wie? – Ja, so zeigt sich's. – Und nun aber, wann ein Fahrzeug, dann ist es der Schiffbauer oder der Steuermann? – Es scheint so. – Also bei welcher gemeinschaftlicher Verwendung des Silbers oder des Goldes ist der Gerechte nützlicher als die Uebrigen? – Wann man es zur Aufbewahrung übergeben und unversehrt wissen will, o Sokrates. – Nicht wahr, also du meinst hiemit, wann man es zu weiter Nichts verwenden, sondern dasselbe ruhig liegen lassen soll? – Ja allerdings. – Also wann das Geld unnütz ist, dann ist in Bezug auf dasselbe die Gerechtigkeit nützlich? – Es kömmt darauf hinaus. – Und demnach, wenn man eine Hippe aufbewahren soll, dann ist die Gerechtigkeit sowohl bezüglich der Theilnahme als auch für den Einzelnen nützlich; hingegen wann man sie verwenden soll, ist die Kunst des Weinbauers nützlich? – Ja, so zeigt sich's. – Du wirst aber auch behaupten, daß wann man einen Schild und eine Leyer aufbewahren und zu Nichts verwenden soll, die Gerechtigkeit nützlich sei; wann man sie hingegen verwenden soll, die Kunst des Kriegers und die Tonkunst? – Ja, nothwendig. – Also auch bei dem sämmtlichen Uebrigen demnach ist die Gerechtigkeit für die Verwendung eines jeden einzelnen Dinges unnütz, für die Nutzlosigkeit desselben aber nützlich? – Es kömmt darauf hinaus. –
8. Also wohl nichts sehr Vorzügliches, mein Freund, dürfte ja die Gerechtigkeit sein, woferne sie eben für das Unnütze nützlich ist. Dieß aber wollen wir erwägen. Hat nicht derjenige, welcher in einem Kampfe, sei es in dem Faustkampfe oder in irgend einem anderen, die größte Gewandtheit hat, einen Streich zu führen, zugleich auch die größte, sich vor einem Streiche zu bewahren? – Ja, allerdings. – Wird also auch derjenige, welcher gewandt darin ist, sich vor einer Krankheit zu bewahren und sie nicht über sich kommen zu lassen, die größte Gewandtheit haben, sie einem Anderen einzupflanzen? – Ja, so scheint es mir wenigstens. – Nun aber ist ja auch der Nemliche ein guter Wächter eines Heerlagers, welcher auch die Gewandtheit hat, die Rathschläge und das übrige Thun der Feinde zu erlauschen. – Ja, allerdings. – Also worin Jemand ein gewandter Wächter ist, in dem nemlichen ist er auch ein gewandter Schalk. – So scheint es. – Wenn also der Gerechte gewandt ist im Aufbewahren des Geldes, so ist er auch gewandt im Stehlen. – Unsere Begründung wenigstens, sagte er, deutet solches an. – Als ein Dieb also hat sich der Gerechte, wie es scheint, erwiesen, und es kömmt wohl darauf hinaus, daß du dieß von Homer gelernt hast, denn auch dieser ist mit Autolykos, dem mütterlichen Großvater des Odysseus, sehr zufrieden und sagt, »er habe alle Menschen übertroffen an Diebssinn und Meineid«Odyss. XIX, V. 395.; es scheint also die Gerechtigkeit sowohl nach deiner als auch nach Homers und des Simonides Ansicht eine Diebskunst zu sein, jedoch nur zum Nutzen der Freunde und zum Nachtheile der Feinde. Meintest du es nicht so? – Nein, bei Gott nicht, erwiederte er, sondern ich weiß eigentlich nicht mehr, was ich meinte; jedoch die Ansicht habe ich auch jetzt noch, daß die Gerechtigkeit den Freunden nütze, den Feinden aber schade. – Verstehst du aber dabei unter den Freunden diejenigen, welche einem Jeden wacker zu sein scheinen, oder jene, welche es wirklich sind, wenn sie es auch nicht scheinen, und ebenso unter den Feinden? – Wahrscheinlich ist es so, erwiederte er, daß Jemand jene, welche er für wacker hält, liebt, diejenigen hingegen haßt, welche er für schlechte hält. – Irren sich aber etwa die Menschen nicht in diesem Betreffe, so daß ihnen Viele wacker zu sein scheinen, während sie es nicht sind, und viele auch wieder gegentheilig? – Ja, sie irren sich. – Für diese also sind die Guten Feinde, die Schlechten aber Freunde. – Ja, allerdings. – Aber dennoch ist es dann eben für diese gerecht, den Schlechten zu nützen, den Guten aber zu schaden. – Ja, so zeigt sich's. – Nun aber sind ja die Guten gerecht und derartige, daß sie nicht Unrecht thun. – Dieß ist wahr. – Nach deiner Angabe demnach ist es gerecht, denjenigen, welche kein Unrecht verüben, Schlimmes zu thun. – Nein, keineswegs, o Sokrates, sagte er; nemlich meine Angabe scheint eine schlechte zu sein. – Also den Ungerechten zu schaden, sagte ich, ist gerecht, und den Gerechten zu nützen. – Diese Angabe scheint richtiger zu sein, als jene. – Für Viele also, o Polemarchos, nemlich für alle jene, welche sich an den Menschen geirrt haben, wird es sich ergeben, daß es gerecht sei, den Freunden zu schaden, denn diese sind für sie schlecht, und hingegen den Feinden zu nützen, denn sie sind für sie gut; und auf diese Weise werden wir gerade das Gegentheil von demjenigen sagen, was nach unserer Behauptung Simonides aussprach. – Und zwar in hohem Grade, sagte er, ergibt sich dieß. Aber laß uns die Sache anders stellen, denn es kömmt darauf hinaus, daß wir den Begriff des Freundes und Feindes nicht richtig gestellt haben. – Bei welcher Aufstellung des Begriffes, o Polemarchos? – Daß derjenige Freund sei, welcher wacker zu sein scheine. – Wie aber wollen wir, sagte ich, ihn jetzt anders stellen? – Daß derjenige Freund sei, erwiederte er, welcher sowohl wacker zu sein scheint als auch es ist, hingegen jener, welcher es bloß zu sein scheint, aber nicht ist, bloß ein Freund scheine, nicht aber es sei; und betreffs des Feindes nun die nemliche Aufstellung. – Freund demnach wird, wie es scheint, nach dieser Angabe der Gute sein, Feind aber der Schlechte. – Ja. – Du heißest uns also, zu dem Gerechten Etwas hinzuzufügen im Vergleiche mit jenem, was wir zuerst sagten, als wir angaben, gerecht sei, dem Freunde Gutes zu thun, dem Feinde aber Schlimmes; außer diesem also es jetzt folgendermaßen anzugeben, daß es gerecht sei, dem Freunde als einem Guten Gutes zu thun, dem Feinde aber als einem Schlechten zu schaden? – Allerdings nun, sagte er, scheint es mir auf diese Weise wohl richtig angegeben zu sein. –
9. Ist es also wirklich, sagte ich, Sache eines gerechten Mannes, irgend Einem unter den Menschen zu schaden? – Ja, allerdings, sagte er, wenigstens den Schlechten und den Feinden soll man ja schaden. – Werden aber durch Schaden die Pferde besser oder schlechter? – Schlechter. – Etwa bezüglich der Vortrefflichkeit eines Hundes oder bezüglich jener eines Pferdes? – Bezüglich jener eines Pferdes. – Werden also auch Hunde durch Schaden schlechter bezüglich der Vortrefflichkeit eines Hundes und nicht bezüglich jener eines Pferdes? – Nothwendig. – Sollen wir aber nun von Menschen, mein Freund, nicht ebenso sagen, daß sie durch Schaden bezüglich der menschlichen Vortrefflichkeit schlechter werden? – Ja, allerdings wohl. – Aber die Gerechtigkeit, ist sie nicht eine menschliche Vortrefflichkeit? – Auch dieß muß nothwendig so sein. – Müssen also nothwendig, mein Freund, auch diejenigen unter den Menschen, welchen wir schaden, hiedurch ungerechtere werden? – Ja, so scheint es. – Können also etwa vermittelst der Tonkunst die Tonkundigen Jemanden zu einem in der Tonkunst Ungebildeten machen? – Dieß ist unmöglich. – Aber etwa vermittelst der Reitkunst die Reitkundigen Jemanden zu einem in der Reitkunst Ungebildeten? – Es ist nicht möglich. – Aber etwa vermittelst der Gerechtigkeit die Gerechten Jemanden zu einem Ungerechten, oder auch überhaupt vermittelst der Vortrefflichkeit die Guten Jemanden zu einem Schlechten? – Dieß ist ja unmöglich. – Nicht nemlich ist es das Werk der Wärme, glaube ich, kalt zu machen, sondern das ihres Gegentheiles. – Ja. – Und nicht Werk der Trockenheit, feucht zu machen, sondern das ihres Gegentheiles. – Ja wohl. – Und demnach auch nicht Werk des Guten, zu schaden, sondern das seines Gegentheiles. – Ja, so zeigt sich's. – Aber der Gerechte ja ist gut? – Ja wohl. – Nicht also, o Polemarchos, ist es Werk des Gerechten, zu schaden, sei es dem Freunde oder sei es irgend einem Anderen, sondern Werk seines Gegentheiles, nemlich des Ungerechten. – Ganz und gar, sagte er, scheinst du mir wahr zu sprechen, o Sokrates. – Wenn also Jemand behauptet, gerecht sei, das einem Jeden Geschuldete zu erstatten, ihm aber hiebei dieß den Sinn hat, daß von Seite des gerechten Mannes den Feinden Schaden geschuldet werde und den Freunden Nutzen, so war derjenige, welcher so sprach, nicht weise; denn nicht das Wahre gab er an; es zeigte sich nemlich uns, daß es in keiner Weise gerecht sei, irgend Jemandem zu schaden. – Ich gestehe es zu, sagte jener. – Werden also, sagte ich, wir beide, nemlich ich und du, gemeinschaftlich dagegen kämpfen, falls Jemand behaupten würde, es habe jenes entweder Simonides oder Bias oder Pittakos oder irgend ein Anderer unter den weisen und gepriesenen Männern gesagt? – Ja, ich wenigstens, erwiderte er, bin bereit, bei dem Kampfe dein Theilnehmer zu sein. – Aber weißt du, sagte ich, von wem jenes Wort mir zu sein scheint, wenn man nemlich behauptet, gerecht sei, den Freunden zu nützen und den Feinden zu schaden? – Von wem nemlich? sagte er. – Ich glaube, es sei von Periander oder von Perdikkas oder von Xerxes oder von dem Thebaner Ismenias oder von irgend einem anderen sich mächtig dünkenden reichen ManneUnter den hier Genannten wird zwar Periander, der Beherrscher von Korinth, zuweilen gleichfalls den sieben Weisen beigezählt, zu welchen die oben angeführten Bias und Pittakos gehören (s. m. Uebers. d. gr. Phil. S. 11); hingegen einerseits verwahrt sich Plato anderswo (im Protagoras Cap. 28) ausdrücklich dagegen, jenen Periander unter die Weisen zu zählen, und andrerseits wird einstimmig berichtet, daß derselbe wenigstens in seiner späteren Regierungszeit sich nur als rohen und blutdürstigen Tyrannen zeigte. Perdikkas, König von Makedonien (der Vater des Archelaos), ist hier jedenfalls wegen seines feindlichen und treulosen Benehmens erwähnt, welches er schon zu Anfang des peloponnesischen Krieges gegen Athen zeigte. Ismenias, welcher das Vermögen des Tyrannen Polykrates an sich gebracht hatte und durch Reichthum zu hoher Macht gestiegen war, erscheint besonders in den Verhältnissen, in welchen seine Vaterstadt Theben zum spartanischen Staate und zu Tithraustes, dem Nachfolger des Tissaphernes stand, als ein ehrloser und bestechlicher Mensch; er wurde bei Besetzung der Kadmea durch die Lakedämonier (i. J. 382 v. Chr.) getödtet.. – Völlig wahr sprichst du, sagte er. – Weiter, sprach ich; nachdem aber auch als dieses sich uns die Gerechtigkeit oder das Gerechte nicht erwiesen hat, was denn Anderes könnte wohl Jemand sagen, daß sie sei?